BVwG W259 2143997-1

BVwGW259 2143997-122.5.2017

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W259.2143997.1.00

 

Spruch:

W259 2143997-1/15E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike RUPRECHT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom XXXX , ZI. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.02.2017 zu Recht erkannt:

 

A)?Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

 

B)?Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und der Volksgruppe der Paschtunen angehörig. Am 17.02.2015 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

2. Am nächsten Tag fand eine Erstbefragung des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Zu seinem Fluchtgrund gab er an, dass ihn die Taliban mit dem Tode bedroht hätten, weil er als Fahrer eines Politikers auch in näheren Kontakt mit Amerikanern gestanden habe. Er sei aufgefordert worden, sich den Taliban anzuschließen (AS 11).

 

3. Im Rahmen seiner Einvernahme am 11.07.2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), im Beisein seines rechtsfreundlichen Vertreters, führte der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund im Wesentlichen näher aus, dass er von XXXX bis XXXX bei der afghanischen Nationalarmee als Mechaniker Autos für Amerikaner repariert habe. In der Zwischenzeit seien einige unbekannte Personen einige Male bei ihm zu Hause gewesen und hätten zu seinem Vater gesagt, dass der Beschwerdeführer mit der Arbeit aufhören solle. Im Jahr 2007 habe er seinen Vater im Garten gefunden und sei dieser nicht mehr am Leben gewesen. Er wisse nicht, wer seinen Vater umgebracht habe. Zwei seiner Brüder seien entführt worden. Auf Nachfrage seines rechtsfreundlichen Vertreters führte er ergänzend aus, dass es sein könne, dass die Entführung mit seiner Tätigkeit bei der Nationalarmee zu tun habe. Zudem glaube er, dass der Tod seines Vaters in Verbindung mit seiner Arbeit für die Nationalarmee stehe, weil er privat mit niemand Streit gehabt habe.

 

Schließlich habe er 1,5 Jahre als Fahrer für den Sekretär des Parlamentsabgeordneten XXXX gearbeitet und danach für diesen selbst. Er sei deswegen Mitglied der Partei des Abgeordneten, der tadschikischen XXXX . Er sei Paschtune und arbeite bei den Tadschiken, deswegen seien die Paschtunen mit ihm verfeindet, man rede schlecht über ihn. Taliban hätten ihn entführt und dazu aufgefordert, im Auto Sprengstoff zu platzieren und sich selbst und den Abgeordneten mit dem Auto in die Luft zu sprengen. Der Älteste habe ihm ein Messer an den Hals gelegt, woraufhin der Beschwerdeführer ihnen gesagt habe, er sei bereit alles zu tun, was sie verlangen. Die Taliban hätten gesagt, er sei ihr Bruder und sie würden alles vorbereiten, was er brauche.

 

Er habe seinem Arbeitgeber über diesen Vorfall berichtet. Nun wolle auch der Abgeordnete ihn umbringen, weil der Beschwerdeführer alle seine Geheimnisse wisse (AS 59ff).

 

4. Am 28.07.2016 langte beim BFA eine Stellungnahme des rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers zur Sicherheitslage in Afghanistan ein. Darin verwies er auf die Briefing Notes des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 06.06.2016, den Bericht Afghanistan Dokumentation des Expertengespräches mit XXXX und XXXX vom 04.05.2016 sowie den Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe Afghanistan Update vom 13.09.2015 und brachte vor, dass sich das Vorbringen des Beschwerdeführers in den vom BFA vorgelegten Länderberichten widerspiegle. Zudem wurden Erhebungen vor Ort beantragt (AS 101ff).

 

5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 07.12.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) sowie gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 07.12.2017 (Spruchpunkt III.) erteilt.

 

In seiner Begründung führte das BFA aus, dass der Beschwerdeführer keine gegen sich gerichteten, asylrelevanten Verfolgungshandlungen glaubhaft gemacht habe. Die vorgebrachten Fluchtgründe würden sich nur auf vage, nicht bewiesene Geschichten und Vermutungen beziehen. Konkrete Beispiele von Benachteiligungen aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit seien nicht dargelegt worden, ebenso wenig ein Zusammenhang zwischen der Ermordung des Vaters sowie der angeblichen Entführung der Brüder und dem Beschwerdeführer selbst. Er sei nicht politisch aktiv. Probleme wegen seiner Parteizugehörigkeit habe der Beschwerdeführer selbst verneint. Es sei nicht ersichtlich, warum sein Arbeitgeber den Beschwerdeführer ermorden wollen würde, da der Beschwerdeführer bereits außer Dienst gestellt gewesen wäre. Dem Beschwerdeführer sei es außerdem möglich, einer anderen Tätigkeit in XXXX nachzugehen ohne von den Taliban bedroht zu werden. Auch eine Verfolgung von Familienmitgliedern sei verneint worden. Dem Beschwerdeführer wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, da dieser über kein soziales Netzwerk in XXXX oder einer anderen Provinz verfüge und mangels finanzieller Mittel in eine die Existenz bedrohende Notlage gelangen würde. Damit verbunden wurde dem Beschwerdeführer eine bis 07.12.2017 befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (AS 137ff).

 

6. Mit fristgerechter Beschwerde vom 23.12.2016 beantragte der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass seinem Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten stattgegeben wird, in eventu hinsichtlich Spruchpunkt I aufgehoben wird und der belangten Behörde die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wird.

 

Zusammengefasst führte er aus, dass er den Zusammenhang zwischen der Ermordung seines Vaters und ihm selbst bereits dargelegt habe. Inwiefern die vom Beschwerdeführer gemachten Schilderungen zur Entführung nicht detailliert genug wären, begründe die belangte Behörde nicht und habe diese im Rahmen der Einvernahme auch nichts Derartiges behauptet bzw. nach weiteren Details gefragt. Seine Entführung stünde im Einklang mit den Länderberichten und sei daher glaubwürdig, sodass dieses Vorbringen der Entscheidungsfindung zu Grunde gelegt hätte werden müssen. Er sei von Taliban in XXXX entführt worden und hätten diese die Möglichkeit ihn in ganz XXXX zu finden. Von staatlicher Seite sei kein Schutz vor Übergriffen der Taliban zu erwarten. Zudem wurde nochmals beantragt, Erhebungen vor Ort durchzuführen (AS 253ff).

 

7. Am 20.01.2017 übermittelte der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers einen ärztlichen Befund vom Facharzt für Neurologie/Psychologie vom 25.08.2016, in dem eine "Depressio" sowie eine Sprachstörung diagnostiziert wurden.

 

8. In einer am Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers sowie einer für die Sprache Paschtu bestellten und beeideten Dolmetscherin am 13.02.2017 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde Beweis aufgenommen durch Vernehmung des Beschwerdeführers, Einsichtnahme in den Verwaltungsakt und durch Einsicht in den Akt des Bundesverwaltungsgerichts.

 

Der Beschwerdeführer wurde ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt. Dabei führte der Beschwerdeführer auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass er von zwei Seiten verfolgt werde. Einerseits von den Taliban, weil er ihren Auftrag, den Parlamentsvertreter zu töten, nicht erfüllt habe und andererseits von staatlicher Seite, weil der Parlamentsvertreter ihn umbringen wolle, damit er nicht seine Geheimnisse verrate.

 

Zu seiner Familie in Afghanistan gab er an, dass seine Mutter, sein Bruder, seine vier Schwestern, seine Ehefrau und seine Tochter in Afghanistan leben würden. Zu seinem Bruder gebe es keinen Kontakt. Er habe auch einen Onkel und eine Tante mütterlicherseits. Er habe Kontakt zu seiner Ehefrau und diese zu seiner Mutter. Beiden gehe es gut.

 

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden dem Beschwerdeführer Auszüge aus einer gutachterlichen Stellungnahme in der öffentlich mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 13.06.2012 im Verfahren C15 410.319-1/2009 von Dr. Sarajuddin RASULY zum Vorbringen der Bedrohung durch die Taliban, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur "Gefährdungslage für Dolmetscher und Regierungsmitarbeiter" vom 11.02.2014 und schließlich Auszüge aus dem Dossier der Staatendokumentation des BFA zu Afghanistan aus 2016 zum Thema "Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur" vorgelegt und ihm eine Frist von 2 Wochen zur Stellungnahme eingräumt.

 

Der Beschwerdeführer beantragte neuerlich Erhebungen vor Ort durchzuführen für den Fall, dass das Bundesverwaltungsgericht Zweifel haben sollte, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan für die Amerikaner gearbeitet habe, sein Vater gewaltsam ums Leben gekommen sei, der Beschwerdeführer eine Kfz-Werkstätte betrieben habe und der Beschwerdeführer mehrere Jahre für den Parlamentsabgeordneten XXXX gearbeitet habe.

 

Der Beschwerdeführer legte zudem seine Tazkira, eine Tazkira seiner Ehefrau sowie eine Tazkira seines Kindes vor. Zudem wurde auch eine Heiratsurkunde des Beschwerdeführers mit einer englischen Übersetzung im Original vorgelegt und in Kopie zum Akt genommen.

 

9. Mit Schreiben vom 27.02.2017 nahm der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers zu den in das Verfahren eingebrachten Länderfeststellungen Stellung. Darin führte er insbesondere aus, dass die Länderberichte in wesentlichen Punkten die Bedrohungslage des Beschwerdeführers bestätigen würden. Der Beschwerdeführer habe nicht nur für ausländische Kräfte und den afghanischen Staat gearbeitet, er habe sich darüber hinaus den Anordnungen der Taliban widersetzt und sei sein Leben für den Fall der Rückkehr nach Afghanistan ernsthaft gefährdet.

 

10. Den Parteien wurde mit Schreiben vom 18.04.2017 das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 02.03.2017 übermittelt und zugleich eine zweiwöchige Frist zur allfälligen Stellungnahme gewährt.

