VwGH 87/08/0271

VwGH87/08/027119.5.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse in 4020 Linz, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 26. August 1987, Zl. 122.807/3-7/87, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. W in T, 2. K, ebendort, beide vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in F, 3. B, T, 4. I, F), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §4 Abs2;
ASVG §412 Abs1;
ASVG §415;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
WTBO §31;
WTBO §32;
WTBO §33 Abs2 litd;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §412 Abs1;
ASVG §415;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
WTBO §31;
WTBO §32;
WTBO §33 Abs2 litd;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die als Gegenschrift bezeichnete Eingabe der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter wird zurückgewiesen.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit je einem Bescheid vom 13. Jänner 1986 stellte die beschwerdeführende Oberösterreichische Gebietskrankenkasse fest, daß I (die Viertmitbeteiligte) in der Zeit vom 1. April 1981 bis "laufend", FC in der Zeit vom 1. Mai 1981 bis 31. Dezember 1981, EH in der Zeit vom 1. August 1981 bis 31. März 1982, B (die Drittmitbeteiligte) in der Zeit vom 1. Februar 1982 bis 31. Jänner 1984, ML in der Zeit vom 1. April 1982 bis 30. November 1982, CS in der Zeit vom 1. April 1984 bis 30. November 1984 und HV in der Zeit vom 1. April 1981 bis 31. Juli 1981 hinsichtlich ihrer Beschäftigung als Reinigungskräfte bei der erst- und zweitmitbeteiligten Partei als Dienstgebern Dienstnehmerinnen im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG gewesen und als solche der Vollversicherung nach dem ASVG und dem AlVG unterlegen seien. Nach der Begründung dieser Bescheide hätten die erst- und zweitmitbeteiligte Partei als Dienstgeber mit den im Prüfungszeitraum regelmäßig beschäftigten Reinigungskräften schriftliche Werkverträge abgeschlossen, die dahingehend abgefaßt gewesen seien, daß keine Pflichtversicherung begründet werden sollte. Entgegen dem Inhalt dieser Verträge werde jedoch festgestellt, daß die Beschäftigung im Rahmen eines Dienstverhältnisses erfolgt sei. Im Gegensatz zu den Werkverträgen seien die Dienstnehmerinnen doch an eine feste Arbeitzeit gebunden gewesen, da die Reinigungsarbeiten nur außerhalb der Öffnungszeiten der Gastgewerbelokale der erst- und zweitmitbeteiligten Parteien hätten verrichtet werden können. Hinsichtlich der Bestellung eines Vertreters bei der Arbeitserbringung sei den Dienstnehmerinnen lediglich ein Vorschlagsrecht eingeräumt gewesen, die definitive Entscheidung hätten jedoch die Dienstgeber getroffen. Die Zeit- oder Arbeitseinteilung, das Weisungsrecht der Dienstgeber, die Gebundenheit an Arbeitsort und Arbeitsfolge sowie die sehr wesentlich eingeschränkte Vertretungsmöglichkeit geböten eine Wertung des Beschäftigungsverhältnisses als Dienstverhältnis.

Namens der erst- bis viertmitbeteiligten Parteien sowie der HV erhob ein Wirtschaftstreuhänder, nämlich eine SteuerberatungsgesmbH in Linz, Einspruch. Diese Einsprüche sind von diesen Einspruchswerbern, mit Ausnahme der zweitmitbeteiligten Partei, auch persönlich mitunterfertigt.

1.2. Mit Bescheid vom 10. April 1986 gab der Landeshauptmann von Oberösterreich diesen Einsprüchen keine Folge und stellte fest, daß die im Punkt 1.1. genannten Reinigungskräfte in den dort genannten Zeiträumen (die Viertmitbeteiligte vom 1. April 1981 bis laufend) hinsichtlich ihrer Beschäftigung (Reinigungsarbeiten) bei den Erst- und Zweitmitbeteiligten, N-Gastronomiebetriebe in T, Dienstnehmerinnen im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG gewesen seien. Nach der Begründung dieses Bescheides seien zwischen der Erst- und Zweitmitbeteiligten einerseits und den Reinigungskräften andererseits folgende Werkverträge abgeschlossen worden:

