Normen
B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art139 Abs1 Z2
StGG Art2
GewO 1994 §16, §18, §19, §94, §111
GastgewerbeV §1 Abs1 Z2, §2
Gastgewerbe-BefähigungsprüfungsO §1, §2, §3, §5
VfGG §7 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2024:V362.2023
Spruch:
I. §1 Abs1 Z2 der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Zugangsvoraussetzungen für das Gastgewerbe – Gastgewerbe-Verordnung, BGBl II Nr 51/2003, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruchs im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren
1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E2509/2023 eine auf Art144 B‑VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
1.1. Die beschwerdeführende Gesellschaft, die nach eigenen Angaben bereits über eine Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe in der Betriebsart Verabreichung von Speisen in einfacher Art und Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und Bier in handelsüblich verschlossenen Gefäßen an maximal acht Verabreichungsplätzen verfügt (§111 Abs2 Z3 GewO 1994), meldete am 15. Juni 2022 das Gastgewerbe in der (nicht eingeschränkten) Betriebsart "Kaffee Restaurant" gemäß §111 Abs1 Z2 GewO 1994 beim Magistrat der Stadt Wien (im Folgenden: belangte Behörde) an und bestellte ihren alleinigen, selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer zum gewerberechtlichen Geschäftsführer.
1.2. Mit Bescheid vom 14. Juli 2022 stellte die belangte Behörde fest, dass die Voraussetzungen für die Ausübung des Gewerbes in der Betriebsart "Kaffee Restaurant" durch die beschwerdeführende Gesellschaft nicht vorlägen, und untersagte die Ausübung des Gewerbes. Gleichzeitig wurde auf Grund der Anzeige über die Ausübung dieses Gewerbes durch den Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft festgestellt, dass die Voraussetzungen dafür nicht gegeben seien.
1.3. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde verwies die beschwerdeführende Gesellschaft in Bezug auf den Befähigungsnachweis auf das begonnene, teils weit fortgeschrittene, jedoch nicht abgeschlossene Studium ihres Geschäftsführers. Dazu wurden Diplomprüfungszeugnisse der Studienrichtungen Betriebswirtschaftslehre bzw Wirtschaftsrecht beigefügt, wobei mit diesen Erfolgsnachweisen kein erfolgreicher Abschluss einer Studienrichtung belegt wurde.
1.4. Das Verwaltungsgericht Wien wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom 20. Juni 2023 als unbegründet ab, da ein Befähigungsnachweis iSd §1 Abs1 Gastgewerbe‑Verordnung nicht vorgelegt worden sei. Der bestellte Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft habe seine beiden begonnenen Studien nicht abgeschlossen, sodass insbesondere der Beleg über die fachliche Qualifikation durch den "erfolgreichen Abschluss einer Studienrichtung an einer Universität" gemäß §1 Abs1 Z2 Gastgewerbe‑Verordnung nicht vorliege und damit auch nicht die Voraussetzungen für die Ausübung des Gewerbes gemäß §111 Abs1 Z2 GewO 1994.
1.5. Darüber hinaus hegte das Verwaltungsgericht auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die anzuwendenden Bestimmungen der GewO 1994 sowie der Gastgewerbe‑Verordnung, auch wenn es der beschwerdeführenden Gesellschaft zustimmte, dass eine sachliche Rechtfertigung für den Umstand, dass §1 Abs1 Z2 Gastgewerbe-Verordnung – im Unterschied insbesondere etwa zu §1 Abs1 Z3 – für Universitätsabsolventen keinen fachspezifischen Ausbildungsinhalt verlange, auf den ersten Blick nicht einleuchte. Allerdings seien weder Z2 noch Z3 des §1 Abs1 Gastgewerbe‑Verordnung im vorliegenden Fall auf die beschwerdeführende Gesellschaft anzuwenden, insbesondere da ihr Geschäftsführer nicht über einen erfolgreichen Abschluss eines Fachhochschul‑Studienganges verfüge, dessen schwerpunktmäßige Ausbildung in einem anderen Bereich als Tourismus liege, sodass er von diesem Unterschied nicht nachteilig betroffen sein könne. Selbst wenn eine fachspezifische Einschränkung in der Z3 entfallen oder eine solche in der Z2 eingefügt würde, was die von der beschwerdeführenden Gesellschaft zu diesem Aspekt behauptete Verfassungswidrigkeit in der Gastgewerbe‑Verordnung wohl beseitigen würde, würde sich dies auf die Beurteilung des vorliegenden Beschwerdefalls nicht auswirken. Es mangle daher im vorliegenden Verfahren an der Präjudizialität dieser allenfalls bedenklichen Bestimmungen, sodass schon aus diesem Grund eine Antragslegitimation des Verwaltungsgerichtes ausscheide.
2. Bei der Behandlung der gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des §1 Abs1 Z2 Gastgewerbe-Verordnung, BGBl II 51/2003, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 5. Dezember 2023 beschlossen, diese Verordnungsbestimmung von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.
3. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:
"3.9. Der Verfassungsgerichtshof hegt das Bedenken, dass die in Prüfung gezogene Bestimmung des §1 Abs1 Z2 Gastgewerbe‑Verordnung dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen dürfte:
3.9.1. Wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 16.734/2002 (zuvor bereits etwa in VfSlg 13.094/1992, 13.485/1993, 14.414/1996, 14.963/1997, 15.683/1999) festgestellt hat, liegt es im öffentlichen Interesse, einen gewissen Standard fachlicher Leistungen durch fundierte Berufsvorbildung sowie eine ausreichende praktische Tätigkeit zu sichern und zu diesem Zweck den Nachweis entsprechender Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen zu verlangen. Gegen die normative Standardisierung von Ausbildungsgängen und Prüfungsanforderungen, die das Befähigungsnachweissystem der Gewerbeordnung insgesamt prägt, bestehen vor diesem Hintergrund prinzipiell keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies gilt umso mehr dort, wo es – wie im Gastgewerbe – insbesondere auch um die Abwehr von Gefahren für die Gesundheit und Sicherheit sowie den Schutz der Konsumenten geht. Es haben aber auch solche Regelungen den Anforderungen der Verfassung zu entsprechen, wobei insbesondere die Grenzen zu beachten sind, die der Gleichheitsgrundsatz und das Grundrecht der Erwerbsausübungsfreiheit dem Gesetzgeber ziehen (vgl VfSlg 15.683/1999).
3.9.2. Der Grundgedanke eines im Wege der Befähigungsnachweis-Verordnungen generellen, standardisierten Befähigungsnachweises liegt darin, dass durch den Beleg eines bestimmten Ausbildungsweges (und/oder einer facheinschlägigen Berufserfahrung) angenommen werden kann, dass die für die selbständige Gewerbeausübung erforderlichen fachlichen und kaufmännischen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen vorhanden sind, sodass deren Überprüfung im Einzelfall nicht mehr erforderlich ist (siehe dazu im Gegensatz den individuellen Befähigungsnachweis gemäß §19 GewO 1994). §18 Abs1 GewO 1994 spricht wörtlich davon, 'durch welche Belege […] die Zugangsvoraussetzungen zum betreffenden Gewerbe […] im Hinblick auf die hiefür erforderliche fachliche Befähigung jedenfalls als erfüllt anzusehen sind'. Die 'erforderliche fachliche Befähigung' stellt damit (neben anderen Kriterien) den entscheidenden Bestimmungsfaktor für den durch Verordnung festzulegenden Ausbildungsweg dar (vgl Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher, GewO Gewerbeordnung4, 2020, §18 Rz 6).
3.9.3. Die konkrete Ausgestaltung des vom Gesetzgeber in §18 GewO 1994 vorgesehenen generellen Befähigungsnachweises ergibt sich für das Gastgewerbe aus der Gastgewerbe-Verordnung in Verbindung mit der Gastgewerbe‑Befähigungsprüfungsordnung. In dieser ist detailliert geregelt, welche Kenntnisse für die selbständige Ausübung eines Gastgewerbes erforderlich und daher im Rahmen der Befähigungsprüfung relevant sind. Davon umfasst sind Kenntnisse der Unternehmensführung, wie Kostenrechnung, Kalkulation und Controlling sowie Marketing, Management, Organisation und Kommunikation, aber auch Berufs- und Fachkunde (Lebensmittelkunde, Küchenkunde, Getränkekunde, Servierkunde), Recht (ua Gewerberecht, unternehmerische Rechtskunde, Arbeits- und Sozialrecht, Steuer- und Abgabenrecht) sowie Technik und Hygiene (Lebensmittelhygiene, Unfallverhütung, Umweltschutzvorschriften, Logiskunde).
3.9.4. Vor diesem Hintergrund erforderte der Nachweis der kaufmännischen und fachlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen in Zusammenhang mit dem Zugang zum Gastgewerbe – wie die oben dargestellte Entstehung der Verordnung zeigt – fortwährend einen fachspezifischen Ausbildungsinhalt sowie eine gewisse Berufserfahrung. An diesem System wurde grundsätzlich auch im Rahmen der GewO-Novelle 2002, BGBl I 111/2002, deren Ziel die Liberalisierung des Berufszuganges war, ohne dabei das hohe Niveau des Ausbildungsstandes in Österreich zu gefährden (vgl RV 1117 BlgNR 21. GP , 64), und der Erlassung der Gastgewerbe-Verordnung festgehalten: §1 Abs1 Z1, Z3 bis Z10 Gastgewerbe‑Verordnung stellt (nach wie vor) auf einen fachspezifischen Ausbildungsweg ab; einzig der vorläufig in Prüfung gezogene §1 Abs1 Z2 leg cit ermöglicht durch den Abschluss eines Universitätsstudiums oder Master‑Universitätslehrganges den Zugang zum Gastgewerbe, ohne dass es dafür eines fachspezifischen Ausbildungsinhaltes bedürfte.
3.9.5. Für den Verfassungsgerichtshof scheint es vorläufig nicht einsichtig, inwiefern der Abschluss eines für das Gastgewerbe nicht facheinschlägigen Universitätsstudiums oder Master‑Universitätslehrganges den erforderlichen fachlichen und kaufmännischen Ausbildungsstandard sicherstellen und es rechtfertigen kann, den Zugang zum Gastgewerbe ohne jeglichen Nachweis facheinschlägiger Kenntnisse zu ermöglichen, während ein facheinschlägiger Ausbildungsinhalt in allen anderen Fällen – selbst bei den an sich gleichgestellten Fachhochschulen – gefordert ist. Für ein derartiges undifferenziertes Abstellen auf jegliche Art von Universitätsabschluss bzw Abschluss eines Master‑Universitätslehrganges sieht der Verfassungsgerichtshof vorläufig keine sachliche Rechtfertigung.