 

11. Mit Schreiben vom 02.05.2017 übermittelte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers eine Stellungnahme, in der er im Wesentlichen auf seine Stellungnahme vom 27.02.2017 verwies. Zudem brachte er zusammengefasst vor, dass in den gegenständlichen Länderberichten festgehalten sei, dass die Taliban weiterhin Mitarbeiter internationaler Organisationen angreifen würden. Auch Anfeindungen gegen afghanische Angestellte seien üblich. Zudem wurde auf den Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe Schnellrecherche vom 14.11.2016 sowie auf den Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe vom 30.09.2016 verwiesen. Darin werde festgehalten, dass Personen die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder internationalen Gemeinschaft, einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden seien, einer gefährdeten Personengruppe angehören würden. Afghanische Zivilpersonen, die als Fahrer, Dolmetscher, oder in anderen zivilen Funktionen für die internationalen Streitkräfte arbeiten würden, würden angegriffen werden. Mitarbeiter von nationalen und internationalen Humanitären- und Menschenrechtsorganisationen sowie zivile Beschäftigte der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte, Personen die ANDSF regierungsfreundlichen Gruppierungen oder ausländische Sicherheitskräfte unterstützen oder verdächtigt werden, mit diesem zusammenzuarbeiten (Fahrer oder Übersetzer) würden von regierungsfeindlichen Gruppierungen gezielt bedroht und getötet werden. All diese Berichte würden das Vorbringen des Beschwerdeführers bestätigen, wobei nochmals darauf hinzuweisen sei, dass er nicht nur für ausländische Kräfte und den afghanischen Staat gearbeitet habe, sondern sich darüber hinaus auch den Befehlen der Taliban widersetzt habe.

 

Eine Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte bis dato nicht ein.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, insbesondere der Stellungnahmen des rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt sowie in den Akt des BVwG, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

1. Feststellungen (Sachverhalt):

 

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers

 

Der Beschwerdeführer besitzt die afghanische Staatsangehörigkeit, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und ist sunnitischer Moslem. Er stammt aus der Provinz XXXX und lebte bis zu seiner Ausreise im Distrikt XXXX .?Das spätestmögliche Geburtsjahr des Beschwerdeführers ist das Jahr XXXX . Der datumsmäßige genaue Geburtszeitpunkt des Beschwerdeführers konnte nicht festgestellt werden.

 

Der Vater des Beschwerdeführers wurde in seiner Heimatregion getötet. Der Grund für die Ermordung ist nicht feststellbar.

 

Die Ehefrau und die Tochter des Beschwerdeführers halten sich in der Provinz XXXX auf. Seine Mutter lebt nach wie vor in Afghanistan in der Heimatregion. Der Beschwerdeführer hat regelmäßigen telefonischen Kontakt zu seiner Ehefrau und diese zu seiner Mutter. Beiden geht es gut.

 

Der Beschwerdeführer hat drei Brüder und vier Schwestern. Zwei seiner Brüder sind verschwunden, wobei der Grund des Verschwindens nicht festgestellt werden kann. Zu dem dritten Bruder hat der Beschwerdeführer keinen Kontakt. Seine Schwestern leben weiterhin in Afghanistan und sind verheiratet. Seine Geschwister wurden in Afghanistan nicht persönlich bedroht oder verfolgt.

 

Der Beschwerdeführer hat den Beruf des Kfz-Mechanikers erlernt und mehrere Jahre ausgeübt. Unter anderem hat er auch von XXXX für die afghanische Nationalarmee gearbeitet und dort Autos von Amerikanern repariert. Er hat ebenfalls in einer Werkstätte im Gebiet XXXX gearbeitet. Zuletzt war er mehrere Jahre als Fahrer des Parlamentsabgeordneten XXXX beschäftigt. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aktives Mitglied einer politischen Partei war bzw. ist.

 

1.2. Zum Fluchtgrund

 

Der Beschwerdeführer war vor seiner Flucht keiner konkreten individuellen Bedrohungssituation ausgesetzt. Die von ihm vorgebrachte Bedrohungs- und Verfolgungssituation durch die Taliban aufgrund seiner Tätigkeit als KfZ-Mechaniker für die afghanische Nationalarmee oder zuletzt als Fahrer für einen Parlamentsabgeordneten kann nicht festgestellt werden. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von den Taliban oder von anderen Personen konkret und individuell mit der Ausübung von physischer oder psychischer Gewalt bedroht wurde. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von den Taliban oder von anderen Personen entführt wurde. Es kann ebenso nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von den Taliban oder anderen terroristischen Gruppierungen aufgefordert wurde, für diese zu arbeiten oder ein Attentat durchzuführen.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer einer konkreten individuellen Bedrohungs- oder Verfolgungssituation durch seinen ehemaligen Arbeitgeber, den Parlamentsabgeordneten XXXX , ausgesetzt war.

 

Dem Beschwerdeführer droht in Afghanistan keine Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder seiner religiösen Überzeugung. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer individuellen Bedrohung durch die Taliban oder durch den afghanischen Staat ausgesetzt wäre.

 

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten und ist subsidiär Schutzberechtigter.

 

Der Beschwerdeführer stottert. Diese Sprachstörung hat bereits im Herkunftsstaat bestanden. Er leidet jedoch an keiner lebensbedrohlichen Krankheit.

 

1.3. Das BVwG trifft folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

 

1.3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017:

 

Politische Lage

 

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.), und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).

 

Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9 .2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.1.2017) - nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9 .2016; vgl. CRS 12.1.2017).

 

Parlament und Parlamentswahlen

 

Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9 .2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajhwok 19.1.2017).

 

Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.4.2016 vgl. auch: CRS 12.1.2017).

 

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 13.4.2016).

 

Die Rolle des Zweikammern-Parlaments bleibt trotz mitunter erheblichem Selbstbewusstsein der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Regierungsarbeit destruktiv zu behindern, deren Personalvorschläge z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse teuer abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus spielt hier eine unrühmliche Rolle und hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht (AA 9 .2016).

 

Parteien

 

Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

 

Die afghanische Parteienlandschaft ist mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf fehlende strukturelle Elemente (wie z.B. ein Parteienfinanzierungsgesetz) zurückzuführen, sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange - werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9 .2016).

 

Im Jahr 2009 wurde ein neues Parteiengesetz eingeführt, welches von allen Parteien verlangte sich neu zu registrieren und zum Ziel hatte ihre Zahl zu reduzieren. Anstatt wie zuvor die Unterschrift von 700 Mitgliedern, müssen sie nun 10.000 Unterschriften aus allen Provinzen erbringen. Diese Bedingung reduzierte tatsächlich die Zahl der offiziell registrierten Parteien von mehr als 100 auf 63, trug aber scheinbar nur wenig zur Konsolidierung des Parteiensystems bei (USIP 3.2015).

 

Unter der neuen Verfassung haben sich seit 2001 zuvor islamistisch-militärische Fraktionen, kommunistische Organisationen, ethno-nationalistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen zu politischen Parteien gewandelt. Sie repräsentieren einen vielgestaltigen Querschnitt der politischen Landschaft und haben sich in den letzten Jahren zu Institutionen entwickelt. Keine von ihnen ist eine weltanschauliche Organisation oder Mobilmacher von Wähler/innen, wie es Parteien in reiferen Demokratien sind (USIP 3.2015). Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bis hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani verbrachte selbst die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 9 .2016).

 

Friedens- und Versöhnungsprozess:

 

Im afghanischen Friedens- und Versöhnungsprozess gibt es weiterhin keine greifbaren Fortschritte. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte. Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Die Reintegration versöhnungswilliger Aufständischer bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 9 .2016).

 

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

 

Nach zweijährigen Verhandlungen (Die Zeit 22.9.2016), unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das der Hezb-e Islami Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtet sich die Gruppe alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Einen Tag nach Unterzeichnung des Friedensabkommen zwischen der Hezb-e Islami und der Regierung, erklärte erstere in einer Stellungnahme eine Waffenruhe (The Express Tribune 30.9.2016). Das Abkommen beinhaltet unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, int. Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Sobald internationale Sanktionen aufgehoben sind, wird von Hekmatyar erwartet, nach 20 Jahren aus dem Exil nach Afghanistan zurückkehren. Im Jahr 2003 war Hekmatyar von den USA zum "internationalen Terroristen" erklärt worden (NYT 29.9.2016). Schlussendlich wurden im Februar 2017 die Sanktionen gegen Hekmatyar von den Vereinten Nationen aufgehoben (BBC News 4.2.2017).

 

Sicherheitslage:

 

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

 

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

 

INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).

 

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

 

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen – ausgeführt durch die Polizei und das Militär – landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

 

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. – 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

 

Kontrolle von Distrikten und Regionen

 

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

 

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. –einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

 

Rebellengruppen

 

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

 

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

 

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9 .2016).

 

Taliban und ihre Offensive

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

 

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

 

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz – größtenteils unter Talibankontrolle – liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

 

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

 

Haqqani-Netzwerk

 

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani, wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).

 

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban – dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).

 

Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus – wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).

 

Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).

 

Al-Qaida

 

Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Kamp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.1.2017; vgl. auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzertierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).

 

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh – Islamischer Staat

 

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).

 

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch Großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verslusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch – dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

 

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).

 

Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch – dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

 

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten, aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).

 

Drogenanbau und Gegenmaßnahmen

 

Einkünfte aus dem Drogenschmuggel versorgen auch weiterhin den Aufstand und kriminelle Netzwerke (USDOD 12.2016). Laut einem Bericht des afghanischen Drogenbekämpfungsministeriums, vergrößerte sich die Anbaufläche für Opium um 10% im Jahr 2016 auf etwa 201.000 Hektar. Speziell in Nordafghanistan und in der Provinz Badghis, verstärkte sich der Anbau: Blaumohn wächst in 21 der 34 Provinzen, im Vergleich zum Jahr 2015, wo nur 20 Provinzen betroffen waren. Seit dem Jahr 2008 wurde zum ersten Mal von Opiumanbau in der Provinz Jawzjan berichtet. Helmand bleibt mit 80.273 Hektar (40%) auch weiterhin Hauptanbauprovinz, gefolgt von Badghis, Kandahar und der Provinz Uruzgan. Die potentielle Opiumproduktion im Jahr 2016 macht insgesamt 4.800 Tonnen aus – eine Steigerung von 43% (3.300 Tonnen) im Gegensatz zum Jahr 2015. Die hohe Produktionsrate kann einer Steigerung des Opiumertrags pro Hektar und eingeschränkter Beseitigungsbemühungen, aufgrund von finanziellen und sicherheitsrelevanten Ressourcen, zugeschrieben werden. Hauptsächlich erhöhten sich die Erträge aufgrund von vorteilhaften Bedingungen, wie z.B. des Wetters und nicht vorhandener Pflanzenkrankheiten (UN GASC 17.12.2016).

