BVwG W237 2136657-1

BVwGW237 2136657-115.3.2018

AsylG 2005 §34 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W237.2136657.1.00

 

Spruch:

W237 2136657-1/16E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Martin WERNER über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX, XXXX, XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 22.09.2016, Zl. 820103503/150179160, zu Recht:

 

A)

 

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, iVm § 34 Abs. 4 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017, aufgehoben.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer reiste gemeinsam mit seinem zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen (älteren) Sohn am 23.01.2012 illegal ins Bundesgebiet und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem Zeitpunkt befand sich bereits die Ehefrau des Beschwerdeführers gemeinsam mit zwei weiteren Kindern im Bundesgebiet im offenen Asylverfahren. Mit Erkenntnis vom 09.10.2013 wies der Asylgerichtshof den Antrag des Beschwerdeführers im Verfahren nach der Dublin II-Verordnung rechtskräftig zurück und diesen nach Italien aus.

 

2. Der Beschwerdeführer verblieb allerdings im Bundesgebiet und stellte am 17.02.2015 (wiederum gemeinsam mit seinem älteren Sohn) neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

2.1. Er brachte in diesem Zusammenhang nähere Fluchtgründe vor und gab in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an, dass seine Ehefrau freiwillig nach Russland zurückgekehrt sei, weil es ihrer Mutter gesundheitlich nicht gut gegangen sei und sie zudem herausfinden habe wollen, ob der Beschwerdeführer und sein älterer Sohn bei einer Rückkehr in die Russische Föderation noch in Gefahr wären. Der Sohn des Beschwerdeführers gab in diesem Zusammenhang an, dass seine Mutter bereits nach ihm und seinem Vater von dortigen Sicherheitskräften gefragt worden sei.

 

2.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit Bescheid vom 22.09.2016 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016, (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg.cit. (Spruchpunkt II.) ab, erkannte ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 leg.cit. nicht zu, erließ im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 3 leg.cit. iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016, und stellte gemäß § 52 Abs. 9 leg.cit. fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 leg.cit. in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt III.); schließlich hielt die Behörde fest, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 leg.cit. die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

 

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 26.09.2016 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für sein Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

 

3. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid vom 22.09.2016 vollinhaltlich Beschwerde, die durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Bundesverwaltungsgericht am 07.10.2016 samt Verwaltungsakten vorgelegt wurde.

 

3.1. Das Bundesverwaltungsgericht führte mit dem Beschwerdeführer und seinem Sohn (dem gegenüber ebenfalls ein negativer Bescheid durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erlassen worden war) am 27.02.2018 eine mündliche Verhandlung durch, in der sie zu ihren Ausreisegründen sowie zu ihrem Leben in Österreich näher befragt wurden. Zu Verhandlungsbeginn machte der Beschwerdeführer seine Ehefrau und Mutter seines Sohnes als Zeugin für sein Verfahren namhaft: Diese sei im Frühjahr 2016 aus Österreich nach Dagestan zurückgekehrt und in weiterer Folge von dortigen Sicherheitskräften wiederholt nach dem Aufenthalt des Beschwerdeführers und seines älteren Sohnes befragt worden; nunmehr sei sie erneut in Österreich und könne über die Aktualität der den Beschwerdeführer treffenden Probleme weitere Ausführungen machen.

 

