BVwG W243 2159698-1

BVwGW243 2159698-121.6.2017

AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W243.2159698.1.00

 

Spruch:

W243 2159696-1/2E

 

W243 2159698-1/2E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marianne WEBER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , und 2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Nigeria, beide vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH – ARGE Rechtsberatung, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.05.2017, Zlen. 1.) 1148476602-170431530, und 2.) 1148476700-170431548, zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Erstbeschwerdeführer ( XXXX ) und die Zweitbeschwerdeführerin ( XXXX ) sind ein Ehepaar und sind beide Staatsangehörige von Nigeria. Sie stellten nach ihrer Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 08.04.2017 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

 

Eine EURODAC-Abfrage zur Person des Erstbeschwerdeführers ergab eine Treffermeldung im Zusammenhang mit seiner erkennungsdienstlichen Behandlung nach der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz am 06.09.2015 in Italien. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde am 31.08.2016 nach illegaler Einreise und am 04.04.2017 nach Ersuchen um Gewährung von internationalem Schutz jeweils in Italien einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen.

 

2. Am 08.04.2017 wurden die Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen.

 

Dabei gaben die Beschwerdeführer übereinstimmend zu Protokoll, in einer Lebensgemeinschaft zu leben und an keinerlei gesundheitlichen Beschwerden oder Krankheiten zu leiden sowie keine weiteren Familienangehörige oder sonstige Verwandte in Österreich oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat zu haben. Die Zweitbeschwerdeführerin sei im fünften Monat schwanger.

 

Befragt zu seinem Reiseweg, gab der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen an, er habe seinen Herkunftsstaat bereits im Jahr 2011 legal in Richtung Benin verlassen, von wo aus er sich sodann über "Cotovar", Burkina Faso, Mali, Senegal und Gambia nach Libyen und in weiterer Folge nach Italien begeben habe. In Italien habe er um Asyl angesucht, dort jedoch eine negative Entscheidung erhalten. Das Berufungsverfahren sei noch nicht abgeschlossen. Das Leben in Italien sei sehr schlecht gewesen und habe er keine ausreichende Grundversorgung erhalten. Aus diesem Grund sei er dann gemeinsam mit seiner Frau nach Österreich weitergereist.

 

Als Fluchtgrund führte der Erstbeschwerdeführer an, dass er von den Mördern seines Vaters, bei welchen es sich um Personen seiner Volksgruppe handle, mit dem Tod bedroht worden sei. Es sei auch auf ihn geschossen worden, weshalb er Verletzungen am Bein erlitten habe.

 

Die Zweitbeschwerdeführerin führte, befragt zu ihrem Reiseweg, an, sie habe ihren Herkunftsstaat im Februar 2015 illegal nach Libyen verlassen und sei sie in der Folge nach Italien gereist. Ihr Asylverfahren in Italien sei noch nicht abgeschlossen; sie habe in Italien keine medizinische Unterstützung erhalten und sei sie daher nach Österreich weitergereist.

 

Nigeria habe sie verlassen, da sie von den Mördern ihres Vaters, der als Chauffeur für einen Politiker gearbeitet hätte, verfolgt und bedroht worden sei. Die Polizei habe nichts unternommen.

 

3. In der Folge richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) am 12.04.2017 auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (in der Folge: Dublin III-VO), gestützte – die Beschwerdeführer betreffende – Wiederaufnahmegesuche an Italien.

 

Mit Schreiben vom 02.05.2017 teilte das BFA der italienischen Dublin-Behörde mit, dass aufgrund des Unterbleibens der Beantwortung der Wiederaufnahmegesuche gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO die Zuständigkeit von Italien zur Durchführung der gegenständlichen Asylverfahren eingetreten sei.

 

4. Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 11.05.2017 gaben die Beschwerdeführer im Beisein eines Rechtsberaters nach durchgeführter Rechtsberatung und unter Beiziehung eines Dolmetschers für die englische Sprache zu Protokoll, geistig und körperlich zur Durchführung der Einvernahme in der Lage zu sein.

 

Der Erstbeschwerdeführer brachte vor, seit dem Jahr 2011 an Herzproblemen und Schmerzen im linken Bein zu leiden. Diesbezüglich wurden folgende medizinische Unterlagen vorgelegt:

 

* Mikrobiologische Befunde des XXXX vom XXXX ;

 

* Ärztlicher Befund des XXXX vom XXXX mit der Anamnese/Diagnose "seit 3 Monaten Fiberschübe und Ganzkörperschmerz";

 

* Röntgenbefund des XXXX vom XXXX betreffend Röntgen des linken Unterschenkels mit dem Ergebnis "vollkommen unauffälliger Befund an den knöchernen Strukturen von Tibia und Fibula; weder Hinweise auf posttraumatische Veränderungen noch auf eine Osteomyelitis. Auffallend jedoch mehrere kleinste Metallsplitter im mittleren Unterschenkeldrittel, diese in den Weichteilen lateral der Fibula lokalisiert";

 

* Laborbefund des XXXX vom XXXX ;

 

* Terminbestätigung des XXXX vom XXXX für den 03.05.2017;

 

* Ärztlicher Befund des XXXX vom XXXX ; sowie

 

* Befund des XXXX vom XXXX

 

Die Zweitbeschwerdeführerin brachte vor, wegen Infektionen behandelt worden zu sein; die Behandlung sei jedoch abgeschlossen. Nunmehr sei sie im sechsten Monat schwanger. Diesbezüglich legte sie den Mutter-Kind-Pass mit einem errechneten Geburtstermin am 15.09.2017 sowie einen ärztlichen Befund des Landesklinikum XXXX vom XXXX vor.

 

Weiters gaben die Beschwerdeführer an, außer dem jeweiligen Ehepartner keine Angehörigen in Österreich zu haben.

 

Auf Vorhalt, dass aufgrund der erfolgten Zustimmung Italiens beabsichtigt sei, ihre Anträge auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen und ihre Außerlandesbringung nach Italien zu veranlassen, brachten die Beschwerdeführer vor, nicht nach Italien zurückzuwollen. Der Erstbeschwerdeführer würde auf der Straße landen und könne dann seiner Frau nicht helfen. Er sei im Lager auch nie wegen seiner Beschwerden behandelt worden und habe er lediglich Medikamente gegen Kopfschmerzen in der Apotheke gekauft. Auch die Zweitbeschwerdeführerin hätte in Italien keine Behandlung erhalten.

 

Der anwesende Rechtsberater beantragte, die Untersuchung des Erstbeschwerdeführers am 19.05.2017 abzuwarten, um seinen tatsächlichen Gesundheitszustand abzuwarten und gegebenenfalls eine Einzelfallzusicherung seitens der italienischen Behörden einzuholen. Die Zweitbeschwerdeführerin habe Italien verlassen, da sie in ihrer Schwangerschaft nicht medizinisch behandelt worden sei. Ohne Einzelfallzusicherung der italienischen Behörden könne sie nicht nach Italien ausgewiesen werden.

 

5. Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO für die Prüfung der Anträge zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG eine Abschiebung nach Italien zulässig sei (Spruchpunkt II.).

 

Das BFA stellte nach einer Darstellung des Verfahrensganges fest, dass Italien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Dublin III-VO für die Durchführung der Asylverfahren zuständig sei. Die Beschwerdeführer litten weder an schweren, körperlichen oder ansteckenden Krankheiten noch an psychischen Erkrankungen. Weitere familiäre oder verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in Österreich hätten nicht festgestellt werden können.

 

Zur Lage in Italien traf das BFA folgende Feststellungen (gekürzt und unkorrigiert durch das Bundesverwaltungsgericht):

 

"Dublin-Rückkehrer

 

Die meisten Dublin-Rückkehrer landen am Flughafen Rom-Fiumicino, einige auch am Flughafen Mailand-Malpensa. Ihnen wird am Flughafen von der Polizei eine Einladung (verbale di invito) ausgehändigt, der zu entnehmen ist, welche Questura für ihr Asylverfahren zuständig ist. Die Situation von Dublin-Rückkehrern hängt vom Stand ihres Verfahrens in Italien ab.