 

Zivile Opfer

 

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) – dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

 

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) – eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

 

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

 

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

 

Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen und der US-Streitkräfte

 

Die Taliban greifen weiterhin Mitarbeiter/innen lokaler Hilfsorganisationen und internationaler Organisationen an – nichtsdestotrotz sind der Ruf der Organisationen innerhalb der Gemeinschaft und deren politischer Einfluss ausschlaggebend, ob ihre Mitarbeiter/innen Problemen ausgesetzt sein werden. Dieser Quelle zufolge, sind Mitarbeiter/innen von NGOs Einschüchterungen der Taliban ausgesetzt. Einer anderen Quelle zufolge kam es im Jahr 2015 nur selten zu Vorfällen, in denen NGOs direkt angegriffen wurden (IRBC 22.2.2016). Angriffe auf Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen wurden in den letzten Jahren registriert; unter anderem wurden im Februar 2017 sechs Mitarbeiter/innen des Int. Roten Kreuzes in der Provinz Jawzjan von Aufständischen angegriffen und getötet (BBC News 9.2.2017); im April 2015 wurden 5 Mitarbeiter/innen von "Save the Children" in der Provinz Uruzgan entführt und getötet (The Guardian 11.4.2015).

 

Die norwegische COI-Einheit Landinfo berichtet im September 2015, dass zuverlässige Berichte über konfliktbezogene Gewalt gegen Afghanen im aktiven Dienst für internationale Organisationen vorliegen. Andererseits konnte nur eine eingeschränkte Berichtslage bezüglich konfliktbezogener Gewalt gegen ehemalige Übersetzer, Informanten oder andere Gruppen lokaler Angestellter ziviler oder militärischer Organisationen festgestellt werden (Landinfo 9.9.2015). Ferner werden reine Übersetzerdienste, die auch geheime Dokumente umfassen, meist von US-Staatsbürgern mit lokalen Wurzeln durchgeführt, da diese eine Sicherheitszertifizierung benötigen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

 

Grundsätzlich sind Anfeindungen gegen afghanische Angestellte der US-Streitkräfte üblich, da diese im Vergleich zu ihren Mitbürger/innen verhältnismäßig viel verdienen. Im Allgemeinen hält sich das aber in Grenzen, da der wirtschaftliche Nutzen für die gesamte Region zu wichtig ist. Tätliche Übergriffe kommen vor, sind aber nicht nur auf ein Arbeitsverhältnis bei den internationalen Truppen zurückzuführen. Des Weiteren bekommen afghanische Angestellte bei den internationalen Streitkräften Uniformen oder Dienstbekleidung, Verpflegung und Zugang zu medizinischer Versorgung nach westlichem Standard. Es handelt sich somit meist um Missgunst. Das Argument der Gefahr im Beruf für lokale Dolmetscher wurde von den US-Streitkräften im Bereich der SOF (Special Operation Forces), die sehr sensible Aufgaben durchführen, dadurch behoben, dass diesen Mitarbeitern nach einer gewissen Zeit die Mitnahme in die USA angeboten wurde. Dieses Vorgehen wurde von einer militärischen Quelle aus Deutschland bestätigt (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

 

Kabul

 

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)

 

Im Zeitraum 1.9.2015 – 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Im Zeitraum 1.9.2015. – 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

 

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

 

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).

 

Rechtsschutz/Justizwesen

 

Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia (islamisches Gesetz), Gewohnheits-/Stammesrecht) (AA 9 .2016; vgl. auch: USIDP o.D. und WP 31.5.2015). Fast 80% der Dispute werden außerhalb des formellen Justizsystems gelöst - üblicherweise durch Schuras, Jirgas, Mullahs und andere in der Gemeinschaft verankerte Akteure (USIP o.D.; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

 

Traditionelle Rechtsprechungsmechanismen bleiben für viele Menschen, insbesondere in den ländlichen Gebieten, weiterhin der bevorzugte Rechtsweg (USDOS 13.4.2016, vgl. auch: FH 27.1.2016). Das kodifizierte Recht wird unterschiedlich eingehalten, wobei Gerichte gesetzliche Vorschriften oft zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten (USDOS 13.4.2016). In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles Rechtssystem um (FH 27.1.2016).

 

Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan weitverbreitet akzeptiert ist, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang. Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem Frauenrecht, Strafrecht und –verfahren, Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte (USIP o. D.). Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, da die Zentralregierung dort am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten - wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben - schwächer ausgeprägt ist (USDOS 13.4.2016).

 

Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an der Leistungsfähigkeit um die hohe Zahl an neuen und novellierten Gesetzen zu beherrschen. Der Mangel an qualifiziertem, juristischem Personal behindert die Gerichte. Die Zahl der Richter/innen, welche ein Rechtsstudium absolviert haben erhöht sich weiterhin (USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2014 wurde die Zahl der Richter/innen landesweit mit 1.300 beziffert (SZ 29.9.2014; vgl. auch: CRS 8.11.2016), davon waren rund 200 Richterinnen (CRS 8.11.2016). Im Jahr 2015 wurde von Präsident Ghani eine führende Anwältin als erste Frau zur Richterin des Supreme Courts ernannt (RFE/RL 30.6.2016). Die Zahl registrierter Anwälte/innen hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt (WP 31.5.2015). Der Zugang zu Gesetzestexten wird besser, ihre geringe Verfügbarkeit stellt für einige Richter/innen und Staatsanwälte immer noch eine Behinderung dar (USDOS 13.4.2016).

 

Ein Mangel an qualifiziertem Justizpersonal behindert die Gerichte (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016). Manche Amtsträger/innen in Gemeinden und Provinzen verfügen über eine eingeschränkte Ausbildung und gründen ihre Entscheidungen daher auf ihrem persönlichen Verständnis der Scharia, ohne jeglichen Bezug zum kodifizierten Recht, Stammeskodex oder traditionellen Bräuchen (USDOS 13.4.2016).

 

Innerhalb des Gerichtswesens ist Korruption weiterhin vorhanden (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016); Richter/innen und Anwält/innen sind oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffneten Gruppen (FH 27.1.2016), um Entlassungen oder Reduzierungen von Haftstrafen zu erwirken (USDOS 13.4.2016). Afghanische Gerichte sind durch öffentliche Meinung und politische Führer leicht beeinflussbar (WP 31.5.2015). Im Juni 2016 errichtete Präsident Ghani das Strafrechtszentrum für Anti-Korruption, um innerhalb des Rechtssystems gegen korrupte Minister/innen, Richter/innen und Gouverneure/innen vorzugehen, die meist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt waren (Reuters 12.11.2016).

 

Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz in Fällen des Konflikts zwischen traditionellem islamischem Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 9 .2016).

 

Sicherheitsbehörden

 

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) bestehen aus folgenden Komponenten: der afghanischen Nationalarmee (ANA), welche auch die Luftwaffe (AAF) und das ANA-Kommando für Spezialoperationen (ANASOC) beinhaltet; der afghanischen Nationalpolizei (ANP), die ebenso die uniformierte afghanische Polizei beinhaltet (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Grenzpolizei (ABP) und der afghanischen Polizei die Verbrechen bekämpft (AACP). Sie stehen unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums Die afghanische Lokalpolizei (ALP), sowie ihre Komponenten (etwa die afghanischen Kräfte zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und die afghanische Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) sind unter der Führung des Innenministeriums (USDOD 6. 2016).

 

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (Afghan National Defense and Security Forces, ANDSF) haben - wenn auch unbeständig - Fortschritte gemacht. Sie führten ihre Frühjahrs- und Sommeroperationen erfolgreich durch. Ihnen gelang im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern. Schwierigkeiten in Schlüsselbereichen wie Spionage, Luftfahrt und Logistik, verbesserten sich, beeinträchtigten dennoch die Schlagkraft. Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016).

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen (AA 9 .2016; vgl. auch: USIP 5.2016); dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 6.2016).

 

Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan’s Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan Local Police (ALP). Die (Afghan National Police (ANP) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig. Ihre primäre Aufgabe ist die Bekämpfung der Aufständischen. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen (USDOS 13.4.2016).

 

Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert (USDOD 6.2016), davon 4.228 Frauen (SIGAR 30.7.2016).

 

Die monatlichen Ausfälle (umfasst alle geplanten und ungeplanten Ausfälle von Pensionierungen über unerlaubte Abwesenheit bis hin zu Gefallenen) der ANDSF liegen bei 2.4% - eine leichte Erhöhung gegenüber dem Dreijahresmittel von 2.2% (USDOD 6.2016).

 

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

 

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption und die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31.5.2016 beträgt die Stärke der ANP etwa 148.000 Mann. Dies beinhaltet nicht die rund 6.500 Auszubildenden in Polizeiakademien und andere die Ausbildungszentren landesweit ausgebildet werden. Frauen machen sind mit etwa 1.8% in der ANP vertreten (USDOD 6.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016).

 

Die Personalstärke der ALP beträgt etwa 28.800 Mann; zusätzlich autorisiert sind weitere 30.000 Mann, welche nicht in der allgemeinen ANDSF-Struktur inkludiert sind (USDOD 6.2016). Aufgabe der ALP ist, Sicherheit innerhalb von Dörfern und ländlichen Gebieten zu gewährleisten - indem die Bevölkerung vor Angriffen durch Aufständische geschützt wird, Anlagen gesichert und lokale Aktionen gegen Rebellen durchgeführt werden (USDOD 6.2016).

 

Die monatlichen Ausfälle der ANP betragen über die letzten Jahre relativ stabil durchschnittlich 1.9% (USDOD 6.2016).

 

Afghanische Nationalarmee (ANA)

 

Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit verantwortlich, primär bekämpft sie den Aufstand im Inneren (USDOS 13.4.2016).

 

Mit Stand 31. Mai 2016 betrug der autorisierte Personalstand der ANA 171.000 Mann, inklusive 7.100 Mann in den Luftstreitkräften (Afghan Air Force – AAF); etwa 820 Frauen sind in der ANA, inklusive AAF. Die Ausfälle in der ANA sind je nach Einheit unterschiedlich. Die allgemeine Ausfallsquote lag unter 3%, gegenüber 2,5% in der letzten Berichtsperiode. Die Einheiten der Luftstreitkräfte und der afghanischen Spezialeinheiten (ASSF) hielten weiterhin die niedrigsten Ausfallsquoten und die höchsten Verbleibquoten aller ANDSF-Teile (USDOD 6.2016).