"1) Ab heutigen Tag verpflichtet sich ..., eigenverantwortlich die Reinigung der Lokal- und Kellerräumlichkeiten zu übernehmen. Die Reinigung ist vereinbarungsgemäß (Plan) sorgfältig durchzuführen, wobei jedoch die Einteilung über den Beginn der Arbeit, Umfang der täglichen Arbeitszeit, Ansetzen der Sonderarbeiten und dergleichen mehr, von der die Reinigung durchzuführenden Person bestimmbar ist.

 

2) (Diese) ist zur persönlichen Leistung dieser Arbeiten nicht verpflichtet, sondern kann sich jederzeit nach Rücksprache mit der oben angeführten Firma durch eine von ihr vorzuschlagende Person vertreten lassen.

 

3) Das Entgelt über die durchgeführten Arbeiten ist monatlich gesondert zu vereinbaren und darüber eine ordnungsgemäße Rechnung auszufertigen.

 

4) Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß vorstehende Vereinbarung kein Dienstverhältnis im Sinne des ASVG begründet.

 

5) Sämtliche Änderungen dieser Vereinbarung bedürfen der Schriftform.

 

6) Kosten und Gebühren dieser Vereinbarung gehen ausschließlich zu Lasten der Firma N."

Die Reinigung der Lokal- und Kellerräumlichkeiten sei vereinbarungsgemäß sorgfältig durchzuführen gewesen. Die Reinigungsarbeiten hätten nur außerhalb der Öffnungszeiten der Lokale verrichtet werden können; sie seien vor der Öffnung des Lokales zu beenden gewesen. Eine Bindung habe in der rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Durchführung der Reinigungsarbeiten bestanden. Eine Vertretung sei nur nach Rücksprache mit dem Betriebsinhaber möglich gewesen. Daher hätten die Beschäftigten im Rahmen der Gesamtverpflichtung übernommene einzelne Arbeiten nicht sanktionslos ablehnen können. Sie seien entgegen der Vereinbarung im Vertrag doch an eine feste Arbeitszeit gebunden gewesen, da die Reinigungsarbeiten nur außerhalb der Öffnungszeiten des Lokales hätten verrichtet werden können. Selbstverständlich seien die Arbeiten der Reinigungskräfte vom Dienstgeber überwacht und kontrolliert worden.

Gegen diesen Bescheid erhob die erwähnte SteuerberatungsgesmbH namens der vier mitbeteiligten Parteien sowie namens der HV Berufung. Die Berufung ist eigenhändig auch von dem Erst-, der Dritt- und der Viertmitbeteiligten unterfertigt. Eine Unterfertigung der Berufung durch HV unterblieb nach Aufforderung gemäß § 13 Abs. 3 AVG. Eine Aufforderung dieser Art an die zweitmitbeteiligte Partei erging nicht.

1.3. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales gab mit Bescheid vom 26. August 1987 der Berufung der erst- bis viertmitbeteiligten Parteien Folge und stellte in Abänderung des Bescheides des Landeshauptmannes fest, daß die dort genannten Personen in den in den Bescheiden der Gebietskrankenkasse genannten Zeiträumen hinsichtlich ihrer Beschäftigung bei der erst- und zweitmitbeteiligten Partei bzw. der H GesmbH nicht der Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen seien.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es, aus den Verwaltungsakten und den mit der erst-, dritt- und viertmitbeteiligten Partei aufgenommenen Niederschriften vom 7. und 30. April 1987 ergebe sich folgender unbestrittener Sachverhalt: Die namentlich genannten Reinigungskräfte hätten sich in schriftlichen, als Werkvertrag bezeichneten Vereinbarungen gegenüber den Erst- und Zweitmitbeteiligten bzw. der H GesmbH verpflichtet, eigenverantwortlich Lokal- und Kellerräumlichkeiten zu reinigen. In diesen Verträgen sei weiters festgesetzt, daß die Reinigung sorgfältig durchzuführen sei, wobei jedoch die Einteilung über den Beginn der Arbeit, der Umfang der täglichen Arbeitszeit, das Ansetzen der Sonderarbeiten und dgl. mehr von der die Reinigung durchführenden Person bestimmbar seien. Die betreffende Person sei zur persönlichen Leistung dieser Arbeiten nicht verpflichtet, sondern könne sich jederzeit nach Rücksprache mit dem Auftraggeber durch eine von ihr vorzuschlagende Person vertreten lassen. Das Entgelt für die durchgeführten Arbeiten sei monatlich gesondert zu vereinbaren und es sei darüber eine ordnungsgemäße Rechnung auszufertigen.

