ASVG §4 Abs1
ASVG §4 Abs2
ASVG §4 Abs4
B-VG Art133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:L511.2164428.1.00
Spruch:
L511 2164428–1/28E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a JICHA als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch QUINTAX gerlich-fischer-kopp steuerberatungsgembh, gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse (nunmehr Österreichische Gesundheitskasse) vom 10.05.2017, GZ XXXX , zu Recht (mitbeteiligte Partei XXXX ):
A)
In Erledigung und teilweiser Stattgabe der Beschwerde wird festgestellt, dass XXXX aufgrund der für die XXXX in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit ausgeübten entgeltlichen Tätigkeit am 24.07.2012 und am 29.07.2012 (anstelle von „von 24.07.2012 bis 29.07.2012“) sowie von 01.01.2013 bis 13.07.2014 als Dienstnehmer der XXXX der Pflichtversicherung in der Vollversicherung (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) gemäß § 4 Abs. 1 und 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs. 1 lit.a AlVG unterlag.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und Verfahrensinhalt
1. Verfahren vor der Gebietskrankenkasse [GKK]
1.1. Im Betrieb der beschwerdeführenden Partei [im Folgenden auch: M GmbH; M] wurde ab Mai 2014 hinsichtlich des Prüfzeitraumes 01.01.2010 bis 31.12.2014 eine gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben [GPLA] durchgeführt (3/20-27).
1.2. In der Folge stellte die Salzburger Gebietskrankenkasse [SGKK] mit Versicherungspflichtbescheid [VPFL-B] vom 10.05.2017, Zahl: XXXX , fest, dass XXXX [im Folgenden auch Mitbeteiligter, RS] aufgrund der für die M GmbH in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit ausgeübten entgeltlichen Tätigkeit von 24.07.2012 bis 29.07.2012 und von 01.01.2013 bis 13.07.2014 als Dienstnehmer der Pflichtversicherung in der Vollversicherung (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) gemäß § 4 Abs. 1 und 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs. 1 lit.a AlVG unterlegen sei.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, RS sei für die M als Koch tätig gewesen. Die M sei (ua) Arbeitskräfteüberlasser und habe RS am 24.07.2012 und am 29.07.2012 jeweils unterschiedlichen Beschäftigern überlassen. Von 01.01.2013-13.07.2014 sei RS an XXXX [MH] als Betriebsinhaber der XXXX [Z] bzw. an die XXXX GmbH [Z GmbH] überlassen worden. Im betroffenen Zeitraum sei RS ausschließlich für die M tätig gewesen und habe nur an diese Rechnungen gestellt. Die Entlohnung sei mit dem Überlasser M vereinbart gewesen, die Arbeitszeiten vom Beschäftiger vorgegeben gewesen. RS habe an 5 Tagen pro Woche für den Beschäftiger gearbeitet, an 2 Tagen habe der Betrieb des Beschäftigers geschlossen gehabt. Die Arbeitszeiten seien an die Öffnungszeiten des Beschäftigers gebunden gewesen und habe 5x 12,5 h betragen.
1.3. Mit Beitragsnachverrechnungsbescheid [BPFL-B] vom 10.05.2017, Zahl: GZ XXXX , verpflichtete die SGKK die M GmbH die mit Beitragsabrechnung vom 27.10.2016 nachverrechneten Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von [idHv] EUR 38.204,42 (Spruchpunkt 1.) sowie Verzugszinsen gemäß § 59 Abs. 1 ASVG idHv EUR 19.833,31 (Spruchpunkt 2.) an die SGKK zu entrichten.
1.4. Mit Schreiben vom 22.05.2017 erhob die M GmbH gegen beide Bescheide fristgerecht Beschwerde [Bsw].
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, RS sei selbständiger Koch gewesen, trete als selbständiger Unternehmer auf und wickle seine Aufträge selbständig ab. Es sei keine Arbeitsüberlassung vorgelegen, da keine diesbezüglichen Verträge vorgelegen seien. Die M GmbH habe lediglich als Verrechnungsstelle fungiert.
