BVwG W102 2000557-1

BVwGW102 2000557-14.12.2014

AVG 1950 §45 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.6 Abs1
Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 §11
Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 §11 Abs1 Z1
Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 §11 Abs2 Z3
Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 §18 Abs3
Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 §2
Pflanzenschutzmittelverordnung 2011 §15 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1
AVG 1950 §45 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.6 Abs1
Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 §11
Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 §11 Abs1 Z1
Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 §11 Abs2 Z3
Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 §18 Abs3
Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 §2
Pflanzenschutzmittelverordnung 2011 §15 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W102.2000557.1.00

 

Spruch:

W102 2000557-1/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ über die Beschwerde der XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Ernährungssicherheit vom 02.09.2009, betreffend den Antrag auf vereinfachte Zulassung des Pflanzenschutzmittels XXXX, Zulassungsnummer: XXXX, Herkunftsland Italien, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 i. d.g.F., zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

Mit Schreiben vom 22.12.2005 hat die nunmehrige Beschwerdeführerin einen Antrag auf vereinfachte Zulassung gemäß § 11 Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 (PMG 1997) i.d.g.F. für das Pflanzenschutzmittel XXXX, Zulassungsnummer XXXX, Herkunftsland:

Italien, gestellt.

Die Behörde stellte daraufhin am 26.01.2006 und 31.1.2006 Anfragen an das italienische Landwirtschaftsministerium (Ministero della Salute) und die Herstellerfirma (XXXX) zu Produkteigenschaften und Produktzusammensetzung.

Die daraufhin eingelangten Informationen zu Eigenschaften des Produkts wurden der Antragstellerin nicht zur Kenntnis gebracht.

Mit Bescheid vom 08.09.2006, GZ: 191.552/07-BAES/06, erließ das Bundesamt für Ernährungssicherheit einen Bescheid, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin abgewiesen wurde. Begründend wurde ausgeführt, dass bei der vergleichenden Begutachtung des zur Zulassung beantragten Präparates "XXXX" mit dem in Österreich zugelassenen Pflanzenschutzmittel "XXXX",

Pflanzenschutzregisternummer: XXXX, festgestellt wurde, dass die beiden Pflanzenschutzmittel sowohl unterschiedliche Wirkstoffgehalte aufweisen würden, als auch in der Zusammensetzung anders seien. Auch bei der Gegenüberstellung der Kennzeichnungen hinsichtlich der chemikalienrechtlichen bzw. umweltrelevanten Einstufung seien Unterschiede festgestellt worden. Es liege daher kein identes Pflanzenschutzmittel vor. Betreffend die erheblichen Unterschiede bezüglich der Beistoffe sowie deren Konzentration dürften seitens des Bundesamtes keine Details bekannt gegeben werden, da diese Daten vertraulich seien (Geschäftsgeheimnis des Zulassungsinhabers). Ob das Produkt "weniger gefährlich" sei, sei nicht Gegenstand des Verfahrens.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung an das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft, über die am 30.03.2007 mit Berufungsbescheid entschieden wurde. Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft hob den erstinstanzlichen Bescheid mit der Begründung auf, dass sich das Bundesamt für Ernährungssicherheit mit den Unterschieden der zu vergleichenden Pflanzenschutzmittel im Hinblick auf § 11 Abs. 2 Z 3 PMG 1997 (Einfluss der Unterschiedlichkeiten auf die Qualität, Wirkungen und Sicherheit des Pflanzenschutzmittels unter Berücksichtigung von Landwirtschaft, Pflanzenschutz und Umwelt) nicht näher auseinandergesetzt habe, dies aber für die Entscheidungsfindung erforderlich sei.

Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 02.09.2009 wies das Bundesamt für Ernährungssicherheit den Antrag abermals ab. Begründet wurde diese Entscheidung neuerlich damit, dass die beiden Pflanzenschutzmittel sowohl unterschiedliche Wirkstoffgehalte aufweisen würden als auch in sonstiger Beschaffenheit und Zusammensetzung Unterschiede bestünden. Wesentlich sei, dass Beistoffe sehr wohl toxikologisch oder öko-toxikologisch schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder auf das Grundwasser haben könnten. Darüber hinaus aber könnten diese Beistoffe auch unannehmbare Auswirkungen auf Pflanzen, Pflanzenerzeugnisse oder auch die Umwelt haben und müssten daher in die entsprechende Bewertung einbezogen werden. Auch müssten deren Ergebnis in der chemikalienrechtlichen Einstufung und Kennzeichnung des Pflanzenschutzmittels mit entsprechenden Gefahrensymbolen und Risikosätzen, die die gefährlichen Eigenschaften des Pflanzenschutzmittels oder seiner Inhaltsstoffe beschreiben, ihren Niederschlag finden. Zusammenfassend wurde festgehalten, dass durch die Beschwerdeführerin kein neuer Sachverhalt vorgebracht worden sei, der eine Modifikation des ermittelten Sachverhalts rechtfertige. Bei der Gegenüberstellung der Kennzeichnungen hinsichtlich der chemikalienrechtlichen Einstufung seien einige Unterschiede festgestellt worden. Diese Unterschiede werden im Bescheid angeführt. Unter Bedachtnahme auf die Unterschiedlichkeiten der beiden zu vergleichenden Pflanzenschutzmittel und der damit im Zusammenhang stehenden unterschiedlichen chemikalienrechtlichen und umweltrelevanten Einstufung und Kennzeichnung ergebe sich, dass das zur Zulassung beantragte Pflanzenschutzmittel XXXX die Zulassungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 1 Z 1 i.V.m. Abs. 2 Z 3 des Pflanzenschutzmittelgesetzes 1997 i.d.g.F. nicht erfülle. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass seitens des Bundesamtes für Ernährungssicherheit der Antragstellerin keine vertraulichen Daten bekannt gegeben werden dürfen.

In der dagegen erhobenen Berufung vom 21.09.2009 wurde der obig erwähnte Bescheid vom 02.09.2009 wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie materieller und auch wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung bekämpft. Hinsichtlich der festgestellten Unterschiede würde sich lediglich ein unterschiedlicher Wirkstoffgehalt von nur zwei Gramm mehr des Wirkstoffes Chlorpyrifos-methyl ergeben. Auch käme die chemikalienrechtliche Einstufung zu dem Ergebnis, dass das beantragte Mittel weniger Risikosätze aufweise als das in Österreich zugelassenen Mittel. Der Bescheid schweige sich über "sonstige in Beschaffenheit und Zusammensetzung" Unterschiedlichkeiten aus. Lediglich werde auf den Zusatz eines blauen Farbstoffes verwiesen. Diesem werde aber auch im Bescheid kein Einfluss auf Qualität, Wirkung und Sicherheit des Pflanzenschutzmittels zugeschrieben.

Widersprüchlich sei folgender Inhalt des Bescheids: "die Beurteilung der Zulassungsvoraussetzungen durch das Bundesamt für Ernährungssicherheit ergab, dass die beiden Pflanzenschutzmittel sowohl unterschiedliche Wirkstoffgehalte aufweisen, als auch in der sonstigen Beschaffenheit und Zusammensetzung Unterschiede bestehen.....". Es sei festzuhalten, dass nicht der Wirkstoffgehalt, sondern lediglich die Konzentration des Wirkstoffes geringfügig anders sei. Zudem habe das Gutachten der Dienstleistungs-, Verwaltungs- und Forschungs GmbH ergeben, dass keinerlei sonstige Unterschiede, insbesondere in Beschaffenheit und Zusammensetzung (ausgenommen auf den nicht als wesentlich anzusehenden Farbstoff) gegeben seien. Lediglich sei im Bescheid von einem "können" hinsichtlich der Auswirkungen der Beistoffe die Rede. Auch die vom Bundesamt selbst vorgenommenen chemikalienrechtliche Einstufung sei widersprüchlich. Die belangte Behörde habe es daher unterlassen auszuführen, welche Unterschiede in Einfluss auf die Qualität, Wirkung und Sicherheit - unter Einbeziehung der Gefahrenbezeichnung und deren Risikosätze - des Pflanzenschutzmittels vorliegen würden, was eine Voraussetzung für die Zulassung gemäß § 11 PMG 1997 sei. Es werde daher der Antrag auf Aufhebung des bekämpften Bescheides und Stattgebung des Antrages der Berufungswerberin vom 25.11.2005 gestellt. Zur Vermeidung von Wiederholungen werde auf die Ausführungen zur Stellungnahme vom 09.07.2009 verwiesen.

Mit Schreiben vom 17.03.2010 teilte das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft der Beschwerdeführerin mit, dass bei der belangten Behörde Anträge auf Erneuerung der Zulassungen von vier näher bezeichneten Pflanzenschutzmittel (darunter auch XXXXReferenzprodukt zu XXXX) anhängig seien. Diese Anträge auf Erneuerung seien durch die Aufnahme der in diesen Produkten enthaltenen Wirkstoffe in den Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG bedingt. Es werde daher in den Berufungsverfahren die jeweilige Entscheidung in den bei der belangten Behörde anhängigen Verfahren abgewartet.