 

Die Vereinigten Staaten von Amerika errichteten fünf Militärbasen in: Herat, Gardez, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul (CRS 8.11.2016).

 

Resolute Support Mission

 

Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO-geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene, sowie in höheren Ebenen der Armee und Polizei. Die personelle Stärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 (durch NATO und anderen Partnernationen). Das Hauptquartier ist in Kabul (Bagram), mit vier weiteren Niederlassungen in: Mazar-e-Sharif, Herat, Kandahar und Laghman (NATO 5.2016).

 

Religionsfreiheit

 

Etwa 99.7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84.7-89.7% Sunniten (CIA 21.11.2016; vgl. USCIRF 4.2016). Schätzungen zufolge, sind etwa 10–19% der Bevölkerung Schiiten (AA 9 .2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (AA 9 .2016).

 

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).

 

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 27.1.2016; vgl. auch:

CSR 8.11.2016).

 

Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte - dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung, Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.8.2016).

 

Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, sind sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen, sogar Gewalt. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht systematisch (USDOS 10.8.2016). Dennoch bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften vereinzelt Ämter auf höchster Ebene (CSR 8.11.2016). Im Mai 2014 bekleidete ein Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada (RFERL 15.5.2014). Davor war Sham Lal Bathija als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express16.5.2012).

 

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Bildungsplan einrichten und umsetzen, der auf den Bestimmungen des Islams basiert; auch sollen religiöse Kurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime ist es nicht erforderlich den Islam an öffentlichen Schulen zu lernen (USDOS 10.8.2016).

 

Nicht-muslimische religiöse Minderheiten werden durch das geltende Recht diskriminiert. So gilt die sunnitische-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion (AA 9 .2016). Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (USDOS 10.8.2016).

 

Militante Gruppen haben sich unter anderem als Teil eines größeren zivilen Konfliktes gegen Moschen und Gelehrte gerichtet. Konservative soziale Einstellungen, Intoleranz und das Unvermögen oder die Widerwilligkeit von Polizeibeamten individuelle Freiheiten zu verteidigen bedeuten, dass jene, die religiöse und soziale Normen brechen, anfällig für Misshandlung sind (FH 27.1.2016).

 

Blasphemie – welche anti-islamische Schriften oder Ansprachen beinhaltet, ist ein Kapitalverbrechen im Rahmen der gerichtlichen Interpretation des islamischen Rechtes. Ähnlich wie bei Apostasie, gibt das Gericht Blasphemisten drei Tage um ihr Vorhaben zu widerrufen oder sie sind dem Tod ausgesetzt (CRS 8.11.2016).

 

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin der zwei anderen abrahamitischen Religionen, Christentum und Judentum, ist. Einer Muslima ist nicht erlaubt einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (USDOS 10.8.2016).

 

Ethnische Minderheiten:

 

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33.3 Millionen Menschen (CIA 12.11.2016). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2017).

 

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane‘ wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet."

(Staatendokumentation des BFA 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 13.4.2016).

 

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 9 .2016). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 13.4.2016).

 

Paschtunen:

 

Ethnische Pashtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto; die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari (CSR 12.1.2015). Die Pashtunen haben viele Sitze in beiden Häusern des Parlaments - nicht mehr als 50% der Gesamtsitze (USDOS 13.4.2016). Die Pashtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 31.10.2016).

 

Paschtunen siedeln sich in einem halbmondförmigen Gürtel an, der sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden, und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

 

Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

 

Ausführliche Informationen zu Paschtunen und dem Paschtunwali, können dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden.

 

Hazara

 

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. (CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (az?raj?t) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

 

Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

 

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert (AA 9 .2016); sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert (CRS 12.1.2015). In der öffentlichen Verwaltung sind sie jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist (AA 9 .2016). In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, auch Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015).

 

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9 .2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2015 kam es zu mehreren Entführungen von Angehörigen der Hazara (AA 9 .2016; vgl. auch: UDOS 13.4.2016; NYT 21.11.2015; World Hazara Council 10.11.2016; RFE/RL 25.2.2016). Im Jahr 2016 registrierte die UNAMA einen Rückgang von Entführungen von Hazara. Im Jahr 2016 dokumentierte die UNAMA 15 Vorfälle in denen 82 Hazara entführt wurden. Im Jahr 2015 wurden 25 Vorfälle von 224 entführten Hazara dokumentiert. Die Entführungen fanden in den Provinzen Uruzgan, Sar-e Pul, Daikundi, Maidan Wardak und Ghor statt (UNAMA 6.2.2017). Im Juli 2016 sprengten sich mehrere Selbstmordattentäter bei einem großen Protest der Hazara in die Luft, dabei wurden mindestens 80 getötet und 250 verletzt; mit dem IS verbundene Gruppen bekannten sich zu dem Attentat (HRW 12.1.2017).

 

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.10.2016).

 

Ausführliche Informationen zu den Hazara, können dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden.

 

Tadschiken:

 

Die dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan (CRS 12.1.2015). Die Tadschiken machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus (GIZ 1.2017). Der Name t?jik (Tadschike) bezeichnete sesshafte persischsprachige Bauern oder Stadtbewohner sunnitischer Konfession (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

 

Der Hauptführer der "Nordallianz", eine politisch-militärische Koalition, ist Dr. Abdullah Abdullah - dessen Mutter Tadschikin und dessen Vater Pashtune ist. Er selbst identifiziert sich politisch gesehen als Tadschike, da er ein hochrangiger Berater von Ahmad Shah Masoud, war. Mittlerweile ist er "Chief Executive Officer" in Afghanistan (CRS 12.1.2015).

 

Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 31.10.2016).

 

Medizinische Versorgung:

 

Die Datenlage zur medizinischen Versorgung in Afghanistan bleibt äußerst lückenhaft. In vielen Bereichen liegen Daten nur unzuverlässig oder nur ältere statistische Erhebungen der afghanischen Regierung oder der Weltgesundheitsorganisation vor. Besonders betroffen von unzureichender Datenlage sind hierbei die südlichen und südwestlichen Provinzen (AA 9 .2016).

 

Gemäß der afghanischen Verfassung ist die primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen, inklusive Medikamente, kostenfrei [Anm.: siehe dazu afghanische Verfassung

Artikel 52, (Max Planck Institute 27.1.2004)].

 

Im regionalen Vergleich fällt die medizinische Versorgung weiterhin drastisch zurück (AA 9 .2016). Dennoch hat das afghanische Gesundheitssystem in der letzten Dekade ansehnliche Fortschritte gemacht (The World Bank Group 10.2016; vgl. auch: AA 9 .2016). Dies aufgrund einer soliden öffentlichen Gesundheitspolitik, innovativer Servicebereitstellung, sorgfältiger Überwachung und Evaluierung, sowie Entwicklungshilfe. Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsservices, wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und unter 5-jährigen, sind die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin schlechter als die der Niedrigeinkommensländer. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter 5 Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel (The World Bank Group 10.2016).

 

Die medizinische Versorgung leidet trotz erkennbarer und erheblicher Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v.a. Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine medizinisch qualifiziert ausgebildete Person gegenüber. Auch hier gibt es bedeutende regionale Unterschiede innerhalb des Landes, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (AA 9 .2016).

 

Erhebliche Fortschritte der letzten Dekade sind: Die Mütter- und Kindersterblichkeitsrate hat sich signifikant reduziert; die Sterberate von Kindern unter 5 Jahren ist von 257 auf 55 pro 1.000 Lebendgeburten gesunken, die Säuglingssterblichkeitsrate von 165 auf

45. Die Müttersterblichkeitsrate ist auf 327 bei 100.000 Lebendgeburten gesunken (WB 2.11.2016). Im Vergleich dazu betrug die Müttersterblichkeitsrate im Jahr 2002 noch 1.600. Die Zahl funktionierender Gesundheitsanstalten verbesserte sich von 496 im Jahr 2002 auf 2.000 im Jahr 2012. Proportional dazu erhöhte sich die Zahl der Anstalten mit weiblichem Personal (WB 2.11.2016). Bei 34% der Geburten war ausgebildetes Gesundheitspersonal anwesend. Schätzungen der UN Population Division zufolge, verwenden 23% der Frauen in gebärfähigem Alter moderne Methoden der Empfängnisverhütung (USDOS 13.4.2016).

 

Krankenkassen und Gesundheitsversicherung

 

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Die staatlich geförderten öffentlichen Krankenhäuser bieten ihre Dienste zwar umsonst an, jedoch sind Medikamente häufig nicht verfügbar und somit müssen bei privaten Apotheken von den Patient/innen selbst bezahlt werden. Untersuchungen, Labortests sowie Routine Check-Ups sind in den Krankenhäusern umsonst (IOM 21.9.2016). Da kein gesondertes Verfahren existiert, haben alle Staatsbürger Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Physisch und geistig Behinderte, sowie Opfer von Missbrauch müssen eine starke familiäre und gesellschaftliche Unterstützung sicherstellen. Für verschiedene Krankheiten und Infektionen ist medizinische Versorgung nicht verfügbar. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten geboten werden, welche zudem meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen. Diagnostische Ausstattungen wie Computer Tomographie ist in Kabul (1 in Kabul) verfügbar (IOM 2016).

 

Medikamente

 

Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (IOM 2016). Obwohl freie Gesundheitsdienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, können sich viele Haushalte gewisse Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen nicht leisten bzw. war vielen Frauen nicht erlaubt alleine zu einer Gesundheitseinrichtung zu fahren (USDOS 13.4.2016).

 

Beispiele für Behandlung psychischer Fälle in Afghanistan

 

In öffentlichen und privaten Kliniken ist beispielsweise paranoide Schizophrenie behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patient/innen nichts für ihre Aufnahme bezahlen. Die Patient/innen müssen ihre Medikamente in außenstehenden Apotheken kaufen (IOM 11.10.2016). In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital mit 100 Betten und die Universitätsklinik Aliabad mit 48 Betten. In Jalalabad und Herat gibt es jeweils 15 Betten für psychiatrische Fälle. In Mazar-e Scharif gibt es eine private Einrichtung, die psychiatrische Fälle stationär aufnimmt. Folgebehandlungen sind oft schwierig zu leisten, insbesondere wenn Patient/innen kein unterstützendes Familienumfeld haben. Traditionell mangelt es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie werden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen "behandelt", oder es wird ihnen in einer "Therapie" mit Brot, Wasser und Pfeffer der "böse Geist ausgetrieben". Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung sowohl über das Internet als auch in Form von Comics (für Analphabeten) zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (AA 9 .2016).