Da die Ehefrau des Beschwerdeführers in der Verhandlung zugegen war, wurde sie in dieser als Zeugin einvernommen: Sie gab an, den Beschwerdeführer vor ihrer erstmaligen Ausreise aus Russland standesamtlich geheiratet zu haben und die Mutter des älteren Sohnes des Beschwerdeführers zu sein. Sie sei aufgrund der Probleme des Beschwerdeführers gemeinsam mit ihren beiden jüngeren Kindern im Sommer 2011 (erstmals) nach Österreich gereist, während der Beschwerdeführer mit dem älteren Sohn vorübergehend noch in Dagestan verblieben sei. Im Frühjahr 2016 sei sie mit ihrem jüngeren Sohn aus Österreich nach Dagestan zurückgekehrt. Bereits bald nach ihrer Rückkehr seien Männer in ihrer Wohnung erschienen und hätten der Zeugin vorgeworfen, dass ihr Mann und älterer Sohn in Syrien kämpfen würden. Sie habe angegeben, dass sich ihr Mann und der ältere Sohn in Europa befänden und nicht mit ihr zurückgekehrt seien, was ihr aber nicht geglaubt worden sei. In weiterer Folge seien wiederholt - zumeist maskierte - Männer unterschiedlicher Sicherheitsbehörden bei ihr erschienen und hätten den Aufenthaltsort ihres Mannes und älteren Sohnes in Erfahrung bringen wollen. Man habe sie mehrmals auf Wachzimmer mit- und ihr die Fingerabdrücke abgenommen. Zuletzt habe man ihr angeboten, als Spitzel für die Behörden zu arbeiten und Informationen über ihr soziales Umfeld an diese weiterzutragen, was sie jedoch abgelehnt habe. Bei all diesen Vorfällen sei sie immer wieder bedroht worden, dies auch mit dem Leben ihres jüngeren Sohnes. Bei einem Vorfall im Oktober 2016 hätten drei Männer zudem angedroht, sie zu vergewaltigen; näheres wolle sie aber in der Verhandlung vor dem erkennenden Richter über den Vorfall nicht sagen. Seit Ende 2017 sei sie wieder in Österreich.

 

3.2. Die Niederschrift der Verhandlung wurde am 27.02.2018 per E-Mail dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit dem Hinweis übermittelt, dass sich die einvernommene Zeugin vor dem Bundesamt im offenen Asylverfahren befinde.

 

3.3. Am 07.03.2018 übermittelte der Beschwerdeführer eine ergänzende Stellungnahme zu den in der Verhandlung erörterten Länderberichten sowie zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich; unter einem wurden Auszahlungsbelege betreffend eine durch den Beschwerdeführer in den Jahren 2014 und 2015 ausgeübte Remunerantentätigkeit vorgelegt.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und lebte vor seiner Ausreise in Dagestan, wo er auch seine Frau, mit der er zwei Söhne und eine Tochter hat, sowohl zunächst nach traditionellem Ritus als auch später standesamtlich ehelichte. Gemeinsam mit seinem älteren Sohn reiste er am 23.01.2012 illegal ins Bundesgebiet und stellte am selben Tag für sich und seinen Sohn jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Bereits ein halbes Jahr zuvor war die Ehefrau des Beschwerdeführers mit den zwei anderen Kindern über Italien nach Österreich gereist und hatte für sich und die Kinder Anträge auf internationalen Schutz gestellt, die rechtskräftig zurückgewiesen wurden.

 

Mit Erkenntnis vom 09.10.2013 wies der Asylgerichtshof den Antrag des Beschwerdeführers im Verfahren nach der Dublin II-Verordnung rechtskräftig zurück und diesen nach Italien aus. Der Beschwerdeführer verblieb allerdings im Bundesgebiet und stellte am 17.02.2015 - ebenso wie sein älterer Sohn - neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 22.09.2016 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erkannte ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach dem Asylgesetz 2005 nicht zu, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation zulässig sei.

 

