BVwG W241 2181226-1

BVwGW241 2181226-121.2.2018

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W241.2181226.1.00

 

Spruch:

W241 2181226 -1/2E

 

BESCHLUSS

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hafner über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, RA XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.12.2017, Zahl 1096034104-151831426, beschlossen:

 

A)

 

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

 

B)

 

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

BEGRÜNDUNG:

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 23.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

 

1.2. In seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF an, in Kabul, Afghanistan, geboren zu sein.

 

Er hätte sein Heimatland verlassen, da er über drei Jahre hinweg eine geheime Beziehung zu einem Mädchen in Afghanistan gehabt hätte. Seine Familie wäre mehrmals bei der Familie der Freundin gewesen, um um ihre Hand anzuhalten, die Eltern des Mädchens hätten eine Heirat jedoch abgelehnt. Als das Mädchen vom BF schwanger geworden wäre und dessen Familie davon erfahren hätte, wäre der Mann der Schwester des BF von der Familie des Mädchens getötet worden. Daher hätte der BF aus Angst um sein Leben die Flucht angetreten.

 

1.3. Bei seiner Einvernahme am 20.07.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA), im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari, legte der BF Schriftstücke bezüglich seine Integration in Österreich, ein Taufzeugnis der XXXX vom 15.01.2017 sowie eine Patienten-Rechnung über einen Krankenhausaufenthalt des Schwagers und dessen Todesbescheinigung vor.

 

Ferner gab der BF an (Auszug aus dem Einvernahmeprotokoll, Schreibfehler korrigiert):

 

"LA [Leiter der Amtshandlung]: Welche Religion haben Sie?

 

VP [Verfahrenspartei]: Ich war muslimischer Schiit, jetzt bin ich Christ.

 

LA: Welche Sprachen sprechen Sie?

 

VP: Dari, Englisch, Paschtu und auch Deutsch (VP antwortet auf die Frage auf Deutsch).

 

LA: Wann haben Sie zum ersten Mal eine christliche Kirche besucht?

 

VP: Es war im Anfang 2016, genau weiß ich es nicht.

 

LA: Warum stellen Sie einen Asylantrag?

 