1.5. Der Mitbeteiligte erhob gegen den VPFL-B keine Beschwerde.
2. Die SGKK legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 14.07.2017 die Beschwerden samt nichtdurchnummerierten Auszügen aus dem Verwaltungsakt in elektronischer Form vor (Ordnungszahl des hg Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 1)
2.1. Im Beschwerdeverfahren legte der Betriebsinhaber der XXXX XXXX eine Stellungnahme vor (OZ 21) und das BVwG holte Auszüge aus dem Firmenbuch [FB] dem Gewerberegister [GISA] und dem elektronischen Datensystem der Sozialversicherung [SV] (OZ 24) sowie Steuerbescheide und Unterlagen aus dem Abgabenverfahren ein (OZ 3, 6).
2.2. Am 09.12.2020 fand die öffentliche mündliche Verhandlung statt (OZ 26), an der die beschwerdeführende Partei und die ÖGK teilnahmen, der Mitbeteiligte ist unentschuldigt nicht erschienen.
In der Verhandlung wurden die vorgelegten und eingeholten Beweismittel, sowie die Tätigkeit der mitbeteiligten Partei und die Rolle der beschwerdeführenden Partei erörtert.
II. ad A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. entscheidungswesentliche Feststellungen
1.1. Die beschwerdeführende M GmbH, FN XXXX , wurde am 18.04.2012 im Firmenbuch eingetragen und verfügt seit 01.05.2012 über eine aufrechte Gewerbeberechtigung „Arbeitsvermittlung gemäß § 94 Z. 1 GewO 1994“ (GISA # XXXX ) sowie seit 05.07.2012, über eine aufrechte Gewerbeberechtigung „Überlassung von Arbeitskräften“ (GISA # XXXX ). Die M GmbH steht im Eigentum von XXXX [JM] und XXXX [UM; im Folgenden auch GF], welche im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Alleingeschäftsführerin war. Seit 07.08.2015 ist JM Alleingeschäftsführer (OZ 24).
1.1.1. Die M GmbH ist als Personalbereitsteller für Gastronomie tätig, befand sich im verfahrensgegenständlichen Zeitraum in Aufbau und hatte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum mehrere weitere Mitarbeiter, welche zur Sozialversicherung angemeldet waren (VHS 13, 15).
1.2. Der Mitbeteiligte XXXX verfügte von 26.03.2008 bis 03.02.2012 über eine aufrechte Gewerbeberechtigung „Gastgewerbe gemäß § 94 Z. 26 GewO 1994 in der Betriebsart: Cateringbetrieb, mit den Berechtigungen gemäß § 111 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994“ und unterlag mit diesem Gewerbe der Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 – 3 GSVG bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft [SVA] (GISA # XXXX , SV). Zum verfahrensgegenständlichen Zeitraum lag keine Gewerbeberechtigung vor (OZ 24).
1.3. Zur Tätigkeit von XXXX am 24.07.2012 und am 29.07.2012
1.3.1. RS war am 24.07.2012 und am 29.07.2012 über Auftrag der M GmbH bei Kunden von dieser jeweils als Koch tätig. Er stellte seine dabei erbrachten Leistungen der M GmbH in Rechnung und diese stellte die erbrachte Leistung jeweils ihren Auftraggebern in Rechnung (VHS 13, VHS/A).
1.4. Zur Tätigkeit von XXXX für die XXXX bzw. XXXX GmbH in den Jahren 2012 bis 2014
1.4.1. Bis zum Ende der Sommersaison 2012 war RS beim Betriebsinhaber der XXXX XXXX als Koch tätig. Beschäftigt war er dabei über die Firma XXXX . Ende 2012 nahm RS seine Tätigkeit als Koch bei MH, zunächst als selbständiger Koch wieder auf, und war von 08.11.2012 bis 01.05.2013 bei MH auch geringfügig beschäftigt zur Sozialversicherung angemeldet (OZ 22, 24).
1.4.2. Auf Anregung des Steuerberaters von MH sollte RS ab Jänner 2013 entweder wie bereits in der Sommersaison über eine Leasingfirma oder direkt bei MH beschäftigt werden. In der Folge kam es zu einer mündlichen Vereinbarung zwischen RS, MH und JM, dem Hälftegesellschafter der M GmbH, wonach RS zweimal im Monat seine Rechnungen über die für MH erbrachte Kochtätigkeit der M GmbH überbrachte und diese in der Folge eine Rechnung über diesen Betrag an MH stellte (OZ 22, VHS 8).
1.4.3. Von 16.01.2013 bis 13.07.2014 verrechnete RS infolge dieser Vereinbarung der M GmbH seine bei MH erbrachten Kochleistungen mit einem Stundensatz von EUR 23,00 zusätzlich Umsatzsteuer und legte diesen Rechnungen Stundenlisten bei. Die M GmbH verrechnete die erbrachten Leistungsstunden von RS ohne weiteren Aufschlag samt Umsatzsteuer MH. Die Rechnungslegung erfolgte für die erbrachten Leistungen im Nachhinein.