3.10. Darüber hinaus scheint §1 Abs1 Z2 Gastgewerbe‑Verordnung mangels Sicherstellung des erforderlichen fachlichen und kaufmännischen Befähigungsstandards iSd §16 Abs2 GewO 1994 (vgl in diesem Sinn auch VfSlg 13.094/1992) aus vorläufiger Sicht auch nicht der Verordnungsermächtigung in §18 Abs1 GewO 1994 zu entsprechen."
4. Der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft hat als verordnungserlassende Behörde eine Äußerung erstattet, in der den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken wie folgt entgegengetreten wird:
4.1. Es sei zwar zutreffend, dass der Maßstab für einen Befähigungsnachweis gemäß §16 Abs2 GewO 1994 auf die Elemente der fachlichen einschließlich der kaufmännischen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen referiere. Dabei sei jedoch zu berücksichtigen, dass die fachlichen Kenntnisse die kaufmännischen Kenntnisse zwar einschließen, jedoch vom Gesetz ausdrücklich nicht auf diese reduziert würden. Darüber hinaus seien sowohl die fachlichen (einschließlich der kaufmännischen) Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nach Maßgabe der dem Gewerbe eigentümlichen Tätigkeiten zu beurteilen. Es handle sich daher um keine fixen Größen, die exakt für jedes Gewerbe immer gleich zu gewichten seien, sondern um ein flexibles System, das von der spezifischen Eigenart des betreffenden Gewerbes maßgeblich abhänge.
4.2. Der Prüfungsbeschluss lasse aus Sicht der verordnungserlassenden Behörde daher zwei wesentliche Aspekte unberücksichtigt: Einerseits seien die kaufmännischen Kenntnisse in sich selbst lediglich ein Teil des Kriteriums der fachlichen Kenntnisse und andererseits stünden die genannten drei Elemente (Kenntnisse, Fähigkeiten, Erfahrungen) sowohl in ihrem Verhältnis zueinander als auch ihrem Verhältnis in sich selbst unter der beherrschenden Maßgabe des vierten Kriteriums der dem betreffenden Gewerbe eigentümlichen Tätigkeiten.
4.3. Zu den eigentümlichen Tätigkeiten im Gastgewerbe:
4.3.1. Die gastgewerblichen Tätigkeiten seien ausdrücklich in §111 Abs1 GewO 1994 bezeichnet, es handle sich demnach allgemein um
1. die Beherbergung von Gästen;
2. die Verabreichung von Speisen jeder Art und den Ausschank von Getränken.
4.3.2. Diese Tätigkeiten fänden sich in der einen oder anderen Form in sämtlichen dem Gastgewerbe zugehörenden Betriebsarten, unabhängig davon, ob die Betriebsart entsprechend dem §111 Abs2 GewO 1994 keinen Befähigungsnachweis erfordere oder ob sie unter der Anforderung eines Befähigungsnachweises stehe.
4.3.3. Das Gastgewerbe sei ein Gewerbe, das als geradezu klassisches soziales Dienstleistungsgewerbe vor allem hohe soziale Kompetenz im Kontakt mit der Kundschaft, besondere Flexibilität im Erkennen unterschiedlicher Bedürfnisse und große Belastbarkeit verbunden mit ausdauernder Zielstrebigkeit erfordere. Die gastgewerblichen Tätigkeiten bestünden bei fachgerechter Ausübung in ständiger gleichzeitiger Interaktion mit völlig unterschiedlichen Kundenpersönlichkeiten.
4.3.4. Es bestehe aus Sicht der verordnungserlassenden Behörde kein Zweifel, dass dies Fähigkeiten seien, die grundsätzlich erforderlich seien, um ein akademisches Studium erfolgreich abschließen zu können, dies auch unabhängig von der Studienrichtung.
4.3.5. Es möge zwar zutreffen, dass einzelne Studienrichtungen diverse Aspekte, die zur erfolgreichen Selbständigkeit grundsätzlich dazugehören würden oder zumindest davon berührt seien, in der einen oder anderen Weise besonders beleuchten würden. So betonten etwa wirtschaftswissenschaftliche Studien den betriebswirtschaftlichen und kalkulatorischen Aspekt stärker, rechtswissenschaftliche Studien würden gewisse Vorteile bei Kenntnis regulatorischer Aspekte bringen, naturwissenschaftliche Studien könnten mit spezifischen Kenntnissen im Bereich der Ausgestaltung der Betriebsstätte förderlich sein, humanbezogene Studienrichtungen wie etwa Medizin könnten besondere im Bereich des Angebotes an Speisen und Getränken Vorteile bieten. Dies ändere aber nichts daran, dass die prävalierenden oben beschriebenen Eigentümlichkeiten des Gastgewerbes von allen Studienrichtungen grundsätzlich abgedeckt würden.