Mit Schreiben vom 06.03.2012 urgierte die Beschwerdeführerin die Entscheidung über ihre Berufung mit dem Hinweis, dass seit der Antragstellung im November 2005 mehr als sechs Jahre vergangen seien. Zugleich wurde ein Devolutionsantrag an die "übergeordnete Verwaltungsbehörde" gestellt.

Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 31.08.2012 wurde der Devolutionsantrag unter Hinweis auf Art. 69 Abs1 B-VG iVm § 73 Abs. 2 AVG abgewiesen.

Mit Schreiben vom 21.01.2014 legte das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft dem Bundesverwaltungsgericht das nach wie vor offene Verfahren zur Entscheidung vor.

Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gewährten Parteiengehörs hielt die Antragstellerin Ihren Antrag auf vereinfachte Zulassung mit Schreiben vom 17.04.2014 aufrecht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) i.d.g.F. der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I. Nr. 51/2012, erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG, erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Behörde i.S. der hier anzuwendenden Pflanzenschutzmittelgesetze 1997 und 2011 ist das Bundesamt für Ernährungssicherheit (§ 2 Abs. 1 Pflanzenschutzmittelgesetz 2011, BGBl. I. Nr. 10/2011). Für Entscheidungen über Beschwerden gegen Bescheide dieser Behörde ist daher das Bundesverwaltungsgericht zuständig.

Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG gehen die bei allen Behörden anhängigen Verfahren, in denen diese Behörden sachlich in Betracht kommende Oberbehörde oder im Instanzenzug übergeordnete Behörde sind, mit Ausnahme von Organen der Gemeinde, auf die Verwaltungsgerichte über. Die Berufung der Antragstellerin ist daher nunmehr als Beschwerde gemäß § 9 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I. Nr. 33/2013 i.d.F. BGBl. I. Nr. 122/2013, vom Bundesverwaltungsgericht in Verhandlung zu nehmen.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I. Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichte, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Im vorliegenden Fall sind die Pflanzenschutzmittelgesetze 1997 und 2011 sowie die einschlägige Richtlinien und Verordnungen der EU anzuwenden, auf die unten näher eingegangen wird.

Gemäß § 28 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Zu A): Zurückverweisung an die Behörde:

1. Anzuwendende Rechtslage:

Zum Antragszeitpunkt 25.11.2005 stand das PMG1997, BGBl. I. Nr. 60/1997, in Geltung. Mit BGBl. I. Nr. 10/2011, wurde das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 (im Folgenden: PMG 2011) erlassen, durch das mit Wirkung vom 14.6.2011 das PMG 1997 ersetzt wurde. § 18 Abs. 3 PMG 2011 enthält eine Verordnungsermächtigung betreffend Übergangsmaßnahmen für Verfahren, die vor dem 14.6.2011 bereits zugelassene Pflanzenschutzmittel sowie vor dem 14.6.2011 anhängige Verfahren betrifft. § 15 Abs. 3 der auf Grundlage dieser Bestimmung erlassenen Pflanzenschutzmittelverordnung 2011, BGBl. II. Nr. 233/2011 i.d.g.F, bestimmt, dass Verfahren, die vor dem 14.6.2011 bereits zugelassene Pflanzenschutzmittel betreffen oder vor dem 14.6.2011 bereits anhängig sind, - ausgenommen auf Verlangen des Antragstellers - nach der bis dahin geltenden Rechtslage fortzusetzen sind, soweit dem Rechtsvorschriften der Europäischen Union nicht entgegenstehen (ein Verlangen der Antragstellerin auf Anwendung der neuen, ab 14.6.2011 geltenden Rechtslage liegt nicht vor).

Die einschlägige EU-Verordnung, auf die diese Bestimmung abstellt, ist die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG. In Art. 80 Abs. 5 dieser Verordnung wird bestimmt, dass über Anträge auf Zulassung von Pflanzenschutzmitteln gemäß Art. 4 der Vorgängerrichtlinie 91/414/EWG, die den Mitgliedsstaaten zum Zeitpunkt des Beginns der Anwendung dieser Verordnung vorliegen, oder die zum Zeitpunkt des Beginns der Anwendung dieser Verordnung auf Grund der Aufnahme in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG oder einer Zulassung gemäß Abs. 1 dieses Artikels zu ändern oder zurückzuziehen sind, auf der Grundlage der vor dem 14.6.2011 geltenden nationalen Rechtsvorschriften entschieden wird.