VP: Mein Leben war vor zirka vier Jahren in Afghanistan in Gefahr. Deshalb musste ich Afghanistan verlassen. In Afghanistan ging in vormittags zur Schule und am Nachmittag habe ich gearbeitet. Das war gegenüber der Mädchenschule. Ein Mädchen namens XXXX habe ich regelmäßig gesehen. Es ist dort nicht leicht, mit einem Mädchen zu sprechen. Sie kam eines Tages in unser Geschäft und hat Kleidung bestellt. Wir gaben der Familie unsere Visitenkarte. Ich schrieb meine eigene Telefonnummer auf die Karte und gab sie XXXX . Sie hat mich nach 2 Tagen angerufen und nach ihrer Bestellung gefragt. Ich hatte auch ihre Nummer dann und unsere Beziehung begann stark zu werden. Wir haben uns getroffen. Wir haben die Entscheidung getroffen, zu heiraten. Mit meinem Schwager war ich gut befreundet und vertraute ihm das Geheimnis an, er sagte, er würde mit meinen Eltern sprechen. Anfangs gab es Einwände, weil XXXX Sunnitin ist, wir sind Schiiten. Als wir um ihre Hand angehalten haben, stimmte ihre Familie nicht zu. Es gab noch 3 - 4 Versuche, die erfolglos blieben. Beim letzten Mal drohte ihr Vater meinem mit Problemen, sollte er noch einmal kommen. Ich sprach mit XXXX , dass wir 2 - 3 Jahre warten könnten, weil wir jung waren. Wenn wir nicht heiraten dürften, könnten wir immer noch weglaufen. Das dauerte circa 6 Monate. Unsere Beziehung wurde noch enger und wir hatten auch eine sexuelle Beziehung. Als mein Schwager einkaufen gegangen ist, lud ich XXXX in das Geschäft ein. Eine Freundin von ihr erfuhr von unserer Beziehung und hat es gleich XXXX Eltern erzählt. XXXX wurde geschlagen und nach der sexuellen Beziehung befragt, sie hatte Angst und erzählte alles. Zwei Wochen lang habe ich sie nicht mehr gesehen, ihr Handy war ausgeschaltet. Eines Tages traf ich die beste Freundin von XXXX , die Freundin kam nach zwei Tagen zu mir und sagte ‚Pass auf, ihr Vater wird dich umbringen, er weiß über alles Bescheid.' Nach zwei Monaten sah ich sie mit meinem Schwager auf der Straße, wo sie wohnten, es kam ein Auto von hinten und wir wurden fest geschlagen. Dadurch wurde ich am rechten Fuß der linken Hand verletzt und irgendetwas wurde in meinen Kopf gestochen. Mein Schwager wurde am Kopf verletzt und erlitt eine innere Blutung. Der Bruder meines Schwagers kam, brachte ihn ins Spital, er wurde nicht aufgenommen. Deswegen sind Sie nach Pakistan gegangen. Ich war eine Woche im Spital und bekam einen Gipsverband auf meine Hand und meinen Fuß. Meine Schwester und der Bruder meines Schwagers erstatteten Anzeige. Sie konnten niemanden als Verdächtigen angeben, weil sie ja dachten, wir hätten mit niemandem Probleme. Ich erzählte schließlich die ganze Angelegenheit meinen Eltern. XXXX Familie gingen nicht zu den Behörden, weil sie die Angelegenheit als Beleidigung ansahen. Die Behörden und Polizisten haben uns nicht geholfen. Dann wurde ich angezeigt, weil ich Sex mit XXXX hatte, und viele Polizisten standen an unserer Türe. Ich kannte den Status der Familie nicht, aber es kam jeden Tag eine andere Person und hat uns bedroht. Mein Vater meinte, ich solle eine Weile nach Mazar-e Sharif gehen und mich bei Freunden verstecken. Die Wochen blieb ich dort. Ich wurde auch dort gesucht, obwohl ich dort keinen einzigen Freund hatte. Ich weiß nicht, was XXXX Vater war, ich habe nur gehört, der Vater wäre im afghanischen Geheimdienst und würde mich daher überall finden. Das haben wir schon früher gemerkt, die Polizisten waren gegen uns. Ich erzählte über den Besuch meinem Vater, und er meinte, dass es überhaupt besser wäre, meine Heimat für eine Weile zu verlassen. Am nächsten Tag kam ich zurück nach Kabul und am gleichen Tag ging ich mit Hilfe eines Schleppers weiter nach Pakistan.

 

LA: Sind das Ihre Fluchtgründe gewesen?

 

VP: Ja, das waren meine Gründe.

 

LA: Ich werde Ihnen jetzt detaillierte Fragen zu Ihren Gründen stellen, um mir ein besseres Bild machen zu können.

 

LA: In welcher Straße war die Mädchenschule?

 

VP: XXXX , der Name der Schule ist XXXX .

 

LA: Wann wurden Sie von dem Auto und den Insassen des Autos überfallen?

 

VP: Es war Ende 2013.

 

LA: Wie lange braucht man für die Reise von Kabul nach Pakistan?

 

VP: Ungefähr einen Tag, wenn man immer in Bewegung bleibt.

 

LA: Woraus schließen Sie, dass die Angreifer der Familie XXXX angehörten?

 

VP: Das haben wir erst gemerkt, als wir eine Anzeige gemacht haben und durch die Bedrohungen und Streitereien danach.

 

LA: Haben Sie eine schriftliche Ausfertigung der Anzeige gegen XXXX Vater bzw. eine der Anzeige gegen Sie und Ihre Familie?