Entsprechend diesen Vereinbarungen hätten die genannten Frauen in den in Rede stehenden Zeiten Reinigungsarbeiten durchgeführt und dabei ein durchschnittliches monatliches Entgelt von ca. S 2.000,-- bis S 3.000,-- erhalten, wobei sie allerdings die erforderlichen Reinigungsmittel und -geräte mitzubringen gehabt hätten.

Durch diese Vereinbarungen seien die Reinigungskräfte nicht zu einer Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG, sondern zu einer selbständigen Ausübung der sich daraus ergebenden Arbeiten verpflichtet gewesen. Für die Annahme, daß diese Vereinbarungen wegen eines Widerspruches zu den tatsächlichen Beschäftigungsverhältnissen als Scheinverträge zu werten wären, hätten die durchgeführten Ermittlungsverfahren keine Anhaltspunkte ergeben. Die belangte Behörde könne auch keinen ausreichenden Grund für die von der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse in ihrer Stellungnahme vom 11. Juni 1987 geäußerte Auffassung, daß die Aussagen der vernommenen Personen nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprächen, erkennen. Der Umstand allein, daß sowohl die mit der Reinigung beschäftigten Frauen als auch die erst- und zweitmitbeteiligten Parteien an einer Versicherung der beschäftigten Personen nach dem ASVG nicht interessiert gewesen seien und der Erstmitbeteiligte die "Werkverträge" nach seiner eigenen Aussage auf Anraten seines Steuerberaters - offenbar, um eine Versicherungspflicht nach dem ASVG auszuschließen - abgeschlossen habe, reiche für den von der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse aufgeworfenen Verdacht nicht aus.

1.4. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde der Oberösterreichichen Gebietskrankenkasse vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin sei der Auffassung, daß jene Merkmale, die für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG sprächen, überwögen. Der angefochtene Bescheid sei zur Gänze zu beheben.

1.5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die erst- und zweitmitbeteiligte Partei eine Gegenschrift. Die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter schloß sich dem Antrag der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse an.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Zur Frage nach den unterscheidungskräftigen Merkmalen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit verweist der Verwaltungsgerichtshof unter Heranziehung des § 43 Abs. 2 VwGG auf seine Erkenntnisse vom 24. Juni 1976, Zl. 415/75 = ZfVB 1976/4/856, vom 20. Mai 1980, Slg. NF Nr. 10.140/A = ZfVB 1981/3/886 (zum IESG), und vom 13. September 1985, Zl. 84/08/0016 = ZfVB 1986/5/2130.

2.2.1. Nach der Beschwerdebegründung könne von einer echten Vertretungsmöglichkeit, welche die Sozialversicherungspflicht des Beschäftigten ausschlösse, nur dann gesprochen werden, wenn der Vertretene eigenmächtig einen Vertreter bestimmen könne und dazu nicht der Zustimmung des Auftraggebers bedürfe (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 1965, Zl. 1557/65). Im Beschwerdefall sei erwiesen, daß sich die Reinigungskraft nur nach Rücksprache mit dem Dienstgeber habe vertreten lassen dürfen. Tatsächlich sei eine Vertretung auch nicht vorgekommen, und wenn, dann hätten sich die Dienstnehmerinnen untereinander vertreten, sich aber nicht von völlig betriebsfremden Personen vertreten lassen.