Die Rechnungen von RS waren an die M GmbH adressiert und hatten jeweils folgenden Einleitungssatz: „Für den Auftrag vom 00.00.-00.00.2013 stelle ich folgenden Betrag in Rechnung: […]“ und folgenden Schlusssatz: „Ich (be)danke (mich) für den Auftrag und stehe Ihnen jederzeit gerne wieder zur Verfügung.“ Die Rechnungen der M GmbH an MH hatten folgenden Einleitungssatz: „… gemäß unserer Vereinbarung erlauben wir uns, für den Einsatz unseres Mitarbeiters vom XXX-XXX wie folgt zu verrechnen: […]“.
Die jeweiligen Zahlungen erfolgten den Rechnungen entsprechend, von MH an die M GmbH und von dieser an RS (OZ 22, 24, VHS/A; VHS 9).
Ab September 2013 trat anstelle von MH als Leistungs- und Rechnungsempfänger, die neu gegründete Z GmbH, deren Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer MH ist (1/134-150; OZ 22, VHS/A, OZ 24).
1.4.4. Ab 21.08.2014 war RS (mit einer saisonalen Unterbrechung von 02.02.2015 bis 13.03.2015) bis 10.05.2015 bei der Z GmbH vollversicherungspflichtig beschäftigt (OZ 24).
1.4.5. Für seine Tätigkeit als Koch verwendete RS in der Küche des Betriebes von MH neben den Gerätschaften in der Küche vor Ort auch teilweise eigene Pfannen, Töpfe, Messer, Induktionsplatten, Ausstecher, und Formen zum Kochen. Lebensmittel, Speisekarte und Menüplan waren grundsätzlich von MH vorgegeben.
RS erbrachte die Vollzeittätigkeiten als Koch ausschließlich persönlich, eine Vertretung gab es nie. Urlaub erfolgte nach Geschäftsauslastung von MH. Die Arbeitsplaneinteilung erfolgte für alle Bediensteten durch MH. Er war – soweit verfahrensgegenständlich von Relevanz – von November 2012 bis Juli 2014 ausschließlich bei MH bzw. der Z GmbH als Koch tätig (EV 1/85-90).
2. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung
2.1. Die Beweisaufnahme erfolgte insbesondere durch Einsicht in die im Folgenden gelisteten von den Verfahrensparteien vorgelegten oder vom BVwG erhobenen Dokumenten und Unterlagen:
Versicherungspflichtbescheid samt Beschwerde und Zustellnachweisen (1/2-6, 10-32)
Beitragspflichtbescheid samt Beschwerde und Zustellnachweisen (1/7-9, 33-42)
Prüfunterlagen (OZ 1 3/1-65)
Antrag auf Bescheidausstellung (1/43-44)
Beschwerde gegen Bescheide des Finanzamtes in Kopie (1/45-46)
Übersicht, Honorarnoten, Kontoblätter, und Rechnungen im Zusammenhang mit der Verrechnung der Tätigkeit des Mitbeteiligten (1/134-150, OZ 22)
Einvernahme des Mitbeteiligten am 22.09.2016 (1/85-92 [=98-105])
Niederschrift über die Schlussbesprechung (1/93-97 [=111-115])
Steuerbescheide und Unterlagen aus dem Abgabenverfahren der beschwerdeführenden Partei (OZ 3, 6)
Stellungnahme des Zeugen (OZ 22)
Firmenbuchauszüge, GISA-Auszüge, Sozialversicherungsauszüge (OZ 24)
Mündliche Verhandlung (OZ 26)
2.2. Beweiswürdigung
2.2.1. Die Feststellung ergeben sich aus den jeweils zitierten Unterlagen, sowie den Aussagen in der Verhandlung und sind im Wesentlichen unbestritten.
2.2.2. Die Ausführungen zur betrieblichen Tätigkeit der M GmbH sowie der Gewerbeberechtigung von RS bis Februar 2012 ergeben sich aus den Eintragungen im österreichischen Firmenbuch und im Gewerberegister (OZ 24), an deren Richtigkeit kein Anlass zu zweifeln bestand, zumal von den Verfahrensparteien auch nichts Gegenteiliges vorgebracht wurde.