 

VP: Nein, das habe ich vorher gesagt, weil auf dem Fluchtweg habe ich meine Dokumente weggeschmissen. Die Geschichte ist auch interessant für die Taliban.

 

LA: Ist Ihr Schwager an den Verletzungen gestorben?

 

VP: Genau, das war der Grund.

 

LA: Was befürchten Sie im Falle Ihrer hypothetischen Rückkehr nach Afghanistan?

 

VP: Ich fürchte um mein Leben. Meine Familie wurde auch nicht in Ruhe gelassen, die haben daher auch die Heimat verlassen.

 

LA: Wurden Sie jemals persönlich von den afghanischen Behörden bedroht?

 

VP: Nein.

 

LA: Waren Sie jemals in Haft, wurden Sie verurteilt?

 

VP: Nein.

 

LA: Waren Sie jemals politisch tätig?

 

VP: Nein

 

LA: Wurden Sie aufgrund Ihrer Religionszugehörigkeit oder Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt?

 

VP: Ich ging in Afghanistan nie in eine Moschee, habe nicht gebetet, weil ich keinen Glauben hatte, daher hatte mein Großvater keine gute Beziehung zu mir.

 

Anmerkung: Ihnen wird nun die Möglichkeit eingeräumt, in das vom BFA zur Beurteilung Ihres Falles herangezogene Länderinformationsblatt zu Ihrem Heimatland samt den darin enthaltenen Quellen Einsicht und gegebenenfalls schriftlich Stellung zu nehmen. Diese Quellen berufen sich vorwiegend unter anderem auf Berichte von EU-Behörden von Behörde von EU-Ländern aber auch Behörden anderer Länder, aber auch Quellen aus Ihrer Heimat wie auch zahlreichen NGOs und auch Botschaftsberichten, die im Einzelnen auch eingesehen werden können.

 

VP: Ich verzichte, ich bin dort aufgewachsen und kenne mich dort gut aus.

 

LA: Die Einvernahme wird Ihnen nun rückübersetzt. Mit Ihrer Unterschrift bestätigen Sie die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in der Niederschrift und die erfolgte Rückübersetzung."

 

1.4. In der Folge wies das BFA mit Bescheid vom 01.12.2017 den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.). Weiters wurden gegen den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

 

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Er hätte keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Afghanistan. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der BF würde nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG erfüllen, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, nicht gegeben seien.

 

Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass der BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Sprach- und Lokalkenntnisse - im Gegensatz zu seinem Fluchtvorbringen - glaubwürdig wäre. Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.

 

Bezüglich des Fluchtgrundes führte das BFA aus (Auszug aus dem Bescheid, Schreifehler korrigiert):

 

"Die von Ihnen gemachten Angaben über Ihren Aufenthalt in Afghanistan und den jeweils fluchtrelevanten Begebenheiten vermochten den Voraussetzungen für die Glaubhaftmachung einer asylrelevanten Verfolgung oder Verfolgungsgefahr nicht zu entsprechen.

 

Ihrem Vorbringen konnte keine Glaubhaftigkeit zugebilligt werden, Sie waren nicht in der Lage, die ho Behörde von der Glaubwürdigkeit Ihrer Person, im Zusammenhang mit Ihrem Fluchtvorbringen zu überzeugen. Sie brachten keinerlei, direkt mit dem Fluchtvorbringen in Verbindung zu bringende, Beweismittel in Vorlage.

 

Zum einen ist festzustellen, dass die von Ihnen behauptete Verfolgung durch die Familie des Mädchens, mit dem Sie eine Beziehung unterhielten, eine Verfolgung durch private Dritte darstellt und somit nicht unter die in der GFK angeführten Fluchtgründe subsumierbar ist.

