BVwG I418 2147399-1

BVwGI418 2147399-122.2.2017

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:I418.2147399.1.00

 

Spruch:

I418 2147399-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Dr. Stephan Wiener LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Tunesien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25. Jänner 2017, Zl. 1134089003/170022133, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin reiste am 8. Dezember 2016 rechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 6. Jänner 2017, am letzten Tag der Gültigkeit ihres Visums, einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 6. Jänner 2017 gab die Beschwerdeführerin unter der Rubrik "Fluchtgrund" an, dass die Lebenssituation in ihrem Heimatbezirk in Tunis schwierig ist und dass sie von ihrem Vater und ihrem Bruder unter Druck gesetzt wurde, den "islamischen" Niqab zu tragen.

Am 20. Jänner 2017 wurde die Beschwerdeführerin von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen und erklärte sie dabei, dass sie sich in einen Mann christlichen Glaubens verliebt habe. In der Folge habe sie familiäre Probleme bekommen und habe dies zu ihrer Ausreise aus Tunesien geführt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25. Jänner 2017 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß "§ 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr.100/2005 (AsylG) idgF" (Spruchpunkt I) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Tunesien gemäß "§ 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG" (Spruchpunkt II) als unbegründet ab. Zugleich wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß "§§ 57 und 55 AsylG" nicht erteilt. Gemäß "§ 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF" wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß "§ 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" erlassen. Weiters wurde gemäß "§ 52 Absatz 9 FPG" festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß "§ 46 FPG" nach Tunesien zulässig ist (Spruchpunkt III) und dass gemäß "§ 55 Absatz 1a FPG ... keine Frist für die freiwillige Ausreise" besteht (Spruchpunkt IV). Letztlich wurde einer Beschwerde "gegen diese Entscheidung über Ihren Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF" die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V).

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 9. Februar 2017 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Entscheidung über die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid

A) 1. Feststellungen

A) 1.1. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist volljährig, ledig, kinderlos, gesund, arbeitsfähig und Staatsangehörige von Tunesien und bekennt sich nicht zum moslemischen Glauben. Sie verfügt über umfangreiche schulische Bildung.

Am 8. Dezember 2016 ist die Beschwerdeführerin legal in das Bundesgebiet eingereist; sie verfügt – schon angesichts ihres kurzen Aufenthaltes im Bundesgebiet – in Österreich über keine privaten Beziehungen und auch über keine familiären Anknüpfungspunkte.

Es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr in den sicheren Herkunftsstaat Tunesien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

A) 1.2. Zu den Feststellungen zur Lage in Tunesien:

Soweit dies für den vorliegenden Beschwerdefall von Relevanz ist, werden zur aktuellen Lage in Tunesien folgende Feststellungen getroffen:

Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

KI vom 1.8.2016, Titel (relevant für Abschnitt 2/politische Lage)

Das tunesische Parlament hat am Samstagabend [Anm.: 30.8.2016] Premierminister Habib Essid und der ihm unterstehenden Regierung das Vertrauen entzogen. Mit deutlicher Mehrheit stimmten die Abgeordneten für eine Absetzung des Ministerpräsidenten. Das Abstimmungsergebnis war in dieser Form bereits erwartet worden (DS 31.7.2016; vgl. JA 30.7.2016). Die Regierung Essid gilt damit als abgesetzt (JA 30.7.2016). Essid stand unter Druck, weil es seiner Regierung nicht gelang, die Wirtschaftskrise und die hohe Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Tunesien wurde außerdem immer wieder von islamistischen Anschlägen erschüttert (DS 31.7.2016).

Zuletzt hatte Essid vor allem die Unterstützung von Präsident Béji Caid Essebsi verloren. Der Staatschef hatte im vergangenen Monat im Fernsehen die Regierung und ihre Arbeit kritisiert. Er schlug dabei die Bildung einer nationalen Einheitsregierung vor, um die Krisen des Landes in den Griff zu bekommen (DS 31.7.2016; vgl. JA 30.7.2016).

Quellen:

Politische Lage

Tunesien ist gemäß der Verfassung von 2014 ein freier, unabhängiger und souveräner Staat, dessen Religion der Islam, dessen Sprache das Arabische und dessen Regierungsform die Republik ist. Die Revolution vom 14.1.2011 mit der Flucht des bisherigen Präsidenten Ben Ali hatte zu einer Phase des politischen Übergangs geführt. Am 26.1.2014 wurde die neue demokratische Verfassung verabschiedet. Diese sieht für Tunesien ein gemischtes Regierungssystem vor, in dem der Premierminister vom Staatspräsidenten mit der Regierungsbildung beauftragt und vom Parlament bestätigt werden muss. Der Premierminister bestimmt die Richtlinien der Politik, mit Ausnahme der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die in der Zuständigkeit des Staatspräsidenten liegen, der direkt vom Volk gewählt wird (AA 9 .2015a). Die Verfassung garantiert durch eine stärkere Gewaltenteilung und die Einrichtung eines Verfassungsgerichtshofs eine bessere Kontrolle der verschiedenen Gewalten. Außerdem wurde die Gleichstellung von Frauen festgeschrieben. Bezüglich der Rolle der Religion einigten sich die Abgeordneten auf einen zwiespältigen Text, der sowohl den zivilen Charakter des Staates sowie Glaubens- und Gewissensfreiheit garantiert als auch den Schutz des Heiligen festschreibt (GIZ 12.2015a).

Seit Ende 2011 haben sich drei Übergangsregierungen abgelöst, die jeweils von der Nationalversammlung bestätigt wurden. Die Parlamentswahlen am 26.10.2014 konnte die säkulare Partei Nida Tunis mit 86 Sitzen vor der islamisch-konservativen Ennahdha mit 69 Sitzen (von insgesamt 217) für sich entscheiden. Bei den Präsidentschaftswahlen setzte sich am 21.12.2014 (Stichwahl) der Gründer der Nida Tunis und Übergangspremierminister von 2011 Beji Caid Essebsi mit 55,68 Prozent gegen Übergangspräsident Moncef Marzouki (44,32 Prozent) durch. Am 5.2.2015 wurde der parteilose Ökonom Habib Essid vom Parlament mit 166 gegen 30 Stimmen bei 8 Enthaltungen als neuer Regierungschef bestätigt. Er führt ein Kabinett aus Mitgliedern der Parteien Nida Tunis, Ennahdha, UPL (Freie Patriotische Union) und Afek Tunis sowie parteilosen Experten. Die neue "Regierung der nationalen Einheit" beteiligt neben dem Wahlsieger Nida Tunis auch den Hauptantagonisten Ennahdha und sollte somit in der Lage sein, auch für schmerzhafte Reformen die notwendige Akzeptanz inner- und außerhalb des Parlaments zu finden (AA 9 .2015a, vgl. GIZ 12.2015a).