Die Ehefrau des Beschwerdeführers war unterdessen mit dem jüngeren Sohn im Frühjahr 2016 nach Dagestan zurückgekehrt, wo sie bis zum Herbst 2017 lebte. Danach reiste sie neuerdings nach Österreich und stellte hier am 14.11.2017 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Über diesen Antrag erging zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung noch kein verfahrensabschließender Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Die obigen Feststellungen lassen sich aus den Verfahrensakten des Beschwerdeführers treffen. Der Umstand, dass er seine Frau noch vor seiner Ausreise aus der Russischen Föderation standesamtlich ehelichte, ergibt sich aus seinen Aussagen in der mündlichen Verhandlung, die mit jenen seiner Ehefrau übereinstimmen; es kamen keine schlüssigen Anhaltspunkte hervor, wonach an den diesbezüglichen Angaben zu zweifeln wäre. Dass seine Frau im Frühjahr 2016 nach Dagestan zurückkehrte, ist nicht nur nach den übereinstimmenden Angaben aller in der mündlichen Verhandlung befragten Personen glaubhaft, sondern deckt sich auch mit den Aussagen des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 12.07.2016. Ihre Rückkehr nach Österreich und neuerliche Asylantragstellung war gemäß ihren diesbezüglich unzweifelhaften, als Zeugin unter Wahrheitspflicht getätigten Aussagen in der mündlichen Verhandlung sowie einem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister festzustellen. Dass das Verfahren über ihren Antrag vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht abgeschlossen ist, ergibt sich aus einer tagesaktuellen Einschau in das Zentrale Fremdenregister sowie einer telefonischen Anfrage beim Bundesamt vom heutigen Tag.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

 

Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idF BGBl. I Nr. 50/2016, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt in der vorliegenden Rechtssache Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017 (im Folgenden: VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 leg.cit. trat dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2014 in Kraft. Gemäß § 58 Abs. 2 leg.cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Der angefochtene Bescheid wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers nach Aktenlage am 27.09.2016 zugestellt. Die am 02.10.2016 der belangten Behörde per Fax übermittelte Beschwerde ist somit gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG rechtzeitig.

 

Zu A)

 

3.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

 

Bei einer Aufhebung eines Bescheids gemäß § 28 Abs. 1 iVm Abs. 5 VwGVG handelt es sich um eine materielle Erledigung in Form eines Erkenntnisses (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, § 28 VwGVG, Anm. 17; vgl. auch VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0162), die von einer Erledigung in Beschlussform nach § 28 Abs. 3 2. Satz und Abs. 4 VwGVG zu unterscheiden ist.

 

3.2. § 34 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 (im Folgenden: AsylG 2005) lautet:

 

"Familienverfahren im Inland

 

§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von

 

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

 

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

 

3. einem Asylwerber

 

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

 

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

 

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

 

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

 

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

 

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

 

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

 

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

 

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

 

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

 

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

 

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

 

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."

 

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

 

3.2.1. Nach den erläuternden Bemerkungen zu § 34 AsylG 2005 (RV 952 BlgNR 22. GP , 54) sind die Asylverfahren einer Familie "unter einem" zu führen, wobei jeder Antrag auf internationalen Schutz gesondert zu prüfen ist. Jener Schutzumfang, der das stärkste Recht gewährt, ist auf alle Familienmitglieder anzuwenden. Das gemeinsame Führen der Verfahren hat den Vorteil, dass möglichst zeitgleich über die Berechtigungen, die Österreich einer Familie gewährt, abgesprochen wird. Diese Vereinfachung und Straffung der Verfahren wird auch im Berufungsverfahren (nunmehr: Beschwerdeverfahren) fortgesetzt.

 

3.2.2. Der Beschwerdeführer ist der Ehemann seiner in der Russischen Föderation standesamtlich geheirateten Frau und damit ihr Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005.

 

Folglich ist der Ausgang seines Beschwerdeverfahrens insofern vom Schicksal des beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängigen Asylverfahrens betreffend seine Ehefrau abhängig, als sein Antrag auf internationalen Schutz nicht rechtskräftig abgewiesen werden kann, wenn seiner Frau entweder der Status der Asylberechtigten oder der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wäre.

 

Der angefochtene Bescheid war daher zu beheben, damit das Asylverfahren des Beschwerdeführers "unter einem" mit dem beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängigen Verfahren betreffend seine Familienangehörige geführt werden kann (vgl. VfGH 18.09.2015, E 1174/2014).