 

Krankenhäuser in Afghanistan

 

Eine begrenzte Zahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Um Zugang zu erhalten, benötigt man die afghanische Nationalität (Ausweis/Tazkira). Man kann sich mit seinem Ausweis in jedem afghanischen Krankenhaus registrieren und je nach gesundheitlicher Beschwerde einem Arzt zugewiesen werden. Sollten Operation und Krankenhausaufenthalt nötig sein, wird dem Patienten in dem Krankenhaus ein Bett zur Verfügung gestellt (IOM 2016).

 

In Kandahar eröffnete eine pädiatrische Abteilung im Mirwais Krankenhaus, mit dem Ziel die extrem hohe Säuglingssterberate zu reduzieren: unter anderem verdoppelte sich die Zahl der Säuglingsschwestern; die neue Brutkasteneinheit unterstützt die Spezialist/innen der Neonatalogie (The Guardian 1.12.2016).

 

Krankenhäuser in Kabul:

 

* Antani Hospital Address: Salan Watt, District 2, Kabul Tel: +93 (0)20 2201 372

 

* Ataturk Children’s Hospital Address: Behild Aliabaad (near Kabul University), District 3, Kabul Tel: +93 (0)75 2001893 / +93 (0)20 250 0312

 

* Ahyaia Mujadad Hospital Address: Cinema Pamir, 1st District, Kabul Tel: +93(0)20 2100436

 

* Centre Poly Clinic Address: District 1, Cinema Pamir, Kabul Tel:

+93 (0)202100445

 

* Istiqlal Hospital Address: District 6, Kabul Tel: +93 (0)20 2500674

 

* Ibnisina Emergency Hospital Address: Pull Artal, District 1, Kabul

Tel: +93 (0)202100359

 

* Jamhoriat Hospital Address: Ministry of Interior Road, Sidarat

Square, District 2,Kabul Tel: +93 (0)20 220 1373/ 1375

 

* Malalai Maternity Hospital Address: Malalai Watt, Shahre Naw,

Kabul Tel: +93(0)20 2201 377

 

* Noor Eye Hospital Address: Cinema Pamir, Kabul Tel: +93 (0)20 2100 446

 

* Rabia–i-Balki Maternity Hospital Address: Frosh Gah, District 2, Kabul Tel: +93(0)20 2100439

 

* Tuberculosis Hospital Address: Sana Turiam, Dar-ul-Aman, District 6, Kabul Tel:+93 (0)75 201 4842

 

Beispiele für Nichtregierungsorganisationen vor Ort:

 

Ärzte ohne Grenzen (MSF)

 

In Helmand besteht das größte Krankenhaus im südlichen Afghanistan, welches von Ärzten ohne Grenzen (MSF) geführt wird. Als eines der wenigen Krankenhäuser in der Provinz, hat das Krankenhaus 300 Betten. Etwa 700 afghanische Mitarbeiter/innen und 25 Ausländer/innen arbeiten in den Abteilungen des Krankenhauses, zu diesen zählen unter anderem die Pädiatrie, die Intensivmedizin, die Orthopädie, erste Hilfe und Operationen. Die Behandlung in diesem Krankenhaus ist kostenfrei, sofern man es schafft einen Platz zu bekommen (Time 31.8.2016).

 

Das Komitee des internationalen Roten Kreuz (ICRC)

 

Zugang zu Gesundheitsbehandlung bleibt schwierig in jenen Gegenden, in denen die Sicherheitslage schwach ist.

 

Das ICRC:

 

 

 

 

 

 

 

 

Telemedizinprojekt durch den Mobilfunkanbieter Roshan

 

Das Telemedizinprojekt, verbindet Ärzte in ländlichen Gegenden mit Spezialist/innen im französischen Kindermedizininstitut in Kabul und dem Aga Khan Universitätskrankenhaus in Pakistan. Durch eine Hochgeschwindigkeits-Videoverbindung werden arme Patient/innen auf dem Land von Expert/innen diagnostiziert. Die von Roshan zur Verfügung gestellte Technologie ermöglicht es afghanischen Ärzten im Institut zudem, durch komplizierte Behandlungen geleitet zu werden, für die sie sonst nicht die Expertise hätten (Good Impact 17.12.2016).

 

1.3.2. Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan zur

 

Gefährdungslage für Dolmetscher, Regierungsmitarbeiter vom 11.02.2014:

 

Arbeit für die Regierung: Für die Regierung zu arbeiten, sei allenfalls im Süden und Osten richtiggehend gefährlich, in den übrigen Landesteilen und gerade in urbanen Zentren stelle es nicht unbedingt eine Gefahr dar.

 

BAMF (22.10.-23.10.2012): Afghanistan Workshop, Protokoll, Nürnberg

 

Der "Danish Immigration Service" veröffentlichte im Bericht nach einer "Fact Finding Mission to Kabul" im Frühjahr 2012 die nachfolgenden Informationen:

 

Hinsichtlich des Risikos, welche beim US-Militär beschäftigte Personen haben, informierte eine unabhängige Policy-Forschungsorganisation, dass für Mitarbeiter, deren Arbeitsplatz in Kabul ist, kein hohes Risiko besteht. Aber wenn man in einer Militärbasis außerhalb Kabuls arbeitet, dann besteht die Gefahr einer Verfolgung, unabhängig von der Position und Art der Beschäftigung. Das Risiko besteht für Bauunternehmer und Servicepersonal genauso wie auch für Fahrer und (insbesondere auch) für Dolmetscher.

 

Auch UNHCR, IOM und AIHRC erklärten bezüglich Situation der Mitarbeiter des US-Militärs oder der ISAF, dass es jedem Mitarbeiter passieren kann, dass dieser durch die Taliban eingeschüchtert oder bedroht wird. Dolmetscher, aber auch lokale Fahrer sind gefährdet. In manchen Fällen werden auch die Familien der jeweiligen Personen eingeschüchtert oder bedroht.

 

Gemäß IOM werden hinsichtlich der Regierungsangestellten vor allem Menschen, welche in hohen Positionen in Kabul arbeiten, bedroht. Es gibt auch Fälle, in welchen die Familien von Regierungsangestellten entführt wurden. IOM ist bisher jedoch kein Fall bekannt, in welchem ein "Low-Profile-Regierungsmitarbeiter" in Kabul zum Ziel wurde.

 

Die Sicherheitslage in Kabul und den anderen großen Städten, wie Herat, Mazar-e Sharif und Faizabad ist vergleichsweise gut. UNHCR gab an, dass Kabul eine Option ist um in Sicherheit zu sein, es hängt aber von der Art des Konflikts und dem Profil der Person ab.

 

IOM gab an, dass ihre Mitarbeiter aufgrund der Arbeit für IOM bedroht würden. In Kabul würden die Mitarbeiter aber keine Probleme haben und hätten sie welche, würde die Polizei aktiv werden. DRC erklärte, dass Personen, die mit internationalen Organisationen (darunter NGOs und westliche Firmen) in Verbindung gebracht werden, oder für sie arbeiten, in Kabul nicht bedroht werden, sondern nur in ländlichen Gebieten. Generell würden Mitarbeiter von NGOs nicht bedroht werden, am wenigsten die, die in Kabul arbeiten.

 

Personen, welche für die Regierung arbeiten

 

Hochrangige Beamte und Beschäftigte im öffentlichen Dienst sehen sich einer realen Gefahr ausgesetzt, in allen Gebieten Afghanistans durch Aufständische eingeschüchtert oder verfolgt zu werden.

 

Beamte und Beschäftigte mit niedrigem Rang im öffentlichen Dienst sehen sich in unsicheren Randgebieten Afghanistans auch einer realen Gefahr ausgesetzt, durch Aufständische eingeschüchtert oder verfolgt zu werden. In den sicheren Gegenden in Afghanistan, welche nicht unter Kontrolle der Aufständischen sind (zum Beispiel die Städte Kabul, Herat und Mazar) besteht diesbezüglich nur ein geringes Risiko. Wenn so ein Beamter oder Beschäftigter seine Regierungstätigkeit beendet und in eine andere (sichere) Gegend umsiedelt, besteht für ihn -sofern keine spezifischen individuellen Umstände, welche zu einer Verfolgung führen bestehen- die Möglichkeit sich den Bedrohungen der Aufständischen zu entziehen.

 

Personen, welche für die IMF (International Military Forces) arbeiten

 

Personen, welche für die IMF [International Military Forces] arbeiten, stehen tatsächlich in Gefahr, in allen Gebieten Afghanistans durch Aufständische eingeschüchtert oder verfolgt zu werden. In der Stadt Kabul ist das Risiko geringer, jedoch könnten die einzelnen Umstände zu einem erhöhten Risiko führen.

 

Für Personen, welche für die IMF [International Military Forces] arbeiten, könnte es manchmal nicht ausreichen, einfach nur ihre Arbeit oder ihre Tätigkeit zu beenden, um sich den Bedrohungen und der Verfolgung durch die Aufständischen zu entziehen. Wenn so eine Person jedoch die Tätigkeit beendet und in eine andere (sichere) Gegend umsiedelt, besteht für sie -sofern keine spezifischen individuellen Umstände, welche zu einer Verfolgung führen bestehendie Möglichkeit sich den Bedrohungen der Aufständischen zu entziehen.

 

Personen, welche für NGOs oder sonstige internationale Organisationen arbeiten

 

Es gibt Hinweise, dass die Bedrohung von NGOs rückläufig ist und dass afghanische NGO - Arbeitnehmer nicht mehr systematisch von den Aufständischen verfolgt werden. Unter bestimmten Umständen kann dies dennoch der Fall sein: Arbeit für eine US-finanzierte oder eine US-Organisation oder wenn es um Aktivitäten geht die von den Aufständischen als politisch erachtet werden. Das Risiko einer derartigen Bedrohung ist jedoch in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat gering. Es kommt jedoch auf die individuellen Umstände an.