 

1. Wenn ein Rückkehrer noch keinen Asylantrag in IT gestellt hat, kann er dies tun, wie jeder andere auch.

 

2. Ist das Verfahren des AW noch anhängig, wird es fortgesetzt und er hat dieselben Rechte wie jeder andere AW.

 

3. Hat er beim ersten Aufenthalt in Italien eine negative Entscheidung erhalten und dagegen keine Beschwerde eingelegt, kann er zur Außerlandesbringung in ein CIE gebracht werden.

 

4. Wurde das Verfahren des Rückkehrers negativ entschieden, dieser aber nicht informiert (weil er etwa schon weg war), kann er Beschwerde einlegen.

 

5. Hat der AW Italien vor seinem persönlichen Interview verlassen und erging folglich eine negative Entscheidung, kann der Rückkehrer ein neues Interview beantragen (AIDA 12.2015).

 

Im Falle einer 8-köpfigen afghanischen Familie, welche über Italien nach Österreich und weiter in die Schweiz gereist ist und welche im Rahmen der Dublin-Verordnung von der Schweiz nach Italien rückzuüberstellen war, hat der EGMR am 4.11.2014 festgestellt, dass eine Überstellung nach Italien das Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (Art. 3 EMRK) verletzen würde, falls die Schweiz nicht vorab von Italien Einzelfallzusicherungen für eine altersgerechte Betreuung der Kinder und für die Wahrung der Einheit der Familie einholt (sogen. Tarakhel-Urteil) (EGMR 4.11.2014; vgl AIDA 12.2015).

 

Im Sinne des Tarakhel-Urteils stellte IT im Juni 2015 in einem Rundbrief eine Liste von SPRAR-Einrichtungen zur Verfügung, welche für die Unterbringung von Familien geeignet sind (AIDA 12.2015). Im Februar 2016 wurde in einem neuen Rundbrief diese Liste aktualisiert. Sie umfasst 23 SPRAR-Projekte mit zusammen 85 Unterbringungsplätzen für Familien mit Kindern (MdI 15.2.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) / Vulnerable

 

Mit Legislativdekret (LD) 142/2015 wurden Unbegleitete Minderjährige, Opfer von Menschenhandel, Opfer von Genitalverstümmelung und ernsthaft physisch oder psychisch Kranke auf die Liste der vulnerablen Personen gesetzt, welche nunmehr folgende Gruppen umfasst (zuzüglich zu den bereits genannten):

Minderjährige, Schwangere, Alte, Behinderte, alleinstehende Eltern mit minderjährigen Kindern und Opfer von Folter, Vergewaltigung oder anderen Formen physischer, psychischer oder sexueller Gewalt (AIDA 12.2015).

 

Die italienischen Gesetze sehen keinen eigenen Identifizierungsmechanismus für Vulnerable vor. Wenn im Zuge des Interviews ein Vertreter der Behörde den Verdacht hat, es mit einer vulnerablen Person zu tun zu haben, kann er den Betreffenden speziellen Diensten zuweisen. Laut LD 142/2015 hat Opfern von Gewalt Zugang zu geeigneter medizinischer und psychologischer Betreuung gewährt zu werden. Beim Schutz von Minderjährigen sind Reifegrad und Entwicklung des Minderjährigen zu berücksichtigen und es ist im besten Interesse des Kindes zu handeln. Mit LD 142/2015 ist festgelegt, dass die Anwesenheit eines UMA umgehend dem Vormundschaftsgericht zur Bestellung eines Vormunds, dem Staatsanwalt am Jugendgericht, dem Jugendgericht zur Bestätigung der umgesetzten Unterbringungsmaßnahmen, sowie dem Sozialministerium mitzuteilen ist. Vulnerable Fälle werden im Verfahren prioritär behandelt. Während des Asylinterviews ist es möglich, dass vulnerable AW von Sozialarbeitern, Ärzten und/oder Psychologen begleitet werden. Gemäß LD 142/2015 haben die Territorialkommissionen die Möglichkeit im Asylverfahren wann immer nötig den Rat von Experten in medizinischen, kulturellen, religiösen, kindesbezogenen oder Genderfragen zu suchen. Bei Zweifeln über das Alter eines Antragstellers kann jederzeit eine medizinische Altersfeststellung durchgeführt werden, für die eine Zustimmung des Minderjährigen bzw. des Vormunds nötig ist. Eine Verweigerung derselben hat keine negativen Auswirkungen auf das Verfahren. Zu den Methoden der Altersfeststellung gibt es keine spezifischen Vorgaben, außer dass sie nicht-invasiv sein sollen und in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen mit pädiatrischen Abteilungen durchzuführen sind. Angeblich werden Altersfeststellungen meist von nicht-spezialisierten Medizinern anhand von Röntgenbildern vorgenommen, was auf Kritik stößt. Im Zweifel ist die Minderjährigkeit anzunehmen (AIDA 12.2015).

 

Der UN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechte von Migranten kommt zu dem Schluss, dass die derzeitige Konzentration auf Altersfeststellungen und das Günstigkeitsprinzip bei Personen, die unter 18 zu sein scheinen, als vorsichtiger Ansatz erscheinen, der den Schutz der Betroffenen über die Zweckmäßigkeit stellt. Es sei jedoch abzuwarten, ob dies auch langfristig umgesetzt werden könne (UNHRC 1.5.2015).

 

Stellt ein unbegleiteter Minderjähriger einen Asylantrag wird das Verfahren sofort suspendiert und das Jugendgericht (Tribunale per i minorenni) und der Vormundschaftsrichter (Giudice tutelare) informiert. Letzterer muss binnen 48 Stunden einen Vormund ernennen, welcher dann bei der Questura die Wiederaufnahme des Verfahrens bewirkt und die Maßnahmen zur Unterbringung und Versorgung des UMA überwacht. Die 48-Stunden-Regel wird kaum eingehalten, sondern es dauert eher Wochen (UNHCR berichtet von 2-11 Monaten (UNHCR 3.2015))

Der Vormund kümmert sich während des gesamten Verfahrens um den UMA, im Falle einer negativen Entscheidung auch darüber hinaus. Vor allem während des Interviews ist seine Anwesenheit unerlässlich. Beschwerden gegen negative Entscheidungen sind selten, weil entweder ein anderer Schutztitel oder eine Aufenthaltserlaubnis bis zum 18. Geburtstag gewährt wurde. Der Vormund ist für das Wohlergehen des Kindes verantwortlich. In der Praxis wird der Bürgermeister jener Gemeinde, in der der UMA untergebracht ist, zum Vormund ernannt und er delegiert die Vormundschaft an andere Personen innerhalb der Gemeinde, die meist viele Personen zu betreuen haben. In der Praxis sehen Vormunde ihre Schützlinge oft nur bei der formalen Registrierung des Asylantrags und dann beim Interview, was gesetzlich unbedingt verlangt ist. Auch die Ernennung eines freiwilligen Vormunds ist möglich, wird aber nicht oft angewendet (AIDA 12.2015).

 

Laut italienischen Gesetzen ist bei der Unterbringung auf spezifische Bedürfnisse der AW Rücksicht zu nehmen, besonders bei Vulnerablen. Die Manager der Unterbringungszentren sollen in Zusammenarbeit mit lokalen öffentlichen Gesundheitszentren die angemessene psychologische Unterstützung Vulnerabler sicherstellen. LD 142/2015 sieht einen Gesundheitscheck in der Erstaufnahme vor, um auch spezielle Unterbringungsbedürfnisse erkennen zu können. Diese speziellen Unterbringungsmöglichkeiten sind in der CARA und im SPRAR sicherzustellen. Die Umsetzung dieser Bestimmungen hängt allerdings sehr von den einzelnen Zentren und ihrer Finanzierung ab (AIDA 12.2015) und ist angeblich in den Zentren der Phase-1-Unterbringung (CARA, CPSA, ) praktisch nicht existent (AIDA 12.3.2016).

 

Auf die Familieneinheit ist sowohl in CARA als auch SPRAR nach Möglichkeit Rücksicht zu nehmen, in der Praxis kann es aber passieren, dass Kinder bei der Mutter und der Vater bei den alleinstehenden Männern oder gar in einer anderen Einrichtung untergebracht wird. Familien können aber je nach Grad der Vulnerabilität und der Warteliste auch in SPRAR-Zentren überstellt werden. UMA dürfen nicht in CARA untergebracht werden. Sie werden für max. 60 Tage in Erstaufnahmeeinrichtungen und danach in SPRAR-Projekten, bzw. wenn nicht verfügbar in Kinderheimen untergebracht. Behauptet ein in einem CARA Untergebrachter, minderjährig zu sein, muss eine Altersfeststellung durchgeführt werden. Ist er tatsächlich minderjährig, muss er entsprechend untergebracht werden (AIDA 12.2015).