 

3.3. Diese Behebung des angefochtenen Bescheids erfolgt nicht auf der verfahrensrechtlichen Grundlage des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG, weil die Behörde in der vorliegenden Fallkonstellation nicht notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat (anders BVwG 10.10.2017, W170 2164801-1 ua.). Die Aufhebung hat vielmehr auf Basis des § 28 Abs. 1 VwGVG zu erfolgen; mag eine neuerliche Entscheidung der Verwaltungsbehörde über den Gegenstand bei dieser Erledigungsart auch regelmäßig nicht mehr in Betracht kommen, kann im Einzelfall über den zugrundeliegenden (sodann unerledigten) Antrag dennoch abermals zu entscheiden sein (s. Fister/Fuchs/Sachs,

Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, § 28 VwGVG, Anm. 17 mwN). Dies ist auch vorliegend der Fall: Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird den nunmehr neuerlich als unerledigt aushaftenden Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz "unter einem" mit dem Antrag seiner Ehefrau zu führen und die Rechtssachen sämtlicher Familienangehöriger gemeinsam zu erledigen haben.

 

Zu B)

 

1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

 

2. Im gegenständlichen Fall kommt der Frage der Auslegung der Bestimmung des § 34 Abs. 4 AsylG 2005 in Hinblick auf die gegebene Verfahrenskonstellation grundsätzliche Bedeutung zu:

 

2.1. Gegenstand der vorliegenden Entscheidung ist die verfahrensrechtliche Problematik, dass im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Beschwerde eines Asylwerbers das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz eines Familienangehörigen dieser Person im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig ist.

 

§ 34 Abs. 4 AsylG 2005 sieht vor, dass Verfahren von Familienangehörigen "unter einem zu führen" sind. Diese Regelung interpretiert der Verfassungsgerichtshof dahingehend, dass das Asylverfahren eines vor dem Bundesverwaltungsgericht Beschwerde führenden Fremden ab dem Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz eines Familienangehörigen dieses Fremden "zwingend gemeinsam" mit dem Familienangehörigen "als Familienverfahren durchzuführen" sei. Der Verfassungsgerichtshof geht folglich davon aus, dass das Bundesverwaltungsgericht bei einer solchen Verfahrenskonstellation den angefochtenen Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl "aufzuheben und die Durchführung eines Familienverfahrens mit [dem oder den vor der Behörde anhängigen Familienangehörigen] anzuordnen" habe (vgl. VfGH 18.09.2015, E 1174/2014).

 

Mangels anderslautender höchstgerichtlicher Judikatur folgt das Bundesverwaltungsgericht mit der vorliegenden Entscheidung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und hebt den Bescheid - unter Hinweis, dass der nunmehr neuerlich als unerledigt aushaftende Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl "unter einem" mit dem Antrag seiner Ehefrau zu führen und die Rechtssachen sämtlicher Familienangehöriger gemeinsam zu erledigen sein werden - auf Basis des § 28 Abs. 1 VwGVG auf (ebenso zuletzt BVwG 29.01.2018, W226 2118493-1; 07.09.2017, W103 2167875-1; 02.08.2017, L507 2126192-1; sowie 06.06.2017, L521 2131503-1, wo die Revision zur gegenständlichen Frage ebenfalls zugelassen wurde).

 

2.2. Diese Rechtsprechung begegnet allerdings Bedenken: Wie in der Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 31.03.2017 gegen das zur selben Verfahrenskonstellation ergangene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.02.2017, W237 2127749-1 ua., aufgezeigt, steht die gewählte Vorgehensweise in vielen Fällen mit der Zielsetzung des Gesetzgebers "der Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband" im Sinne einer "Vereinfachung und Straffung der Verfahren" (RV 952 BlgNR 22. GP , 54) in Konflikt (vgl. die Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision in BVwG 13.03.2018, W237 2127749-1 ua.).