 

Es ist nach den individuellen Umständen des Einzelfalls festzustellen, ob die Taliban die Person weiterhin bedrohen würden, nachdem sie ihren Job gekündigt oder die Tätigkeiten eingestellt hat. Wenn ein afghanischer Zivilist seine Arbeit für eine NGO, eine internationale Organisation oder für ein ausländisches Unternehmen beendet und in eine sichere Gegend umsiedelt besteht für ihn -sofern keine spezifischen individuellen Umstände, welche zu einer Verfolgung führen bestehen- die Möglichkeit sich den Bedrohungen der Aufständischen zu entziehen.

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor dem BFA, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers (Name, Geburtsdatum) getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren, da seine Identität – mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente oder anderer relevanter Bescheinigungsmittel – nicht abschließend geklärt werden konnte.

 

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Herkunft, insbesondere zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu den familiären Lebensumständen und Berufserfahrungen des Beschwerdeführers, stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren vor dem BFA, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Paschtu.

 

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer unbescholten ist, ergibt sich durch Einsichtnahme in einen aktuellen Strafregisterauszug. Aus dem bekämpften Bescheid geht hervor, dass der Beschwerdeführer subsidiär schutzberechtigt ist. Die festgestellte Sprachstörung wurde durch Vorlage eines medizinischen Befundes nachgewiesen und konnte von der erkennenden Richterin im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst wahrgenommen werden. Der Beschwerdeführer gab darüber hinaus zweifelsfrei an, dass diese bereits im Herkunftsstaat bestanden habe.

 

Von einer lebensbedrohlichen Krankheit ist nicht auszugehen, nachdem der Beschwerdeführer derzeit auch keine Medikamente mehr einnehme und nur zu Kontrollterminen wegen einer "Depressio" und einer Sprachstörung den Arzt aufsuche, weshalb auch die entsprechende Feststellung zu treffen war.

 

2.2. Zum Fluchtvorbringen:

 

2.2.1. Ermordung des Vaters, Beschäftigung als Fahrer für einen Parlamentsabgeordneten; Entführung durch die Taliban

 

Die Angaben des Beschwerdeführers, dass sein Vater in seiner Heimatregion keines natürlichen Todes gestorben sei, waren gleichbleibend und substantiiert genug, um für glaubhaft befunden zu werden. Hinsichtlich des Motivs für die Ermordung führte der Beschwerdeführer im Rahmen der Niederschrift vor dem BFA auf Nachfrage seiner rechtsfreundlichen Vertretung an, dass er glaube, dass die Ermordung seines Vaters im Zusammenhang mit der Aufforderung stehe, den Beschwerdeführer zurückzuholen als er für die Nationalarmee gearbeitet habe (AS 72). Der Beschwerdeführer konnte den Grund jedoch nicht genau mitteilen und beruft sich diesbezüglich lediglich auf Vermutungen. Vielmehr führte er vor dem dazu BFA an, dass er nicht wisse, wer seinen Vater umgebracht habe (AS 66). Somit war diesbezüglich eine Negativfeststellung zu treffen und lässt sich auch aus den vorgebrachten Mutmaßungen nichts gewinnen.

 

Die Feststellungen über die Aufenthaltsorte seiner Ehefrau, Mutter und Geschwister sowie den aufrechten telefonischen Kontakt und deren Befinden (Ehefrau und Mutter) ergeben sich aus den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers (AS 62ff, Seite 7, 19 und 20 des Verhandlungsprotokolls). Seine Angaben hinsichtlich seines Berufes als Kfz-Mechaniker unter anderem in einer Werkstätte im Gebiet XXXX sowie seine Tätigkeit bei der afghanischen Nationalarmee und seine damit verbundene Arbeit an amerikanischen Fahrzeugen im Zeitraum XXXX waren gleichbleibend und als glaubwürdig zu werten, weshalb entsprechende Tätigkeiten festgesellt werden konnten. Die Ausführungen, dass er vier verheiratete Schwestern und drei Brüder sowie zu seinen Brüdern keinen Kontakt habe, waren plausibel und nachvollziehbar. Zudem gab der Beschwerdeführer ausdrücklich an, dass seine Geschwister in Afghanistan nicht verfolgt oder bedroht worden seien (AS 64f und 69). Ebenso ist es glaubwürdig, dass zwei seiner Brüder verschwunden sind. Ob diese jedoch entführt wurden, konnte aufgrund fehlender konkreter Aussagen nicht festgestellt werden. Vom vorgebrachten Verschwinden seiner Brüder kann jedenfalls keine Bedrohungssituation des Beschwerdeführers abgeleitet werden. Der Beschwerdeführer war nicht in der Lage ein substantiiertes Vorbringen zu erstatten und begründet sich ein allfälliger Zusammenhang nur auf Mutmaßungen. Zudem gab der Beschwerdeführer bereits vor dem BFA an, dass er auch vor dem Verschwinden keinen Kontakt zu seinen Brüdern gepflegt habe (AS 64). Letztendlich brachte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht selbst vor, dass er nicht wisse, was mit seinen Brüdern passiert sei. Er wisse nur, dass zwei Brüder verschwunden seien (Seite 19 des Verhandlungsprotokolls). Ein Zusammenhang zwischen dem Verschwinden seiner Brüder und seinem vorgebrachten Ausreisegrund, nämlich einer Verfolgung durch die Taliban, vermochte der Beschwerdeführer durch sein Vorbringen nicht nachvollziehbar darzustellen.

 

Maßgeblich ist, dass der Beschwerdeführer keine ihn betreffende Verfolgungsgefahr glaubhaft machen konnte, die mit dem Tod seines Vaters oder seiner Tätigkeit für die afghanische Nationalarmee, für die er Autos der Amerikaner reparierte, in Zusammenhang gebracht werden konnte. Der Umstand, dass die Mutter des Beschwerdeführers sowie seine Schwestern und ein Bruder nach der Ermordung des Vaters bis dato noch immer in Afghanistan und teilweise in seiner Heimatregion leben, macht deutlich, dass die übrige Familie seinerzeit keine Verfolgung durch die Taliban zu gewärtigen hatte. Auch seine Ehefrau hat bis zur Ausreise des Beschwerdeführers in der Heimatregion gelebt (AS 62f). Demgegenüber ist es unplausibel, dass die Familie über mehrere Jahre hinweg in der Heimatregion leben hätte können, ohne dass auch sie mit einer Bedrohung durch die Taliban konfrontiert gewesen wären, wenn seitens der Taliban eine Verfolgungsgefahr in der geschilderten Intensität bestanden hätte.

 

Ebenso gestaltet sich das Vorbringen hinsichtlich einer allfälligen Bedrohung durch die Taliban aufgrund seiner Tätigkeit als Fahrer für einen Parlamentsabgeordneten. Hinsichtlich der Feststellung, dass der Beschwerdeführer mehrere Jahre für einen Parlamentsabgeordneten, namens XXXX , tätig gewesen ist, kann auf das plausible und nachvollziehbare Vorbringen verwiesen werden. Bereits in der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer vor den Sicherheitsbehörden an, dass er zuletzt als Fahrer für einen Abgeordneten gearbeitet habe (AS 3). Dieses Vorbringen wiederholt er in der Einvernahme vor dem BFA und gibt zusätzlich seinen beruflichen Werdegang an. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass er zu Beginn seiner Einvernahme vor dem BFA noch angibt, er habe 1 ¿ Jahre bis zu seiner Ausreise bei einem Sekretär des Abgeordneten gearbeitet und der Beschwerdeführer erst bei der Frage nach seinem Fluchtgrund anführte, dass ein Beschäftigungsverhältnis zu dem Abgeordneten in weiterer Folge vorgelegen habe (AS 63-67). Der Beschwerdeführer wurde jedoch im Rahmen seiner Einvernahme in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ausführlich zu seiner Tätigkeit als Fahrer für den Abgeordneten befragt und war er in der Lage präzise und ohne Umschweife einen gewöhnlichen Arbeitstag mit dem Abgeordneten zu beschreiben, weshalb kein Zweifel an der vorgebrachten Beschäftigung vorliegt (Seite 12 des Verhandlungsprotokolls). Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass auch das Bundesamt in seinem Bescheid von einer entsprechenden Beschäftigung ausgegangen ist (AS 153).

 

Im Gegensatz zum Bundesamt konnte jedoch keine aktive Parteimitgliedschaft des Beschwerdeführers festgestellt werden. Zwar bejahte er vor dem BFA die Frage, ob er Mitglied einer Partei sei, jedoch gab er auf Nachfrage vor dem Bundesverwaltungsgericht stets an, dass er nur für die Partei " XXXX " als Fahrer für den Parlamentsabgeordneten gearbeitet habe. Eine aktive politische Tätigkeit bzw. Parteimitgliedschaft konnte daher nicht zweifelsfrei festgestellt werden. (AS 66f und Seite 7 des Verhandlungsprotokolls).

 

Insoweit als der Beschwerdeführer vorbrachte, er sei von einer unbekannten Person angerufen worden, die ihn treffen habe wollen, kann es nicht nachvollzogen werden, wie diese Person zu der Nummer des Beschwerdeführers gekommen ist. Zwar führte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung an, dass seine Nummer bekannt gewesen sei, dies begründete er jedoch damit, dass zuerst er angerufen worden sei, wenn jemand den Parlamentsabgeordneten hätte treffen wollen, um ihm sein Anliegen näher zu bringen. Erst durch den Beschwerdeführer hätte der Kontakt zum Abgeordneten hergestellt werden können (Seite 13 des Verhandlungsprotokolls). Allein dieses Vorbringen ist nicht nachvollziehbar. Dem Beschwerdeführer wurde bereits zu Beginn seiner Befragung die Gelegenheit gegeben seinen Aufgabenbereich als Fahrer ausführlich darzustellen. In diesem Zusammenhang brachte er jedoch zu keinem Zeitpunkt vor, dass er Termine bzw. Treffen für den Abgeordneten vereinbarte bzw. koordinierte. Erst auf Nachfrage, zu seiner vorgebrachten Verfolgungssituation brachte er diese Funktion vor und vermittelt er hierdurch den Eindruck, die Antwort als Begründung konstruiert zu haben. Auf Nachfrage führte er zudem an, dass der Parlamentsabgeordnete eine Person gehabt habe, die die Termine organisiert habe und schwächte zugleich seine eigene Aussage ab indem er angab, dass nur jene Personen, die für den Abgeordneten gearbeitet hätten, gewusst hätten, dass sie den Abgeordneten durch den Beschwerdeführer erreichen hätten können. Vor dem Hintergrund, dass der Abgeordnete eine andere Person hatte, die zuständig für die Terminvereinbarung war, ist es nicht plausibel, dass fremde Personen zuerst den Fahrer des Abgeordneten anrufen, um Termine zu vereinbaren, wenn es doch für diese Tätigkeit eine Terminsekretärin gegeben hätte (Seite 13 des Verhandlungsprotokolls). Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers entspricht auch nicht der allgemeinen Lebenserfahrung. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer zuerst kontaktiert worden sei, wenn doch diese Terminsekretärin aufgrund ihrer Aufzeichnungen genau wusste, wo und wann der Parlamentsvertreter Termine wahrzunehmen hatte. Insgesamt ist das gegenständliche Vorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubwürdig zu werten.

