BVwG W228 2170836-3

BVwGW228 2170836-310.7.2018

AVG §68
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §32

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W228.2170836.3.00

 

Spruch:

W228 2170836-3/2E

 

BESCHLUSS

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter über den Antrag auf Wiederaufnahme von XXXX des mit Erkenntnis vom 19.04.2018 abgeschlossenen Verfahrens beschlossen:

 

A)

 

Der Antrag wird wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang

 

Mit Erkenntnis vom 19.04.2018, GZ: W228 2170836-1, wurde die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen.

 

Mit Eingabe vom 05.05.2018 stellte der AST einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 und Z 2 VwGVG.

 

Mit Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, GZ: W228 2170836-2, datierend auf 05.06.2018, wurde der Wiederaufnahmeantrag abgewiesen.

 

Nunmehr wurde ein neuerlicher Wiederaufnahmeantrag mit Schriftsatz datierend auf 08.07.2018 eingebracht. Dieser richtet sich gegen das die Beschwerde "zurückweisende" Erkenntnis vom 19.04.2018, GZ: W228 2170836-1. Darin wird die Befangenheit des erkennenden Richters sowohl im Verfahren GZ: W228 2170836-1 als auch GZ: W228 2170836-2 moniert und diesem die Verwirklichung verschiedener Straftatbestände vorgeworfen.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Das Vorliegen irgendeiner gerichtlich strafbaren Handlung konnte nicht festgestellt werden.

 

Der Wiederaufnahmewerber bezieht sich mit seinen nunmehrigen Wiedereinsetzungsausführungen zum einen direkt auf seinen früheren Wiedereinsetzungsantrag, der Grundlage der Entscheidung GZ: W228 2170836-2 war. Inhaltlich wird dem erkennenden Richter die Verwirklichung der gleichen Straftatbestände vorgeworfen.

 

Weder die Rechtslage noch der Sachverhalt habe sich seit der Entscheidung vom 19.04.2018, GZ: W228 2170836-1, verändert.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Die Feststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglichen Akteninhalt des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG sowie dem Vorbringen des AST in den Wiederaufnahmeanträgen.

 

Die Feststellung des Nichtvorliegens gerichtlich strafbarer Handlungen ergibt sich daraus, da die Erstattung einer Anzeige im Falle des Verdachts einer strafbaren Handlung durch die StPO zur Dienstpflicht eines Richters zählt.

 

Die Feststellung der fehlenden Änderung der Sach- und Rechtslage ergibt sich daraus, dass dies nicht substantiiert vorgebracht wurde. Der AST hat weder dargelegt, weshalb die vorgelegten Beweismittel neu sind, noch warum diese von ihm ohne sein Verschulden im Verfahren W228 2170836-1 nicht vorgelegt wurden.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A.) Zurückweisung der Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren:

 

Der gegenständliche Wiederaufnahmeantrag stützt sich auf den Wiederaufnahmegrund des § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof zum VwGVG bereits ausgesprochen hat, darf über in Rechtskraft erwachsene Entscheidungen (grundsätzlich) nicht mehr in merito entschieden werden; die Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen zählt zu den Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens. Auch die Entscheidung eines Verwaltungsgerichts wird mit ihrer Erlassung rechtskräftig, wobei alle Parteien eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens einen Rechtsanspruch auf Beachtung der eingetretenen Rechtskraft haben. Im Zusammenhang mit diesem Grundsatz ist die einschlägige Rechtsprechung zu § 68 AVG in sinngemäßer Weise heranzuziehen. Daraus ist abzuleiten, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist. Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen und folgt aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft grundsätzlich eine Bindungswirkung an eine behördliche Entscheidung (VwGH vom 24. Mai 2016, Ra 2016/03/0050, Ra 2017/03/0027).

 

Bei der Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache ist auch vom Verwaltungsgericht von der rechtskräftigen Vorentscheidung auszugehen, ohne deren sachliche Richtigkeit nochmals zu überprüfen. Identität der Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt.

 

Gegenstand des vorliegenden Wiederaufnahmeverfahrens ist damit lediglich die Frage, ob die Zurückweisung des Sachantrags des AST den eben dargelegten Rechtsgrundsätzen entspricht. Es ist daher (eine Änderung der maßgebenden Rechtslage hat unstrittig nicht stattgefunden) das Vorbringen zu Tatsachen, die erst nach dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Verfahrens, also nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 19.04.2018, eingetreten sind, auf das Vorliegen von relevanten Sachverhaltsänderungen zu prüfen.

 

Die Rechtskraftwirkung eines behördlichen Ausspruches besteht darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerdings untersucht und entschieden werden darf. Diese Rechtskraftwirkung hat zur Voraussetzung, dass das Sachbegehren und der Rechtsgrund des neuen Anspruches mit dem Sachbegehren und dem Rechtsgrunde des rechtskräftig entschiedenen Anspruches übereinstimmen oder, anders ausgedrückt, dass Inhalt und Entstehungsgrund des rechtskräftig festgelegten Rechtsverhältnisses mit dem Inhalt und Entstehungsgrunde des Rechtsverhältnisses, das der Behörde zur neuerlichen Festlegung vorgetragen wird, übereinstimmen. (VwGH 03.04.1979, 1295/78).