 

Auch die vage Behauptung, der Vater Ihrer Freundin wäre ‚irgendetwas beim Geheimdienst' gewesen und es wären daher ‚Polizisten vor Ihrer Tür' gestanden, ist so zu beurteilen, da es außerhalb jeglicher Lebenserfahrung liegt, dass einerseits Ihre Behauptung im Raum steht, der Vater, der gegen diese Verbindung war, könne Sie überall in Afghanistan finden, und Sie daher fürchteten, verhaftet zu werden, und andererseits genau in dem Zeitpunkt, in dem dies leicht möglich gewesen wäre, darauf verzichtet wurde, da die ‚Polizisten' Sie, obwohl Sie deren Zugriff bereits unterlegen sind, nicht verhaftet haben.

 

Zum anderen geben Sie an, dass der Mann Ihrer Schwester im Zuge einer Attacke, deren Ursache die behauptete nichterwünschte Beziehung war, auf offener Straße, derart verletzt worden wäre, dass er diesen Verletzungen im Krankenhaus erlag. Auch Sie wären im Zuge dessen erheblich verletzt worden. Dies wirft zwei Ungereimtheiten auf, die der Glaubhaftigkeit Ihres Fluchtvorbringens entgegenstehen.

 

Sie geben an, Sie wären eine Woche stationär im Krankenhaus aufgenommen worden. Nicht glaubhaft ist dabei, dass ein Geheimdienstmitarbeiter, der Sie ‚überall finden kann', Sie gerade in dieser Situation nicht vermag ausfindig zu machen. Der zweite, und im Sinne der Beurteilung des Vorliegens einer gegenwärtigen individuellen Bedrohung von entsprechender Intensität, Widerspruch, ergibt sich aus der dargelegten Chronologie der Ereignisse. Sie geben an, die schicksalhafte Attacke auf Sie und Ihren Schwager hätte sich "Ende 2013" ereignet. Die als Beweismittel vorgelegte Krankenakte bezüglich Ihres Schwagers, weißt einen Vorfall aus, der Mitte August 2013 stattgefunden haben muss und zudem in Pakistan stattfand. Sie gaben an, dass die Reise nach Pakistan ‚einen Tag lang dauert, wenn man in Bewegung bleibt', und gaben weiter zu Protokoll, dass Ihrem Schwager die medizinische Versorgung in Afghanistan verwehrt wurde und er daher - von Ihrer Familie - nach Pakistan gebracht wurde. Vergleicht man jetzt das Aufnahmedatum auf dem Aufnahmeformular des XXXX mit Ihren Angaben, ergibt sich eine Ablage zwischen Ihren Aussagen und der Aktenlage von rund 4 Monaten. Auf dem Aufnahmeformular ist nämlich, als Aufnahmedatum der 08.08.2013 ausgewiesen. Der Feststellung des Todeszeitpunkts zu Folge ist demnach Ihr Schwager nach einer Woche Aufenthalt im pakistanischen Krankenhaus am 15.08.2013 gestorben.

 

Als Zwischenergebnis ist also festzuhalten, dass die massivste Bedrohung, die Sie vermochten vorzubringen, behauptetermaßen auf das Jahr 2013 zurückgeht, Sie aber bei der Schilderung der Chronologie der Ereignisse nahezu ein halbes Jahr in Ihrer subjektiven Wahrnehmung und den zu Protokoll gegebenen Aussagen auseinanderliegen. Es ist aus ho Sicht zumindest ungewöhnlich, wenn nicht ausgeschlossen, dass ein derart einschneidendes Erlebnis, so es sich in der Realität verwirklicht hat, mit einer derartigen zeitlichen Ablage geschildert wird.