4.3.6. Die Festlegung, dass im Gastgewerbe der ausreichende Befähigungsnachweis auch durch den Abschluss eines jeden akademischen Studiums erlangt werden könne, sei im Lichte der Anforderungen eines vollständig berücksichtigten §16 GewO 1994 keinesfalls gesetzwidrig. Die wesentlichen Kompetenzen für die dem Gastgewerbe eigentümlichen Tätigkeiten würden in einem für eine Befähigungsnachweisanforderung, die auch das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit angemessen berücksichtige, ausreichenden Umfang auch von §1 Abs1 Z2 der Gastgewerbe‑Verordnung abverlangt.
4.4. In diesem Sinn sei die Festlegung auch nicht gleichheitswidrig im Verhältnis zu den anderen in der Gastgewerbe‑Verordnung genannten Zugangsmöglichkeiten. Es liege nämlich in der Natur der Sache (und entspreche dem Grundsatz der Erwerbsausübungsfreiheit), dass mögliche Zugänge zu einem Gewerbe unterschiedlich seien und der eine oder andere Zugangsweg (je nach bereits erworbener Qualifikation) als einfacher oder herausfordernder empfunden werden möge. Wesentlich sei nach Maßgabe der dem Gastgewerbe eigentümlichen Tätigkeiten der Nachweis der dafür erforderlichen Qualifikationen, und dieser Nachweis werde – wie oben dargelegt – durch die Erfüllung der Voraussetzungen des §1 Abs1 Z2 Gastgewerbe‑Verordnung ebenso erbracht wie durch die Erfüllung der übrigen in der Gastgewerbe‑Verordnung genannten Zugangsmöglichkeiten.
4.5. Aus gewerberechtlicher Sicht würde mit der Aufhebung der Bestimmung der Berufszugang zum Gastgewerbe massiv eingeschränkt. Angesichts der Bedeutung, welche der Verfassungsgerichtshof in der bisherigen Judikaturlinie, insbesondere im Erkenntnis VfSlg 19.814/2013 betreffend die Berufsfotografen, dem Grundrecht auf Erwerbsausübungsfreiheit beigemessen habe, erschiene eine die Erwerbsausübungsfreiheit erheblich einschränkende Aufhebung einer liberalen Berufszugangsmöglichkeit als deutliche Abkehr von der bisherigen Judikaturlinie des Höchstgerichts.
4.6. Abschließend gebe die verordnungserlassende Behörde zu bedenken, dass die Gastgewerbe‑Verordnung in der nunmehr geprüften Form seit über zwei Jahrzehnten bestehe und in dieser Zeit eine ganze Generation neuer Unternehmen auch auf dieser Grundlage gegründet oder übernommen worden sei, ohne dass diese Regelung zu besonderen Verwerfungen oder problematischen Entwicklungen sachunkundiger Gastgewerbeausübung geführt hätte. Dass diese Regelung sachlich sei, habe sich mittlerweile daher auch nicht nur in der Theorie, sondern auch in jahrzehntelanger Verkehrsübung praktisch erwiesen. Unter diesem Gesichtspunkt hätte eine Aufhebung des §1 Abs1 Z2 Gastgewerbe‑Verordnung sogar gegenteilige Folgen und es würde damit eine Ungleichbehandlung hergestellt. Es würde damit nämlich eine Generation akademischer Absolventen geschaffen, die während der vergangenen 20 Jahre in diesem Bereich tätig geworden seien und ihr Gastgewerbe weiter anstandslos ausüben könnten.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994, BGBl 194/1994, idF BGBl I 131/2004 (§16), BGBl I 111/2010 (§17), BGBl I 85/2012 (§18), BGBl I 65/2020 (§19) bzw BGBl I 94/2017 (§94, §111) lauten wie folgt:
"Besondere Voraussetzungen für die Ausübung von Gewerben
Befähigungsnachweis
Allgemeine Bestimmungen
§16. (1) Voraussetzung für die Ausübung von reglementierten Gewerben und von Teilgewerben ist ferner der Nachweis der Befähigung. Kann der Einschreiter diesen Nachweis nicht erbringen, so hat er einen Geschäftsführer (§39) zu bestellen. Dies gilt nicht für das Gewerbe der Rauchfangkehrer (§94 Z55). §9 Abs2 gilt in diesen Fällen mit der Maßgabe, dass die Bestellung des neue[n] Geschäftsführers binnen einem Monat zu erfolgen hat.
(2) Unter Befähigungsnachweis ist der Nachweis zu verstehen, daß der Einschreiter die fachlichen einschließlich der kaufmännischen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt, um die dem betreffenden Gewerbe eigentümlichen Tätigkeiten selbständig ausführen zu können.
(3) Die Befähigung zum Ausbilden von Lehrlingen wird durch die erfolgreiche Ablegung der Ausbilderprüfung oder einer dieser gleichzuhaltenden Prüfung oder durch die erfolgreiche Absolvierung des Ausbilderkurses oder einer diesem gleichzuhaltenden Ausbildung (§§29a, 29g und 29h des Berufsausbildungsgesetzes) nachgewiesen.