Art. 4 der Richtlinie 91/414/EWG stellt Genehmigungserfordernisse für die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels auf. Gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. a ist ein Pflanzenschutzmittel nur zuzulassen, wenn seine Wirkstoffe in Anhang I aufgeführt und die dort festgelegten sowie weitere in Art. 4 verankerte Bedingungen erfüllt sind. Der in den - im gegenständlichen Verfahren relevanten - Pflanzenschutzmitteln verwendete Wirkstoff Cypermethrin ist als Nummer 104 in Anhang I dieser Richtlinie enthalten. Diese Richtlinie enthält selbst keine Bestimmungen zu einem gesonderten vereinfachten Verfahren zum sog. Parallelimport. Bereits die Entscheidung des EuGH De Peijper vom 20.5.1976 in der Rechtsache 104-75, ermöglichte aber derartige Parallelimporte für das Arzneimittelrecht ausdrücklich. Die Richtlinie ging offenbar von dieser Rechtsprechung aus, ohne den Parallelimport ausdrücklich zu regeln (vgl. jedoch den Hinweis von Herbst, Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, ecolex 1995, 593, auf Art. 13 Abs. 7 der Richtlinie). Es ist daher auf Grund eines Größenschlusses davon auszugehen, dass die Übergangsbestimmung des Art. 80 Abs. 5 lit. a der Verordnung Nr.1107/2009 sich nicht nur auf die - umfangreicheren - Neugenehmigungsverfahren gemäß Art. 4 der Richtlinie 91/414/EWG bezieht, sondern die vereinfachten Zulassungen von Parallelimporten mit umfasst.

Somit steht aber die Ermächtigung in § 15 Abs. 3 der Pflanzenschutzmittelverordnung 2011, wonach auf laufende Verfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der EU-Pflanzenschutzmittel-Verordnung die bis dahin geltende österreichische Rechtslage anzuwenden ist, EU-Recht nicht entgegen. Daher sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 3 Pflanzenschutzmittelverordnung 2011 für die Anwendung der bis 13.6.2011 geltenden österreichischen Rechtslage erfüllt.

2. Identität der Pflanzenschutzmittel

§ 11 des auf den gegenständlichen Antrag anwendbaren PMG 1997 lautete in seiner letzten, auch auf den gegenständlichen Antrag anzuwendenden Fassung nach der Novelle durch BGBl. I. Nr. 86/2009:

"Vereinfachte Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, die mit im Inland

zugelassenen Pflanzenschutzmitteln identisch sind

§ 11. (1) Das In-Verkehr-Bringen eines Pflanzenschutzmittels, das

1. mit einem im Inland - ausgenommen nach § 11, § 12 Abs. 10 oder §

13 - zugelassenen Pflanzenschutzmittel (Referenzprodukt) identisch

ist und

2. in einem anderen Staat, der Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, zugelassen ist,

bedarf einer vereinfachten Zulassung durch das Bundesamt für Ernährungssicherheit.

(2) Ein Pflanzenschutzmittel ist mit einem Referenzprodukt identisch, wenn es

1. insofern denselben Ursprung wie das Referenzprodukt hat, als es von demselben Unternehmen oder einem verbundenen Unternehmen oder in Lizenz nach derselben Formel hergestellt wurde,

2. insofern den gleichen Wirkstoff enthält, als er von demselben Unternehmen oder einem verbundenen Unternehmen oder in Lizenz mit derselben Spezifikation wie der in der Formulierung des Referenzprodukts enthaltene Wirkstoff hergestellt wurde, und

3. ansonsten mit diesem in der Zusammensetzung insofern übereinstimmt, als Abweichungen offensichtlich keinen Einfluss auf die Qualität, Wirkungen und Sicherheit des Pflanzenschutzmittels haben, wobei die für die Anwendung des Pflanzenschutzmittels relevanten Bedingungen in Bezug auf Landwirtschaft, Pflanzenschutz und Umwelt - einschließlich der Witterungsverhältnisse - zu berücksichtigen sind.

(3) Der Antrag hat zumindest folgende Angaben zu enthalten:

1. eine Erklärung, dass das Pflanzenschutzmittel, das in das Inland verbracht werden soll, mit einem bestimmten Referenzprodukt identisch ist,

2. die beabsichtigte Kennzeichnung gemäß § 20 und

3. die Originalkennzeichnung, gegebenenfalls mit beglaubigter Übersetzung in deutscher Sprache, des beantragten Pflanzenschutzmittels.