2.2.3. Die Abrechnungsmodalitäten ergeben sich aus den diesbezüglich übereinstimmenden Aussagen von RS, MH und der Geschäftsführerin der M GmbH (EV 1/85-90, VHS 8, OZ 22), welche sich mit den vorgelegten Rechnungen und Kontoblättern decken (VHS/A, OZ 22). Auch von der ÖGK wurden weder die Aussagen, noch die Authentizität der Unterlagen in Zweifel gezogen.
2.2.4. Die Art der Tätigkeit von RS für MH ergibt sich aus der Einvernahme von RS vor der ÖGK. Die Aussagen erscheinen lebensnah und seitens der anderen Verfahrensparteien wurde diesen weder in der Beschwerde noch in der Verhandlung entgegengetreten (EV 1/85-90, VHS).
2.2.5. Die Tätigkeit von RS am 24.07.2012 und am 29.07.2012 ergibt sich aus den diesbezüglichen Aussagen der M GmbH in der Verhandlung (VHS 13), die von der ÖGK nicht in Zweifel gezogen wurden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 414 Abs. 1 und Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz [ASVG]. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die die GKK im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).
3.1.2. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.
3.2. Zur Abgrenzung von Werkvertrag und Dienstvertrag
3.2.1. Im vorliegenden Fall war RS im Juli 2012 bei Kunden der M GmbH sowie ab 2013 über einen längeren Zeitraum für MH bzw. die Z GmbH als Koch tätig. Dass dabei grundsätzlich eine Vereinbarung über Dienstleistungen und kein zu erstellendes Werk vorlag (vgl. zur grundsätzlichen Abgrenzung für viele VwGH 21.08.2017, Ra2016/08/0119 mHa VwGH 20.05.1980, 2397/79), blieb im Verfahren seitens der Beteiligten unbestritten. Ebenso betont der VwGH in zahlreichen Entscheidungen, dass eine Tätigkeit als Koch in einem Gastronomiebetrieb üblicherweise auf ein Dienstverhältnis schließen lässt (VwGH 14.30.2013, 2010/08/0252; 17.12.2013, 2013/09/0145).
3.2.2. Es bleibt daher zu prüfen, ob RS die Tätigkeit in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit im Rahmen eines freien Dienstvertrags, der sich von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG durch das Fehlen der persönlichen Abhängigkeit des Dienstnehmers vom Dienstgeber (vgl. VwGH 24.01.2006, 2004/08/0101 mwN) unterscheidet, oder – wie von der M GmbH im Verfahren vorgebracht – als selbständige Tätigkeit erbrachte.
3.3. Zum grundsätzlichen Vorliegen der Dienstnehmereigenschaft
3.3.1. Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer nach dem ASVG, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. […] Als Dienstnehmer nach dem ASVG gilt jedenfalls auch, wer nach § 47 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 EStG 1988 lohnsteuerpflichtig ist.
3.3.2. In den Fällen einer Arbeitskräfteüberlassung sind die Tatbestandselemente aus dem Verhältnis zum Beschäftiger, die für ein Dienstverhältnis sprechen, auch dem Überlasser als eigentlichem Dienstgeber zuzurechnen (VwGH 27.07.2015, 2013/08/0108 mwN).
3.3.3. RS war bei MH in dessen Betrieb als Koch tätig. Er verwendete in der Küche neben den in der Küche vor Ort vorhandenen Gerätschaften teilweise eigene Pfannen, Töpfe, Messer, Induktionsplatten, Ausstecher, und Formen zum Kochen. Lebensmittel, Speisekarte und Menüplan waren grundsätzlich von MH vorgegeben. Er erbrachte die Tätigkeiten als Koch ausschließlich persönlich, eine Vertretung gab es nie. Urlaub erfolgte nach Geschäftsauslastung von MH. Die Arbeitsplaneinteilung erfolgte für alle Bediensteten durch MH.
3.3.4. Gegenständlich sind somit die typisch für ein Dienstverhältnis sprechenden Kriterien – persönlich zu erbringende Leistung gegen Entgelt, keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel von RS, örtliche und zeitliche Gebundenheit beim Kochen im Betrieb des MH bzw. der Z GmbH, Einbindung in die von MH bestimmte betriebliche Ablauforganisation – erfüllt (vgl. insbesondere VwGH 14.30.2013, 2010/08/0252; 17.12.2013, 2013/09/0145).