Quellen:

Sicherheitslage

Bei Anschlägen im März 2015 auf das Bardo-Museum in Tunis, sowie im Juni 2015 auf ein Strandhotel in Sousse/Port El Kantaoui, kam es zu Todesopfern (AA 9.2.2016, vgl. BMEIA 9.2.2016, FD 9.2.2016). Insgesamt kamen bei diesen Angriffen, zu denen sich die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) bekannte, 60 Menschen ums Leben (ZO 25.11.2015). Die tunesischen Sicherheitskräfte haben daraufhin ihre Präsenz landesweit verstärkt. Auf Sicherheitskräfte in der Innenstadt von Tunis wurde am 24.11.2015 ein Anschlag verübt. Dabei kam es zu mehreren Todesopfern (AA 9.2.2016, vgl. BMEIA 9.2.2016, FD 9.2.2016). Zu diesem Anschlag auf die Präsidentengarde, bei dem 13 Menschen getötet wurden, bekannte sich ebenfalls der IS (ZO 25.11.2015). Die tunesische Regierung hat daraufhin den Ausnahmezustand verhängt (AA 9.2.2016). Das militärische Sperrgebiet an der Grenze zu Algerien, in der Nähe des Berges Chaambi, wurde auf weitere Gouvernements ausgedehnt (BMEIA 9.2.2016). Es kommt dort, v. a. in den Gouvernements Kasserine und Le Kef zu Militäroperationen und bewaffneten Auseinandersetzungen (FD 9.2.2016, vgl. AA 9.2.2016). Hohes Sicherheitsrisiko besteht auch in den Gouvernements Silliana, Jendouba und Beja sowie in den zentralen Landesteilen (BMEIA 9.2.2016) und den südlichen Grenzgebieten zu Algerien und Libyen (FD 14.1.2016).

Manche der Grenzübergänge zu Algerien sind vorübergehend geschlossen. Aufgrund der Situation in Libyen sind die tunesisch-libyschen Grenzübergänge zeitweise geschlossen (BMEIA 9.2.2016). Tunesien hat am 7.2.2016 eine rund 200 Kilometer lange Sperranlage an der Grenze zu Libyen fertiggestellt, die verhindern soll, dass von dort Islamisten ins Land eindringen. Die Sperranlage - bestehend aus Sandwällen und Wassergräben - erstreckt sich vom Grenzübergang Ras Jedir an der Mittelmeerküste bis nach Dehiba weiter südwestlich. Damit ist nun etwa die Hälfte der Grenze zu Libyen vor allem für Fahrzeuge nicht mehr problemlos zu überqueren. Die Schutzwälle sind teilweise mehrere Meter hoch. Nach den Worten von Tunesiens Verteidigungsminister Farhat Hachani ist geplant, die gesamte Grenze für Fahrzeuge unpassierbar zu machen (TS 7.2.2016).

Die Turbulenzen nach dem Sturz von Diktator Zine El-Abidine Ben Ali 2011 haben den Sicherheitsapparat erheblich geschwächt. Kriminelle Akteure und gewaltbereite Salafisten weiteten in diesem Sicherheitsvakuum ihre Aktivitäten massiv aus: Seit Ende 2012 ist auch in Tunesien Jihadismus ein manifestes Problem (SWP 10.2014). Neben dem IS sind weitere Gruppen aktiv, die Al Qaida, Ansar al-Shaaria oder Al Murabitun angehören. Beim mit Algerien seit Jahren geführten gemeinsamen Kampf gegen terroristische Gruppierungen im Grenzbereich besteht ein Pattverhältnis, das die Bewegungsfreiheit der Terrorzellen weitgehend einschränkt, aber nicht verhindert, dass Einzelne immer wieder die Grenze passieren und sich Nachschub in den grenznahen Orten beschaffen, z.T. auch einhergehend mit der Tötung von Zivilisten. Problematisch bleiben die geschätzten 6.000 Tunesier, die sich den Kampfhandlungen des IS in Syrien und dem Irak anschlossen und teilweise bereits Führungspositionen innehaben (AA 3.2.2016).

Quellen:

Rechtsschutz/Justizwesen

Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor (USDOS 25.6.2015; vgl. HRW 27.1.2016). Im Allgemeinen respektiert die Regierung die richterliche Unabhängigkeit auch in der Praxis (USDOS 25.6.2015). 2015 wurde ein verfassungsmäßig verankerter Justizrat gesetzlich eingerichtet, der mit der Beförderung und Versetzung von Richtern sowie disziplinären Maßnahmen im Justizbereich beauftragt ist (HRW 27.1.2016).

Gesetzlich ist ein faires Verfahren vorgesehen, und die unabhängige Justiz gewährleistet dieses üblicherweise auch in der Praxis. Gemäß Angeklagten sind die gesetzlich garantierten Rechte nicht immer gewährleistet. Es gilt die Unschuldsvermutung. Angeklagte haben das Recht auf einen öffentlichen Prozess sowie auf einen Anwalt, der nötigenfalls aus öffentlichen Mitteln bereitgestellt werden muss. Sie haben das Recht, zu Zeugenaussagen Stellung zu nehmen und eigene Zeugen aufzurufen. Sie müssen in von der Regierung gehaltene Beweismittel Einsicht nehmen können und müssen über die gegen sie erhobenen Anklagepunkte informiert werden. Des Weiteren muss ihnen ausreichend Zeit zur Vorbereitung der Verteidigung gewährt werden (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

Sicherheitsbehörden

Dem Innenministerium untersteht die Polizei (Exekutivfunktion in Städten), die Gendarmerie (Exekutivfunktion in ländlichen Gebieten und Grenzsicherung) und die Generaldirektion für nationale Sicherheit. Zivile Behörden kontrollieren den Sicherheitsapparat, wiewohl es vereinzelt zu Misshandlungen von Häftlingen kommt. Es mangelt an effektiven Strafmechanismen bei Vergehen seitens der Sicherheitskräfte (USDOS 25.6.2015).

Der Sicherheitsapparat war unter dem Ben Ali-Regime allgegenwärtig und sicherte dessen Machterhalt. Die Rolle der Sicherheitskräfte während des Umsturzes, aber teilweise auch bei

gewaltsam aufgelösten Demonstrationen gegen die ersten beiden Interimsregierungen im Frühjahr 2011, vertieften den Vertrauensverlust der Bevölkerung gegenüber den Sicherheitsorganen, insbesondere der Polizei und den Sondereinheiten des Innenministeriums. Die Kluft zwischen Innenbehörden und Bevölkerung konnte auch durch die Auflösung der Geheimpolizei ("police politique"), die Symbol der staatlichen Repression war, nicht wieder geschlossen werden. Die Demonstranten forderten u.a. den Austausch von führenden Mitarbeitern im Innenministerium. Diese Forderung wurde zunächst nicht im erhofften Maße umgesetzt. Erst mit einiger Verspätung zog das Innenministerium personelle Konsequenzen und Verantwortliche auf verschiedenen Ebenen wurden umgesetzt, entlassen oder in den Vorruhestand versetzt. Die Einsetzung eines für Sicherheitsfragen zuständigen delegierten Ministers im Kabinettsrang wurde Ende 2015 nach knapp einem Jahr rückgängig gemacht und die Aufgaben wieder dem Generaldirektor der Sureté Nationale übertragen. Eine von allen internationalen Partnern für notwendig erachtete umfassende Reorganisation des tunesischen Innenministeriums einschließlich der nachgeordneten Behörden wurde bislang noch nicht angegangen. Es wurde aber im Sommer 2015 ein internationaler Kooperationsmechanismus mit den G7 Staaten unter deutscher Präsidentschaft etabliert, der zu mehr Transparenz und Koordination der Unterstützung führte (AA 3.2.2016).