Dem Antrag ist zusätzlich ein Muster der Verpackung, in der das beantragte Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht werden soll, beizuschließen, sofern es nicht in einer Originalverpackung in Verkehr gebracht wird.

(4) Stimmen in der Originalkennzeichnung des beantragten Pflanzenschutzmittels insbesondere die einstufungsrelevanten Angaben, die Anwendungsbestimmungen und die mengenmäßigen Angaben von Bestandteilen der Formulierung mit der Kennzeichnung des Referenzprodukts überein, so ist das Pflanzenschutzmittel zuzulassen.

(5) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 4 nicht vor, hat der Antragsteller die für die Beurteilung der Identität erforderlichen Unterlagen beizubringen, soweit er dazu Zugang hat oder soweit ihm deren Beschaffung zugemutet werden kann, und gegebenenfalls eine für die Untersuchung ausreichende Menge des zur Zulassung beantragten Pflanzenschutzmittels in einer Originalverpackung.

(6) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 4 nicht vor, ist der Zulassungsinhaber des Referenzproduktes Beteiligter im Sinne des § 8

AVG.

(7) Über den Antrag ist spätestens innerhalb von zwei Monaten zu entscheiden.

(8) In der Zulassung ist eine Zusatzbezeichnung vorzuschreiben, die zusätzlich zur Pflanzenschutzmittelregister-Nummer (§ 20 Abs. 1 Z 2) in der Kennzeichnung anzugeben ist.

(9) Die Zulassung ist mit jenem Zeitpunkt befristet, mit dem die Zulassung des Referenzprodukts befristet ist, wobei Aufhebungen und Abänderungen zu berücksichtigen sind. Der Umfang der Zulassung des beantragten Pflanzenschutzmittels darf jedenfalls nicht über den Umfang der Zulassung des Referenzprodukts hinausgehen."

Nach § 11 Abs. 2 Z 3 PMG 1997 müssen Pflanzenschutzmittel in der Zusammensetzung insofern übereinstimmen, als Abweichungen offensichtlich keinen Einfluss auf die Qualität, Wirkungen und Sicherheit des Pflanzenschutzmittels haben. Der belangte Behörde liegen die Formeln der beiden Pflanzenschutzmittel, nämlich sowohl des in Österreich zugelassenen XXXX als auch des in Italien zugelassenen XXXX, das importiert werden soll, vor. Dem Verwaltungsakt ist zu entnehmen, dass der Wirkstoff der Pflanzenschutzmittel in Art gleich ist, jedoch in der Menge etwas abweicht und Unterschiede in der Zusammensetzung der Beistoffe bestehen. Zur Frage, ob diese unterschiedliche Zusammensetzung offensichtlich keinen Einfluss auf Qualität, Wirkungen und Sicherheit des in Österreich nicht zugelassenen Pflanzenschutzmittels hat, führt die belangte Behörde im Bescheid nur eine Gegenüberstellung der Kennzeichnungen hinsichtlich der chemikalienrechtlichen Einstufung an. Dabei fällt auf, dass die Risikosätzen R 36 auf beide Pflanzenschutzmittel zutreffen und beim in Österreich zugelassenen Produkt XXXX und XXXX sowie der Zusatz "Achtung! Für Bienen gefährlich, blühende Kulturen nicht behandeln! Außerdem Behandlung auch aller anderen Flächen, die sich in Stocknähe befinden oder in der Fluglinie von Bienen liegen, während des Bienenfluges unterlassen" vorgesehen sind.

Die Formulierung der Z 3 des Abs. 2 des § 11 PMG 1997 legt fest, dass Abweichungen "offensichtlich" keinen Einfluss auf die Qualität, Wirkungen und Sicherheit des Pflanzenschutzmittels haben dürfen, um als ident anerkannt zu werden. Diese Formulierung könnte bedeuten, dass sich die Behörde auf eine Augenscheinskontrolle zu beschränken hat. Das würde bedeuten dass, wenn es ihr auf Grund der vorliegenden Unterlagen, insbesondere zur Formel, ohne weitere Prüfung feststellbar ist, dass Identität in Bezug auf den Einfluss der Pflanzenschutzmittel auf die Qualität, Wirkungen und Sicherheit vorliegt, sie dem Antrag auf Parallelzulassung stattzugeben hat; im gegenteiligen Fall aber, wie er auch gegenständlich vorliegt, dass nämlich erheblich unterschiedliche Beistoffe enthalten sind und ein gewisser Unterschied in der chemikalienrechtlichen Klassifizierung besteht, hätte nach dieser Interpretation (der wohl im gegenständlichen Fall auch die belangte Behörde gefolgt ist), die Behörde keine weiteren Untersuchungen vorzunehmen und den Antrag abzuweisen.