(4) Ausländische Prüfungszeugnisse über die Befähigung für einen einem reglementierten Gewerbe entsprechenden Beruf sind den österreichischen Prüfungszeugnissen für ein reglementiertes Gewerbe gleichgehalten, wenn dies in Staatsverträgen oder durch Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, mit der die Gleichwertigkeit festgestellt wurde, festgelegt worden ist. Hierüber ist über Antrag eine Bestätigung durch die Behörde auszustellen. […]
Befähigungsnachweis für reglementierte Gewerbe
§18. (1) Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat für jedes reglementierte Gewerbe, hinsichtlich der im §94 Z14, 32, 33, 41 und 46 genannten Gewerbe und hinsichtlich des im §94 Z42 genannten Gewerbes, soweit es sich um die Tätigkeiten des Piercens und Tätowierens handelt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen, durch Verordnung festzulegen, durch welche Belege – für sich allein oder in entsprechender Verbindung untereinander – die Zugangsvoraussetzungen zum betreffenden Gewerbe, gegebenenfalls für dessen eingeschränkte Ausübung, im Hinblick auf die hiefür erforderliche fachliche Befähigung jedenfalls als erfüllt anzusehen sind. Dabei hat der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit zu berücksichtigen, dass bei reglementierten Gewerben, bei denen der Qualifikation auf Grund der Richtlinie 92/51/EWG über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung der Richtlinie 89/48/EWG oder der Richtlinie 89/48/EWG über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome Diplomniveau zukommt, dieses Diplomniveau gewahrt bleibt.
(2) Als Belege im Sinne des Abs1 kommen in Betracht
1. Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Meisterprüfung bei den im §94 als Handwerke bezeichneten reglementierten Gewerben oder über eine sonstige Befähigungsprüfung;
2. Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Unternehmerprüfung;
3. Zeugnis über den Abschluss einer Studienrichtung an einer Universität;
4. Zeugnis über den erfolgreichen Besuch eines Fachhochschul-Studienganges;
5. Zeugnis über den erfolgreichen Besuch einer Schule;
6. Zeugnis über den erfolgreichen Besuch eines Lehrganges;
7. Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Lehrabschlussprüfung;
8. Zeugnis über eine fachliche Tätigkeit;
9. Zeugnis über eine Tätigkeit in leitender Stellung;
10. Zeugnis über eine Tätigkeit als Betriebsleiter;
11. Nachweise über eine Tätigkeit als Selbstständiger.
(3) Unter fachlicher Tätigkeit (Abs2 Z8) ist eine Tätigkeit zu verstehen, die geeignet ist, die Erfahrungen und Kenntnisse zu vermitteln, die zur selbstständigen Ausübung des betreffenden Gewerbes erforderlich sind. Unter Tätigkeit in leitender Stellung (Abs2 Z9) ist eine Tätigkeit zu verstehen, die überwiegend mit fachspezifischen Aufgaben und mit der Verantwortung für mindestens eine Abteilung des Unternehmens verbunden ist. Unter Tätigkeit als Betriebsleiter (Abs2 Z10) ist eine Tätigkeit zu verstehen, die in einer der folgenden Funktionen ausgeübt wurde
1. als Leiter des Unternehmens oder einer Zweigniederlassung oder
2. als Stellvertreter des Unternehmers oder des Leiters des Unternehmens, wenn mit dieser Stellung eine Verantwortung verbunden ist, die der des vertretenen Unternehmers oder Leiters entspricht oder
3. in leitender Stellung je nach der Eigenart des betreffenden Gewerbes mit kaufmännischen oder mit kaufmännischen und technischen Aufgaben und mit der Verantwortung für mindestens eine Abteilung des Unternehmens.
(4) Wenn es Gründe der Abwehr von besonderen Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen erfordern, hat der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit durch Verordnung festzulegen, dass Zeugnisse im Sinne des Abs2 für ein Gewerbe nicht mehr zu berücksichtigen sind, wenn der Inhaber des Zeugnisses seit der Prüfung, dem Abschluss der Ausbildung oder seit der fachlichen Tätigkeit, die durch das betreffende Zeugnis bescheinigt wird, zehn Jahre nicht mehr die den Gegenstand des betreffenden Gewerbes bildenden Tätigkeiten ausgeübt hat.
(5) Bei Schulen, bei denen eine Abschlussprüfung vorgesehen ist, ist der erfolgreiche Besuch (Abschluss) durch das Abschlussprüfungszeugnis (Reifeprüfungszeugnis), bei Schulen, bei denen keine Abschlussprüfung vorgesehen ist, durch das Abschlusszeugnis (Jahreszeugnis) nachzuweisen. Als Abschluss eines Studiums gilt der Abschluss eines Diplom‑, Bachelor‑, Master- oder Doktoratsstudiums. Als Abschluss eines Fachhochschul‑Studienganges gilt der Abschluss eines Fachhochschul-Bachelorstudienganges, eines Fachhochschul-Masterstudienganges oder eines Fachhochschul‑Diplomstudienganges. […]
(7) Der Befähigungsnachweis für das Gewerbe der Gärtner (§94 Z24) kann auch durch das Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Gärtnermeisterprüfung gemäß den Vorschriften über die land- und forstwirtschaftliche Berufsausbildung erbracht werden.