 

2.2.1. Das Ergebnis einer Verfahrensverzögerung ließe sich vermeiden, wenn man § 34 Abs. 4 AsylG 2005 dahingehend interpretierte, dass sich die verfahrensrechtliche Anordnung zur gemeinsamen Führung von Asylverfahren von Familienangehörigen bloß an die Verwaltungsbehörde richtet. Dies hätte zur Folge, dass das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden von Familienangehörigen, über deren Anträge auf internationalen Schutz im Wege des Familienverfahrens im Sinne des § 34 Abs. 4 AsylG 2005 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl entschieden wurde, inhaltlich behandeln könnte, ohne dass auf einen im Beschwerdeverfahren gestellten Antrag auf internationalen Schutz eines (weiteren) Familienangehörigen und damit dessen Verfahrensanhängigkeit beim Bundesamt Rücksicht zu nehmen wäre; erst wenn dieser Familienangehörige eine Beschwerde gegen den ihn betreffenden Bescheid während des noch offenen Beschwerdeverfahrens der übrigen Familienangehörigen erheben würde, hätte das Bundesverwaltungsgericht sein Beschwerdeverfahren gemeinsam mit jenem seiner Angehörigen "unter einem zu führen" (s. in diesem Sinne auch die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 31.03.2017 gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.02.2017, W237 2127749-1 ua.). Für diese Auslegung spräche auch der Wortlaut des § 34 Abs. 5 AsylG 2005, wonach die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 "sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht" gelten; dem Wortlaut dieser Regelung kann durchaus entnommen werden, dass der Gesetzgeber eine Differenzierung auch der in Rede stehenden Verfahrensbestimmung in § 34 Abs. 4 AsylG 2005 zwischen dem Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und jenem vor dem Verwaltungsgericht vor Augen hatte.

 

2.2.1.1. Einer solchen Lösung stünde allerdings zum einen die klare Judikatur des Verfassungsgerichtshofes entgegen (s. Pkt. 2.1.).

 

2.2.1.2. Des Weiteren führte sie in gewissen Fällen ebenso zu Konstellationen, die im Ergebnis der vom Gesetzgeber beabsichtigten "Vereinfachung und Straffung der Verfahren" zuwider laufen würden:

 

Wiese das Bundesverwaltungsgericht nämlich Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamts, mit denen Anträge auf internationalen Schutz vollinhaltlich abgewiesen und Rückkehrentscheidungen verfügt werden, ab und würde das Bundesamt erst danach einem Familienangehörigen der Beschwerdeführer einen Schutzstatus zuerkennen, müssten diese erst erneut Anträge auf internationalen Schutz stellen, um denselben Schutz zu erhalten. Statt das Verfahren aller Familienangehörigen "unter einem" zu führen, damit allen in einem Verfahren derselbe Schutzstatus zuerkannt werden könnte, wären die Verfahren getrennt geführt und im Falle der vor dem Bundesverwaltungsgericht erfolglosen Beschwerdeführer sogar verdoppelt.

 

Fraglich scheint daher, ob in einem solchen Fall die Anhängigkeit des Verfahrens eines Familienangehörigen beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dazu führen würde, dass bei einer (vollinhaltlichen) Abweisung der Beschwerden der vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängigen Familienmitglieder deren Rückkehrentscheidung aufgrund von Art. 8 EMRK vorübergehend unzulässig sein müsste. Andernfalls wären diese während des noch laufenden Verfahrens ihres Familienangehörigen von einer Abschiebung bedroht und würden sich - nach Ablauf der zweiwöchigen Frist zu freiwilligen Ausreise - illegal im Bundesgebiet aufhalten (mit allen rechtlichen Konsequenzen). Im Fall der Durchführung der Abschiebung wäre eine neuerliche Antragstellung durch die abgewiesenen Beschwerdeführer und anschließende Schutzgewährung im Familienverfahren vorerst vereitelt.

 

2.2.2. Eine andere Möglichkeit zur Führung von Familienverfahren "unter einem" bestünde freilich darin, im Falle der BFA-Verfahrensanhängigkeit eines Familienangehörigen von Beschwerdeführern mit der Entscheidung über deren Beschwerden zuzuwarten, bis das Verfahren durch das Bundesamt mittels Bescheid beendet und (womöglich) eine Beschwerde durch den Familienangehörigen erhoben wird.