Gegen diese Interpretation als reine Augenscheinsprüfung spricht jedoch zunächst der zweite Satzteil der Z 3, wonach die für die Anwendung des Pflanzenschutzmittels relevanten Bedingungen in Bezug auf Landwirtschaft, Pflanzenschutz und Umwelt - einschließlich der Witterungsverhältnisse - zu berücksichtigen sind. Bereits die Prüfung dieser Tatbestandsmerkmale erfordert eine über die Gegenüberstellung der Quantität und der Bezeichnung der enthaltenen Beistoffe hinausgehende Beschäftigung mit der Frage, ob ein Einfluss auf Qualität, Wirkungen und Sicherheit in Bezug auf die in Österreich relevanten Bedingungen offensichtlich ist.

Gegen die Interpretation als reine Augenscheinsprüfung sprechen auch die Gesetzesmaterialien. Der Wortlaut des § 11 Abs. 2 Z 3 PMG 1997 wurde (erstmals) durch das Agrarrechtsänderungsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 110/2002, in das PMG 1997 eingefügt. Die RV 1133 13. GP NR führt im allgemeinen Teil der Erläuterungen zur Novelle des PMG 1997 aus:

"Die Behörde prüft in erster Linie die Identität des beantragten Pflanzenschutzmittels mit dem Referenzprodukt anhand der Kennzeichnung. Ergibt sich die Identität nicht zweifelsfrei aus der Kennzeichnung, führt die Behörde weitere Ermittlungen durch. Die obligatorische Beibringung einer für die Untersuchung ausreichenden Menge des zur Zulassung beantragten Pflanzenschutzmittels in Originalverpackung mit der Antragstellung entfällt. Die obligatorische Einbeziehung des Zulassungsinhabers des Referenzproduktes in das vereinfachte Zulassungsverfahren als Beteiligten i.S.d. § 8 AVG entfällt ebenfalls. In weiterer Folge wäre der Gebührentarif an die geänderten Zulassungsbedingungen anzupassen und entsprechend abzustufen".

Im besonderen Teil der Erläuterungen heißt es nur lapidar, § 11 Abs. 2 Z 3 sei eine Klarstellung der bisherigen Regelung. Bis zu dieser Novelle spricht das PMG 1997 von "offensichtlich für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt oder für die Landwirtschaft unbedenklichen Abweichungen". Dieser Wortlaut des § 11 Abs. 2 Z 3 wurde durch das Agrarrechtsänderungsgesetz 2005, BGBl. I. Nr. 39/2000, und zwar auf Grund umfangreicher Änderungen der Regierungsvorlage im Landwirtschaftsausschuss, eingefügt. Der entsprechende Ausschussbericht enthält jedoch keine detaillierten Erläuterungen zum vorgeschlagenen Gesetzestext (AB 150, 21. GP NR).

Die zur Verfügung stehenden Materialien sprechen somit von "weiteren Ermittlungen", die durchzuführen sind, wenn sich die Identität nicht zweifelsfrei aus der Kennzeichnung ergibt. Der Verwaltungsgerichtshof sieht in einem bereits zu einer früheren Fassung des PMG 1997 erlassenen Erkenntnis unter Berufung auf die Entscheidung des EuGH vom 20.05.1976, Rs 104/75, "de Peijper", die Frage der Wirkungen in Bezug auf die Umwelt sowie Gesundheit von Mensch und Tier als im Ergebnis wesentlicheren Umstand, als die bloße Beschaffenheitsbeschreibung des Mittels im Sinne seiner chemischen Zusammensetzung und verlangt von der Behörde, die nationale Rechtsvorschrift in diesem Sinn zu interpretieren (VwGH vom 25.05.2000, 99/07/0096).