2.2.2. In den Erkenntnissen vom 19. März 1984, Zl. 82/08/0154 = ZfVB 1985/1/171, und vom 23. Mai 1985, Zlen. 84/08/0070, 85/08/0011 = ZfVB 1986/2/686, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, die Berechtigung, eine übernommene Arbeitspflicht generell durch Dritte vornehmen zu lassen oder sich ohne weitere Verständigung des Vertragspartners zur Verrichtung der bedungenen Arbeitsleistung einer Hilfskraft zu bedienen, schließe die persönliche Abhängigkeit wegen der dadurch fehlenden Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Verpflichteten aus. Kann ein Beschäftigter im Rahmen einer übernommenen Gesamtverpflichtung sanktionslos einzelne Arbeitsleistungen ablehnen und ist er dadurch in der Disposition über seine Arbeitszeit weitgehend frei und kann der Arbeitsempfänger nicht von vornherein mit der Arbeitskraft des Betreffenden rechnen oder entsprechend disponieren, so liegt kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG vor (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 19. März 1984, Zl. 81/08/0061 = ZfVB 1985/1/161, vom 25. Oktober 1984, Zl. 82/08/0177 = ZfVB 1985/4/1457, und vom 29. September 1986, Zl. 82/08/0208 = ZfVB 1987/3/1283).

Die Rechtsprechung knüpft allerdings die eben genannte rechtliche Konsequenz, nämlich die Verneinung eines Dienstverhältnisses im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG, nur an die generelle Vertretungsmöglichkeit, nicht aber an die Befugnis, sich in bestimmten Einzelfällen, etwa im Falle eines Urlaubes, vertreten zu lassen (vgl. z.B. das von der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse zitierte Erkenntnis vom 22. Dezember 1965, Zl. 1557/65, sowie die weiteren Erkenntnisse vom 10. November 1988, Zl. 85/08/0171 = ZfVB 1990/2/707, und vom 27. März 1990, Zl. 85/08/0099 = ZfVB 1991/2/642).

Zwar stützt die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse ihre Rechtsauffassung, eine "echte" Möglichkeit, sich generell bei der Arbeitserbringung vertreten zu lassen, liege nur vor, wenn die Bestimmung des Vertreters nicht der Zustimmung des Auftraggebers bedürfe, zu Unrecht auf das eben zitierte hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1965, Zl. 1557/65, weil dort eine solche Aussage nicht getroffen wurde. Ungeachtet dessen ist diese Rechtsmeinung - vor dem Hintergrund der hier auszulegenden "Werkverträge" - durchaus zutreffend. Der Verwaltungsgerichtshof ist nämlich der Auffassung, daß die Einräumung eines bloßen Vorschlagsrechtes (auf welches die Beschäftigten bei der Benennung eines Vertreters beschränkt waren) und die Wendung "nach Rücksprache" eine echte Zustimmungsbedürftigkeit des Vertretungsfalles bedeuten. Auch die Interessenlage der Auftraggeber legt eine solche Deutung nahe, hatten doch die Reinigungskräfte gerade in der Zeit, in der sich sonst niemand in den Gastgewerbelokalen befand, Zugang zu den Räumlichkeiten, zum Inventar und zu den Vorräten. Die vorbehaltene "Rücksprache" über die Vertretungsvorschläge sollte dem Empfänger der Arbeitsleistung die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit des Vertreters ermöglichen. Von einer eigenmächtigen, jederzeitigen Vertretungsmöglichkeit der Reinigungskräfte durch beliebige Personen IHRES Vertrauens kann nach der Vertragslage somit nicht gesprochen werden. Insofern unterscheidet sich der Beschwerdefall z.B. von jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1988, Zl. 88/08/0151 = ZfVB 1990/2/706, zugrundelag.