Individueller Befähigungsnachweis
§19. Kann der nach §18 Abs1 vorgeschriebene Befähigungsnachweis nicht erbracht werden, so hat die Behörde unter Bedachtnahme auf Vorschriften gemäß §18 Abs4 das Vorliegen der individuellen Befähigung festzustellen, wenn durch die beigebrachten Beweismittel die für die jeweilige Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nachgewiesen werden. Die Behörde hat das Vorliegen der individuellen Befähigung mit der Beschränkung auf Teiltätigkeiten des betreffenden Gewerbes auszusprechen, wenn die Befähigung nur in diesem Umfang vorliegt. §373d Abs4 ist sinngemäß anzuwenden. […]
Reglementierte Gewerbe
§94. Folgende Gewerbe sind reglementierte Gewerbe:
[…]
26. Gastgewerbe […]
Gastgewerbe
§111. (1) Einer Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe (§94 Z26) bedarf es für
1. die Beherbergung von Gästen;
2. die Verabreichung von Speisen jeder Art und den Ausschank von Getränken.
(2) Keines Befähigungsnachweises für das Gastgewerbe bedarf es für
[…]
3. die Verabreichung von Speisen in einfacher Art und den Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und von Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen, wenn hiebei nicht mehr als acht Verabreichungsplätze (zum Genuss von Speisen und Getränken bestimmte Plätze) bereitgestellt werden; […]"
2. Die Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Zugangsvoraussetzungen für das Gastgewerbe – Gastgewerbe‑Verordnung, BGBl II 51/2003, lautet wie folgt (die in Prüfung gezogene Bestimmung ist hervorgehoben):
"Auf Grund des §18 Abs1 der Gewerbeordnung 1994, BGBl Nr 194, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 111/2002, wird verordnet:
Zugangsvoraussetzungen
§1. (1) Durch die im Folgenden angeführten Belege ist die fachliche Qualifikation zum Antritt eines Gastgewerbes (§94 Z26 GewO 1994) als erfüllt anzusehen:
1. Zeugnis über den erfolgreichen Abschluss einer Fachakademie für Tourismus oder
2. Zeugnisse über den erfolgreichen Abschluss einer Studienrichtung an einer Universität oder eines zur Verleihung eines international gebräuchlichen Mastergrades führenden Universitätslehrganges oder
3. Zeugnis über den erfolgreichen Abschluss eines Fachhochschul-Studienganges, dessen schwerpunktmäßige Ausbildung im Bereich des Tourismus liegt, oder
4. Zeugnisse über den erfolgreichen Abschluss einer Höheren Lehranstalt für Tourismus oder einer Höheren Lehranstalt für Fremdenverkehrsberufe oder deren Sonderformen und Schulversuche, sofern im Rahmen der Schulausbildung ein Praktikum von insgesamt mindestens drei Monaten absolviert wurde, oder
5. Zeugnisse über die erfolgreich abgelegte Lehrabschlussprüfung in einem gastgewerblichen Lehrberuf (Koch, Restaurantfachmann, Hotel- und Gastgewerbeassistent, Systemgastronomiefachmann) oder in einem kaufmännischen Lehrberuf, sofern die kaufmännische Berufsausbildung im Rahmen eines Gastgewerbebetriebes absolviert wurde, oder
6. Zeugnisse über den erfolgreichen Abschluss einer mindestens dreijährigen berufsbildenden mittleren oder einer nicht durch
Z4 erfassten berufsbildenden höheren Schule, in der schwerpunktmäßig gastgewerbliche Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden, sofern im Rahmen der Schulausbildung ein Praktikum von insgesamt mindestens drei Monaten absolviert wurde, oder
7. Zeugnisse über den erfolgreichen Abschluss eines nicht durch eine andere Ziffer erfassten mindestens zweijährigen Speziallehrganges oder Lehrganges, in dem schwerpunktmäßig gastgewerbliche Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden, sofern im Rahmen des Ausbildungsganges ein Praktikum von insgesamt mindestens drei Monaten absolviert wurde, oder
8. Zeugnis über eine ununterbrochene dreijährige Tätigkeit in leitender Stellung (§18 Abs3 GewO 1994) im Gastgewerbe oder
9. Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Konditor (Zuckerbäcker) und eine nachfolgende ununterbrochene, mindestens eineinhalbjährige Tätigkeit als Selbstständiger oder als Betriebsleiter (§18 Abs3 GewO 1994) im Gastgewerbe oder
10. Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Konditor (Zuckerbäcker) und eine nachfolgende ununterbrochene, mindestens zweieinhalbjährige Tätigkeit in leitender Stellung im Gastgewerbe oder
11. Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Befähigungsprüfung.
(2) Die fachliche Qualifikation zum Antritt eines Gastgewerbes in der Betriebsart einer Kaffeekonditorei oder eines Eissalons ist weiters durch das Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Meisterprüfung im Handwerk der Konditoren (Zuckerbäcker) einschließlich der Lebzelter und der Konditen-, Gefrorenes- und Schokoladewarenerzeugung (§94 Z40 GewO 1994) als erfüllt anzusehen.
Übergangsbestimmungen
§2. Zeugnisse über eine erfolgreich abgelegte Konzessionsprüfung gemäß §1 Z3 der Gastgewerbe-Befähigungsnachweisverordnung, BGBl Nr 387/1974, sowie über eine erfolgreich abgelegte Befähigungsprüfung gemäß §2 der Gastgewerbe-Befähigungsnachweisverordnung, BGBl II Nr 19/1997, gelten als Zeugnisse über die Befähigungsprüfung gemäß §1 Z11."
3. Die Verordnung der Wirtschaftskammer Österreich über die Befähigungsprüfung für das reglementierte Gastgewerbe – Gastgewerbe‑Befähigungsprüfungsordnung, kundgemacht durch die Wirtschaftskammer Österreich am 31. August 2004, lautet wie folgt:
"Auf Grund der §§22 Abs1 und 352a Abs2 Gewerbeordnung 1994, BGBl Nr 194, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 48/2003, wird verordnet:
Anwendung der Allgemeinen Prüfungsordnung
§1. Auf die Durchführung der Befähigungsprüfung für das reglementierte Gastgewerbe (§94 Z26 GewO 1994) ist die Allgemeine Prüfungsordnung in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.
§2. Die Prüfung für das reglementierte Gastgewerbe besteht aus 2 Modulen.
Modul 1: Schriftliche Prüfung
§3. (1) Die schriftliche Prüfung ist ein einheitlicher Gegenstand und hat sich auf die für die selbständige Ausübung eines Gastgewerbes erforderlichen Kenntnisse in Unternehmensführung, insbesondere Kostenrechnung, Kalkulation und Controlling sowie Marketing, Management, Organisation und Kommunikation zu erstrecken. […]
Modul 2: Mündliche Prüfung
§5. (1) Die mündliche Prüfung besteht aus 3 Gegenständen:
1. Berufs- und Fachkunde (Abs2);
2. Recht (Abs3);
3. Technik und Hygiene (Abs4).
Die Gegenstände haben sich an den für die selbständige Ausübung eines Gastgewerbes erforderlichen Kenntnissen zu orientieren. Die mündliche Prüfung darf maximal 15 Minuten pro Gegenstand dauern. Kann eine zweifelsfreie Bewertung des Gegenstandes nicht getroffen werden, so kann eine Verlängerung um höchstens 5 Minuten im Einzelfall erfolgen.
(2) Im Gegenstand 'Berufs- und Fachkunde' sind dem Kandidaten Fragen aus folgenden Fächern zu stellen:
1. Lebensmittelkunde (einschließlich Grundzüge der Ernährungslehre);
2. Küchenkunde;
3. Getränkekunde;
4. Servierkunde.
(3) Im Gegenstand 'Recht' sind dem Kandidaten Fragen aus folgenden Fächern zu stellen:
a) Gewerberecht;
b) Unternehmerische Rechtskunde einschließlich der Vorschriften über die Preisauszeichnung im Gastgewerbe und der Jugendschutzvorschriften;
c) Arbeits- und Sozialrecht;
d) Steuer- und Abgabenrecht;
e) Melderecht;
f) Wirtschaftskammerorganisation.
(4) Im Gegenstand 'Technik und Hygiene' sind dem Kandidaten Fragen aus folgenden Fächern zu stellen:
1. Lebensmittelhygiene (inklusive HACCP);
2. Unfallverhütung;
3. Einschlägige Umweltschutzvorschriften (inklusive Abfallbewirtschaftung);
4. Logiskunde. […]"
III. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens
Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung zweifeln ließe. Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen eines Befähigungsnachweises iSd §1 Abs1 Gastgewerbe‑Verordnung geprüft und dies, insbesondere in Bezug auf §1 Abs1 Z2 leg cit, verneint. Der Umstand, dass die Aufhebung der Bestimmung für die beschwerdeführende Gesellschaft gegebenenfalls keinen Vorteil brächte, spielt für die Frage der Präjudizialität keine Rolle. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Verordnungsprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes konnten im Verordnungsprüfungsverfahren nicht zerstreut werden.
2.2. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Prüfungsbeschluss vom 5. Dezember 2023 festgestellt hat, stellt das Gastgewerbe gemäß §94 Z26 iVm §§111 ff GewO 1994 ein reglementiertes Gewerbe dar, für dessen Ausübung (ua) gemäß §16 Abs1 GewO 1994 der Nachweis der Befähigung erforderlich ist. Dabei handelt es sich um den Nachweis bestimmter fachlicher und kaufmännischer Qualifikationen, um die dem betreffenden Gewerbe eigentümlichen Tätigkeiten selbständig ausführen zu können (§16 Abs2 GewO 1994). Der Befähigungsnachweis dient dazu, einen gewissen Standard der Leistungen des Gewerbes iSd Konsumentenschutzes sicherzustellen (vgl RV 395 BlgNR 13. GP , 124) und zielt daher auf die Qualitätssicherung (vgl Potacs, Gewerberecht, in: Holoubek/Potacs [Hrsg.], Öffentliches Wirtschaftsrecht4, 2019, 38) und einen gewissen Ausbildungsstandard der Gewerbetreibenden ab. Die Legaldefinition des Befähigungsnachweises in §16 Abs2 GewO 1994 stellt auf die fachliche einschließlich der kaufmännischen Befähigung ab und legt dazu ausdrücklich die drei Elemente jeder Befähigung – Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen (vgl RV 395 BlgNR 13. GP , 124) – fest. Wird dieser Befähigungsnachweis durch Verordnung generell festgelegt, spricht §18 Abs1 GewO 1994 wörtlich davon, "durch welche Belege […] die Zugangsvoraussetzungen zum betreffenden Gewerbe […] im Hinblick auf die hiefür erforderliche fachliche Befähigung jedenfalls als erfüllt anzusehen sind". Die "erforderliche fachliche Befähigung" stellt damit (neben anderen Kriterien) den entscheidenden Faktor für den durch Verordnung festzulegenden Ausbildungsweg dar (vgl Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher, GewO Gewerbeordnung4, 2020, §18 Rz 6).
2.3. Vor dem Hintergrund der mit der selbstständigen Ausübung des Gastgewerbes verbundenen eigentümlichen Tätigkeiten, die sich – anders als von der verordnungserlassenden Behörde nahegelegt – gerade nicht im bloßen Kundenkontakt mit völlig unterschiedlichen Persönlichkeiten erschöpfen, verlangte die Gastgewerbe-Verordnung für den Zugang zum Gastgewerbe fortwährend einen bestimmten Ausbildungsstandard in Form eines fachspezifischen Ausbildungsinhalts und/oder einer gewissen Berufserfahrung.
2.4. Der Verfassungsgerichtshof hegte daher im Wesentlichen das Bedenken, §1 Abs1 Z2 Gastgewerbe‑Verordnung widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz, weil diese Bestimmung den Zugang zum Gastgewerbe ohne jeglichen Nachweis facheinschlägiger Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen ermöglicht, während ein facheinschlägiger Ausbildungsinhalt in allen anderen Fällen des §1 Abs1 leg cit gefordert ist.
2.5. Der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft bringt als verordnungserlassende Behörde auf das Wesentliche zusammengefasst vor, dass die drei Elemente des Befähigungsnachweises – fachliche und kaufmännische Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen – in einem flexiblen, von der spezifischen Eigenart des betreffenden Gewerbes abhängigen System und nach Maßgabe der dem konkreten Gewerbe eigentümlichen Tätigkeiten zu beurteilen seien. Bei den eigentümlichen Tätigkeiten des Gastgewerbes handle es sich um die Beherbergung von Gästen sowie die Verabreichung von Speisen jeder Art und den Ausschank von Getränken. Als geradezu klassisches soziales Dienstleistungsgewerbe erfordere das Gastgewerbe vor allem hohe soziale Kompetenz im Kontakt mit der (völlig unterschiedliche Persönlichkeiten umfassenden) Kundschaft, besondere Flexibilität im Erkennen unterschiedlicher Bedürfnisse sowie große Belastbarkeit verbunden mit ausdauernder Zielstrebigkeit. Dabei handle es sich nach Ansicht der verordnungserlassenden Behörde zweifellos um jene Fähigkeiten, die grundsätzlich erforderlich seien, um ein akademisches Studium – unabhängig von der Studienrichtung – erfolgreich abschließen zu können. Damit seien die prävalierenden Eigentümlichkeiten des Gastgewerbes von allen Studienrichtungen grundsätzlich abgedeckt, auch wenn einzelne Studienrichtungen diverse Aspekte, die zur erfolgreichen Selbstständigkeit dazugehören würden, in der einen oder anderen Weise besonders beleuchteten.
2.6. Die von der verordnungserlassenden Behörde für den erfolgreichen Abschluss eines universitären Studiums ins Treffen geführten Fähigkeiten – soziale Kompetenz, Flexibilität, Belastbarkeit und Zielstrebigkeit – mögen zwar vom allgemeinen Berufsbild eines Gastwirtes umfasst und für den kaufmännischen Erfolg bei der Ausübung des Gastgewerbes als einem (sozialen) Dienstleistungsgewerbe maßgeblich sein. Bei den angeführten Fähigkeiten handelt es sich jedoch nicht um Fähigkeiten, die dazu geeignet sind, eine fachspezifische Befähigung nachzuweisen.
2.7. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits im Prüfungsbeschluss ausgeführt hat, ist es nicht nachvollziehbar, inwiefern der bloße Abschluss eines für das Gastgewerbe nicht facheinschlägigen Universitätsstudiums oder Master‑Universitätslehrganges den erforderlichen fachlichen und kaufmännischen Ausbildungsstandard sicherstellen und es rechtfertigen kann, den Zugang zum Gastgewerbe ohne jeglichen Nachweis facheinschlägiger Kenntnisse zu ermöglichen, während ein facheinschlägiger Ausbildungsinhalt in allen anderen Fällen gefordert ist. Für ein derartiges undifferenziertes Abstellen auf jegliche Art von Universitätsabschluss bzw Abschluss eines Master‑Universitätslehrganges sieht der Verfassungsgerichtshof keine sachliche Rechtfertigung.
2.8. §1 Abs1 Z2 Gastgewerbe-Verordnung ist daher wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz als gesetzwidrig aufzuheben. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere im Prüfungsbeschluss dargelegte Bedenken.
IV. Ergebnis
1. §1 Abs1 Z2 der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Zugangsvoraussetzungen für das Gastgewerbe – Gastgewerbe-Verordnung, BGBl II 51/2003, wird daher wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz als gesetzwidrig aufgehoben.
2. Die Verpflichtung des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B‑VG und §59 Abs2 VfGG iVm §4 Abs1 Z4 BGBlG.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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