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die Behörde mehr als eine Prüfung nach dem ersten Anschein vorzunehmen hat. So sind die Unterschiede in der Kennzeichnung ebenso wie die Unterschiede in der Zusammensetzung der Beistoffe detailliert nach ihren möglichen Wirkungen auf die Umwelt zu bewerten. Diese Bewertung hat etwa anhand der Behörde zugänglicher Literatur und Ergebnissen vorhandener Studien, falls nötig unter Hinzuziehung eines Sachverständigen, zu erfolgen. Die Ergebnisse der Bewertung sind im Akt nachvollziehbar zu dokumentieren. Dies ist umso eher geboten, als dem Antragsteller wegen Schutz berechtigter Geheimhaltungsinteressen Dritter die Einsicht in wesentliche Aktenteile vorenthalten werden kann (dazu unten). Es muss jedenfalls dem Verwaltungsgericht möglich sein, die behördliche Bewertung nachzuvollziehen.

Der Beweismaßstab ist aber herabgesetzt: So wird die Behörde keine Studien zu den Wirkungen der Beistoffe (einzeln oder in der in der Formel verwendeten Kombination) durchzuführen oder in Auftrag zu geben haben. Dies würde dem Sinn und Zweck des vereinfachten Zulassungsverfahrens widersprechen und auch eine wesentlich stärkere Mitwirkung des Antragstellers erfordern. Das wird durch das vom Gesetzgeber verwendete Wort "offensichtlich" klargestellt.

3. Parteiengehör

§ 45 Abs. 3 AVG spiegelt ein Grundprinzip des österreichischen - und europäischen - Verwaltungsverfahrens wider: das Recht auf Parteiengehör. Dies ist ein Grundelement eines fairen Verfahrens und ermöglicht es einer Verfahrenspartei, sich zu von der Behörde aufgenommenen Tatsachenbeweisen wie Gutachten oder Informationen Dritter zu äußern, um ihren Rechtsstandpunkt verteidigen zu können. Im vorliegenden Verfahren geht es um die Herstellungsformeln der beiden Pflanzenschutzmittel.

Nun enthalten sowohl die Richtlinie 91/414/EWG in ihrem Art. 14 als auch die Verordnung 1107/2009 in ihrem Art. 63 Vorschriften zum Schutz berechtigter Interessen Dritter vor Offenlegung ihrer Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse. Zu jenen Informationen, bei denen in der Regel davon auszugehen ist, dass ihre Offenlegung den Schutz der wirtschaftlichen Interessen oder der Privatsphäre und ihre Integrität beeinträchtigen könnte, gehören gemäß Art. 63 Abs. 2 der V 1107/2009 jedenfalls Angaben zum Herstellungsverfahren und zur vollständigen Zusammensetzung eines Pflanzenschutzmittels. Diese Informationen sind nach Art. 63 Abs. 1 dieser Verordnung auf Antrag vertraulich zu behandeln. Im gegenständlichen Fall wurde von der französischen Behörde das Ersuchen auf Vertraulichkeit gestellt und darauf hingewiesen, dass die übermittelte vollständige Formel im Zulassungsland der Vertraulichkeit unterliegt.

Fraglich ist, in welchem Verhältnis diese Bestimmungen zum Recht auf Parteiengehör stehen. Der EuGH hat sich in seiner Entscheidung in der Rechtssache Varec gegen Belgien, C-450/06 vom 14.2.2008, mit einem ähnlich gelagerten Fall aus dem Vergaberecht befasst. Der EuGH hat in diesem Urteil an die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) angeknüpft, wonach es in bestimmten Fällen zur Wahrung der Grundrechte eines Dritten oder zum Schutz wichtiger Interessen der Allgemeinheit erforderlich sein kann, den Parteien bestimmte Informationen vorzuenthalten. Zu den Grundrechten, die so geschützt sein können, gehöre das in Art. 8 EMRK verankerte Recht auf Achtung des Privatlebens, wobei dieser Begriff die beruflichen und geschäftlichen Tätigkeiten juristischer Personen mit einschließe. Im Übrigen habe der Gerichtshof den Schutz von Geschäftsgeheimnissen als einen allgemeinen Grundsatz anerkannt. Der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens verleihe den Parteien keinen Anspruch auf unbegrenzten und uneingeschränkten Zugang zu allen bei der Nachprüfungsinstanz eingereichten und dieses Vergabeverfahren betreffenden Informationen. Der Grundsatz des Schutzes von vertraulichen Informationen und Geschäftsgeheimnissen müsse so ausgestaltet sein, dass er mit den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes und der Wahrung der Verteidigungsrechte der am Rechtsstreit Beteiligten im Einklang steht und dass sichergestellt ist, dass - auch im Fall einer Klage oder eines Rechtsbehelfs bei einem unabhängigen Gericht - in dem Rechtsstreit insgesamt das Recht auf ein faires Verfahren beachtet wird. Behörde und Nachprüfungsinstanz müssten aber jedenfalls Kenntnis von solchen vertraulichen Angaben haben und diese berücksichtigen können. Es sei Sache der jeweiligen Instanz, zu entscheiden, inwieweit und nach welchen Modalitäten die Vertraulichkeit und die Geheimhaltung solcher Angaben im Hinblick auf die Erfordernisse eines wirksamen Rechtsschutzes und der Wahrung der Verteidigungsrechte der am Rechtsstreit Beteiligten zu gewährleisten sind, um insgesamt im Rechtsstreit das Recht auf ein faires Verfahren zu beachten.