 

Ihre Ausreise aus Afghanistan erfolgte, wenn man Ihre Angaben aus Ihren Einvernahmen in einer Zeitleiste darstellt, zirka im August 2015. Zusammengefasst hieße dies also: Der Überfall, bei dem Sie schwer und Ihr Schwager tödlich verletzt wurden, fand am 07.08.2017 [gemeint wohl 2013] statt (ein Tag dauert die Reise nach Pakistan, am 08.08.2013 erfolgte die Aufnahme im pakistanischen Spittal). Im August 2015 (laut Angaben Erstbefragung) bzw. irgendwann 2014 (laut Angaben bei der Einvernahme vor dem BFA) verließen Sie Ihren Herkunftsstaat und machten sich auf dem Weg nach Österreich, wo Sie spätestens am 23.10.2015 ankamen. Daraus ergibt sich die Tatsache, dass Sie nach der mutmaßlichen Attacke durch die Verfolger zwischen 17 und 24 Monate weiterhin im Herkunftsstaat verblieben. Dies steht einer individuellen, konkreten Verfolgungslage von erheblicher Intensität diametral entgegen und rechtfertigt den Begriff Flucht im Sinne des Wortes nicht. In diesem Zeitraum waren Sie, Ihren Angaben zu Folge, unbehelligt von den Behaupteten Verfolgern, in Kabul, dann in Mazar-e Sharif und schließlich wieder in Kabul.

 

[...]

 

Zur vorgelegten Taufurkunde der ‚ XXXX ' vom 15.01.2017:

 

Ihren Angaben zufolge waren Sie bereits in Afghanistan kein ‚religiöser Mensch', dies geht aus der Schilderung hervor, dass es, weil Sie selten in die Moschee gingen, zu nicht näher ausgeführten Meinungsverschiedenheiten mit Ihrem Großvater gekommen wäre.

 

Sie gaben an, nicht genau zu wissen, wann Sie zum ersten Mal eine christliche Kirche besucht haben, glauben aber, dass es Anfang 2016 gewesen wäre. Ihr Bekenntnis zum christlichen Glauben wird von Ihnen in freier Erzählung nie erwähnt, lediglich in der Frage nach der Religionszugehörigkeit findet sich dazu eine Aussage. Sie hatten im Herkunftsstaat offensichtlich keine Berührung mit dem christlichen Glauben.

 

In Ihren Schilderungen bezüglich der Rückkehr Befürchtungen findet sich kein Hinweis darauf, dass Sie aus Ihrer Konversion Nachteile für sich ableiten. Aus dem vorgelegten Begleitschreiben lässt sich kein besonderes Engagement im Sinne einer manifestierten inneren Überzeugung ableiten, so nehmen Sie an weniger als der Hälfte der angebotenen Gottesdienste teil und unterzogen sich auch nicht in intensiverem Umfang den angebotenen, glaubensspezifischen Bildungsmöglichkeiten (ein Semester Bibelausbildungskurs vs. 4 Semester, die Sie bis zu Einvernahme vor dem BFA bereits die Möglichkeit gehabt hätten). Auch bei den angebotenen Bibelstunden in Ihrer Muttersprache, sind Sie nur "gelegentlich" anwesend.

 

Nach ho Ansicht kann daraus keine "innere Überzeugung" abgeleitet werden, es liegt jedoch der Schluss nahe, dass Sie durch Ihre Scheinkonversion weniger einer inneren Überzeugung folgten, als vielmehr eine potentielle zweite Option für eine Besserstellung im Asylverfahren darlegen wollten, zumal Sie ja, angesichts der oben angeführten Widersprüche in Ihrem Fluchtvorbringen, davon ausgehen mussten, dass diesem kein Glauben geschenkt werden kann."

 

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wurde dem BF mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG die ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe Österreich gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig als Rechtsberater zur Seite gestellt.

 

1.5. Gegen diesen Bescheid richtet sich das durch den gewillkürten Vertreter mit Schreiben vom 14.12.2017 fristgerecht eingebrachte Rechtsmittel der Beschwerde, mit dem die Bescheide vollumfänglich angefochten wurden.

 

Die BF beantragten, das BVwG möge:

 

1. eine Beschwerdeverhandlung durchführen,

 

2. den BF den Status von Asylberechtigten zuerkennen, in eventu

 

3. ihnen den Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen, in eventu

 

4. feststellen, dass die Rückkehrentscheidung dauerhaft unzulässig sei, in eventu

 

5. die Bescheide ersatzlos beheben und an das BFA zurückverweisen.

 

In der Beschwerdebegründung wurde die Ermittlungstätigkeit und Beweiswürdigung des BFA kritisiert und unter anderem vorgebracht, dass der BF einerseits zum Christentum konvertiert sei, und andererseits aufgrund seiner außerehelichen Beziehung nicht nur eine private, sondern auch eine staatliche Verfolgung von Seiten des Behörden befürchte.

 

1.6. Die Beschwerdevorlage an die zuständige Gerichtsabteilung des BVwG erfolgte am 29.12.2017.

 

2. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung:

 

2.1. Anzuwendendes Recht:

 

Gegenständlich sind die Verfahrensbestimmungen des AVG, des BFA-VG, des VwGVG und jene im AsylG enthaltenen sowie die materiellen Bestimmungen des AsylG in der geltenden Fassung samt jenen Normen, auf welche das AsylG verweist, anzuwenden.

 

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

 

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes - AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

 

§ 28 VwGVG lautet:

 

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

 

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

 

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. (3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

§ 1 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem BVwG gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG bleiben unberührt.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das BVwG. § 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

 

Gemäß § 15 AsylG hat der Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken und insbesondere ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen.

 

Gemäß § 18 AsylG hat die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für die Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

 

2.2. Rechtlich folgt daraus:

 

2.2.1. Die gegenständliche, zulässige und rechtzeitige Beschwerde wurde am 25.12.2017 beim BFA eingebracht und ist beim BVwG am 29.12.2017 eingegangen.

 

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des BVwG zuständigen Einzelrichter.

 

Zu Spruchteil A):

 

2.2.2. Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht (VwG) den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, sofern die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.

 

Zur Anwendung der Vorgängerbestimmung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat - an dessen Stelle als Rechtsmittelinstanz in Asylsachen mit 01.07.2008 der Asylgerichtshof und mit 01.01.2014 das BVwG getreten ist - hat der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) mit Erkenntnis vom 21.11.2002, 2002/20/0315, ausgeführt:

 

"Im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde ist gemäß § 23 AsylG und Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG (unter anderem) § 66 AVG anzuwenden. Nach § 66 Abs. 1 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Außer dem in § 66 Abs. 2 AVG erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, gemäß § 66 Abs. 4 AVG immer in der Sache selbst zu entscheiden (vgl. dazu unter dem besonderen Gesichtspunkt der Auslegung der Entscheidungsbefugnis der belangten Behörde im abgekürzten Berufungsverfahren nach § 32 AsylG die Ausführungen im Erkenntnis vom 23.07.1998, 98/20/0175, Slg. Nr. 14.945/A, die mehrfach vergleichend auf § 66 Abs. 2 AVG Bezug nehmen; zu diesem Erkenntnis siehe auch Wiederin, ZUV 2000/1, 20 f.)"

 

Mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, hat der VwGH einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluss eines VwG aufgehoben, weil das VwG in der Sache selbst hätte entscheiden müssen. In der Begründung dieser Entscheidung führte der VwGH unter anderem aus, dass die Aufhebung eines Bescheides durch ein VwG nicht in Betracht kommt, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies werde jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

 

Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen werde insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen ließen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hätte, damit diese dann durch das VwG vorgenommen werden.

 

Der VwGH hat zuletzt weitere Entscheidungen getroffen, in denen er diese Grundsätze weiter ausgebildet hat. So hat er im Erkenntnis vom 19.04.2016, Ra 2015/01/0010, ausgesprochen, dass auch wenn das Verwaltungsgericht die beweiswürdigenden Erwägungen einer Verwaltungsbehörde nicht teilt, dies allein noch nicht dazu führt, dass von einem Unterlassen gebotener Ermittlungsschritte im Sinne des § 28 Abs. 3 VwGVG gesprochen werden könnte (vgl. etwa auch das Erkenntnis vom 20.05.2015, Ra 2014/20/0146).

 

2.2.3. Im vorliegenden Fall war es die Aufgabe der belangten Behörde zu klären, ob der BF zum einen eine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen konnte, und zum anderen, ob darüber hinaus menschen- bzw. asylrechtliche Gründe einer Rücküberstellung bzw. Ausweisung in seinen Herkunftsstaat entgegenstehen würden und ihm der Status als subsidiär Schutzberechtigter zu gewähren wäre.

 

2.2.3.1. Allerdings hat sich das BFA schon bezüglich der Frage einer asylrelevanten Verfolgung mit dem Vorbringen des BF nicht in ausreichender Weise auseinandergesetzt, zumal es seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes nicht ausreichend nachgekommen ist sowie die gesetzlich normierte Begründungspflicht verletzt hat.

 

Das BFA forderte den BF in der Einvernahme zwar auf, in freier Erzählung seinen Fluchtgrund zu schildern, allerdings wurde in der Folge verabsäumt, sich mit dem Erzählten genauer auseinanderzusetzen und ausführlich die einzelnen Bedrohungsszenarien zu beleuchten. Zwar wurde von der Erstbehörde in der Einvernahme angekündigt, detaillierte Fragen zu stellen, um sich ein besseres Bild machen zu können, allerdings beschränkte sich dies auf wenige kurz gehaltene Fragen - beispielsweise bezüglich des Zeitpunkts des Übergriffes und der Identität der Angreifer -, ohne dass es zu einer Klärung des genauen Ablaufes der Ereignisse gekommen wäre. Insbesondere hätte das BFA Details zum Überfall auf den BF und dessen Schwager erfragen müssen und sich auch mit dem Vorbringen des BF, der Vater seiner Freundin wäre Mitglied des afghanischen Geheimdienstes und die Polizei hätte ihn wegen seiner in Afghanistan verbotenen außerehelichen Beziehung gesucht, durch eine gründlichere Vernehmung auseinandersetzen müssen. Es ist somit nicht ersichtlich, dass die belangte Behörde irgendwelche Ermittlungen angestrengt hätte, um eine Vervollständigung des in der freien Erzählung rudimentär gebliebenen Vorbringens des BF zu erreichen.

 

In der Folge wurde dem BF im gegenständlichen Bescheid die Glaubwürdigkeit betreffend den geschilderten Fluchtgrund abgesprochen, wobei den beweiswürdigenden Ausführungen des BFA teilweise - beispielsweise in Zusammenhang mit den aufzeigten (zeitlichen) Ungereimtheiten bezüglich des Todes des Schwagers - zuzustimmen ist. Allerdings beschränkt sich die Argumentation des BFA bezüglich der möglichen staatlichen Verfolgung durch die Polizei bzw. den Schwiegervater als Mitglied des Geheimdienstes auf reinen Vermutungen und Spekulationen, zumal der BF diesbezüglich ja in der Einvernahme - wie bereits dargestellt - keiner weitergehenden Befragung unterzogen worden war.

 

Auch wurden bezüglich seines Vorbringens in der Einvernahme, zum Christentum konvertiert zu sein, von der Erstbehörde keine konkreten Ermittlungsschritte gesetzt. So wurde im Bescheid zwar beweiswürdigend ausgeführt, dass aus den vorgelegten Dokumenten und dem Verhalten des BF kein besonderes Engagement im Sinne einer manifestierten inneren christlichen Überzeugung ableiteten ließe, allerdings bleibt offen, inwieweit das BFA zu diesen Schlussfolgerungen gekommen ist, zumal dem BF bezüglich seines Glaubens in der Einvernahme lediglich eine einzige Frage - nämlich wann er das erste Mal eine Kirche besucht habe - gestellt wurde. Im Rahmen der Prüfung des möglichen Nachfluchtgrundes einer Konversion und um die innere Überzeugung des BF bewerten zu können, hätte das BFA somit umfangreichere Ermittlungen bezüglich der religiösen Gesinnung des BF durch genaueres Nachfragen - beispielweise in Bezug auf dessen Einstellung zu christlichen Werten oder sein Wissen die christliche Lehre betreffend - anstellen müssen.