 

Unbegleitete Minderjährige, die nicht Asyl beantragen, haben ohne Unterschied zu UMA das Recht auf Unterbringung. Im Oktober 2015 betrug die Zahl der insgesamt im SPRAR untergebrachten Minderjährigen 1.318 (AIDA 12.2015).

 

Die Europäische Kommission hat am 10.7.2014 mit einer formal notice wegen der Situation unbegleiteter Minderjähriger Asylwerber die erste Stufe eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Italien in Kraft gesetzt. Nähere Informationen dazu liegen nicht vor (EK 31.3.2016).

 

Mit Gesetz 190/2014 vom 1.1.2015 gingen die Agenden betreffend unbegleiteter Minderjähriger vom italienischen Arbeits- und Sozialministerium auf das Innenministerium über, unter gleichzeitiger Bereitstellung neuer Mittel in Höhe von EUR 32,5 Mio. pro Jahr für die Versorgung von UM (UNHRC 1.5.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Non-Refoulement

 

Grundsätzlich bietet Italien Schutz gegen Abschiebung oder Rückkehr von Flüchtlingen in Länder, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit aufgrund Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischer Gesinnung bedroht wäre (USDOS 25.6.2015).

 

Italien bringt gegebenenfalls Antragsteller im Rahmen der Dublin-VO außer Landes oder schiebt in sichere Herkunftsstaaten ab. Zwischen Jänner und August 2015 schob Italien 8.497 Migranten in ihre Heimatländer ab, hauptsächlich Tunesien, Ägypten und Nigeria (USDOS 4.2016).

 

Von Problemen wird von den ital. Adriahäfen (sogen. "offizielle Grenzpunkte") berichtet, wo im Rahmen bilateraler Abkommen direkte und informelle Rückschiebungen von Italien nach Griechenland stattfinden, welche die Betroffenen einem Refoulement-Risiko aussetzen können. Für diese Praxis wurde Italien am 21.10.2014 vom EGMR verurteilt (Sharifi and Others v. Italy and Greece). Zuletzt nahm die Zahl der blinden Passagiere auf den Fähren aber ab, was an geänderten Migrationsrouten liegen dürfte. (AIDA 12.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Versorgung

 

Unterbringung

 

Mit LD 142/2015 wurde ein 2-Phasen-Unterbringungssystem eingeführt, das im Wesentlichen dem davor Üblichen entspricht. Die erste Phase bilden die Ersthelfer- und Unterbringungszentren CPSA, Erstaufnahmezentren CPA und Notfallzentren CAS, sowie Unterbringungszentren CARA. In diesen Einrichtungen sollen AW nur temporär untergebracht werden, bis Verlegung in SPRAR möglich ist. Das SPRAR bildet die 2. Phase der Unterbringung. Fremde sind zur Unterbringung in Italien berechtigt, sobald sie den Willen erkennbar machen, um Asyl ansuchen zu wollen und wenn eine Bedürftigkeit besteht, welche auf Basis von Eigendeklaration festgestellt wird. Das Unterbringungsrecht gilt bis zur erstinstanzlichen Entscheidung (bzw. dem Ende der Rechtsmittelfrist). Bei Rechtsmitteln mit automatischer aufschiebender Wirkung besteht das Recht auch bis zur Entscheidung des Gerichts (AIDA 12.2015).

 

Die Praxis, dass der tatsächliche Zugang zur Unterbringung erst mit der Verbalizzazione (formelle Registrierung des Antrags) gegeben ist, anstatt sofort nach Fotosegnalamento (erkennungsdienst-liche Behandlung), bestand laut AIDA aber zumindest bis Ende September 2015 fort. Zwischen diesen beiden Schritten waren, abhängig von Region und Antragszahlen, vor allem in den großen Städten Wartezeiten von Wochen oder gar Monaten möglich. Betroffene AW waren daher auf Freunde oder Notunterkünfte angewiesen, oder es drohte ihnen Obdachlosigkeit. Zum Ausmaß dieses Phänomens gibt es allerdings keine statistischen Zahlen. Auch ist nicht bekannt, wie sich die Situation momentan darstellt. Betroffen waren außerdem nur Personen, die ihren Antrag im Land stellten, keine auf See geretteten AW (AIDA 12.2015).

 

CPSA, CDA, CARA und CAS

 

CPSA (Centri di primo soccorso e accoglienza), CDA (Centri di Accoglienza) und CARA (Centri d'Accoglienza Richiedenti Asilo) umfassen 13 Zentren. Diese Zentren der Erstaufnahme bieten im Vergleich zum SPRAR eher grundlegende Versorgung mit Essen, Kleidung, Basisinformation, Rechtsberatung und medizinischer Notversorgung. Es handelt sich um große Zentren mit vielen Unterbringungsplätzen. Die CAS (Centri di accoglienza straordinaria) dienen hauptsächlich zur Unterbringung von Bootsflüchtlingen, ihre Zahl wird je nach Bedarf angepasst und ist daher nur schwer festzumachen. Die Zahl der Unterbringungsplätze lag im Oktober 2015 bei 7.290 (CPSA, CDA und CARA) und 70.918 (CAS). Es ist geplant, dass bis Ende 2016 die Erstaufnahmestruktu-ren zu Regionalzentren (Regional Hubs) umgewandelt werden, in denen die ASt. zur Formalisierung ihrer Anträge 7-30 Tage bleiben und dann weiterverlegt werden. Es sollen so bis Mitte 2016 14.750 Plätze zur Verfügung stehen, bzw. 15.500 bis Ende 2016. Am Ende soll es ein derartiges Zentrum in jeder Region des Landes geben. Die Zentren sind offen und dürfen tagsüber verlassen werden. Auf individuelle Bedürfnisse der ASt. (Geschlecht, Alter, Vulnerabilität) ist Rücksicht zu nehmen. In CARA erhalten Untergebrachte EUR 75/Monat Taschengeld, die Höhe des Taschengeldes in CAS ist nicht bekannt (AIDA 12.2015). In der Praxis unterscheiden sich die Unterbringungsbedingungen zwischen den Zentrumstypen und je nach Region zum Teil erheblich. Überbelegung ist oft ein Problem. Da ASt. überall in Italien untergebracht werden können, wo gerade Platz ist, viele es jedoch bevorzugen in Rom zu leben, verlassen viele von ihnen das CARA-System (AIDA 12.2015).

 

SPRAR

 

Die SPRAR-Projekte der Gemeinden (Sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati) sind hauptsächlich Wohnungen oder kleine Zentren. Im Mai 2015 bestand das SPRAR aus 430 Einzelprojekten. Die Zahl der Unterbringungsplätze Ende 2015 bei 19.715, aber die Schaffung von 10.000 weiteren Plätzen wurde angekündigt. SPRAR-Projekte bieten Übersetzungsleistungen, linguistisch-kulturelle Mediation, rechtliche Beratung, medizinische Versorgung, sozio-psychologische Unterstützung, Unterstützung Vulnerabler, Integrationsberatung, und Freizeitaktivitäten. Die Unterbringungsbedingungen sind besser als in CARA-Zentren. Es gibt eigene Projekte im Rahmen des SPRAR für UM bzw. geistig oder körperlich Behinderte, welche spezialisierte Leistungen bieten. Im SPRAR Untergebrachte erhalten EUR 60-75 Taschengeld. Das SPRAR verfügt über standardisierte Integrationsprogramme für AW und Schutzberechtigte, die auch Jobtrainings und Praktika umfassen. Auch wenn es Unterschiede zwischen den einzelnen Projekten gibt, werden die Integrationsmaßnahmen in den italienischen Zentren dennoch als unzulänglich kritisiert. Die max. Aufenthaltsdauer im SPRAR liegt bei 6 bis 12 Monaten (AIDA 12.2015; vgl. AIDA 12.3.2016).

 

Für Mitte Februar 2016 wird von insgesamt 105.248 Unterbringungsplätzen (alle Formen) in Italien berichtet. Die meisten davon (wie oben) sind CAS-Plätze (AIDA 12.3.2016).

 

Darüber hinaus existiert außerhalb der staatlichen Strukturen noch ein Netzwerk privater Unterbringungsmöglichkeiten, betrieben etwa von Kirchen und Freiwilligenorganisationen. Ihre Zahl ist schwierig festzumachen. Interessant sind sie im Notfall oder für die Unterbringung von Familien (AIDA 12.2015).

 

Gemäß LD 142/2015 dürfen AW bereits 2 Monate nach Antragstellung arbeiten, wobei es in der Praxis bürokratische Schwierigkeiten bei der Ausübung dieses Rechtes gibt. Die Sprachbarriere ist ebenfalls ein erschwerender Faktor. Sind AW im SPRAR untergebracht, haben sie auch Zugang zu den dortigen Jobtrainings (AIDA 12.2015).

 

Ist in keiner der beiden Strukturen Platz für einen AW vorhanden, wäre für den Zeitraum in dem der AW nicht untergebracht wird, eigentlich ein Taggeld vorgesehen. In der Praxis wird dieses aber nicht ausbezahlt, sondern der AW trotzdem untergebracht und eine gewisse Überbelegung in Kauf genommen (AIDA 12.2015).

 

CIE

 

Zusätzlich sind noch die Schubhaftkapazitäten zu nennen. Italien verfügt über 7 CIE (Centro di identificazione ed espulsione) mit einer Kapazität von 955 Plätzen (AIDA 12.2015).

 

Quellen:

 

 

 

Hotspots

 

In Italien sind bisher 3 Hotspots eröffnet worden (Lampedusa, Pozzallo, Trapani). Geplant sind 6 Hotspots mit insgesamt 2.500 Plätzen. Deren Zweck ist es, dort zusammen mit Personal der europäischen Asylunterstützungsagentur EASO die mixed migration flows zu kanalisieren und Migranten von Asylwerbern zu trennen. Letztere werden in die Regionalzentren überstellt (AIDA 12.2015; UNHCR 18.2.2016). Bestimmte Nationalitäten kommen für Relocation in andere EU-Länder in Frage (AI 24.2.2016).

 

Die Hotspots ernteten Kritik von NGOs, da es sich um geschlossene Zentren handelt. Auch sollen die Bedingungen zum Teil schlecht sein, sodass sich die NGO Médécins Sans Frontières (MSF) aus dem Hotspot Pozzallo zurückzog (AIDA 12.3.2016)

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Dublin-Rückkehrer

 

Als größtes Problem für Rückkehrer wird die Unterbringungssituation betrachtet. Dublin-Rückkehrer (AW oder Schutzberechtigte), die zuvor in Italien nicht untergebracht waren, haben bei Rückkehr Zugang zu Unterbringung. Eine Aussage darüber, wie lange es dauert bis auch tatsächlich ein Platz gefunden ist, ist nicht möglich. Berichten zufolge ist es in der Vergangenheit zu Fällen gekommen, in denen Dublin-Rückkehrer nicht untergebracht werden konnten und sich selbst unterbringen mussten, mitunter in Behelfssiedlungen. (AIDA 12.2015).

 

Gleichzeitig besagen ältere Berichte, dass ein AW, der dem Unterbringungszentrum ohne Genehmigung über eine bestimmte Frist fernbleibt, seinen Unterbringungsplatz verliert und danach nicht wieder in derselben Struktur untergebracht werden kann (AIDA 1.2015). Angeblich gilt dieses Verbot der erneuten Unterbringung für 6 Monate nach dem Verlassen der Unterbringung (SFH 5.2011).

 

Um die Unterbringungssituation von Dublin-Rückkehrern zu verbessern, wurden ab 2011 im Rahmen des Europäischen Flüchtlingsfonds (FER) Projekte nahe der Flughäfen finanziert, an denen diese am häufigsten ankommen (ARCO, ARCA, ASTRA am Flughafen Rom-Fiumicino; STELLA, ALI, TERRA am Flughafen Mailand-Malpensa; und weitere in Venedig, Bari und Bologna) (AIDA 1.2015). Informationen aus dem ital. Innenministerium zufolge, sind diese Projekte mittlerweile alle ausgelaufen und wurden von der EU nicht nachfinanziert. Die Betroffenen sind derzeit durchweg in den national unterhaltenen Zentren untergebracht (CPSA, CDA, CARA, CIE, SPRAR). Die genaue Aufteilung auf die diversen Arten von Einrichtungen ist nicht bekannt, jedoch die Aufteilung nach Region (siehe Grafik). Am 29.2.2016 waren insgesamt 107.387 Personen in den diversen Einrichtungen untergebracht.

 

(...)

 

Im Sinne des Tarakhel-Urteils stellte Italien im Juni 2015 in einem Rundbrief eine Liste von SPRAR-Einrichtungen zur Verfügung, welche für die Unterbringung von Familien geeignet sind (AIDA 12.2015). Im Februar 2016 wurde in einem neuen Rundbrief diese Liste aktualisiert. Sie umfasst 23 SPRAR-Projekte mit zusammen 85 Unterbringungsplätzen für Familien mit Kindern (MdI 15.2.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Medizinische Versorgung

 

Asylwerber und Personen mit einem Schutzstatus in Italien müssen sich beim italienischen Nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann dieselben Rechte und Pflichten in Bezug auf medizinische Versorgung wie italienische Staatsbürger. AW haben dieses Recht ab Registrierung ihres Asylantrags. Das gilt sowohl für untergebrachte, wie für nicht untergebrachte AW. Die Anmeldung erfolgt in den Büros der lokalen Gesundheitsdienste (Aziende sanitaria locali, ASL). Im Zuge der Registrierung wird eine Gesundheitskarte (tessera sanitaria) ausgestellt. Die Registrierung berechtigt zu folgenden Leistungen: freie Wahl eines Hausarztes bzw. Kinderarztes (kostenlose Arztbesuche, Hausbesuche, Rezepte, usw.);

Geburtshilfe und gynäkologische Betreuung bei der Familienberatung (consultorio familiare) ohne allgemeinärztliche Überweisung;

kostenlose Aufenthalte in öffentlichen Krankenhäusern. Asylwerber und Schutzberechtigte können sich auf Basis einer Eigendeklaration bei der ASL als bedürftig registrieren lassen. Sie werden dann arbeitslosen Staatsbürgern gleichgestellt und müssen keine Praxisgebühr ("Ticket") bezahlen. In einem Zentrum Untergebrachte erhalten bei diesem Schritt Hilfe von ihren Betreuern. Nach Ablauf der ersten 6 Monate müssen sich AW offiziell arbeitslos melden, um die Ticketbefreiung behalten zu können. Zum effektiven Zugang zu medizinischer Versorgung für Asylwerber und Schutzberechtigte erklärt AIDA, dass bei den Mitarbeitern im Gesundheitsbereich Desinformation und Mangel an Erfahrung in der Behandlung von Migranten häufig sind. Die Sprachbarriere ist aber das größte Zugangshindernis (AIDA 12.2015).

 

AW und Schutzberechtigte mit psychischen Problemen (z.B. Folteropfer) haben das Recht auf dieselbe Behandlung wie italienische Staatsbürger. In der Praxis können sie von spezialisierten Dienstleistungen profitieren, die im Rahmen des Nationalen Gesundheitsdienstes und von spezialisierten NGOs und Privaten angeboten werden. Verschiedene medizinische Zentren und Ärzte, die früher im sogenannten NIRAST (Italian Network for Asylum Seekers who Survived Torture) organisiert waren, arbeiten unter verschiedenen Finanzierungen weiter in der Unterstützung von Folteropfern (AIDA 12.2015).

 

Irreguläre Migranten haben das Recht auf medizinische Notversorgung und präventive Versorgung zum Schutz der individuellen und kollektiven Gesundheit. Damit haben sie dieselben Rechte wie italienische Staatsbürger (AIDA 12.2015).

 

Illegal aufhältige Personen können von medizinischen Notdiensten usw. Gebrauch machen. Die Gesetze verbieten es dem medizinischen und Verwaltungspersonal die Polizei bezüglich illegaler Migranten zu informieren (UNHRC 21.7.2014).

 

Quellen:

 

 

 

Beweiswürdigend wurde hervorgehoben, dass die Identität der Beschwerdeführer mangels vorliegender unbedenklicher Dokumente nicht feststehe. Aus den aktuellen Länderfeststellungen zu Italien sei ersichtlich, dass den Beschwerdeführern im Falle einer Außerlandesbringung nach Italien sowohl Unterbringung als auch medizinische Versorgung zur Verfügung stünden. Im Zusammenhang mit der durch die Rechtsberatung beantragten Einholung einer Einzelfallzusicherung wurde nachfolgend festgehalten:

 

"Eine grundsätzliche Verpflichtung des Bundesamtes zur Einholung von Einzelfallzusicherungen zur Sicherstellung der Unterbringung von vulnerablen Personengruppen nach erfolgter Dublin Überstellung nach Italien ergibt sich weder aus der Verordnung 604/2013 (=Dublin-III-VO) selbst, noch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bzw. aus der verbindlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechtes durch den de Europäischen Gerichtshof (EuGH).

 

Vielmehr werden seitens des Bundesamtes praktische Modalitäten in Absprache mit den italienischen Behörden durchgeführt und eingehalten, welche die Einholung einer Einzelfallzusicherung vor Überstellung nicht erforderlich machen.

 

Damit gewährleitstet ist, dass die vulnerable Personengruppe im konkreten Einzelfall auch einen SPRAR Unterbringungsplatz zugewiesen bekommt, werden seitens des Bundesamtes spezifische Maßnahmen getroffen:

 

1. Das Bundesamt kündigt die Dublin Überstellung mindestens 15 Tage vor geplantem Überstellungstermin den italienischen Behörden via DubliNet an. Sämtliche speziellen Bedürfnisse werden den italienischen Behörden in gem. Art 31 bzw., falls anwendbar, bei Vorliegen medizinischer Daten gem. Art 32 vorab kommuniziert. Sollte kein SPRAR Unterbringungsplatz zur Verfügung stehen, teilen die italienischen Behörden dies dem Bundesamt vor Überstellung mit.

 

2. Zur Unterstützung der Übernahme schwer vulnerabler Personen ist zudem die italienische Vereinigung "Cooperativa Accoglienza Fiumicino" am Flughafen Rom Fiumicino vor Ort. Die Vereinigung assistiert den italienischen Behörden bei der Empfangnahme vulnerabler Personengruppen."

 

Im Verfahren seien keine konkreten auf die Beschwerdeführer persönlich bezogenen Umstände glaubhaft gemacht worden, die gerade in ihrem Fall eine Bedrohung oder Gefährdung im Fall ihrer Abschiebung nach Italien als wahrscheinlich erscheinen ließen.

 

In der rechtlichen Beurteilung wurde festgehalten, dass Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO formell erfüllt sei. Die Anordnung der Außerlandesbringung würde nicht zu einer relevanten Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK führen. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung der Beschwerdeführer ernstlich für möglich erscheinen lassen würde, sei im Verfahren nicht erstattet worden. In einer Gesamtbetrachtung habe sich daher kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Es gäbe auch keine Gründe, die Durchführung der Entscheidungen gemäß § 61 Abs. 3 FPG aufzuschieben.

 

6. Gegen die zitierten Bescheide erhoben die Beschwerdeführer im Wege ihres rechtsfreundlichen Vertreters mit Schriftsätzen vom 23.05.2017 binnen offener Frist die vorliegenden Beschwerden, verbunden mit dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

 

Darin wird im Wesentlichen moniert, die belangte Behörde habe keine Einzelfallprüfung durchgeführt und hätte gegenständlich von den italienischen Behörden eine individuelle Zusicherung im Sinne des EGMR-Urteils Tarakhel/Schweiz eingeholt werden müssen, aus der hervorgehe, dass die vulnerablen Beschwerdeführer in Italien angemessen untergebracht und versorgt würden. Die von der Behörde angesprochenen praktischen Modalitäten stellten jedenfalls keine ausreichende Zusicherung dar. Die Mängel bei der Unterbringungssituation in Italien könnten durchaus die Schwere einer Verletzung nach Art. 3 EMRK erreichen, wobei in diesem Zusammenhang in der Beschwerde diverse Berichte zitiert wurden. Es bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Abschiebung nach Italien in den Zustand existentieller Not, Obdachlosigkeit, Grundversorgungslosigkeit und fehlender Daseins-Vorsorge geraten würden. Eine Überstellung nach Italien verletze daher die Beschwerdeführer in ihren nach Art. 2 und 3 EMRK geschützten Grundrechten.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Die Beschwerdeführer, beide Staatsangehörige von Nigeria, sind Ehepartner und reisten getrennt voneinander illegal über Libyen kommend nach Italien, wo der Erstbeschwerdeführer am 06.09.2015 und die Zweitbeschwerdeführerin am 04.04.2017 um Gewährung internationalen Schutzes ansuchten. Ohne den Ausgang der Asylverfahren abzuwarten, verließen sie gemeinsam Italien und begaben sie sich in weiterer Folge nach Österreich, wo sie am 08.04.2017 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz stellten.

 

Das BFA richtete am 12.04.2017 auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestützte Wiederaufnahmegesuche an Italien. Aufgrund des Unterbleibens der Beantwortung der Wiederaufnahmegesuche ist gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO die Zuständigkeit von Italien zur Durchführung des gegenständlichen Asylverfahrens seit 27.04.2017 eingetreten. Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Italiens wieder beendet hätte, liegt nicht vor.

 

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Italien an.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung nach Italien Gefahr liefen, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe beziehungsweise einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

 

Der Erstbeschwerdeführer machte im Verfahren geltend, seit dem Jahr 2011 an Herzproblemen und Schmerzen im linken Bein zu leiden. Diesbezüglich stand er in ärztlicher Behandlung und wurde ihm zuletzt ein Termin für den 03.05.2017 im XXXX ausgehändigt. Bei der Zweitbeschwerdeführerin besteht eine Schwangerschaft mit einem errechneten Geburtstermin am 15.09.2017. Für das Bestehen einer Risikoschwangerschaft gibt es keine Hinweise. Weiters führte die Zweitbeschwerdeführerin an, wegen einer Infektion in Österreich abschließend behandelt worden zu sein.

 

Nicht festgestellt werden konnte, dass die Beschwerdeführer an einer schwerwiegenden oder gar lebensbedrohlichen gesundheitlichen Beeinträchtigung leiden. Sie benötigen keine medikamentöse oder stationäre Behandlung.

 

Intensiv ausgeprägte private, familiäre oder berufliche Bindungen bestehen im österreichischen Bundesgebiet nicht. Die Beschwerdeführer gehen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nach.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der illegalen Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU sowie der Antragstellungen ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführer im Rahmen ihrer Erstbefragungen und ihren Einvernahme vor dem BFA im Zusammenhang mit den EURODAC-Treffermeldungen.

 

Die Feststellungen betreffend die Wiederaufnahmegesuche seitens der österreichischen Dublin-Behörde an Italien und den erfolgten Übergang der Zuständigkeit zur Durchführung der vorliegenden Asylanträge auf Italien wegen Unterlassung der Beantwortung dieser Ersuchen beruht auf dem – im Verwaltungsakt dokumentierten – durchgeführten Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen und der italienischen Dublin-Behörde.

 

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen der angefochtenen Bescheide, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Italien auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin III-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen, wobei auch aktuelle Stellungnahmen von UNHCR, Amnesty International oder Schweizerische Flüchtlingshilfe in die Erwägungen eingeflossen sind. Es wurde somit auch die kritische Berichtslage berücksichtigt; die Beschwerdeführer haben die Richtigkeit dieser Feststellungen in einer Gesamtschau nicht hinreichend in Zweifel gezogen und auch keine dem (tatsächlichen) Inhalt dieser Quellen (fundamental) entgegenstehenden Berichte zitiert oder bezeichnet.

 

Aus den in den angefochtenen Bescheiden dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das italienische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheitslage von Asylsuchenden in Italien den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidungen zu folgen.

 

Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen in Italien haben die Beschwerdeführer nicht substantiiert vorgebracht (siehe dazu die weiteren Ausführungen unten).

 

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer ergeben sich aus den vorgelegten medizinischen Befunden und den Angaben der Beschwerdeführer. Die Feststellung bezüglich der bei der Zweitbeschwerdeführerin bestehenden Schwangerschaft ergibt sich aus dem vorgelegten Mutter-Kind-Pass. Im Zusammenhang mit der angeführten Infektion räumte sie selbst ein, die ärztliche Behandlung sei abgeschlossen. Hinweise darauf, dass sie diesbezüglich aktuell medizinisch behandelt würde, liegen somit nicht vor. Hinsichtlich der geltend gemachten Herzprobleme sowie Beinschmerzen des Erstbeschwerdeführers ist festzuhalten, dass sich diesbezüglich aus den vorgelegten Befunden kein akuter Behandlungsbedarf ergeben hat. Der Erstbeschwerdeführer hat auch keine weiteren ärztlichen Unterlagen (etwa nach der Untersuchung am 03.05.2017 im XXXX ) in Vorlage gebracht hat, aus welchen sich die Notwendigkeit ergänzender Untersuchungen bzw. ärztlicher oder medikamentöser Therapien ergeben hätten. In einer Gesamtbetrachtung wurde daher kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.

 

Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführer ergeben sich aus deren eigenen Angaben und der damit im Einklang stehenden Aktenlage.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A) Abweisung der Beschwerden:

 

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) lauten:

 

"§ 5. (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

 

(2) [...]

 

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

 

3.-5. [ ]

 

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

 

(2)-(3) [ ]"

 

3.2. § 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

 

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

 

3.3. § 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet:

 

"§ 61. (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

 

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

 

2. [ ]

 

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

 

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

 

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."

 

3.4. Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

 

"Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

 

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

 

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

 

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

 

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

 

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

 

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

 

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

 

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

 

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

 

Art. 13 Einreise und/oder Aufenthalt

 

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

 

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller - der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

 

Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

 

Art. 16 Abhängige Personen

 

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

 

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

 

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

 

(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

 

Art. 17 Ermessensklauseln

 

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

 

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

 

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

 

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

 

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

 

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

 

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

 

Art. 18 Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

 

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

 

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

 

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

 

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

 

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

 

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.

 

Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird.

 

In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird. In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.

 

Art. 20 Einleitung des Verfahrens

 

(1) Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats wird eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

 

(2) Ein Antrag auf internationalen Schutz gilt als gestellt, wenn den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ein vom Antragsteller eingereichtes Formblatt oder ein behördliches Protokoll zugegangen ist. Bei einem nicht in schriftlicher Form gestellten Antrag sollte die Frist zwischen der Abgabe der Willenserklärung und der Erstellung eines Protokolls so kurz wie möglich sein.

 

(3)-(5) [...]

 

Art. 23 Wiederaufnahmegesuch bei erneuter Antragstellung im ersuchenden Mitgliedstaat

 

(1) Ist ein Mitgliedstaat, in dem eine Person im Sinne des Artikels 18 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d einen neuen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Auffassung, dass nach Artikel 20 Absatz 5 und Artikel 18 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d ein anderer Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags zuständig ist, so kann er den anderen Mitgliedstaat ersuchen, die Person wieder aufzunehmen.

 

(2) Ein Wiederaufnahmegesuch ist so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung im Sinne von Artikel 9 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 zu stellen.

 

Stützt sich das Wiederaufnahmegesuch auf andere Beweismittel als Angaben aus dem Eurodac-System, ist es innerhalb von drei Monaten, nachdem der Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Artikel 20 Absatz 2 gestellt wurde, an den ersuchten Mitgliedstaat zu richten.

 

(3) Erfolgt das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb der in Absatz 2 festgesetzten Frist, so ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, in dem der neue Antrag gestellt wurde.

 

(4) [...]

 

Art. 25 Antwort auf ein Wiederaufnahmegesuch

 

(1) Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Wiederaufnahme der betreffenden Person so rasch wie möglich, in jedem Fall aber nicht später als einen Monat, nachdem er mit dem Gesuch befasst wurde. Stützt sich der Antrag auf Angaben aus dem Eurodac-System, verkürzt sich diese Frist auf zwei Wochen.

 

(2) Wird innerhalb der Frist von einem Monat oder der Frist von zwei Wochen gemäß Absatz 1 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen."

 

3.5. Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung der gegenständlichen Verfahren pflichtet das Bundesverwaltungsgericht der Verwaltungsbehörde bei, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Italiens ergibt.

 

Begründet liegt die Zuständigkeit Italiens in Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO, zumal die Beschwerdeführer aus Libyen – einem Drittstaat – kommend die Seegrenze von Italien illegal überschritten haben. Die Verpflichtung Italiens zur Wiederaufnahme der Beschwerdeführer ergibt sich aus Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO, da die Beschwerdeführer Italien vor Entscheidung über ihre dort gestellten Anträge auf internationalen Schutz verlassen haben.

 

Anhaltspunkte dafür, dass die Zuständigkeit Italiens in der Zwischenzeit untergegangen sein könnte, bestehen nicht.

 

Auch aus Art. 16 (abhängige Personen) und Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO (humanitäre Klausel) ergibt sich mangels familiärer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet keine Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung des Antrages der Beschwerdeführer.

 

3.6. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (etwa VfGH 17.06.2005, B 336/05; 15.10.2004, G 237/03) und des Verwaltungsgerichtshofes (etwa VwGH 23.01.2007, 2006/01/0949; 25.04.2006, 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.

 

Das BFA hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher zu prüfen, ob von diesem im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

 

3.6.1. Mögliche Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK:

 

Gemäß Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK darf niemand Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl. auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs. 1 lit e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs.

 

Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich Rz 60, aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, welche ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.

 

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung (nunmehr Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung) auszuüben ist, hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S./Vereinigtes Königreich, (zu vergleichbaren Bestimmungen der Dublin II-VO) befasst, und, ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011, 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland, ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat, sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten (Rn. 86). An dieser Stelle ist auch auf das damit in Einklang stehende Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 14.11.2013 in der Rechtssache C-4/11, Bundesrepublik Deutschland/Kaveh Puid zu verweisen (Rn. 36, 37).

 

Somit ist unionsrechtlich zu prüfen, ob im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorherrschen, und - soweit damit noch notwendig und vereinbar - aus menschenrechtlichen Erwägungen, ob die Beschwerdeführer im Falle der Zurückweisung ihrer Anträge auf internationalen Schutz und ihrer Außerlandesbringung nach Italien gemäß §§ 5 AsylG und 61 FPG - unter Bezugnahme auf ihre persönliche Situation - in ihren Rechten gemäß Art. 3 und/oder 8 EMRK verletzt werden würden, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist im Einzelfall zu beurteilen, ob die Überstellung eines Asylwerbers in einen anderen - zuständigen - Mitgliedstaat der Europäischen Union zulässig ist. Dabei ist die Frage, ob dieser Staat als "sicher" angesehen werden kann, vorrangig eine Tatsachenfrage, die nicht vom Verwaltungsgerichtshof zu lösen ist. Die Beurteilung, ob die festgestellten Mängel im Zielstaat die Sicherheitsvermutung widerlegen und einer Überstellung des Asylwerbers unter Bedachtnahme auf die EMRK und die GRC entgegenstehen, ist hingegen eine - unter den Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG - revisible Rechtsfrage (vgl. etwa Ra 2015/20/0142 vom 23.02.2016, Ra 2016/20/0051 und 0052 vom 23.06.2016, jeweils mwN, sowie Ra 2015/18/0113 bis 0120 vom 08.90.2015).

 

Die angefochtenen Bescheide enthalten - wie oben dargestellt - ausführliche Feststellungen zum italienischen Asylwesen. Diese Länderberichte basieren auf einer aktuellen Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA, zu den einzelnen Passagen sind jeweils detaillierte Quellenangaben angeführt.

 

Das erkennende Gericht geht davon aus, dass die allgemeine Lage für nach Italien überstellte Asylwerber aktuell keine reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßenden Behandlung darstellt. Insbesondere sind die Praxis der asylrechtlichen und der subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich und genügen den Grundsätzen des Unionsrechts (zB BVwG 22.04.2014, W153 2001839 und darauf bezogen VfGH 06.06.2014, E 333-336/2014; AsylGH 08.10.2013, S6 438.101-1/2013; 02.10.2013, S7 437.970-1/2013; 02.09.2013, S1 436741-1/2013). Das in den Länderfeststellungen beschriebene italienische Asylwesen entspricht unionsrechtlichen Vorgaben und es besteht kein Grund zu der Annahme, dass Italien allgemein oder im Besonderen gegenüber Schutzsuchenden aus Nigeria bedenkliche Sonderpositionen vertritt.

 

Unbestritten sind die Aufnahmekapazitäten in Italien knapp, doch liegen keine Hinweise darauf vor, dass generelle systemische Mängel in der Aufnahme von Asylwerbern bestehen, sodass gleichsam jeder Dublin-Rückkehrer mit einer Verletzung seiner Rechte gemäß Art. 3 EMRK zu rechnen hätte.

 

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Entscheidung des EGMR vom 04.06.2013, 6198/12, Daytbegova und Magomedova/Österreich, zu verweisen, in welcher der Gerichtshof ausführt, dass die Zustände in Italien keineswegs mit jenen in Griechenland zu vergleichen sind. Selbst im Hinblick auf psychisch vulnerable Personen besteht in Italien hinreichende medizinische Versorgung, weshalb, sofern ein entsprechender Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten besteht, eine Überstellung nach Italien nicht als unzulässig erkannt werden kann. Ferner hält der Gerichtshof in einer weiteren Entscheidung vom 02.04.2013, 27725/10, Mohammed Hussein ua./Niederlande und Italien, im Wesentlichen fest, dass eine Überstellung nach Italien zumutbar ist und die Zukunftsaussichten in Italien kein ausreichend konkretes und ernsthaftes Risiko einer besonderen Notlage im Sinne von Art. 3 EMRK darstellen. Zudem weisen die generellen Aufnahmebedingungen für Asylsuchende in Italien keine systematischen Mängel auf.

 

In seinem Urteil vom 04.11.2014 in der Rechtssache Tarakhel/Schweiz, 29217/12, wiederholte der EGMR, dass die derzeitige allgemeine Situation von Asylsuchenden in Italien keineswegs mit jener in Griechenland, wie sie im Fall M.S.S./Belgien und Griechenland festgestellt wurde, zu vergleichen ist. Des Weiteren obliegt es dem Aufenthaltsstaat, vor Überstellung der im Verfahren betroffenen Asylwerber eine Zusicherung für deren Aufnahme und Unterbringung von Italien zu erhalten. Im dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall handelte es sich jedoch um eine mehrköpfige Familie einschließlich sechs minderjähriger Kinder, wobei es sicherzustellen galt, dass die gesamte Familie in Italien gemeinsam und dem Alter der Kinder entsprechend untergebracht wird. Die gegenständlichen Verfahren betreffen jedoch zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt keine Familie mit Kindern, sondern eine zwar hochschwangere, jedoch junge, volljährige und gesunde Frau sowie ihren ebenfalls jungen, volljährigen Ehemann ohne wesentliche gesundheitliche Beeinträchtigungen.

 

Für das erkennende Gericht bestehen gegenständlich aber jedenfalls auch keine Zweifel daran, dass die Beschwerdeführer bei einer Überstellung nach Italien gemeinsam und adäquat untergebracht werden.

 

Mittlerweile ist das in Rede stehende Erkenntnis des EGMR vom November 2014 insofern als überholt anzusehen, als zum einen Italien zwischenzeitlich auf diese Judikatur des EGMR reagiert und die Betreuungsplätze für Familien ausgebaut hat, und zum anderen durch entsprechende Korrespondenz im Überstellungsmodus im Einzelfall gesichert ist, dass das BFA vor der Überstellung einer Familie im Falle mangelnder Verfügbarkeit von adäquater Unterbringung rechtzeitig informiert wird:

 

Wie in den angefochtenen Entscheidungen ausgeführt, hat Italien im Rahmen des S.P.R.A.R.-Programms "integrierte Plätze" für Familien mit minderjährigen Kindern geschaffen und ist zudem der Überstellungsmodus von Österreich nach Italien dergestalt eingerichtet, dass das BFA 15 Tage vor dem geplanten Überstellungstermin die italienischen Behörden kontaktiert und diese dem BFA in der Folge mitteilen würden, wenn kein solcher S.P.R.A.R.-Unterbringungsplatz zur Verfügung stünde. Aus den weiteren Ausführungen in den angefochtenen Entscheidungen, wonach sichergestellt werde, dass eine Familie in einen zugesicherten Unterbringungsplatz verbracht werde, ergibt sich, dass das BFA von einer Überstellung Abstand nehmen würde - und auch Abstand zu nehmen hätte - wenn im Einzelfall keine im Sinne des Tarakhel Urteils des EGMR adäquate Unterbringung in Italien gewährleistet wäre. Es liegt auch auf der Hand, dass Italien im Einzelfall lediglich relativ zeitnah zu geplanten Überstellungen konkrete Absagen (und damit auch Zusagen, wenn eben keine Absage erteilt wird) zu freien Plätzen erteilen kann, da bei einem schwankenden Belagsstand konkrete Vorhersagen über mehrere Wochen oder gar Monate hinweg schon aus organisatorisch-logistischer Hinsicht nicht möglich erscheinen.

 

Insgesamt ergibt sich somit aus den in den angefochtenen Entscheidungen skizzierten Überstellungsmodalitäten, dass die Beschwerdeführer lediglich dann - und selbstverständlich gemeinsam - nach Italien überstellt werden, wenn ihre adäquate Unterbringung in Italien tatsächlich in einer Einzelfallbetrachtung gesichert ist.

 

Insofern in der Beschwerde moniert wird, dass keine Einzelfallzusicherung von den italienischen Behörden eingeholt worden sei, sind diesem Vorbringen somit obige Erwägungen zu den aktuellen Überstellungsmodalitäten entgegenzuhalten, die dem (aus dem Jahr 2011 stammenden) Anlassfall Tarakhel eben gerade nicht zugrunde gelegen sind.

 

Zuletzt hat der EGMR in seiner Entscheidung vom 13.01.2015, A.M.E./Niederlande, wiederholt, dass die gegenwärtige Situation in Italien nicht mit der Situation in Griechenland zur Zeit der Entscheidung M.M.S./Belgien vergleichbar ist und dass die generelle Aufnahmesituation nicht ein Hindernis für die Überstellung von allen Asylwerbern bildet.

 

Es liegen insbesondere auch keine Verurteilungen Italiens durch den EGMR oder den EuGH vor, welche eine Praxis systemischer Mängel des italienischen Asylwesens, insbesondere im Fall von Dublin-Überstellten aus anderen EU-Staaten, erkennen ließen. Die Europäische Kommission hat zwar am 24.10.2012 ein Fristsetzungsschreiben gemäß Art. 258 AEUV wegen Verletzung europäischer Richtlinien im Asylwesen an Italien gerichtet, ein weitergehendes Verfahren vor dem EuGH liegt derzeit jedoch nicht vor. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich außerdem, dass die Verletzung einzelner Bestimmungen von Richtlinien nicht schon per se mit dem Vorliegen systematischer Mängel gleichzusetzen ist (21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S. ua./Vereinigtes Königreich).

 

Hinzu kommt ergänzend, dass UNHCR zu Italien, anders als zu Griechenland, keine Empfehlung an die EU-Mitgliedstaaten ausgesprochen hat, wonach von Überstellungen nach Italien aufgrund des Vorliegens akuter und systemischer Probleme im dortigen Aufnahmewesen Abstand zu nehmen wäre. Der VwGH hat zuletzt angesichts im Wesentlichen gleichlautender Länderfeststellungen zur Situation in Italien keinen Anlass gesehen, die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 in Zweifel zu ziehen (Ra 2016/20/0221 vom 20.10.2016).

 

Zum Vorbringen, wonach die Rücküberstellung der Beschwerdeführer nach Italien aufgrund der systemischen Mängel im Unterbringungs- und Versorgungssystem zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen würde, ist Folgendes festzuhalten:

 

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass der italienische Staat Probleme bei der lückenlosen Versorgung von Asylwerbern und Personen mit Aufenthaltstiteln hat. Es kann allerdings nicht von solchen Mängeln im italienischen Asylsystem gesprochen werden, welche eine Überstellung der Beschwerdeführer jedenfalls unzulässig erscheinen lassen würden. Im Gegensatz zu der von der internationalen Rechtsprechung einhellig als systemisch mangelhaft beurteilten Lage in Griechenland, beschränken sich die Probleme in Italien im Wesentlichen auf die materielle Versorgung von Flüchtlingen, wobei jedoch sonst von einem im Großen und Ganzen funktionierenden Asylwesen auszugehen ist. Nach den (aktuellen) Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides wurde die Anzahl der Unterbringungsplätze in Italien bedeutend erhöht und die Kapazitäten aufgestockt. Alle Asylwerber mit mangelnden finanziellen Mitteln haben ab Antragstellung das Recht auf Unterbringung. Nach Rückstellung ist sohin nicht von einer drohenden Obdachlosigkeit, existentiellen Not oder Grundversorgunslosigkeit der Beschwerdeführer auszugehen.

 

Bezüglich des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführer ist unbestritten, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Italien nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohen würde. In einem solchen Fall wäre das Selbsteintrittsrecht gemäß Dublin III-VO zwingend auszuüben.

 

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl. B 2400/07-9) zu verweisen, welches die relevante Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

 

Zusammenfassend führt der VfGH aus, dass sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

 

Die Beschwerdeführer leiden wie oben festgestellt an keiner schwerwiegenden oder gar lebensbedrohlichen gesundheitlichen Beeinträchtigung. Es ist nicht hervorgekommen, dass sich die Beschwerdeführer etwa in dauernder stationärer Behandlung befänden oder auf Dauer nicht reisefähig wären. Dem erkennenden Gericht liegen keine Hinweise vor, dass bei den Beschwerdeführern eine Erkrankung vorliegt, die typischerweise in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK fällt bzw. eine Überstellung nach Italien unzumutbar erscheinen lässt.

 

Nach den Länderfeststellungen der angefochtenen Bescheide ist im zuständigen Mitgliedstaat der Zugang zur Gesundheitsversorgung gesichert, sodass davon ausgegangen werden kann, dass für den Fall, dass die Beschwerdeführer im Zielstaat eine medizinische Behandlung benötigen sollten, eine solche gewährleistet ist.

 

Hinsichtlich der Schwangerschaft der Zweitbeschwerdeführerin mit dem errechneten Geburtstermin am 15.09.2017 ist festzuhalten, dass es sich laut dem vorgelegten Mutter-Kind-Pass weder um eine Risikoschwangerschaft handelt noch sonstige Komplikationen aufgetreten oder zu erwarten sind.

 

In den §§ 3 und 5 Mutterschutzgesetz, BGBl Nr. 221/1979 idgF (MSchG), wird für Frauen (im Fall einer Spontangeburt von Einlingen) ein Beschäftigungsverbot von acht Wochen vor der voraussichtlichen Entbindung bis acht Wochen nach der Entbindung normiert (Mutterschutz). Die hinter dieser Bestimmung liegende generelle Wertung, dass schwangere Frauen in diesem Zeitraum einer körperlichen Schonung bedürfen, kann auch auf Ausweisungen im Asylrecht übertragen werden.

 

Der Beginn der Schutzfrist bei einem errechneten Geburtstermin am 15.09.2017 liegt derzeit noch nicht vor und ist daher im gegenständlichen Fall kein Durchführungsaufschub auszusprechen. Nachdem von einer ausreichenden medizinischen Behandlung in Italien auszugehen ist und keine Bedenken bestehen, dass nötige Untersuchungen und Behandlungen der Zweitbeschwerdeführerin auch in Italien durchgeführt werden können, spricht nichts dagegen, dass die Zweitbeschwerdeführerin zum gegenwärtigen Zeitpunkt und jedenfalls bis acht Wochen vor dem errechneten Geburtstermin unter Schonung ihres Gesundheitszustandes nach Italien überstellt werden kann.

 

Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Falle von bekannten Erkrankungen des Fremden durch geeignete Maßnahmen dem jeweiligen Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere erhalten kranke Personen eine entsprechende Menge der benötigten verordneten Medikamente. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen entsprechende Maßnahmen gesetzt. Bei Vorliegen schwerer psychischer Erkrankungen und insbesondere bei Selbstmorddrohungen werden geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung einer Gesundheitsschädigung getroffen.

 

Die Beschwerdeführer konnten somit keine auf sich selbst bezogenen besonderen Gründe, welche für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK sprechen würden, glaubhaft machen, weshalb die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG zur Anwendung kommt, wonach ein Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet.

 

3.6.2. Mögliche Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK:

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst zwar nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse gemeinsame Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (vgl. EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel und Tante und Neffen bzw. Nichten (vgl. EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1989, 761; Rosenmayer ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (vgl. EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Es leben keine Familienangehörigen oder sonstigen Verwandten der Beschwerdeführer im Bundesgebiet. Sie verfügen somit über kein schützenswertes Familienleben im Sinne von Art. 8 EMRK, welches durch eine Überstellung nach Italien beeinträchtigt sein könnte, zumal auch die aufenthaltsbeendende Maßnahme beide Beschwerdeführer gleichermaßen betrifft.

 

Weiters liegen auch keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich vor. Folglich würde eine Überstellung nach Italien weder Art. 16 Dublin III-VO verletzen, noch einen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK verfassungsrechtlich gewährleistete Recht darstellen.

 

Der durch die normierte Ausweisung der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet erfolgende Eingriff in ihr Privatleben ist durch ein Überwiegen des öffentlichen Interesses im Vergleich zu ihrem Privatinteresse am Verbleib im Bundesgebiet gedeckt.

 

Der nur wenige Monate dauernde Aufenthalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet war (gemessen an der Judikatur des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes) als kein ausreichend langer zu qualifizieren. Aus der Rechtsprechung des VwGH ergibt sich, dass etwa ab einem zehnjährigen (dort: vorläufig berechtigten) Aufenthalt im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen überwiegen können (09.05.2003, 2002/18/0293). Gleiches gilt für einen siebenjährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (05.07.2005, 2004/21/0124).

 

Es ist nicht erkennbar, dass die Beschwerdeführer während ihres noch relativ kurzen Aufenthaltes im Bundesgebiet besondere Verfestigungs- oder Integrationstatbestände in die österreichische Gesellschaft gesetzt hätten.

 

Die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib im Bundesgebiet haben nur sehr geringes Gewicht und treten fallbezogen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des VwGH ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund.

 

3.6.3. Das Bundesverwaltungsgericht gelangt daher insgesamt zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine Verletzung von Bestimmungen der GRC oder der EMRK zu befürchten ist. Daher bestand auch keine Veranlassung, von dem in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO vorgesehenen Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und eine inhaltliche Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz vorzunehmen.

 

3.7. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm § 61 Abs. 1 FPG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG 2005 zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt. Wie bereits ausgeführt, stellt die Anordnung zu ihrer Außerlandesbringung keinen unzulässigen Eingriff in das Recht der Beschwerdeführer auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens dar, sodass die Anordnung gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist. Die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 61 Abs. 2 FPG 2005 ist gegeben, da oben festgestellt wurde, dass dadurch keine Verletzung von Art. 3 EMRK bewirkt wird, und auch sonst keinerlei Hinweise auf eine Bedrohungssituation im Sinne des § 50 FPG 2005 vorliegen.

 

3.8. Nach § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG idgF konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben (siehe auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.05.2014, Zlen. Ra 2014/20/0017 und 0018, wobei die dort genannten Kriterien für die Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG gegenständlich erfüllt sind). Es ergab sich sohin auch kein Hinweis auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit den Beschwerdeführern zu erörtern (vgl. VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291).

 

3.9. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG konnte angesichts der erfolgten Sachentscheidung entfallen.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wurde.

 

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Die tragenden Elemente der Entscheidung liegen allein in der Bewertung der Asyl- und Aufnahmesituation im Mitgliedstaat, welche sich aus den umfassenden und aktuellen Länderberichten ergibt, weiters im Gesundheitszustand der Beschwerdeführer sowie in der Bewertung der Intensität ihrer privaten und familiären Interessen und demgemäß in Tatbestandsfragen.

 

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.

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