Andererseits ergibt sich allerdings aus dem Sinn der bedungenen "Rücksprache", daß einer wechselseitigen Vertretung der an sich für verschiedene Wochen eingeteilten Reinigungskräfte wohl nichts im Wege gestanden wäre. Zwar schließt eine solche wechselseitige Vertretungsmöglichkeit, anders als eine generelle, die Annahme persönlicher Abhängigkeit nicht aus (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 25. Oktober 1984, Zl. 82/08/0177 = ZfVB 1985/4/1457, und vom 3. Juli 1990, Zl. 88/08/0293 = ZfVB 1991/3/1033; siehe aber auch das Erkenntnis vom 10. April 1981, Zl. 1044/79 = ZfVB 1982/4/1326), immerhin verfügten die Reinigungskräfte damit aber über eine zusätzliche zeitliche Dispositionsmöglichkeit, die zu jener hinzutrat, die sich bereits aus der Art der bedungenen Teilzeitbeschäftigung ergab.

2.2.3. Die Befugnis des Erbringers einer Arbeitsleistung, sich generell und nach Belieben bei der Erbringung der Arbeitsleistung vertreten zu lassen, schließt die Annahme eines Dienstverhältnisses im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG aus. Der Ausschluß oder die Einschränkung der Befugnis, sich vertreten zu lassen, schließt hingegen die Annahme eines Werkvertrages oder auch eines freien Dienstvertrages (dem insbesondere die Weisungsgebundenheit hinsichtlich des arbeitsbezogenen Verhaltens mangelt) nicht aus. Die durch den Ausschluß der Befugnis, sich generell vertreten zu lassen, charakterisierte persönliche Arbeitspflicht ist eines der Merkmale des Dienstverhältnisses im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG.

Die belangte Behörde hat sich nun darauf beschränkt, den Vertragstext hinsichtlich des Vertretungsrechtes festzustellen. Eine nähere Befassung mit dem Inhalt dieses Vertragsteiles erfolgte nicht. Die Begründung des angefochtenen Bescheides läßt auch nicht erkennen, ob die belangte Behörde das Vorliegen eines Dienstverhältnisses im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG ausschließlich oder primär etwa deswegen verneint hat, weil sie - unzutreffenderweise - von einer generellen Befugnis der Reinigungskräfte, sich durch Personen ihres Vertrauens vertreten zu lassen, ausgegangen wäre. Nach den vorstehenden Überlegungen ist die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse nun zwar im Recht, daß die Annahme einer generellen Vertretungsbefugnis unzutreffend wäre und (allein) den angefochtenen Bescheid nicht zu stützen vermöchte. Damit ist allerdings die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides noch nicht dargetan, denn die Verneinung der Versicherungspflicht durch die belangte Behörde könnte im Fehlen sonstiger unterscheidungskräftiger Merkmale, die ein sozialversicherungspflichtiges Dienstverhältnis aufweisen muß, begründet sein.

Dies ist im folgenden zu prüfen.

2.3.1. In der Beschwerde wird in diesem Zusammenhang geltend gemacht, die Reinigungskräfte seien - entgegen der vertraglichen Vereinbarung - doch an eine feste Arbeitszeit gebunden gewesen. Die Reinigungsarbeiten seien nur außerhalb der Öffnungszeiten des Lokales möglich gewesen. Die Dienstnehmerinnen seien daher an sehr enge Zeitvorgaben durch den Dienstgeber gebunden gewesen, bei denen praktisch keine Möglichkeit geblieben sei, sich die Arbeitszeit frei einzuteilen. Die Reinigung des Lokales habe eine halbe Stunde vor Betriebsbeginn abgeschlossen sein müssen.

2.3.2. Nach der Aktenlage waren die Lokale von 11.00 bzw. 12.00 Uhr bis nach Mitternacht, eines davon in den letzten Jahren erst von 15.00 Uhr an, geöffnet. Die Reinigungsarbeiten mußten vor der Öffnungszeit abgeschlossen sein und dauerten in der Regel eineinhalb bis zweieinhalb, selten drei oder dreieinhalb Stunden. Es kann daher nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rede von einer Bindung an "sehr enge Zeitvorgaben durch den Dienstgeber, bei denen praktisch keine Möglichkeit geblieben ist, sich die Arbeitszeit frei einteilen zu können", sein (vgl. z.B. auch das hg. Erkenntnis vom 29. September 1986, Zl. 82/08/0208 = ZfVB 1987/3/1283).