 

Auch das Vorbringen zu seinem Zusammenstoß mit den Taliban wirkte im Rahmen der der mündlichen Verhandlung mechanisch und einstudiert. In der Niederschrift vor dem BFA brachte der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vor, dass die Taliban ihm gesagt hätten, er solle sich mit dem Abgeordneten in die Luft sprengen und die Taliban würden alles vorbereiten, was er brauche (AS 67). Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung, wie die Taliban nach der Entführung mit ihm in Kontakt hätten treten sollen, gab er an, dass sie seine Nummer gehabt hätten und die Taliban in der Lage gewesen seien, ihn überall zu finden (Seite 15 des Verhandlungsprotokolls). In diesem Zusammenhang gab der Beschwerdeführer vor dem BFA an, dass er noch 17 Tage – also über zwei Wochen – nach dem vorgebrachten Zusammenstoß mit den Taliban in Afghanistan aufhältig gewesen sei (AS 64). In der mündlichen Verhandlung führte er an, dass ihn die Taliban in dieser Zeit jedoch nie kontaktiert hätten. Nachgefragt, warum ihn die Taliban nicht kontaktiert hätten, führte er als Grund an, dass sein Handy gesperrt gewesen sei. Der Beschwerdeführer brachte auch vor, dass weder seine Mutter noch seine Frau von den Taliban in der Zwischenzeit kontaktiert worden seien. Würde man von einer Bedrohung bzw. Verfolgung durch die Taliban in der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Intensität ausgehen, erscheint es nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer weder innerhalb der 17 Tage vor seiner Ausreise – letztendlich gab der Beschwerdeführer an, die Taliban könnten ihn überall finden – noch innerhalb der letzten 2 Jahre seine unmittelbaren Verwandten – also seine Mutter und seine Ehefrau – von diesen Personen kontaktiert worden sind. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass laut Angaben des Beschwerdeführers, ein Mann seine Mutter aufgesucht und ihr eine Telefonnummer gegeben habe als er noch für den Parlamentsvertreter gearbeitet hätte (Seite 14 des Verhandlungsprotokolls), vermochte der Beschwerdeführer keine nachvollziehbaren Angaben zu tätigen. Es ist insbesondere unplausibel, dass die Familie, insbesondere seine Mutter, über mehrere Jahre hinweg in der Heimatregion leben hätte können, ohne dass auch sie mit einer Bedrohung durch die Taliban konfrontiert gewesen wäre, wenn seitens der Taliban oder anderer terroristischer Gruppierungen tatsächlich eine Verfolgungsgefahr bestanden hätte.

 

Des Weiteren weist auch die Darstellung der Bedrohungssituation im Rahmen der vorgebrachten Entführung selbst Widersprüche auf. So brachte der Beschwerdeführer vor dem BFA vor, dass der "Älteste" bereits am Abend der Entführung den Beschwerdeführer antraf und ihm mitgeteilt habe, dass er mit ihnen (Anmerkung. den Taliban) zusammenarbeiten solle (AS 67). Vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte der Beschwerdeführer wiederum vor, dass er an einen Ort in XXXX , namens XXXX gebracht worden sei und es erst am nächsten Tag zu einem Treffen mit dem "Anführer" gekommen sei, der ihm gesagt habe, er solle mit ihnen (Anm. den Taliban) zusammenarbeiten (Seite 14 des Verhandlungsprotokolls). Zudem wird auch das weitere Gespräch im Rahmen der vorgebrachten Entführung unterschiedlich dargestellt. Vor dem BFA brachte der Beschwerdeführer noch vor, dass der "Älteste" ihn aufgefordert habe, im Auto des Abgeordneten Sprengstoff zu platzieren und sich mit dem Abgeordneten in die Luft zu sprengen. Die Taliban würden alles dafür vorbereiten. Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer an, dass der "Anführer" gesagt habe, er solle versuchen, den Abgeordneten zu beseitigen. Im Auto des Abgeordneten Sprengstoff zu platzieren, wurde nunmehr vom Beschwerdeführer lediglich als ein "Vorschlag" der Taliban dargestellt.

 

Obwohl der Beschwerdeführer zu Beginn der Befragung vor dem Bundesverwaltungsgericht aufgefordert wurde so präzise wie möglich und von sich aus die Fragen zu beantworten, bleibt seine Darstellung der Entführung auf eine Rahmenhandlung begrenzt. Vor dem Hintergrund, dass eine solche Bedrohungssituation eine Extremsituation im Leben des Beschwerdeführers darstellt, die für den Beschwerdeführer – wie er selbst anführte – unvergesslich sei, ist es nicht nachvollziehbar, dass es zu unterschiedlichen Darstellungen dieser wenigen Stunden kam. Der Beschwerdeführer vermochte zudem keine konkreten und lebensnahen Details zu nennen, die für die erkennende Richterin den Eindruck erweckt hätten, die vom Beschwerdeführer geschilderten Ereignisse seien tatsächlich so vorgefallen. Dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesverwaltungsgericht ergänzend vorbrachte, dass er vor einer Straßensperre angehalten habe und dann von den Taliban in die Provinz XXXX gebracht worden sei, vermag an diesem Umstand nichts zu ändern (Seite 14 des Verhandlungsprotokolls). Vielmehr erscheint es nicht wahrscheinlich, dass die Taliban in einer Provinz ( XXXX ), die unter der Kontrolle der afghanischen Regierung steht, eine Straßensperre errichten, nur um auf den Beschwerdeführer zu warten, obwohl sie doch angeblich gewusst hätten, wo der Beschwerdeführer in Afghanistan gelebt hat. In diesem Zusammenhang war das Vorbringen des Beschwerdeführers somit nicht glaubwürdig.

 

Das Gericht verkennt nicht, dass der Beschwerdeführer als Fahrer für einen Parlamentsabgeordneten dem Personenkreis einer risikorelevanten Gruppe angehören könnte, jedoch geht aus dem Bericht der Staatendokumentation eindeutig hervor, dass wenn man die Tätigkeit für die Regierung aufgibt und in eine sichere Gegend zieht, sich einer allfälligen Verfolgung entziehen kann. Zudem wird angeführt, dass sich Beamte und Beschäftigte mit niedrigem Rang im öffentlichen Dienst in unsicheren Randgebieten Afghanistans zwar auch einer realen Gefahr ausgesetzt sehen, durch Aufständische eingeschüchtert oder verfolgt zu werden. In den sicheren Gegenden in Afghanistan, welche nicht unter Kontrolle der Aufständischen sind (zum Beispiel die Städte Kabul, Herat und Mazar) besteht diesbezüglich jedoch nur ein geringes Risiko (vgl. Pkt. 1.3.2.). Daraus folgt, dass insbesondere in der Stadt XXXX – wo der Beschwerdeführer hauptsächlich beschäftigt war - lediglich ein geringes Risiko besteht, weshalb nicht aufgrund der bloßen Tätigkeit als Fahrer für einen Abgeordneten von einer Verfolgungssituation auszugehen ist. Der Beschwerdeführer war zudem insgesamt nicht in der Lage, die vorgebrachte Verfolgungs- bzw. Bedrohungssituation durch die Taliban glaubwürdig darzustellen.

 

In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass der Beschwerdeführer durch die Beendigung seiner Arbeit für den Abgeordneten an Bedeutung verloren hat und somit nicht (mehr) zu dieser risikorelevanten Gruppe gehört. Die diesbezüglichen Verweise des rechtsfreundlichen Vertreters auf weitere Länderberichte in seinen Stellungnahmen vermögen keine Änderung zu bewirken. Letztendlich wird hier auch zum Teil auf Personengruppen Bezug genommen, denen der Beschwerdeführer überhaupt nicht angehört, wie zum Beispiel Dolmetscher oder Fahrer, die für internationale Streitkräfte gearbeitet hätten. Ein konkreter Zusammenhang mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers wurde nicht ausgeführt. Somit konnte zusammengefasst eine Verfolgung oder Bedrohung durch die Taliban oder anderer Personen bzw. eine andere terroristische Gruppierung vom Beschwerdeführer auch in Verbindung mit den maßgeblichen Länderfeststellungen nicht nachvollziehbar dargestellt werden, weshalb entsprechende Negativfeststellungen zu treffen waren.

 

Vor diesem Hintergrund geht auch das Vorbringen ins Leere, dass der Beschwerdeführer einer Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt sei, weil er ihren "Auftrag" nicht ausgeführt hätte. Nachdem bereits das Fluchtvorbringen als nicht glaubhaft zu werten war, konnte auch keine Verfolgungssituation aus dem oben angeführten Grund festgestellt werden.

 

2.2.2. Staatliche Verfolgung durch den Parlamentsabgeordneten XXXX

 

Des Weiteren brachte der Beschwerdeführer vor, dass er in Afghanistan auch einer staatlichen Verfolgung ausgesetzt sei, weil der Parlamentsabgeordnete, XXXX , ihn umbringen wolle. In diesem Zusammenhang führte der Beschwerdeführer in der Niederschrift vor dem BFA an, dass ein Leibwächter des Abgeordneten ihn mitgeteilt habe, dass geplant werde, den Beschwerdeführer umzubringen (AS 67).