 

Dies erachtet das Bundesverwaltungsgericht allerdings schon deshalb als unzulässig, weil es verpflichtet ist, über Beschwerden in Asylsachen innerhalb der (jeweiligen) Frist des § 21 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 145/2017, zu entscheiden, und keine Einwirkungsmöglichkeit auf die Verfahrensdauer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat. Außerdem müsste das Bundesverwaltungsgericht nach der Entscheidung des Bundesamts über den nachträglichen Antrag des Familienangehörigen noch den Ablauf der Rechtsmittelfrist samt Einrechnung der Tage eines gewöhnlichen Postwegs abwarten, um festzustellen, ob dieser Familienangehörige überhaupt eine Beschwerde gegen diese Entscheidung erhebt - was schon deshalb schwierig scheint, weil das Bundesverwaltungsgericht gar nicht weiß, wann die Entscheidung des Bundesamts über den Antrag des Familienangehörigen ergeht (diesbezüglich ist dem Gesetz auch keine Pflicht des Bundesamts zur Mitteilung einer solchen Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht zu entnehmen).

 

2.2.3. Denkbar ist für das Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang allenfalls, das Verfahren über die Beschwerde auszusetzen, wenn im Beschwerdeverfahren ein Familienangehöriger eines Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Antrag auf internationalen Schutz stellt. Der Vorteil dieses Lösungsansatzes läge darin, keine (gravierende) Judikaturdivergenz zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 18.09.2015, E 1174/2014, zu erzeugen, zumal eine rechtskräftige Entscheidung über die Beschwerden ohne Führung eines Familienverfahrens mit jenem Familienangehörigen, der erst später seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, nicht erfolgen würde. Zudem erhielte auch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschluss über die Beschwerdeverfahrensaussetzung und bekäme damit - anders als im Falle des bloß faktischen Zuwartens durch das Bundesverwaltungsgericht - ein Signal zur vorrangigen Erledigung des Antrags des Familienangehörigen.

 

Zu bedenken ist dabei allerdings, dass eine Aussetzung gemäß der Bestimmung des (im Wege des § 17 VwGVG anwendbaren) § 38 AVG nur im Falle des Vorliegens einer Vorfrage in Betracht kommt. Ob dies im vorliegenden Problemzusammenhang nach der bisherigen Dogmatik zu § 38 AVG bejaht werden kann, scheint dem Bundesverwaltungsgericht mangels Rechtsprechung nicht klar, zumal mit der Entscheidung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl samt anschließender Beschwerde die Rechtssache des maßgeblichen Familienangehörigen gerade nicht rechtskräftig entschieden wird und freilich auch keine Bindung für das Bundesverwaltungsgericht eintritt (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10, 2014, 194). Außerdem stellt § 34 Abs. 4 AsylG 2005 ja gerade eine besondere Verfahrensregelung zur Führung eines gemeinsamen Familienverfahrens "unter einem" dar, die einer "Unterbrechung des Verfahrens" entgegen stehen dürfte (in diesem Sinne VwGH 07.05.2015, Ra 2015/18/0043).

 

2.3. Die durch den Verfassungsgerichtshof vorgegebene Vorgehensweise mag zwar nicht immer verfahrensökonomisch sein, das gesetzgeberische Ziel der gemeinsamen Verfahrensführung eines Familienverbands iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 wird damit aber jedenfalls gewährleistet. Gerade der vorliegende Fall zeigt allerdings gleichermaßen Vor- und Nachteile der durch den Verfassungsgerichtshof vorgegeben Lösung auf:

 

2.3.1. So wird eine Rechtssache durch eine neuerliche Behandlung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl schon dadurch in die Länge gezogen, dass eine Familienangehörige, welche bereits in Österreich war und in ihren Herkunftsstaat zurückkehrte, erneut ins Bundesgebiet einreiste und einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz stellte. Dies macht deutlich, dass bei der vorgenommenen Interpretation des § 34 Abs. 4 AsylG 2005 Familien die Möglichkeit einer rechtsmissbräuchlichen Anwendung dieser Verfahrensbestimmung zur Prolongierung von Asylverfahren eröffnet ist: So könnte ein Fremder vorab einen Antrag auf internationalen Schutz stellen und sein Familienangehöriger dies erst tun, wenn sich der Fremde im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht befände. Eine andere Möglichkeit bestünde darin, dass Familienangehörige zwar gemeinsam Anträge auf internationalen Schutz stellen, sich dann allerdings ein Familienangehöriger dem Verfahren entziehen könnte, worauf dieses gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 einzustellen wäre. Wenn die übrigen Familienangehörigen im Beschwerdeverfahren wären, könnte der sich dem Verfahren entzogen habende Familienangehörige wieder die Fortsetzung des Asylverfahrens vor dem Bundesamt beantragen, worauf seine Familienangehörige in den Genuss der in Rede stehenden Verfahrensbestimmung gelangten. Auf diese Weise hätten es Asylwerber im Familienverband in der Hand, den Abschluss ihrer Asylverfahren übermäßig lange aufzuschieben.

 

2.3.2. Umgekehrt ließe sich - wie erwähnt - argumentieren, dass es in diesem Zusammenhang gerade Sinn und Zweck der Verfahrensbestimmung des § 34 Abs. 4 AsylG 2005 ist, Familienangehörige vor der Behörde (endgültig) zusammenzuführen, um dann gemeinsam über ihre Anträge zu entscheiden. Im vorliegenden Fall scheint dies auch inhaltlich zweckmäßig: Die Ehefrau des Beschwerdeführers bringt im aktuellen Verfahren betreffend ihren Antrag auf internationalen Schutz nämlich eigene Verfolgungsgründe (mögen diese auch in Zusammenhang mit jenen des Beschwerdeführers stehen) vor, die sich unmittelbar vor ihrer Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat im Herbst 2017 zugetragen haben sollen. Dass mit der vorliegenden Entscheidung also die Rechtssache betreffend ihren Ehemann gemeinsam mit ihr vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl entschieden wird, ist im Lichte des Telos des § 34 Abs. 4 AsylG 2005 durchaus sinnvoll.

 

Zu beachten ist dabei auch, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 27.02.2018 als Zeugin einvernommen wurde und dabei in Hinblick auf die Gründe für ihre neuerliche Ausreise aus der Russischen Föderation einen Eingriff in ihre sexuelle Selbstbestimmung behauptete (s. Pkt. I.3.1.). Die Niederschrift dieser Verhandlung wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch am selben Tag übermittelt und ist damit Teil des Ermittlungsverfahrens der Behörde über den noch nicht entschiedenen Antrag auf internationalen Schutz der Ehefrau. Dies hat zur Folge, dass sie gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 2005 von einer Organwalterin des Bundesamts einzuvernehmen ist, es sei denn, dass sie anderes verlangen würde; eine allfällige Beschwerde gegen die ihr gegenüber erfolgende Entscheidung wäre im Sinne des Abs. 2 leg.cit. einer Richterin des Bundesverwaltungsgerichts zuzuweisen. Nur im Wege der Aufhebung des den Beschwerdeführer betreffenden Bescheids und neuerlichen Entscheidung für beide Familienangehörigen wäre im vorliegenden Fall die Durchführung eines (allfälligen) Beschwerdeverfahrens "unter einem" vor einer Richterin des Bundesverwaltungsgerichts gewährleistet; folgte der Verwaltungsgerichtshof dem gewählten Lösungsansatz hingegen nicht, bliebe der erkennende Richter für die Beschwerderechtssache zuständig, die Beschwerde der Ehefrau des Beschwerdeführers gegen eine allfällige negative Entscheidung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl wäre ihm hingegen nicht zuzuweisen.

 

3. Jedenfalls ist eine Lösung der der dargelegten verfahrensrechtlichen Problematik durch den Verwaltungsgerichtshof bislang noch nicht aufgezeigt, weshalb eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Diese geht auch insoweit über die gegenständliche Rechtssache hinaus, als die vorliegende Fallkonstellation durchwegs häufig in Asylverfahren auftritt.

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