Die Art der zeitlichen Inanspruchnahme der Reinigungskräfte bildet somit, für sich allein gesehen, kein im Vordergrund stehendes Kriterium, das im Beschwerdefall in besonderem Maße für eine Beschäftigung in persönlicher Abhängigkeit spräche.

2.4.1. In der Beschwerde wird ferner darauf Bezug genommen, daß nach den "Werkverträgen" die Reinigung "vereinbarungsgemäß (Plan) sorgfältig durchzuführen" gewesen sei. Das Vorliegen eines Planes über die Durchführung der Reinigungsarbeiten bedeute, daß die Dienstnehmerinnen an Weisungen des Dienstgebers über das arbeitsbezogene Verhalten gebunden gewesen seien. Möge auch der Dienstgeber nicht während der gesamten Arbeitszeit anwesend gewesen sein, so habe er doch bei Beginn der Arbeiten Weisungen über das arbeitsbezogene Verhalten erteilt. Das Vorliegen eines Planes bedeute auch, daß die Dienstnehmerinnen in den Betriebsorganismus eingegliedert, überwacht und kontrolliert worden seien.

2.4.2. Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse hat die im vorstehenden Punkt 2.4.1. vorgetragenen Einwände bereits im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 11. Juni 1987 vorgebracht. Zwar heißt es in den Verträgen, die Einteilung über den Beginn der Arbeit, über Umfang der täglichen Arbeitszeit, Ansetzen der Sonderarbeiten und dergleichen mehr sei von der die Reinigung durchführenden Person "bestimmbar" gewesen. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, daß eine weitere "Vereinbarung (Plan)", von der (dem) die Verträge sprechen und auf deren Grundlage die Arbeiten sorgfältig durchzuführen waren, Bestimmungen enthalten haben könnte, die den Erst- und Zweitmitbeteiligten oder ihren Beauftragten hinsichtlich des arbeitsbezogenen Verhaltens der Arbeitskräfte eine Weisungsbefugnis einräumten. Die belangte Behörde hat nun ungeachtet der erwähnten Stellungnahme der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse vom 11. Juni 1987 - offenbar ausgehend von einem engeren Begriffsverständnis des Begriffes "Plan", als dies nach der gebrauchten Wendung "vereinbarungsgemäß (Plan) sorgfältig durchzuführen" sprachlich denkbar und möglich ist - ungeprüft gelassen, ob ein "Plan" (Arbeitsplan) bzw. eine Vereinbarung dieser Art überhaupt bestanden und bejahendenfalls welchen Inhalt dieser Plan bzw. diese die Reinigungsarbeiten konkretisierende Vereinbarung gehabt hat. Diese Sachverhaltsklärung wäre durch Vernehmung sämtlicher Vertragspartner (und nicht nur des Erstmitbeteiligten einerseits sowie der Dritt- und Viertmitbeteiligten andererseits) vorzunehmen gewesen.

In diesem wesentlichen Punkt hat die belangte Behörde daher den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, bei deren Beachtung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

2.5. Zu Recht verweist die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse in ihrer Beschwerde darauf, daß es von untergeordneter Bedeutung sei, ob ein Dienstnehmer Werkzeuge des Auftraggebers oder eigenes Werkzeug verwende. Die Tatsache selbst, die Reinigungskräfte hätten die erforderlichen Reinigungsmittel und Reinigungsgeräte selbst mitbringen müssen, wis dies von den mitbeteiligten Parteien behauptet wurde, bestreitet die Beschwerdeführerin jedoch nicht. Es ist nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde in diesem Umstand ein gegen ein Dienstverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG sprechendes Indiz erblickt hat.

Entgegen den nicht näher konkretisierten Behauptungen der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse kann den Verwaltungsakten auch nicht entnommen werden, den Reinigungskräften seien Löhne und nicht anders benannte Entgelte, über die sie wie Kleinstunternehmer Rechnungen gelegt hätten, ausbezahlt worden. Abgesehen davon, daß sich in den Akten auch Ablichtungen von solchen Rechnungen befinden, enthielten die Zahlungen keine Entgeltbestandteile, die sonst für Lohnzahlungen typisch wären.