 

2.3. Zusammengefasst ist festzustellen, dass das BFA in Bezug auf die Ermittlung der Sachlage somit bezüglich der Frage des Vorliegens asylrelevanter Verfolgung nicht mit der gebotenen Genauigkeit und Sorgfalt vorgegangen ist und die Sachlage nicht ausreichend erhoben bzw. sich in der Bescheidbegründung nur mangelhaft mit den Angaben des BF und den Beweisergebnissen auseinandergesetzt hat.

 

Der VwGH verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389). Aufgrund des mangelnden Ermittlungsverfahrens hat die belangte Behörde jedenfalls eine solche ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens nicht vorgenommen, da die belangte Behörde dieses offensichtlich nicht anhand der konkret entscheidungsrelevanten aktuellen Situation gewürdigt hat.

 

Aus Sicht des BVwG verstößt das Prozedere der belangten Behörde gegen die in § 18 Abs. 1 AsylG normierten Ermittlungspflichten. Die Asylbehörden haben in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amtswegen beizuschaffen. Diese Rechtsnorm, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen ist, hat die Erstbehörde in diesem Verfahren missachtet.

 

Im gegenständlichen Fall ist der angefochtene Bescheid der belangten Behörde und das diesem zugrunde liegende Verfahren im Ergebnis so mangelhaft, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides unvermeidlich erscheint. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt, noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen sonst zweifelfrei, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspräche. Im Gegenteil ist das Verfahren der belangten Behörde mit den oben dargestellten schweren Mängeln behaftet. Die Vornahme der angeführten Feststellungen und Erhebungen durch das BVwG selbst verbietet sich unter Berücksichtigung der oben dargestellten Ausführungen des VwGH und unter Effizienzgesichtspunkten, zumal diese grundsätzlich vom BFA durchzuführen sind.

 

2.4. Im fortgesetzten Verfahren wird das BFA die dargestellten Mängel zu verbessern und in Wahrung des Grundsatzes des Parteiengehörs dem BF die Ermittlungsergebnisse zur Kenntnis zu bringen haben.

 

Es hat sich nicht ergeben, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das BVwG selbst im Interesse der Raschheit gelegen wäre, zumal nichts darauf hindeutet, dass die erforderliche Feststellung durch das BVwG selbst, verglichen mit der Feststellung durch die belangte Behörde nach Zurückverweisung der Angelegenheit, mit einer wesentlichen Zeitersparnis und Verkürzung der Verfahrensdauer verbunden wäre.

 

Schließlich liegt auch kein Anhaltspunkt dahingehend vor, dass die Feststellung durch das BVwG selbst im Vergleich zur Feststellung durch die Verwaltungsbehörde mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre.

 

2.5. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

 

Da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

 

Zu Spruchteil B):

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

In der rechtlichen Beurteilung (Punkt 2.) wurde unter Bezugnahme auf die Judikatur des VwGH ausgeführt, dass im erstbehördlichen Verfahren notwendige Ermittlungen unterlassen wurden. Betreffend die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG im gegenständlichen Fall liegt keine grundsätzliche Rechtsfrage vor, weil § 28 Abs. 3 2. Satz inhaltlich § 66 Abs. 2 AVG (mit Ausnahme des Wegfalls des Erfordernisses der Durchführung einer mündlichen Verhandlung) entspricht, sodass die Judikatur des VwGH betreffend die Zurückverweisung wegen mangelhafter Sachverhaltsermittlungen heranzuziehen ist. Im Übrigen trifft § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eine klare Regelung (im Sinne der Entscheidung des OGH vom 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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