Das Militär hat in der entscheidenden Phase der Revolution um den 14.1.2011 die ausschlaggebende Rolle gespielt. Durch ihre personelle Präsenz an strategisch wichtigen Punkten (staatliche Einrichtungen, Rundfunk/Fernsehen, Versorgungseinrichtungen, Häfen und Flughäfen, Supermärkte) war sie nicht nur Garant der inneren Stabilität des Landes, sondern hat damit in der noch unübersichtlichen Situation Stellung zugunsten des tunesischen Volkes und gegen die einstigen Machthaber bezogen. Das Ansehen der Armee in der Bevölkerung ist hierdurch, wie auch durch ihre Rolle bei der Bewältigung des Zustroms von Schutzsuchenden an der libysch-tunesischen Grenze im Sommer 2011, deutlich gestiegen. Durch die derzeit starke Einbindung des Militärs in den Antiterrorkampf als auch bei der Sicherung der Grenzen (so ist z.B. der Süden Tunesiens militärische Exklusivzone) ist das Militär nach wie vor wichtiger Stützpfeiler der äußeren aber auch der inneren Sicherheit (AA 3.2.2016).

Quellen:

Folter und unmenschliche Behandlung

Artikel 23 der tunesischen Verfassung vom 26.1.2014 garantiert den Schutz der Menschenwürde und der körperlichen Unversehrtheit, verbietet seelische oder körperliche Folter und schließt eine Verjährung des Verbrechens der Folter aus. Mit der Ratifizierung des Zusatzprotokolls zur Konvention der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe am 29.6.2011 hat sich Tunesien zur Einrichtung eines nationalen Präventionsmechanismus verpflichtet, diese völkerrechtliche Verpflichtung war innerstaatlich bis zum Redaktionsschluss jedoch noch nicht vollständig umgesetzt (AA 3.2.2016).

Obwohl Folter und unmenschliche Behandlung gesetzlich verboten ist, gibt es glaubwürdige Berichte über Misshandlungen von Inhaftierten durch die Sicherheitskräfte (USDOS 25.6.2015). Es gab im Jahr 2015 einige dokumentierte Fälle von Anwendung von Folter und Misshandlung durch die Sicherheitskräfte (HRW 27.1.2016). Tunesische und internationale Medien sowie spezialisierte Nichtregierungsorganisationen, wie die Organisation Mondiale contre la Torture (OMCT) oder die Organisation contra la Torture en Tunisie (OCTT), berichten kontinuierlich über entsprechende Einzelfälle sowie Bestrebungen, rechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen einzuleiten. Bislang sei es jedoch in keinem einzigen Fall gelungen, eine Verurteilung von Amtspersonen oder ehemaligen Amtspersonen wegen Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung zu erreichen. Abstrakte Befürchtungen, dass diese Delikte wieder zunehmen könnten, werden vor allem im

Zusammenhang mit Terrorabwehrmaßnahmen geäußert (AA 3.2.2016).

Quellen:

Korruption

Gesetzlich sind für behördliche Korruption Strafmaßnahmen vorgesehen. Die Regierung unternimmt in eingeschränktem Ausmaß Bemühungen, diese Gesetze umzusetzen. Eine effektive Umsetzung gelingt dennoch nicht. Regierungsinstitutionen zur Bekämpfung der Korruption, wie der Nationale Kommission zur Korruptionsbekämpfung (NCCC), mangelt es an Ressourcen (USDOS 25.6.2015). Auf dem Corruption Perceptions Index 2015 von Transparency International liegt Tunesien auf Platz 76 von 167 untersuchten Ländern (TI 2016).

Quellen:

Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Eine Vielzahl nationaler und internationaler NGOs untersucht Menschenrechtsfälle und publiziert ihre Ergebnisse ohne Restriktionen durch die Regierung (USDOS 25.6.2015; vgl. auch AA 3.2.2016). Regierungsbeamte sind üblicherweise kooperativ und reagieren auf ihre Ansichten (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

Ombudsmann

Die primäre Behörde der Regierung zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen und zum Kampf gegen Bedrohungen der Menschenrechte ist das Ministerium für Menschenrechte und Übergangsjustiz. Das Ministerium versagt allerdings dabei, Fälle von Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Die hohe Kommission für Menschenrechte und fundamentale Freiheiten ist eine von der Regierung finanzierte Behörde zur Überwachung der Einhaltung der Menschenrechte. Am 9.6.2014 wurde die Wahrheit und Würde Kommission eingerichtet (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

Wehrdienst

Die tunesische Armee (Forces Armees Tunisiens, FAT) besteht aus den Landstreitkräften, der Marine und der Luftwaffe der Republik Tunesien (Al-Quwwat al-Jawwiya al-Jamahiriyah At'Tunisia). Der verpflichtende Wehrdienst dauert ein Jahr und muss im Alter von 20-23 Jahren abgeleistet werden. Freiwillig kann man sich im Alter von 18-23 Jahren zum Militärdienst verpflichten. Die tunesische Staatsbürgerschaft ist Voraussetzung (CIA 28.1.2016).

Jeder männliche Tunesier, der das 20. Lebensjahr erreicht hat, ist zur Ableistung des Wehrdiensts verpflichtet. Auf Wunsch kann er diesen aber schon ab dem 18. Lebensjahr ableisten. Die einjährige Wehrpflicht kann auch in den Arbeitsverbänden des "Service National" abgeleistet werden. Einberufene können aufgrund von Freistellungsregelungen Teile der Wehrpflichtzeit durch Zahlung von entsprechenden Beiträgen verkürzen. Zum 1.7.2011 ist ein Wehrsold eingeführt worden. Seit März 2003 gibt es auch für junge Frauen die Möglichkeit zur Ableistung des Wehrdienstes, die jedoch kaum wahrgenommen wird. Kriegsdienstverweigerung und Fahnenflucht sind strafbar, entsprechende Verurteilungen aber nicht bekannt. Soldaten haben weder ein aktives noch ein passives Wahlrecht (AA 3.2.2016).