 

Dieses Vorbringen wiederholt der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (Seite 15 des Verhandlungsprotokolls). Der Beschwerdeführer gab an, dass er, nachdem er den vorgebrachten Vorfall mit den Taliban dem Abgeordneten erzählt habe, noch ganze 14-15 Nächte auf dessen Vorschlag bei dem Abgeordneten zu Hause gelebt habe. Während dieser Zeit habe er den Abgeordneten zwar gesehen, aber nicht mit ihm gesprochen. Auf Nachfrage, warum er glaube, dass der Abgeordnete ihn umbringen wolle, gab der Beschwerdeführer an, dass er den Tagesplan des Abgeordneten gekannt habe und er bei verschiedenen Treffen mit Ministern und anderen Parlamentsvertretern dabei gewesen sei. Er glaube, dass der Abgeordnete Angst gehabt habe, dass der Beschwerdeführer ihn hätte verraten können. (Seite 16 des Verhandlungsprotokolls)

 

Im Gegensatz dazu gab der Beschwerdeführer befragt zu seinen Aufgaben als Fahrer in der mündlichen Verhandlung an, dass er während den Terminen des Abgeordneten im Auto auf diesen gewartete habe. Zu keinem Zeitpunkt brachte er vor, dass er zusammen mit dem Abgeordneten an Terminen teilgenommen habe und erscheint es auch realitätsfremd, dass ein Fahrer eines Abgeordneten an Terminen zwischen Ministern und Abgeordneten teilnimmt (Seite 12 des Verhandlungsprotokolls). Nach Vorhalt dieser widersprüchlichen Angaben schwächte der Beschwerdeführer sein Vorbingen ab und bestätigte sein erstes Vorbringen, dass er immer im Auto gewartet hätte, fügte jedoch nunmehr hinzu, dass er wichtige Telefonate des Abgeordneten mitgehört habe. Der Beschwerdeführer führte weiters an, dass er glaube, dass der Abgeordnete nicht gewollt habe, dass der Beschwerdeführer bei einer weiteren Entführung Informationen über den Abgeordneten hergebe. Vor diesem Hintergrund, kann die gegenständliche Aussage nur als Schutzbehauptung gewertet werden, nachdem der Beschwerdeführer nicht in der Lage war den angeführten Widerspruch zu erklären, sondern vielmehr versuchte, seine erste Aussage zu negieren und eine andere Erklärung zu finden. Diese Ansicht wird auch dadurch bestätigt, dass der Beschwerdeführer ausdrücklich verneinte, dass der Abgeordneten jemals eine entsprechende Aussage ihm gegenüber getätigt habe. (Seite 16 und 17 des Verhandlungsprotokolls).

 

Der Beschwerdeführer bezieht sich im Zusammenhang mit einer allfälligen (staatlichen) Bedrohung durch den Abgeordneten lediglich auf eine Aussage von einem Freund und seinen subjektiven Eindruck. Eine konkrete Bedrohungs- oder Verfolgungshandlung durch den Abgeordneten wurde zu keinem Zeitpunkt vom Beschwerdeführer vorgebracht. Zudem ist das Vorbringen über eine Verfolgung durch den Abgeordneten nicht nachvollziehbar, nachdem der Beschwerdeführer 14 bzw. 15 Nächte im Haus des Abgeordneten auf dessen Einladung verbracht hat, ohne einer konkreten Gefährdungssituation ausgesetzt gewesen zu sein. Zudem konnte der Beschwerdeführer ohne Probleme sein Quartier beim Abgeordneten verlassen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er der Wache erzählt habe, seine Mutter sei erkrankt und er deshalb nach Hause fahren müsse, vermag zu keinem anderen Schluss führen (Seite 15 des Verhandlungsprotokolls).

 

Auch während seiner etwa insgesamt 5-jährigen Tätigkeit für den Abgeordneten wurde eine Bedrohung durch den Abgeordneten vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht (Seite 16f des Verhandlungsprotokolls).

 

Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Erstbefragung im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Sanktionen von staatlicher Seite ausdrücklich verneinte (AS 11).

 

Zusammenfassend konnte somit weder eine staatliche Verfolgung noch eine Bedrohungs- bzw. Verfolgungssituation durch den Parlamentsabgeordneten, XXXX , nachvollziehbar und glaubhaft dargestellt werden und waren daher nicht festzustellen.

 

2.2.3. Sicherheitslage, Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit

 

Soweit sich der Beschwerdeführer auf die allgemein prekäre Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere in der Herkunftsprovinz berief, ergaben sich keinerlei Anhaltspunkte, die eine individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung des Beschwerdeführers aus Konventionsgründen indiziert hätten. Der Beschwerdeführer selbst hat kein entsprechendes konkretes Vorbringen erstattet. Zudem wurde auf die allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage im Rahmen der Zuerkennung subsidiären Schutzes im angefochtenen Bescheid Bedacht genommen. Eine darüber hinausgehende asylrelevante Betroffenheit des Beschwerdeführers hat sich aber nicht ergeben.

 

Eine Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit konnte nicht nachvollziehbar dargestellt werden. Zwar führte der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahme vor dem BFA an, dass er als einziger Paschtune für Tadschiken gearbeitet habe und deshalb die Paschtunen mit ihm verfeindet seien. Auf Nachfrage schwächte er diese Behauptung jedoch wiederum ab, indem er anführte, dass die Paschtunen schlecht über ihn reden würden und sogar in der Moschee gesagt werde, dass seine Gebete nicht erhört werden würden (AS 67). Somit weist auch dieses Vorbringen keine relevante Verfolgungsintensität vor, weshalb auch eine entsprechende Feststellung zu treffen war. Zudem wurde eine individuelle Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit weder in der Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgebracht.

 

Zusammenfassend konnte der Beschwerdeführer somit nicht glaubhaft darstellen, dass er im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt wäre, weder durch die Taliban noch durch den afghanischen Staat.

 

Die getroffenen Feststellungen zum Herkunftsstaat stützen sich auf die der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegten und anlässlich der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung dargetanen sowie an die Parteien übermittelten Länderdokumente. Da die aktuellen Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger unbedenklicher Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der schlüssigen Situationsdarstellungen im Herkunftsstaat zu zweifeln. Auch seitens der Verfahrensparteien wurden hinsichtlich der herangezogenen Quellen in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht sowie in den übermittelten Stellungnahmen keine substantiierten Einwände erhoben. Das Bundesverwaltungsgericht hat ebenfalls Einsicht in die vom rechtsfreundlichen Vertreter vorgebrachten Länderberichte genommen. Insoweit in den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zu Grunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuellen Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

 

2.3. Die Aufnahme weiterer Beweise war wegen Entscheidungsreife nicht mehr erforderlich.

 

Soweit der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung beantragte, für diesen Fall Erhebungen vor Ort zur Überprüfung des vom Beschwerdeführer behaupteten Geschehens zu veranlassen, so ist darauf zu verweisen, dass der angeführte Zweck für den gegenständlichen Beweisantrag weggefallen ist (Seite 21 des Verhandlungsprotokolls). Die sonstigen Ergebnisse des Beweisverfahrens ergaben aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts zudem ein hinreichend schlüssiges Gesamtbild, sodass im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu den getroffenen Feststellungen gelangt werden konnte und eine weitere Beweisaufnahme nicht erforderlich war.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu Spruchpunkt A) Abweisung der Beschwerde:

 

Gemäß § 3 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU ) verweist.). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

 

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0080, mwN).

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0069; VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551). Sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

 

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine dem Staat zurechnende Verfolgungshandlung nicht nur dann vor, wenn diese unmittelbar von staatlichen Organen aus Gründen der Konvention gesetzt wird. Auch kommt einer von Privatpersonen oder privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (vgl. VwGH vom 18.11.2015, Ra 2014/18/0162, mwN). Eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat hingegen nur dann asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (VwGH 20.05.2015, Ra 2015/20/0030).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010. 2007/19/0203). Andererseits bedingt eine mangelnde Schutzfähigkeit nicht, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (VwGH 19.11.2010,2007/19/0203).

 

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. zB VwGH 24.03.1999, 98/01/0352 mwN; 15.03.2001, 99/20/0036). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwSlg. 16.482 A/2004). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" (VwSlg. 16.482 A/2004) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/20/0539; 17.03.2009, 2007/19/0459).

 

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht vorliegt.

 

Dies vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass der Beschwerdeführer keine persönliche Verfolgungshandlung aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Grund glaubhaft gemacht hat. Es wurde weder eine Verfolgung durch die Taliban oder eine andere terroristische Gruppierung noch durch den afghanischen Staat festgestellt.

 

Im Verfahren haben sich auch sonst keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen:

 

Die allgemeine Lage in Afghanistan ist nicht dergestalt, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste (vgl. etwa AsylGH 07.06.2011, C1 411.358-1/2010/15E, sowie den diesbezüglichen Beschluss des VfGH vom 19.09.2011, Zahl U 1500/11-6 u.v.a.).

 

Auch aus der wirtschaftlich schlechten Lage in Afghanistan lässt sich für den Beschwerdeführer eine Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nicht herleiten: Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. VwGH 28.06.2005, 2002/01/0414). Wirtschaftliche Benachteiligungen einer ethnischen oder sozialen Gruppe, die den Angehörigen dieser Gruppe jegliche Existenzgrundlage entzieht, kann grundsätzlich asylrelevant sein (vgl. VwGH 06.11.2009, 2006/19/1125). Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur erkennt, reicht auch der Verlust (oder die Schwierigkeit der Beschaffung) eines Arbeitsplatzes nicht aus, eine Asylgewährung zu begründen, solange damit nicht eine ernsthafte Bedrohung der Lebensgrundlage verbunden ist (VwGH 19.06.1997, 95/20/0482). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt – nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung – zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen ist. Eine Gruppenverfolgung – in Hinblick auf die Volksgruppenzugehörigkeit der Paschtunen, die in Afghanistan für Tadschiken arbeiten - ist nicht gegeben und hat der Beschwerdeführer diesbezüglich auch keine konkrete individuelle Bedrohung dargetan, weshalb sich aus diesem Vorbringen eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers nicht ableiten lässt.

 

Eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in seinem Herkunftsstaat, Afghanistan, wurde nicht festgestellt. Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

 

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A wiedergegeben. (vgl. die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

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