Dass RS teilweise seine eigenen Küchenutensilien verwendete steht einem Dienstverhältnis nicht entgegen (vgl. zur Verwendung eigener Betriebsmittel VwGH 19.05.1992, 87/08/0271; 01.10.2015, Ro2015/08/0020), zumal RS im Grunde nur über die eigene Arbeitskraft und sein Know-how disponierte (vgl. VwGH 12.01.2016, Ra2015/08/0188) und sich auch die Arbeitszeit an den Bedürfnissen von MH orientierte. Insbesondere die Einbindung in die Ablauforganisation (Dienstplan, Urlaub nach Geschäftsauslastung, …) bedeutet, dass RS nicht (mehr) die Möglichkeit hatte, den insoweit vorgegebenen Ablauf der Arbeit jederzeit selbst zu regeln und auch zu ändern, wie es etwa für einen freien Dienstvertrag typisch ist (VwGH 03.10.2013, 2013/08/0162).
3.3.5. Gegenständlich war daher aus Sicht des BVwG die Bestimmungsfreiheit von RS durch die Beschäftigung nicht nur beschränkt, sondern weitgehend ausgeschaltet (vgl. VwGH 24.11.2016, Ra2016/08/0011) und es überwiegen daher die Merkmale persönlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 2 ASVG somit jedenfalls jene persönlicher Unabhängigkeit (vgl. VwGH 03.04.2019, Ro2019/08/0003). Ist das Vorliegen von Arbeit in persönlicher Abhängigkeit zu bejahen, kommt es auf eine weitere Zuordnung zivilrechtlicher Kategorien (zB das Vorliegen eines Zielschuldverhältnisses oder eines Dauerschuldverhältnisses) nicht mehr an (VwGH 13.12.2017, Ra2017/08/0130; vgl. aber auch VwGH 11.05.2016, Ra 2015/08/0143 uHa VwGH 03.11.2015, 2013/08/0153 mwN).
3.3.6. Soweit die M GmbH einwendet, RS sei ihr gegenüber immer als selbständiger aufgetreten, ist festzuhalten, dass selbst wenn RS noch über eine einschlägige aufrechte Gewerbeberechtigung verfügt hätte, und mit diesem Gewerbe auch als selbständiger Koch aufgetreten wäre, dies dem Eintritt einer am Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses anknüpfenden Pflichtversicherung im Sinn des § 4 Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 2 ASVG nicht entgegensteht (VwGH 21.08.2017, Ra2016/08/0119). Auch eine (zeitweise) gleichzeitige Tätigkeit von RS – wie dies möglicherweise im Juli 2012 der Fall war – für weitere Auftraggeber, vermag an der rechtlichen Einordnung nichts ändern, weil das Gesetz auch für unselbständig Erwerbstätige mehrere unselbständige oder sowohl unselbständige als auch selbständige Tätigkeiten nebeneinander zulässt (vgl. dazu VwGH 12.10.2016, Ra2015/08/0173).
3.4. zur Dienstgebereigenschaft der M GmbH
3.4.1. Gemäß § 35 Abs. 1 ASVG gilt derjenige als Dienstgeber im Sinne des ASVG, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer oder Lehrling in einem Beschäftigungs- bzw. Lehrverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist.
Im Falle einer Arbeitskräfteüberlassung ist gemäß § 5 Abs. 1 AÜG Dienstgeber im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen der Überlasser. Der Beschäftiger gilt nur im Ausnahmefall gemäß § 35 Abs. 2 iVm § 3 Abs. 3 vorletzter Satz ASVG für aus dem Ausland an einen inländischen Betrieb überlassene Personen als Dienstgeber.
Die bloße Vermittlung von Arbeitnehmern begründet noch nicht die DG-Eigenschaft des Vermittlers iSd § 35 (VwGH 91/08/0180).
3.4.2. Im Sinn des § 539a ASVG ist nicht (primär) die vertragliche Vereinbarung bzw. die Bezeichnung des Vertrages, sondern der wahre wirtschaftliche Gehalt der Tätigkeit maßgeblich, wobei entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das vertraglich Vereinbarte bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zunächst die Vermutung der Richtigkeit genießt, der Rückgriff auf die tatsächlichen Verhältnisse erfolgt zur Überprüfung bzw. gegebenenfalls Korrektur des vertraglich Vereinbarten (vgl. Müller in Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm, Stand 1.7.2020, rdb.at §539a35 Rz16/3 mit Judikaturnachweisen).