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt entschiedene Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der durch formell rechtskräftigen Bescheid bereits entschiedenen Verwaltungssache die Abänderung dieses Bescheides begehrt wird, nicht jedoch, wenn sich die die Verwaltungsrechtssache bestimmenden rechtlichen bzw. tatsächlichen Umstände verändert haben und daher nicht mehr dieselbe Sache wie die bereits entschiedene vorliegt. Die Sache verliert ihre Identität, wenn in den entscheidungsrelevanten Fakten bzw. in den die Entscheidung tragenden Normen wesentliche, dh. die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides ermöglichende oder gebietende Änderungen eintreten (VwGH 24.01.2012, Zlen. 2008/18/0422 und 0425; VwGH 06.06.2012, Zl. 2009/08/0226; VwGH 10.10.2012, Zl. 2008/18/0714, jeweils mwN). Dabei kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtliche Relevanz zukäme. Die Behörde hat sich mit der behaupteten Sachverhaltsänderung bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit der (neuerlichen) Antragstellung insoweit auseinander zu setzen, als von ihr - gegebenenfalls auf der Grundlage eines durchzuführenden Ermittlungsverfahrens - festzustellen ist, ob die neu vorgebrachten Tatsachen zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem für die Entscheidung Relevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann

 

(VwGH 19.02.2009, Zl. 2008/01/0344; VwGH 31.07.2014, Zl. 2013/08/0163; VwGH 26.06.2012, Zl. 2009/11/0059).

 

Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgeblichen tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im Wesentlichen (von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt. Dabei kommt es allein auf den normativen Inhalt des bescheidmäßigen Abspruches des rechtskräftig gewordenen Vorbescheides an (VwGH 29.01.2008, Zl. 2005/11/0102). Bei der Prüfung, ob eine relevante Sachverhaltsänderung behauptet wird, ist - nach wie vor - die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum "glaubhaften Kern" maßgeblich. Danach kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtliche Relevanz zukäme. Die Behörde hat sich mit der behaupteten Sachverhaltsänderung bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit der (neuerlichen) Antragstellung insoweit auseinander zu setzen, als von ihr - gegebenenfalls auf der Grundlage eines durchzuführenden Ermittlungsverfahrens - festzustellen ist, ob die neu vorgebrachten Tatsachen zumindest einen (glaubhaften) Kern aufweisen, dem für die Entscheidung Relevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 29.09.2010, Zl. 2007/10/0041).

 

Nur ein zeitlich, örtlich oder sachlich differentes Geschehen kann als anderer Sachverhalt angesehen werden, nicht auch die neue Beurteilung eines bereits einer Entscheidung zugrunde gelegten, im Vorverfahren bewerteten Sachverhalts Walter/Mayer Rz 483).

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies:

 

Das Vorbringen des AST wurde mit Beschluss vom 05.06.2018 abgewiesen, mit der Begründung, dass sich aus den Behauptungen des AST nicht einmal ansatzweise ein strafrechtlich relevantes Verhalten des Richters erkennen lasse. So ist nicht erkennbar, wie Vorbringen, dass Beweismittel, die der AST schon früher vorlegen hätte können und dies Unterlassen hat, eine strafbare Handlung durch den Richter bewirken sollen. Von der Ansicht des AST abweichende Feststellungen, Beweis- und rechtliche Würdigungen erfüllen genausowenig einen Straftatbestand, da diese begründet erfolgten und dem Rechtsmittel der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen bzw. außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof unterliegen.

 

Der AST begründet seinen gegenständlichen (zweiten) Wiederaufnahmeantrag vor allem damit, dass er die Befangenheit des erkennenden Richters sowohl im Verfahren GZ: W228 2170836-1 als auch GZ: W228 2170836-2 moniert und diesem die Verwirklichung verschiedener Straftatbestände wiederum vorwirft.

 

Da die Erstattung einer Anzeige im Falle des Verdachts einer strafbaren Handlung durch die StPO zur Dienstpflicht eines Richters zählt, kann aus dieser Dienstpflicht keine strafbare Handlung oder eine Befangenheit ableitbar sein, immerhin wird nur ein Verdacht geäußert. Auch umgekehrt ist eine Befangenheit nicht erkennbar, wenn der AST Strafanzeige gegen den Richter erstattet, siehe dazu die Entscheidung des VwGH vom 23.10.2007, Zl. 2006/12/0083: "[...] Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer gegen zahlreiche Beamte Strafanzeigen wegen des dringenden Verdachtes des Amtsmissbrauches erstattete, vermag deren Befangenheit nicht zu bewirken. Ansonsten wäre es einer Partei möglich, durch Anzeigeerstattung bestimmte Organwalter von der Entscheidung auszuschließen. [...]"

 

Da beim gegenständlichen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens idente Sache vorliegt, war der verfahrensgegenständliche Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

Zu B): Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

 

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH vertritt eine eindeutige und einheitliche Rechtsprechung, weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

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