Quellen:

Allgemeine Menschenrechtslage

Bereits die Verfassung von 1959 hatte die Menschenrechte garantiert und eine unabhängige Justiz vorgesehen. In der Regierungszeit des am 14.1.2011 gestürzten Präsidenten Ben Ali gab es jedoch in der Praxis erhebliche Defizite. Seit der Revolution sind die Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit faktisch gewährleistet sowie die Versammlungsfreiheit wiederhergestellt, eine Amnestie für politische Gefangene wurde durchgeführt (AA 9 .2015). Die neue tunesische Verfassung vom 26.1.2014 enthält im Kapitel II: Rechte und Freiheiten (Artikel 21ff.) umfangreiche Garantien bürgerlicher und politischer sowie wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Grundrechte (AA 3.2.2016). Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind langsame und intransparente Untersuchungen von Vergehen der Sicherheitskräfte, Verzögerung bei Fällen, die Menschenrechtsverletzungen betreffen, sowie Gewalt gegen Journalisten (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

Meinungs- und Pressefreiheit

Im Vergleich zu den weitreichenden Einschränkungen von Meinungs- und Pressefreiheit vor der Revolution 2011 haben sich die Bedingungen für unabhängige Medienberichterstattung in den letzten Jahren grundlegend verbessert. Sowohl wurden wichtige rechtliche Grundlagen zum Schutz der freien Presse geschaffen, als auch die offiziellen und informellen Strukturen, die zur Unterdrückung freier Meinungsäußerung eingesetzt wurden, größtenteils abgeschafft. Die Meinungs- und Pressefreiheit, sowie auch das Recht auf Zugang zu Informationen und Kommunikationsnetzwerken wurden in den Artikeln 31 und 32 der Verfassung von 2014 ausdrücklich gestärkt. Das hat in den letzten Jahren zum Entstehen einer lebendigen, teilweise wildwüchsigen Medienlandschaft geführt, die Missstände offen thematisiert (AA 3.2.2016). Gesetzlich sind Meinungs- und Pressefreiheit somit gewährleistet, und die Regierung respektierte diese Rechte im Allgemeinen, wiewohl es weiterhin Restriktionen gibt (USDOS 25.6.2015, vgl. AA 3.2.2016). Seit den Anschlägen im März und Juni 2015 und den Ausweitungen der Antiterrormaßnahmen hat sich diese restriktive Tendenz verstärkt (AA 3.2.2016).

Während Online- und Printmedien häufig regierungskritische Artikel veröffentlichen, üben Journalisten und Aktivisten dennoch Selbstzensur als Resultat von Gewaltakten gegen Journalisten. Meinungsäußerungen, die "die öffentliche Ordnung oder Moral verletzen" oder "absichtlich Personen stören, auf eine Art und Weise, die den öffentlichen Anstand beleidigen" stehen unter Strafe (USDOS 25.6.2015). Im Jahr 2015 wurden mehrere Personen wegen Diffamierung von Staatsbeamten verfolgt. Behörden verwenden die Antiterror-Gesetze, um einige Journalisten und Blogger zu verfolgen (HRW 27.1.2016; vgl. AA 3.2.2016).

Die staatliche "Agence Tunisienne d'Internet" (ATI) kontrolliert zwar weiterhin den einzigen internationalen Zugang, weswegen die gesamte Kommunikation über ihre Rechner läuft und private Internet-Anbieter von ihr abhängig sind. Sie hat sich jedoch zur Gewährleistung eines freien Internetzugangs verpflichtet. Internetseiten mit kritischer Berichterstattung zu Tunesien sind ohne Einschränkungen zugänglich (AA 3.2.2016).

Quellen:

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit / Opposition

Die Verfassung garantiert das Recht auf friedliche Versammlungen und Demonstrationen (AA 3.2.2016, vgl. USDOS 25.6.2015). Zu Einschränkungen kam es mehrfach während des Ausnahmezustands, der zuletzt nach den Anschlägen vom Juni 2015 und November 2015 für jeweils mehrere Monate im gesamten Land galt. Die Sicherheitsbehörden verhielten sich während des Ausnahmezustands zum Teil widersprüchlich. De jure wurden öffentliche Versammlungen und Demonstrationen wiederholt verboten. De facto verzichtete man jedoch darauf, trotz Verbots anberaumte Veranstaltungen, wie z. B. Protestmärsche gegen den umstrittenen Gesetzentwurf zur "wirtschaftlichen und finanziellen Versöhnung" im September 2015, gewaltsam aufzulösen (AA 3.2.2016).

Vereinigungsfreiheit ist gesetzlich gewährleistet (AA 3.2.2016, vgl. USDOS 25.6.2015) und in der Praxis üblicherweise nicht eingeschränkt. Nach dem neuen Vereinsrecht können alle Arten von Vereinigungen gegründet und zugelassen werden (AA 3.2.2016).

Quellen:

Haftbedingungen

Haftanstalten sind generell überbelegt und die hygienischen Verhältnisse entsprechen zumeist nicht internationalen Standards (AA 3.2.2016, vgl. USDOS 25.6.2015). Die tunesische Regierung ist bestrebt, dieser Lage durch Neubauten von Gefängnissen, aber auch eine behutsame Reform des Strafrechts entgegenzuwirken. Die Gefängnisverwaltung obliegt nunmehr der Generaldirektion für Haftanstalten und der Umerziehung (Direction Général des Prisons et de la Réeducation), die wiederum dem Justizministerium untersteht (AA 3.2.2016).

Die Unterbringung erfolgt in der Regel in überfüllten Sammelzellen; die Belegzahlen schwanken zwischen 20 und 180 Häftlingen, vereinzelt gibt es auch Isolierzellen. Die hygienischen Verhältnisse entsprechen nicht internationalen Standards; tägliche (rituelle) Waschungen und wöchentliches Duschen sind möglich. Die Toiletten befinden sich in der Zelle. Von Menschenrechtsorganisationen und Anwälten werden erhebliche Missstände insbesondere hinsichtlich Unterbringung und Hygiene bemängelt, die Folge sind oftmals Infektionen und Hautkrankheiten. Die medizinische Versorgung in Gefängnissen hat sich in den letzten Jahren verbessert, Krankheitsfälle können klinisch versorgt werden; in größeren Gefängnissen, wie z.B. in La Mornaguia (ca. 6000 Haftinsassen) besteht z.B. die Möglichkeit, Röntgenuntersuchungen durchzuführen. Auch wenn sich die Gefängniskost ebenfalls qualitativ verbessert hat, bleibt sie oftmals unzureichend, die Häftlinge müssen dann zusätzlich von ihren Familien versorgt werden, um eine ordentliche Ernährung zu erhalten. Einkaufsmöglichkeiten in den Gefängnissen bestehen (AA 3.2.2016).

Seit der Revolution vom Jänner 2011 gewährleistet die Regierung verbesserten Zugang zu Gefängnissen für unabhängige Beobachter, darunter Menschenrechtsgruppen, Medien und Organisationen wie das IKRK (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

Todesstrafe

Das tunesische Strafgesetzbuch von 1913 sieht in seiner geltenden Fassung die Todesstrafe für Mord, Vergewaltigung mit Todesfolge sowie Landesverrat vor. Neue Straftatbestände, für die eine Sanktionierung mit der Todesstrafe vorgesehen ist, wurden durch das am 7.8.2015 in Kraft getretene Gesetz gegen Terrorismus und Geldwäsche geschaffen. Eine verfassungsrechtliche oder gesetzliche Aufhebung der Todesstrafe wurde in der Phase des demokratischen Übergangs seit 2011 diskutiert, fand jedoch in der Verfassungsgebenden Versammlung keine Mehrheit. Die Todesstrafe wird de jure weiterhin verhängt, de facto jedoch nicht vollstreckt. Die letzte Vollstreckung fand 1991 statt. Viele Todesurteile werden anlässlich von Amnestien in lebenslange Haftstrafen umgewandelt (AA 3.2.2016; vgl. AI 25.2.2015).

Quellen:

Religionsfreiheit

Tunesien ist zu weiten Teilen muslimisch. 98-99 Prozent der Bevölkerung sind Muslime (GIZ 12.2015b, vgl. USDOS 14.10.2015, AA 3.2.2016). Die meisten sind Sunniten. Neben Muslimen leben in Tunesien 25.000 Christen (zum Großteil Katholiken), wobei die Gemeinden zum Großteil aus ausländischen Bürgern bestehen (GIZ 12.2015b, vgl. AA 3.2.2016), und rund 1.500 Juden (GIZ 12.2015b, vgl. USDOS 14.10.2015) sowie Schiiten und Baha‘is (USDOS 14.10.2015).

Die Religionsfreiheit ist in der tunesischen Verfassung verankert (AA 3.2.2016, vgl. GIZ 12.2015b, USDOS 14.10.2016). Sie reflektiert das herrschende Gleichgewicht zwischen religiösem und säkularem Lager in der Gesellschaft und Politik: Der Islam ist als Religion des Landes anerkannt, aber die islamische Scharia wurde nicht in der Verfassung verankert. Ein ziviler Staat ist die Grundlage der Verfassung, in der auf die universellen Menschenrechte Bezug genommen wird (AA 3.2.2016, vgl. USDOS 14.10.2016). Der Islam ist somit jedoch offizielle Religion Tunesiens und der Staatpräsident muss laut der Verfassung Muslim sein (GIZ 12.2015b, vgl. USDOS 14.10.2016).

In der Praxis werden von der Regierung einige Einschränkungen der Religionsfreiheit umgesetzt. So werden beispielsweise Bürger wegen der Ausstrahlung von Material, das "heilige Werte verletzte" strafrechtlich verfolgt, bzw. werden allgemeine strafrechtliche Bestimmungen, wie die Strafbarkeit von Meinungsäußerungen, welche "die öffentliche Ordnung oder Moral verletzen" oder "absichtlich Personen zu stören, auf eine Art und Weise, die den öffentlichen Anstand beleidigen" auch einschränkend im Bereich der Religionsausübung angewendet (USDOS 14.10.2015). Während die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion nicht verboten ist, so gibt es erheblichen gesellschaftlichen Druck gegen die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion (USDOS 14.10.2015, vgl. AA 3.2.2016). Missionierung und das Verteilen religiösen Materials sind der katholischen Kirche verboten (AA 3.2.2016).

Mit der zunehmenden Freiheit durch die Revolution und einer generellen Rückbesinnung auf Religion im gesamten arabischen Raum ist in der jüngsten Vergangenheit auch in Tunesien ein Wiederaufleben der Religiosität beziehungsweise ein offeneres Zuschaustellen zuvor verdeckt gelebter Religion zu beobachten. Teilweise nimmt diese unter den Salafisten auch gewalttätige Züge an (GIZ 12.2015b). Die Übergangsregierungen haben sich mit wachsendem Erfolg bemüht, die Moscheen des Landes zu kontrollieren, um den Einfluss radikaler Prediger (Salafisten) zurückzudrängen, die sich seit der Revolution in einigen Gemeinden etabliert haben (AA 9 .2015a).

Quellen:

Ethnische Minderheiten

Die Bevölkerung besteht zu 98 Prozent aus Arabern, 1 Prozent Europäern und 1 Prozent Juden und andere (CIA 28.1.2016).

Eine rassisch diskriminierende Gesetzgebung oder Verwaltungspraxis gibt es in Tunesien nicht. Minderheiten unterliegen keinen besonderen Beschränkungen. Allerdings ist die tunesische Bevölkerung sehr homogen; nur ein kleiner Teil beruft sich auf seinen berberischen Ursprung. Fälle von Diskriminierung der berberischen Minderheit sind nicht bekannt (AA 3.2.2016).

Quellen:

Frauen/Kinder

Frauen sind seit der Unabhängigkeit Tunesiens unter dem ersten Präsidenten Habib Bourguiba mit dessen Einführung des fortschrittlichen Personenstandsgesetzes von 1957 Männern rechtlich weitgehend gleichgestellt. Die Verfassung vom Jänner 2014 garantiert den Schutz der bisher erreichten Frauenrechte und verpflichtet den Staat zu deren weiterer Entwicklung. Der Staat garantiert die Chancengleichheit zwischen Mann und Frau und wirkt auf die paritätische Vertretung von Frauen und Männern in gewählten Körperschaften sowie allgemein auf Stärkung und Ausbau der Frauenrechte hin (AA 3.2.2016, vgl. GIZ 12.2015b, HRW 27.2.2016). Der Staat trifft weitere Maßnahmen zur Eliminierung von Gewalt gegen Frauen. Hierdurch sind die bisher erreichten Rechte der Frauen, insbesondere das Verbot der Polygamie, verfassungsmäßig geschützt (AA 3.2.2016).

Frauen können die Scheidung einreichen und Unterhaltsansprüche gerichtlich geltend machen. Dies gilt auch für das Sorgerecht, allerdings mit der Einschränkung, dass minderjährige tunesische Kinder das Land nur mit ausdrücklicher Zustimmung ihres Vaters oder des Vormundschaftsgerichts verlassen können. Die Stimme einer Frau als Zeugin in einem Gerichtsverfahren hat dasselbe Gewicht wie die eines Mannes (AA 3.2.2016). Im Erbrecht gelten die Bestimmungen der Scharia, wonach der Mann zu zwei Drittel und die Frau zu einem Drittel erben (AA 3.2.2016, vgl. GIZ 12.2015b, HRW 27.1.2016). Nichtmuslimische Frauen können nur mit Zustimmung der muslimischen Familie des Verstorbenen erben. Diese Regelung kann durch vertragliche Übereinkunft der Ehepartner umgangen werden. Eine Änderung dieser Bestimmungen hin zu einer völligen Gleichstellung ist in der politischen Diskussion und wird von einer Vielzahl der neuen Parteien befürwortet (AA 3.2.2016).

Obwohl Vergewaltigung, auch innereheliche, gesetzlich verboten ist, bleibt dieses Vergehen ein ernstes Problem (USDOS 25.6.2015). Vergewaltigung wird nicht durchgehend bestraft, da eine Bestimmung im Strafgesetzbuch (§ 227 bis) derzeit noch besagt, dass bei Eheschließung nach Vergewaltigung einer Frau unter 20 Jahren von der Strafverfolgung abgesehen werden kann. Dieser Paragraph ist höchst umstritten aber weiterhin in Kraft (AA 3.2.2016). Häusliche Gewalt ist ebenfalls gesetzlich verboten und darunter fallende Vergehen sind mit dem doppelten Strafmaß belegt, als wenn sie von Fremden begangen werden. Durchgesetzt wird dieses Gesetz allerdings selten und häusliche Gewalt bleibt ebenfalls ein ernstes Problem (USDOS 25.6.2015). Häusliche Gewalt gegen Frauen ist gerade in ländlichen Gebieten keine Seltenheit. Laut vorliegenden Studien werden Frauen in städtischen Gebieten aufgrund ihres durchschnittlich höheren Bildungsniveaus (und eines damit einher gehenden höheren Durchsetzungsvermögens) seltener Opfer von Gewalt in der Familie. Sexuelle Belästigung und Gewalt außerhalb der Familie kommen ebenfalls vor. Gesicherte Statistiken existieren nicht. Viele Frauen zeigten die Täter, auch aus Angst vor familiärer und gesellschaftlicher Stigmatisierung, bisher nicht an. Fälle von weiblicher Genitalverstümmelung sind nicht bekannt (AA 3.2.2016).

Frauen sind im Arbeitsalltag seit langem fest integriert. 36 Prozent der Abgeordneten des neuen Parlamentes sind Frauen (dank einer Paritätsvorschrift bei den Kandidatenlisten) (AA 9 .2015a). Gesetzlich ist explizit gleiches Gehalt für gleiche Arbeit vorgesehen, im Staatsdienst wird das auch umgesetzt. In der Privatwirtschaft verdienen Frauen durchschnittlich um ein Viertel weniger als Männer für dieselbe Arbeit (USDOS 25.6.2015). Der Frauenanteil an der arbeitenden Bevölkerung liegt bei rund 25 Prozent (2009), Frauen stellen fast ein Drittel der Richter und Anwälte, im höheren Bildungsbereich sind sie überrepräsentiert (GIZ 12.2015b).

Quellen:

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährleistet Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen, Emigration sowie Wiedereinbürgerung, und die Regierung respektiert diese Rechte in der Praxis im Allgemeinen (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

Grundversorgung/Wirtschaft

Die Grundversorgung der Bevölkerung gilt als gut (AA 3.2.2016). Tunesien verfügt über eine moderne Wirtschaftsstruktur auf marktwirtschaftlicher Basis sowie wichtige Standortvorteile: Ein hoher Industrialisierungsgrad, gute Infrastruktur, Nähe zu Europa sowie qualifizierte Arbeitskräfte und Steuervorteile für Exportbetriebe ("Offshore-Sektor"). Bis Ende 2014 wurden diese Vorteile allerdings überschattet durch die Unwägbarkeiten der politischen Transformation, die einhergingen mit einer deutlichen Verschlechterung der makroökonomischen Parameter. Den größten Anteil am Bruttoinlandsprodukt erwirtschaftet der Dienstleistungssektor (ca. 50 Prozent aller Erwerbstätigen), gefolgt von der Industrie (32 Prozent) und der Landwirtschaft(ca. 25 Prozent). Das Land hat sich durch die Förderung des privaten Sektors und die Integration in die Weltwirtschaft eine gute Position in der Region erarbeitet. Die wirtschaftliche Öffnung hat Tunesien ein solides Wachstum und hohe Direktinvestitionen aus dem Ausland beschert. Die 1995 erfolgte Assoziation mit der EU war ein wichtiger Meilenstein im Aufstieg des Landes in den Kreis der Industrieländer. Am 19.11.2012 wurde Tunesien der Status einer "Privilegierten Partnerschaft" mit der EU gewährt (AA 9 .2015b).

Die Lebenssituation der Bevölkerung hat sich in Tunesien in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verbessert. Strom und fließend Wasser erreichen fast die ganze Bevölkerung. Steigende Arbeitslosigkeit und regionale Unterschiede in der Wohlstandsverteilung sind allerdings nach wie vor große Entwicklungshindernisse. Dennoch sind rund zwei der elf Millionen Einwohner arm. In einigen Regionen und Berufen liegen die Zahlen noch weit darüber. Die tunesische Bevölkerung ist sehr jung (mehr als die Hälfte ist unter 30 Jahre alt), so dass Armut und Arbeitslosigkeit gerade die junge Bevölkerung sehr stark treffen. Generell sind Armut und Arbeitslosigkeit auf dem Land stärker verbreitet als in den Städten, allerdings haben viele Familien auf dem Land durch Landwirtschaft in kleinen Rahmen oft noch ein (wenn auch sehr geringes) nicht deklariertes Nebeneinkommen (GIZ 12.2015c). Nichtsdestotrotz verfügt das Land über eine relativ breite, weit definierte Mittelschicht aus selbständigen Kleinunternehmern, Angestellten und Beamten (deren Einkommen sehr niedrig ist) und einer schmalen Oberschicht. Diese spaltet sich in alteingesessenes Bildungsbürgertum und ökonomische Elite (GIZ 12.2015b).

Die größten Herausforderungen liegen in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Beschäftigungsförderung, sowie der Verbesserung der arbeitsmarktorientierten Aus- und Fortbildung (AA 9 .2015b). Die Arbeitslosigkeit wird offiziell mit 15,2 Prozent (August 2015) angegeben, wobei junge Menschen, Frauen, Akademiker und die benachteiligten Regionen im Binnenland überproportional betroffen sind (AA 9 .2015b, vgl. GIZ 12.2015c). Der staatliche Mindestlohn wurde nach der Revolution von 225 auf 320 Dinar monatlich (umgerechnet rund 160 Euro) angehoben. Dies genügt kaum, um den Lebensunterhalt einer Person zu decken, geschweige denn davon eine Familie zu ernähren. Laut einer aktuellen Untersuchung des Sozialministeriums leben rund 24 Prozent der Bevölkerung in Armut, d. h. sie leben von weniger als dem staatlichen Mindestlohn. Laut eines Berichts der Afrikanischen Entwicklungsbank liegen die Arbeitslosenraten unter Akademikern je nach Fachrichtung bei 30 bis 60 Prozent (GIZ 12.2015c).

Es existiert ein an das Beschäftigungsverhältnis geknüpftes Kranken- und Rentenversicherungssystem (CNSS) (AA 3.2.2016). Es bietet zwar keine großzügigen Leistungen, stellt aber dennoch einen gewissen Basis-Schutz für Bedürftige, Alte und Kranke dar. Der Deckungsgrad beträgt 95 Prozent. Folgende staatlichen Hilfen werden angeboten:

Rente, Arbeitslosengeld, Kindergeld, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Sterbegeld, Witwenrente, Waisenrente, Invalidenrente, Hilfen für arme Familien, Erstattung der Sach- und Personalkosten bei Krankenbehandlung, Kredite für Familien. Eine Arbeitslosenunterstützung wird für max. 1 Jahr in Höhe von TND 150,-

mtl. (ca. EUR 78,-) ausbezahlt (ÖB 2.2014). Die mit Arbeitslosigkeit verbundenen Lasten werden dennoch überwiegend durch den traditionellen Verband der Großfamilie aufgefangen, deren Zusammenhalt allerdings schwindet (AA 3.2.2016).

Quellen:

Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung (einschließlich eines akzeptabel funktionierenden staatlichen Gesundheitswesens) hat das für ein Schwellenland übliche Niveau. Spezielle Behandlungen sind möglicherweise nicht durchführbar (AA 3.2.2016, vgl. USDOS 10.12.2015). Einrichtungen, die komplexe Traumafälle behandeln können, existieren de facto nicht. Öffentliche Spitäler sind überbelegt, schlecht ausgestattet und haben zu wenig Personal (USDOS 10.12.2015). In der Hauptstadt Tunis herrscht kein Mangel an praktischen Ärzten und an Fachärzten mit guter Ausbildung. Die Ärzteschaft erreicht fast immer europäischen Standard. In größeren Städten sind an die Spitäler Kliniken aller Fachrichtungen angeschlossen (BMEIA 19.12.2014).

In Einzelfällen kann es, insbesondere bei der Behandlung mit speziellen Medikamenten, Versorgungsprobleme geben. Ein Import dieser Medikamente ist grundsätzlich möglich, wenn auch nur auf eigene Kosten der Patienten. Eine weitreichende Versorgung ist in den Ballungsräumen (Tunis, Sfax, Sousse) gewährleistet; Probleme gibt es dagegen in den entlegenen Landesteilen. Auch die Behandlung psychischer Erkrankungen ist möglich. Die medizinische Behandlung von HIV-Infizierten bzw. AIDS-Kranken ist sichergestellt; es handelt sich jedoch um ein gesellschaftlich tabuisiertes Thema. In Einzelfällen ist eine konkrete Nachfrage bezüglich der Verfügbarkeit der benötigten Medikamente erforderlich, in den allermeisten Fällen sind sie vor Ort problemlos erhältlich (AA 3.2.2016).

Tunesien hat lange Zeit in das Gesundheitswesen investiert. Ein Großteil der Ärzteschaft ist gut ausgebildet (auch im Ausland) und das Pflegepersonal ist günstig – die Basis für einen zunehmenden Gesundheitstourismus. Von diesem Angebot, welches hauptsächlich in Privatkliniken besteht, profitieren jedoch meist nur Ausländer bzw. die zahlungskräftigen Libyer und Algerier. Die Anzahl der Privatkliniken stieg von 28 auf 117 (Zeitraum 1987 bis 2008). Die öffentliche Gesundheitsversorgung ist nach einem dreistufigen System organisiert und dringend reformbedürftig: erweiterte Leistung der Bezirkskrankenhäuser, verstärkte Ausstattung der Regionalkrankenhäuser und Ausbau der Uni-Kliniken. Zwar beträgt der Radius weniger als fünf km zur Erlangung medizinischer Hilfe, jedoch ist die tatsächliche qualitative Ausstattung in den öffentlichen Krankenhäusern katastrophal: fehlende Spezialisten, Überbelegung, lange Wartezeiten, katastrophale sanitäre Zustände, geringe Anfangsgehälter für ausgebildete Ärzte sind Realität. Beim Aufsuchen eines Arztes muss der Behandlungspreis stets sofort entrichtet werden. Je nach Praxis (Krankenhaus, Klinik, Hospital, Fachgebiet) sind das zwischen 10 und 40 Dinar, also etwa 5-20 Euro. 2005 wurden die beiden Krankenkassen (privat und öffentlich) zusammengelegt – die Caisse Nationale d’Assurance Maladie – CNAM wurde geboren. Allerdings ist diese Kasse mit ca. 16 Mio. Euro hoch verschuldet – fehlende Beitragszahlungen, verteuerte Medikamente sind nur einige der Gründe dafür. Tatsächlich besteht eine Klassengesellschaft innerhalb der medizinischen Versorgung. Privatkliniken, Spezialkliniken oder Ärztezentren können sich nur gut betuchte "private" Patienten leisten. Dort ist die Versorgung hochpreisig, einwandfrei und an westlichen Standards angepasst (ÖB 2.2014).

Quellen:

Behandlung nach Rückkehr

Zurückgeführte tunesische Staatsangehörige wurden bis zur Revolution bei der Ankunft in Tunesien von den Behörden intensiv verhört. Ob diese Praxis weiterhin Anwendung findet, ist nicht bekannt. An der zugrundeliegenden Gesetzeslage für die strafrechtliche Behandlung von Rückkehrern hat sich indes nach Kenntnis des Auswärtigen Amts nichts geändert. Sollte ein zurückgeführter tunesischer Staatsangehöriger sein Land illegal verlassen haben, ist mit einer Anwendung der Strafbestimmung in § 35 des Gesetzes Nr. 40 vom 14.5.1975 zu rechnen: "Jeder Tunesier, der beabsichtigt, ohne offizielles Reisedokument das tunesische Territorium zu verlassen oder zu betreten, wird mit einer Gefängnisstrafe zwischen 15 Tagen und sechs Monaten sowie einer Geldstrafe zwischen 30 DT und 120 DT (ca. 15 bzw. 60 Euro) oder zu einer der beiden Strafarten verurteilt. Bei Wiederholung der Tat (Rückfälligkeit) kann sich das im vorhergehenden Absatz aufgeführte Strafmaß für den Täter verdoppeln. Die in diesem Paragraphen aufgeführten Strafen kommen jedoch nicht zur Anwendung bei Personen, die das tunesische Territorium aufgrund höherer Gewalt oder besonderer Umstände ohne Reisedokument betreten." (Arbeitsübersetzung des Auswärtigen Amtes) (AA 3.2.2016).

Eine "Bescheinigung des Genusses der Generalamnestie" wird auf Antrag vom Justizministerium ausgestellt und gilt als Nachweis, dass die in dieser Bescheinigung ausdrücklich aufgeführten Verurteilungen - kraft Gesetz - erloschen sind. Eventuelle andere, nicht aufgeführte zivil- oder strafrechtliche Verurteilungen bleiben unberührt. Um zweifelsfrei festzustellen, ob gegen eine Person weitere Strafverfahren oder Verurteilungen vorliegen, kann ein Führungszeugnis (das sog. "Bulletin Numéro 3") beantragt werden (AA 3.2.2016).

Die Reintegration tunesischer Migranten wird durch eine Reihe von Projekten von IOM unterstützt. Die Schweiz ist dabei einer der größten Geber und verfügt über zwei Entwicklungshilfebüros vor Ort. Wesentlich für eine erfolgreiche Reintegration ist es, rückkehrenden Migranten zu ermöglichen, eine Lebensgrundlage aufzubauen. Rückkehrprojekte umfassen z.B. Unterstützung beim Aufbau von Mikrobetrieben, oder im Bereich der Landwirtschaft. Hier gibt es so gut wie keine staatlichen institutionellen Rahmen (ÖB 2.2014).

Quellen:

A) 2. Beweiswürdigung

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführerin vor dieser, in den bekämpften Bescheid sowie in den Beschwerdeschriftsatz.

A) 2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Feststellungen zu ihren Lebensumständen, ihrer Herkunft und ihrer Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin vor der belangten Behörde. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin aufkommen lässt.

Die Beschwerdeführerin hat den österreichischen Behörden identitätsbezeugende Dokumente vorgelegt, ihre Identität steht damit fest.

A) 2.2. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin wurden dem aktuellen "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Tunesien mit Stand 10. Februar 2016 in der Fassung 01. August 2016 entnommen.

Bezüglich der Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat wurden sowohl Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie beispielsweise dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten und unabhängigen Nichtregierungsorganisationen, wie zB der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, herangezogen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass Tunesien gemäß § 1 Z 11 Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009, in der Fassung BGBl. II Nr. 47/2016, ein "sicherer Herkunftsstaat" ist.

A) 3. Rechtliche Beurteilung

A) 3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

1. § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 55 Abs. 1 sowie § 57 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2016, lauten:

"Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. ,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. 3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

(2) Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) ".

2. § 50, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 sowie § 55 Abs. 1a Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2016, lauten:

"Verbot der Abschiebung

§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

(4) Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) (2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. 2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ...

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) (9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

(10) Frist für die freiwillige Ausreise

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

(2) ".

3. § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, in der Fassung BGBl. I Nr. 25/2015, lautet:

"Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2. 4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

(2) ".

A) 3.2. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

A) 3.2.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides):

1. Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg.cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 Asylgesetz 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).

Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Oktober 1999, Zl. 99/01/0279).

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr iSd Genfer Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 2000, Zl. 98/20/0233).

1.2. Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass sie Tunesien auf Grund ihrer Lebenssituation in Tunis und ihrer familiären Gesamtsituation im Speziellen verlassen habe. Diesem Vorbringen kommt keine Asylrelevanz zu.

Eine darüber hinausgehende Verfolgung war für das Bundesverwaltungsgericht nicht erkennbar.

2. Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

A) 3.2.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides):

1. Der Beschwerdeführerin droht in Tunesien – wie eben unter Punkt

A) 3.2.1. dargelegt wurde – keine asylrelevante Verfolgung.

2.1. Auch dafür, dass der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Tunesien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Juli 2003, Zl. 2003/01/0059), gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Immerhin war die Beschwerdeführerin als Studentin auf der Universität, der Großvater kam für den Lebensunterhalt auf und sie hatte ausreichend Geldmittel für die legale Einreise nach Österreich und den Aufenthalt. Dazu kommt, dass sich ihre Familie in Tunesien aufhält, sodass sie bei ihrer Rückkehr auch nicht auf sich allein gestellt ist.

Außerdem besteht ganz allgemein in Tunesien derzeit keine solche extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd. Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre.

2.2. Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf die Beschwerdeführerin ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.

3. Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

A) 3.2.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach §§ 57 und 55 Asylgesetz 2005 (Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides, erster Spruchteil):

1. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 Asylgesetz 2005 wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich keinerlei Hinweise, die nahe legen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.

2.1. Auch die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005 – die Erfüllung des Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG oder die Ausübung einer erlaubten Erwerbstätigkeit – sind nicht gegeben.

2.2. Eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 2 Asylgesetz 2005 wäre gemäß § 55 Abs. 1 Z 1 leg. cit. zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Schließlich ist die Beschwerdeführerin am 8. Dezember 2016 in das Bundesgebiet eingereist und verfügt hier weder über private noch über familiäre Anknüpfungspunkte. Sie führt somit kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Privat- und Familienleben im Bundesgebiet.

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der Beschwerdeführerin erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Überdies würde dies dazu führen, dass Fremde, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch ihre illegale Einreise und durch die Stellung eines unbegründeten oder sogar rechtsmissbräuchlichen Asylantrages erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 2003, Zl. 2003/07/0007; vgl. dazu auch das Erkenntnis VfSlg. 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang explizit erklärt, dass "eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde.")

Den – nicht gewichtigen – persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin steht somit das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gegenüber; diesem gewichtigen öffentlichen Interesse kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. März 2002, Zl. 98/18/0260, vom 18. Jänner 2005, Zl. 2004/18/0365, vom 3. Mai 2005, Zl. 2005/18/0076, vom 17. Jänner 2006, Zl. 2006/18/0001, und vom 9. September 2014, Zl. 2013/22/0246).

Die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 2 Asylgesetz 2005 ist zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK daher jedenfalls nicht geboten.

3. Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach den §§ 55 und 57 Asylgesetz 2005 nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides – im Umfang des ersten Spruchteiles – gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

A) 3.2.4. Zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides, zweiter und dritter Spruchteil):

1.1. Da das Asylverfahren negativ abgeschlossen wurde, hat sich die belangte Behörde zutreffend auf § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 gestützt.

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes führt die Beschwerdeführerin in Österreich kein iSd Art. 8 EMRK geschützes Privat- und Familienleben und ist auf die oben stehenden Ausführungen unter Punkt A) 3.2.3 zu verweisen.

1.2. Zu der Feststellung, dass eine Abschiebung gemäß § 46 nach Tunesien zulässig ist (§ 52 Abs. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005), ist auf die oben stehenden Ausführungen unter Punkt A) 3.2.2. zu verweisen.

2. Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des zweiten und dritten Spruchteils des Spruchpunktes III des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

A) 3.2.5. Zum Nichtbestehen einer Frist für die freiwillige Ausreise

und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkte IV und V des angefochtenen Bescheides):

Die belangte Behörde kann einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt.

Da Tunesien gemäß § 1 Z 11 Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009, in der Fassung BGBl. II Nr. 47/2016, ein "sicherer Herkunftsstaat" ist, ist der angefochtene Bescheid auch insoweit nicht zu beanstanden. Im vorliegenden Beschwerdefall liegt auch kein Grund vor, im Rahmen der Ermessensübung von der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung Abstand zu nehmen.

Dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht besteht, wenn eine Entscheidung aufgrund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird, ergibt sich schon unmittelbar aus § 55 Abs. 1a Fremdenpolizeigesetz 2005, sodass es keiner normativen Anordnung im Spruch des angefochtenen Bescheides bedarf. Insoweit kann die Beschwerdeführerin aber nicht in ihren Rechten verletzt sein.

A) 4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Angesichts der Tatsache, dass der maßgebende Sachverhalt von der belangten Behörde abschließend ermittelt wurde und auch unter Zugrundelegung der Beschwerdebehauptungen für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen ist [vgl. dazu insbesondere die Ausführungen unter den Punkten A) 3.2.1. und A) 3.2.2.], ist der Sachverhalt iSd § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-Verfahrensgesetz aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher unterbleiben, auch weil sich das Bundesverwaltungsgericht von Rücksichten auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen hat (§ 17 VwGVG iVm § 39 Abs. 2 AVG).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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