Ein Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts im Sinn des § 539a ASVG wäre dann gegeben, wenn die Gestaltung der rechtlichen Verhältnisse anders als mit der Absicht der Umgehung gesetzlicher Verpflichtungen nicht erklärt werden kann. In einem solchen Fall tritt nach Abs. 3 der genannten Bestimmung an die Stelle der unbeachtlichen Rechtskonstruktion jene, die den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessen wäre; Scheingeschäfte bleiben nach Abs. 4 der erwähnten Bestimmung ohne Bedeutung (VwGH 27.08.2019,Ra2016/08/0074 mwN).
3.4.3. Fallbezogen bestreitet die M GmbH, die von der ÖGK vorgenommene Beurteilung, es habe sich um eine Arbeitskräfteüberlassung gehandelt, damit, dass sie lediglich als Verrechnungsstelle gedient habe, und es insbesondere auch keinen Vertrag über die Arbeitskräfteüberlassung und auch keinen Vertrag mit RS als Dienstnehmer gebe.
3.4.4. Dem kann nicht gefolgt werden. Zunächst übersieht die M GmbH, dass gültige Vereinbarungen auch in nicht schriftlicher Form erfolgen können. Fallbezogen liegt ohne Zweifel eine mündliche Vereinbarung zwischen den Beteiligten M GmbH, MH und RS vor, wonach die Tätigkeit von RS bei MH über die M GmbH „abgerechnet“ werden sollte.
Dies entspricht bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise iSd § 539a ASVG, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die M GmbH ein Personaldienstleister im Gastronomiebereich ist, dem Bild einer Arbeitskräfteüberlassung.
3.4.5. In weiterer Folge stellte die M GmbH als Personalüberlasser im Gastronomiebereich dann auch Rechnungen über den „Einsatz ihres Mitarbeiters“ RS als Koch an den beschäftigenden Gastronomiebetrieb MH bzw. Z GmbH. Der Beschäftiger MH überwies die in Rechnung gestellten Beträge an die M GmbH, die wiederrum ihrerseits RS für die Erfüllung des „Auftrages seitens der M GmbH“ im selben Ausmaß bezahlte. Dies entspricht bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise iSd § 539a ASVG ebenfalls dem Ablauf einer Arbeitskräfteüberlassung.
3.4.6. Soweit die M GmbH vorbringt, sie habe den Betrag ohne weiteren Abzug einfach von MH an RS weitergegeben und nichts daran verdient (VHS S12), so ist dazu zunächst festzuhalten, dass Entgeltlichkeit keine Tatbestandsvoraussetzung für eine Arbeitskräfteüberlassung ist. Darüber hinaus hatte sich die M GmbH durch die vorgenommene Konstruktion einen zukünftigen wirtschaftlichen Vorteil erhofft (Zugriff auf das Kochnetzwerk von RS, weitere Aufträge durch MH bzw. die Z GmbH), und zog aus diesem Geschäft somit einen geschäftlichen Nutzen.
3.5. Zur Tätigkeit von XXXX am 24.07.2012 und am 29.07.2012
3.5.1. Dass RS an beiden Tagen im Auftrag der M GmbH bei Kunden der M GmbH als Koch tätig wurde, blieb im Verfahren unbestritten.
3.5.2. Es liegt hier allerdings den Feststellungen entsprechend kein durchgängiges Dienstverhältnis vor, sondern eine tageweise Beschäftigung.
3.6. Zusammenfassend qualifizierte die ÖGK somit den vorliegenden Sachverhalt zutreffend als Arbeitskräfteüberlassung durch die M GmbH mit der Folge, dass diese als Dienstgeberin und Beitragsschuldnerin ihren sozialversicherungsrechtlichen Arbeitgeberpflichten nachzukommen gehabt hätte (§ 5 Abs. 1 AÜG).
3.6.1. Die Beschwerde ist daher spruchgemäß mit der Maßgabe abzuweisen, dass im Juli 2012 kein durchgängiges Dienstverhältnis, sondern eine tageweise Beschäftigung vorlag.
III. ad B) Unzulässigkeit der Revision
Die sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergebende rechtliche Subsumtion stützt sich auf die umfangreiche jeweils zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 4 ASVG und weicht bei der Betrachtung des gegenständlichen Einzelfalls von dieser Rechtsprechung auch nicht ab.
Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.
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