Diese Rechtsprechung lässt sich auf die im konkreten Fall gegebene Konstellation betreffend Pflanzenschutzmittel umlegen. Im konkreten Fall kann die vollständige Formel der Pflanzenschutzmittel dem Antragsteller nicht bekannt gegeben werden, ohne berechtigte Geheimhaltungsinteressen des Herstellers zu verletzen. Auf der anderen Seite muss es dem Antragsteller möglich sein, den Abwägungsvorgang der Behörde insgesamt nachvollziehen zu können, um das Recht auf ein faires Verfahren in ausreichendem Maß zu berücksichtigen. Die Literatur schlägt dazu etwa vor, dass in diesem Sinn etwa zu prüfen wäre, ob eine Offenlegung des Beweismaterials zumindest eingeschränkt zulässig ist, beispielsweise, indem nur besonders sensible Zahlen oder Daten "geschwärzt" werden. Oder es könne jedenfalls die Quelle oder der Verfasser eines Gutachtens genannt werden, um auf diese Weise die Stellungnahme zwar nicht zur Beweiskraft der Inhalte, aber zur Glaubwürdigkeit des Verfassers zu ermöglichen (Hanslik, Parteiengehör und Geheimnisschutz im Verwaltungsverfahren,154).

Die Behörde wird der Antragstellerin mitzuteilen haben, ob das Mittel denselben Wirkstoff in derselben Menge enthält und in welcher Größenordnung unterschiedliche Beistoffe vorliegen, sowie das Endergebnis der behördlichen Bewertung dieser Unterschiedlichkeit in Bezug auf Qualität, Wirkungen und Sicherheit des Pflanzenschutzmittels. Dabei müssen die Namen der Beistoffe und ihre chemische Zusammensetzung nicht benannt bzw. können geschwärzt werden. Jedenfalls bekannt zu geben ist aber, wie die Behörde zu ihren Schlüssen gekommen ist.

4. Zurückverweisung

Die Behörde hat somit im fortgesetzten Verfahren

zu prüfen, ob die Pflanzenschutzmittel in den Zulassungsstaaten noch zugelassen sind und ob sich sonst Sachverhaltsänderungen seit der Antragstellung ergeben haben;

die Unterschiede in der Kennzeichnung ebenso wie die Unterschiede in der Zusammensetzung der Beistoffe detailliert nach ihren möglichen Wirkungen auf die Umwelt zu bewerten. Diese Bewertung hat etwa anhand der Behörde zugänglicher Literatur und Ergebnissen vorhandener Studien, falls nötig unter Hinzuziehung eines Sachverständigen, zu erfolgen. Die Ergebnisse der Bewertung sind im Akt nachvollziehbar zu dokumentieren;

der Antragstellerin zu den Ergebnissen dieser Bewertung insoweit Gehör zu gewähren, als ihr sie Angaben über den Wirkstoff und die Menge des enthaltenen Wirkstoffes sowie die Größenordnung der Unterschiede in den Beistoffen (etwa nach absoluter Menge und/oder nach prozentuellem Anteil an der Formel) sowie das Endergebnis der behördlichen Bewertung dieser Unterschiedlichkeit in Bezug auf Qualität, Wirkungen und Sicherheit der Pflanzenschutzmittel, einschließlich der Angaben, wie die Behörde zu diesem Ergebnis gekommen ist, zur Verfügung zu stellen, sowie

innerhalb von 2 Monaten neuerlich über den Antrag zu entscheiden (§ 11 Abs. 7 PMG 1997).

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Es fehlt an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 11 Abs. 2 Z 3 PMG 1997 in der anzuwendenden Fassung und zur Frage der Zulässigkeit bzw. Notwendigkeit des Parteiengehörs in Fällen, in denen Rechtsvorschriften die Geheimhaltung bestimmter Daten in Verwaltungsverfahren verlangen.

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