2.6. Aus den unter Punkt 2.2. und Punkt 2.4.2. im einzelnen begründeten Ergebnissen dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid im ersteren Zusammenhang (Befugnis, sich generell vertreten zu lassen) mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, im letzteren Zusammenhang (Bestand und Inhalt eines "Planes" für die Verrichtung der Reinigungsarbeiten, Weisungen hinsichtlich des arbeitsbezogenen Verhaltens) mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat.

Der angefochtene Bescheid war daher - wegen des Prävalierens der inhaltlichen Rechtswidrigkeit - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2.7.0. Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde noch folgendes zu beachten haben:

2.7.1. Nach der Aktenlage wurde weder der Einspruch noch die Berufung der zweitmitbeteiligten Partei von dieser eigenhändig unterfertigt. Einspruch und Berufung wurden vielmehr im Vollmachtsnamen von einer Steuerberatungsgesellschaft eingebracht.

Wirtschaftstreuhänder sind nicht berechtigt, Einsprüche in Versicherungspflichtsachen vor den Versicherungsträgern einzubringen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Februar 1981, Slg. NF Nr. 10.369/A = ZfVB 1982/3/992). Sie sind auch nicht befugt, in Sozialversicherungsangelegenheiten vor den staatlichen Behörden als Bevollmächtigte einzuschreiten, z.B. in Versicherungspflichtsachen Berufung an den Bundesminister gemäß § 415 ASVG zu erheben (vgl. das eben zitierte hg. Erkenntnis unter Bezugnahme auf das Erkenntnis vom 23. Juni 1964, Slg. NF Nr. 6383/A).

Diesen Mangel der Berufung und des Einspruches wird die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren aufzugreifen haben (wobei auch diesbezüglich auf das zitierte hg. Erkenntnis vom 13. Februar 1981 hingewiesen wird).

2.7.2. Im Verfahren wurde bislang die Frage nicht aufgegriffen, ob die Feststellungen in den Bescheiden der Gebietskrankenkasse vom 13. Jänner 1986, daß die dort jeweils genannten Reinigungskräfte hinsichtlich ihrer Beschäftigung "bei den Dienstgebern W und K" der Versicherungspflicht unterlagen, sowie die entsprechende Feststellung im Einspruchsbescheid des Landeshauptmannes vom 10. April 1986 allenfalls insoweit nicht der Rechtslage entsprachen, als von den dort genannten Beschäftigungszeiten auch solche umfaßt sein könnten, die in einem Beschäftigungsverhältnis zur H GesmbH zurückgelegt wurden, welche die in Rede stehenden Gastgewerbelokale vor der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (deren Gesellschafter die Erst- und Zweitmitbeteiligten sind) betrieben hatte (vgl. an sich zur Problematik der Rechtsnachfolge auf Dienstgeberseite in einer Versicherungspflichtangelegenheit das hg. Erkenntnis vom 19. November 1987, Zl. 86/08/0150 = ZfVB 1988/5/1929). Dadurch, daß die Erst- und Zweitmitbeteiligten auch für diese Zeiträume als Dienstgeber bezeichnet wurden, war ihre Einspruchs- und Berufungslegitimation (auch) diesbezüglich jedenfalls gegeben. Die damit aufgezeigte Frage der Dienstgebereigenschaft wird sohin gleichfalls im fortgesetzten Verfahren zu klären sein.

2.8. Die als Gegenschrift bezeichnete Eingabe der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit beantragt wurde, war zurückzuweisen, weil damit kein Interesse einer mitbeteiligten Partei im Sinne des § 21 VwGG - das sind Personen, die durch den Erfolg der Anfechtung des Verwaltungsaktes in ihren rechtlichen Interessen berührt werden - geltend gemacht werden.

2.9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

2.10. Da die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt, konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der beantragten Verhandlung abgesehen werden.

2.11. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte