VfGH V11/2018

VfGHV11/201814.6.2018

Gleichheitswidrigkeit einer Regelung über die Anerkennung von Abschlussprüfungen an näher bestimmten Schulen als Teilprüfung "Fachbereich" der Berufsreifeprüfung; formale Anknüpfung an "im Schulorganisationsgesetz geregelte" Schulen ohne Prüfung der Gleichwertigkeit des Bildungsziels, des Unterrichtsausmaßes, der Pflichtgegenstände und der vermittelten Lehrinhalte sachlich nicht gerechtfertigt

Normen

B-VG Art139 Abs1 Z1
B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
V des BM für Bildung, Wissenschaft und Kultur über den Ersatz von Prüfungsgebieten der Berufsreifeprüfung §2 Z5
BerufsreifeprüfungsG §3 Abs1 Z4, Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2018:V11.2018

 

Spruch:

I. §2 Z5 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Kultur über den Ersatz von Prüfungsgebieten der Berufsreifeprüfung, BGBl II Nr 268/2000, idF BGBl II Nr 218/2016 wird als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B‑VG gestützten Antrag begehrt das Bundesverwaltungsgericht, §2 Z5 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Kultur über den Ersatz von Prüfungsgebieten der Berufsreifeprüfung, BGBl II 268/2000, idF BGBl II 218/2016 (im Folgenden: "BRP‑Ersatz‑VO") als gesetzwidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Berufsreifeprüfung (Berufsreifeprüfungsgesetz – BRPG), BGBl I 68/1997, idF BGBl I 47/2017 lauten wie folgt:

"Allgemeine Bestimmungen

§1. (1) Personen ohne Reifeprüfung können nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes durch die Ablegung der Berufsreifeprüfung die mit der Reifeprüfung einer höheren Schule verbundenen Berechtigungen erwerben, wenn sie eine der nachstehend genannten Prüfungen bzw. Ausbildungen erfolgreich abgelegt bzw. absolviert haben:

 

1. Lehrabschlussprüfung nach dem Berufsausbildungsgesetz, BGBl Nr 142/1969,

2. Facharbeiterprüfung nach dem Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetz, BGBl Nr 298/1990,

3. mindestens dreijährige mittlere Schule,

4. mindestens dreijährige Ausbildung nach dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, BGBl I Nr 108/1997,

5. mindestens 30 Monate umfassende Ausbildung nach dem Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste (MTF-SHD-G), BGBl Nr 102/1961,

6. Meisterprüfung nach der Gewerbeordnung 1994, BGBl Nr 194,

7. Befähigungsprüfung nach der Gewerbeordnung 1994, BGBl Nr 194,

8. land- und forstwirtschaftliche Meisterprüfung nach dem Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetz, BGBl Nr 298/1990,

9. Dienstprüfung gemäß §28 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979), BGBl Nr 333/1979 bzw. §67 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 (VBG), BGBl Nr 86/1948, in Verbindung mit §28 BDG 1979 für eine entsprechende oder höhere Einstufung in die Verwendungs- bzw. Entlohnungsgruppen A4, D, E2b, W 2, M BUO 2, d oder die Bewertungsgruppe v4/2, jeweils gemeinsam mit einer tatsächlich im Dienstverhältnis verbrachten Dienstzeit von mindestens drei Jahren nach Vollendung des 18. Lebensjahres,

10. erfolgreicher Abschluss sämtlicher Pflichtgegenstände in allen Semestern der 10. und 11. Schulstufe einer berufsbildenden höheren Schule oder einer höheren Anstalt der Lehrer- und Erzieherbildung jeweils gemeinsam mit einer mindestens dreijährigen beruflichen Tätigkeit sowie erfolgreicher Abschluss aller Module über Pflichtgegenstände der ersten vier Semester einer berufsbildenden höheren Schule für Berufstätige oder einer höheren Anstalt der Lehrer- und Erzieherbildung für Berufstätige,

11. erfolgreicher Abschluss eines gemäß §5 Abs3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl Nr 305, durch Verordnung des zuständigen Bundesministers genannten Hauptstudienganges an einem Konservatorium,

12. erfolgreicher Abschluss eines mindestens dreijährigen künstlerischen Studiums an einer Universität gemäß Universitätsgesetz 2002, BGBl I Nr 120, oder an einer Privatuniversität gemäß Universitäts-Akkreditierungsgesetz, BGBl I Nr 168/1999, für welches die allgemeine Universitätsreife mittels positiv beurteilter Zulassungsprüfung nachzuweisen war,

13. erfolgreicher Abschluss einer Ausbildung zum Heilmasseur gemäß dem Bundesgesetz über die Berufe und die Ausbildung zum medizinischen Masseur und Heilmasseur – MMHmG, BGBl I Nr 169/2002,

14. erfolgreicher Abschluss einer Ausbildung in der medizinischen Fachassistenz gemäß Medizinische Assistenzberufe-Gesetz (MABG), BGBl I Nr 89/2012,

15. erfolgreicher Abschluss einer Ausbildung in der Pflegefachassistenz gemäß Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – GuKG, BGBl I Nr 108/1997.

 

(2) Zu den mit der Reifeprüfung einer höheren Schule verbundenen Berechtigungen zählen insbesondere die Berechtigung zum Besuch von Kollegs, Fachhochschulen und Fachhochschul-Studiengängen, Pädagogischen Hochschulen, anerkannten privaten Pädagogischen Hochschulen und Studiengängen, Universitäten und akkreditierten Privatuniversitäten sowie die Erfüllung der Ernennungserfordernisse gemäß Z2.11 der Anlage 1 zum Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl Nr 333.

(3) Die Berufsreifeprüfung ist eine Externistenprüfung im Sinne des §42 des Schulunterrichtsgesetzes, BGBl Nr 472/1986 in seiner jeweils geltenden Fassung. Soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt wird, gelten die Vorschriften über Externistenprüfungen.

 

[…]

Inhalt und Umfang der Berufsreifeprüfung

§3. (1) Die Berufsreifeprüfung umfaßt folgende Teilprüfungen:

 

1. Deutsch: eine fünfstündige schriftliche Klausurarbeit mit den Anforderungen einer Reifeprüfung einer höheren Schule und eine mündliche Prüfung bestehend aus einer Präsentation der schriftlichen Klausurarbeit und Diskussion derselben;

2. Mathematik (bzw. Mathematik und angewandte Mathematik): eine viereinhalbstündige schriftliche Klausurarbeit mit den Anforderungen einer Reifeprüfung einer höheren Schule und eine allfällige mündliche Kompensationsprüfung;

3. Lebende Fremdsprache: nach Wahl des Prüfungskandidaten eine fünfstündige schriftliche Klausurarbeit oder eine mündliche Prüfung mit den Anforderungen einer Reifeprüfung einer höheren Schule;

4. Fachbereich: eine fünfstündige schriftliche Klausurarbeit über ein Thema aus dem Berufsfeld des Prüfungskandidaten (einschließlich des fachlichen Umfeldes) und eine diesbezügliche mündliche Prüfung mit dem Ziel einer Auseinandersetzung auf höherem Niveau.

 

(2) Die Prüfung gemäß Abs1 Z3 bzw. Abs1 Z4 und Abs3 Z2 entfällt für Personen, die eine nach Inhalt, Prüfungsform, Prüfungsdauer und Niveau gleichwertige Prüfung erfolgreich abgelegt haben. Der zuständige Bundesminister hat durch Verordnung jene Meister-, Befähigungs- und sonstigen Prüfungen festzulegen, die diesen Anforderungen entsprechen.

 

(3) Die Teilprüfung gemäß Abs1 Z4 kann

1. auch über ein Thema abgelegt werden, das sowohl der beruflichen Tätigkeit des Prüfungskandidaten als auch dem Ausbildungsziel einer berufsbildenden höheren Schule zugeordnet werden kann, oder

2. an Stelle der fünfstündigen schriftlichen Klausurarbeit auch in Form einer projektorientierten Arbeit (einschließlich einer Präsentation und Diskussion unter Einbeziehung des fachlichen Umfeldes) auf höherem Niveau abgelegt werden (Projektarbeit)."

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Kultur über den Ersatz von Prüfungsgebieten der Berufsreifeprüfung, BGBl II 268/2000, idF BGBl II 218/2016 lauten wie folgt (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"§1. Die Prüfung gemäß §3 Abs1 Z3 des Bundesgesetzes über die Berufsreifeprüfung, BGBl I Nr 68/1997, entfällt für Personen, die eine der folgenden Prüfungen erfolgreich abgelegt haben:

 

[…]

 

§2. Die Prüfung gemäß §3 Abs1 Z4 des Bundesgesetzes über die Berufsreifeprüfung, BGBl I Nr 68/1997, entfällt für Personen, die eine der folgenden Prüfungen erfolgreich abgelegt haben:

 

[…]

 

5. erfolgreiche Abschlussprüfung von im Schulorganisationsgesetz, BGBl Nr 242/1962, geregelten vierjährigen berufsbildenden mittleren Schulen, sofern im Rahmen der Prüfung eine Abschlussarbeit absolviert wurde,

[…]"

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Die Beschwerdeführerin vor dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden kurz: "Beschwerdeführerin") besuchte von 10. September 2012 bis 8. Juli 2016 die landwirtschaftliche Fachschule Ritzlhof, Fachrichtung Gartenbau, und schloss diese am 8. Juli 2016 durch erfolgreiche Ablegung der vorgesehenen Abschlussprüfung ab. Mit Entscheidung des Vorsitzenden der Prüfungskommission vom 10. Juni 2016 wurde die Beschwerdeführerin zur Ablegung der Berufsreifeprüfung zugelassen. Antragsgemäß wurde u.a. festgelegt, dass die Teilprüfung "Fachbereich" durch die in Aussicht genommene Ablegung einer Meisterprüfung ersetzt werde. In weiterer Folge strebte die Beschwerdeführerin nicht mehr den Entfall der Teilprüfung "Fachbereich" durch die Ablegung der Meisterprüfung an, sondern beantragte mit Schreiben vom 8. September 2016 auf Grund des erfolgreichen Abschlusses der landwirtschaftlichen Fachschule Ritzlhof den Entfall der Teilprüfung "Fachbereich" gemäß §3 Abs2 BRPG iVm §2 Z5 BRP-Ersatz-VO.

1.2. Mit der Entscheidung des Vorsitzenden der Prüfungskommission vom 15. September 2016 wurde die am 8. Juli 2016 abgelegte Abschlussprüfung samt Abschlussarbeit nicht als Teilprüfung "Fachbereich" der Berufsreifeprüfung anerkannt. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der erforderliche Nachweis für den Entfall nicht erbracht werden konnte, weil es sich bei der landwirtschaftlichen Fachschule Ritzlhof um keine im Schulorganisationsgesetz (kurz: "SchOG", BGBl 262/1962) geregelte vierjährige berufsbildende mittlere Schule handle.

1.3. Mit Bescheid vom 21. November 2016 wies die Bundesministerin für Bildung den dagegen erhobenen Widerspruch der Beschwerdeführerin im Wesentlichen mit der gleichen Begründung ab. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und brachte dabei im Wesentlichen vor, die in §2 Z5 BRP-Ersatz-VO normierte Beschränkung auf Schulen, wie sie im SchOG geregelt sind, sei gesetzwidrig, verstoße gegen den Gleichheitssatz, gegen das "Recht auf Bildung" und gegen das Berücksichtigungsgebot.

2. Aus Anlass dieses Verfahrens entstanden beim Bundesverwaltungsgericht Bedenken hinsichtlich §2 Z5 BRP-Ersatz-VO, die im gemäß Art139 Abs1 Z1 B‑VG an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Antrag wie folgt dargelegt werden:

2.1. Präjudizialität liege vor, weil die vor dem Bundesverwaltungsgericht belangte Behörde den Widerspruch der Beschwerdeführerin gemäß §3 Abs2 und §10 BRPG iVm §2 Z5 BRP-Ersatz-VO abgewiesen und dazu ausgeführt habe, dass die an der betroffenen Fachschule erfolgreich abgelegte Abschlussprüfung samt Abschlussarbeit nicht zum Entfall der Teilprüfung aus dem "Fachbereich" der Berufsreifeprüfung berechtige. Konkret habe sich die belangte Behörde darauf gestützt, dass es sich bei der betroffenen Fachschule um keine im SchOG geregelte Schulart handle, vielmehr sei diese Schule im Oö. Land- und forstwirtschaftlichen Schulgesetz geregelt. Aus diesem Grund habe das Bundesverwaltungsgericht §2 Z5 BRP-Ersatz-VO anzuwenden und die angefochtene Wortfolge sei daher präjudiziell iSd Art89 Abs2 iVm Art135 Abs4 iVm Art139 Abs1 Z1 B‑VG.

Für die Bereinigung der gesetzwidrigen Rechtslage sei die Aufhebung von §2 Z5 BRP-Ersatz-VO notwendig. Eine zu weite Fassung des Antrages würde diesen nach der jüngsten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht unzulässig machen.

2.2. In inhaltlicher Hinsicht sei aus Sicht des Gleichheitssatzes keine sachliche Rechtfertigung dafür zu finden, dass der Entfall der Teilprüfung "Fachbereich" der Berufsreifeprüfung davon abhängig gemacht werde, dass der erfolgreiche Abschluss von im SchOG geregelten vierjährigen berufsbildenden mittleren Schulen, sofern im Rahmen der Prüfung eine Abschlussarbeit absolviert wurde, nachgewiesen wird. Denn durch diese Anknüpfung an eine "im Schulorganisationsgesetz geregelte" vierjährige berufsbildende mittlere Schule würden Absolventen land- und forstwirtschaftlicher Fachschulen ohne Prüfung der Gleichwertigkeit des Bildungszieles, des Unterrichtsausmaßes, der Pflichtgegenstände und der vermittelten Lehrinhalte der besuchten Schule institutionell von der Anrechnung bzw. Anerkennung einer Teilprüfung der Berufsreifeprüfung ausgeschlossen.

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes sei §3 Abs2 BRPG so zu verstehen, dass nur solche erfolgreich abgeschlossenen Abschlussprüfungen als gleichwertig gelten sollen, die in §2 Z5 BRP-Ersatz-VO abschließend genannt sind. Aus den Erläuterungen zum BRPG und der BRP-Ersatz-VO ergebe sich, dass eine parallel zur "verordneten Gleichwertigkeit" durchzuführende individuelle Gleichwertigkeitsprüfung erfolgreich abgelegter Abschlussprüfungen nicht vorgesehen sei.

Dass dem Bundesgesetzgeber keine inhaltliche Gestaltungsmöglichkeit zukomme, österreichweit einheitliche Standards hinsichtlich der Abschlussarbeiten im Rahmen vierjähriger land- und forstwirtschaftlicher Fachschulen vorzusehen, bedeute nicht, dass nicht trotzdem geprüft werden könne, ob landesrechtlich geregelte Schulen gleichwertige Abschlussprüfungen abhalten, um sie gegebenenfalls in §2 Z5 BRP-Ersatz-VO mitaufzunehmen. Damit wären jene Abschlussprüfungen, die zum Entfall führen, im Sinne des §3 Abs2 BRPG festgelegt und wie in den Erläuterungen vorgesehen "abschließend genannt".

Auch seien die Aufgaben bzw. Bildungsziele der land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen und der berufsbildenden mittleren (Bundes-)Schulen – wie das Bundesverwaltungsgericht näher darlegt – jedenfalls vergleichbar, sodass eine Gleichwertigkeitsprüfung nicht aus Gründen einer unterschiedlichen Ausbildungsintention der jeweiligen Institution ausscheide. Aus den genannten Gründen hege das Bundesverwaltungsgericht die vorgebrachten Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit von §2 Z5 BRP-Ersatz-VO.

3. Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung hat als verordnungserlassende Behörde die Akten betreffend das Zustandekommen der zur Prüfung gestellten Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag dargelegten Bedenken – zusammengefasst – wie folgt entgegengetreten wird:

3.1. Das Bundesverwaltungsgericht habe den Aufhebungsumfang überschießend bzw. zu eng gewählt, weil durch die Aufhebung von §2 Z5 BRP-Ersatz-VO eine den Anlassfall nicht umfassende Norm wegfiele. Denn diese Vorschrift beziehe sich nicht auf land- und forstwirtschaftliche Schulen. Auch nach einer möglichen Aufhebung von §2 Z5 BRP-Ersatz-VO würden land- und forstwirtschaftliche Fachschulen von dieser Regelung nicht mitumfasst sein. Eine dem Antragsbegehren entsprechende Rechtslage könne lediglich durch einen Akt der positiven Rechtsetzung erreicht werden, indem die taxative Aufzählung der BRP-Ersatz-VO um die entsprechende Abschlussprüfung ergänzt werde.

3.2. Würden land- und forstwirtschaftliche Fachschulen pauschal in die BRP-Ersatz-VO aufgenommen werden, käme es zu einem verfassungswidrigen dynamischen Verweis von Bundesrecht auf Landesrecht. Denn der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung würde dem Landesgesetzgeber seine Kompetenz überlassen festzulegen, ob eine Prüfung nach Inhalt, Prüfungsform, Prüfungsdauer und Niveau gemäß §3 Abs1 Z3 und 4 und Abs3 Z2 BRPG gleichwertig sei.

Sollte bei einzelnen Abschlussprüfungen an land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen der Länder individuelle Gleichwertigkeit vorliegen, sei es denkbar, diese explizit – durch statischen Verweis auf die jeweiligen entsprechenden landesgesetzlichen Bestimmungen – in die BRP-Ersatz-VO aufzunehmen. Die Systematik der BRP-Ersatz-VO zeige, dass sämtliche bisherigen Verweisungen auf Landesgesetze statisch und explizit unter Angabe der konkreten Fundstelle erfolgt seien (zB §2 Z8a BRP-Ersatz-VO). Die Aufnahme von Abschlussprüfungen an land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen in §2 Z5 BRP-Ersatz-VO, der den im SchOG geregelten Schulen vorbehalten sei, wäre damit nicht zielführend und systemwidrig. Dies hätte bei Vorliegen von individueller Gleichwertigkeit in einer – von Z5 unterschiedlichen – eigenen Ziffer zu erfolgen.

3.3. Wegen der unterschiedlichen Zuständigkeiten des Bundesgesetzgebers und der Landesgesetzgeber im Hinblick auf nach dem SchOG geregelte Schulen und land- und forstwirtschaftliche Fachschulen sei es – unbeschadet einer allfälligen Gleichwertigkeit – ausgeschlossen, dass Abschlussprüfungen an land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen pauschal in die BRP-Ersatz-VO aufgenommen werden. Auch entspreche es dem historischen Willen des Gesetzgebers, dass nur im SchOG geregelte Schulen in §2 Z5 BRP-Ersatz-VO aufgenommen werden.

3.4. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes sei nicht zu erkennen. Der Grund, Abschlussprüfungen der land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen bisher nicht in die BRP-Ersatz-VO aufzunehmen, ergebe sich nicht aus der kompetenzrechtlichen Zuständigkeit der Länder zur Gesetzgebung bzw. Ausführungsgesetzgebung, sondern aus der mangelnden Gleichwertigkeit dieser Prüfungen gemäß §3 Abs2 BRPG mit Teilprüfungen der Berufsreifeprüfung.

3.5. Eine etwaige vom Bundesverwaltungsgericht angedachte "zusätzliche Gleichwertigkeitsprüfung" bzw. ein "individuelles Überprüfungsverfahren" für Abschlussprüfungen von landesrechtlich geregelten vierjährigen land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen sei nicht zielführend und sogar gesetzwidrig, weil jene Abschlussprüfungen, die zum Entfall führen, gemäß §3 Abs2 BRPG "festzulegen" seien, dh. "abschließend genannt" werden sollen (IA 152/A BlgNR 21. GP , 10). Auch die Erläuterungen zum Begutachtungsentwurf der Stammfassung der BRP-Ersatz-VO würden die Notwendigkeit der taxativen Auflistung der Abschlussprüfungen unterschiedlicher Ausbildungen unter Hinweis auf die jeweiligen Fundstellen betonen.

4. Die Beschwerdeführerin erstattete eine Äußerung, in der sie im Wesentlichen den vom Bundesverwaltungsgericht vorgebrachten Argumenten beitritt.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw. des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2001). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; VfSlg 20.082/2016), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl. zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Verordnung dieser ein völlig veränderter, dem Verordnungsgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).

Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit alle vom Antrag erfassten Bestimmungen präjudiziell sind oder der Antrag mit solchen untrennbar zusammenhängende Bestimmungen erfasst, führt dies – ist der Antrag in der Sache begründet – im Fall der Aufhebung nur eines Teiles der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zu seiner teilweisen Abweisung (vgl. VfSlg 19.746/2013, 19.905/2014). Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die im Verfahren vor dem antragstellenden Gericht nicht präjudiziell sind, führt dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmungen zur partiellen Zurückweisung des Antrages (siehe VfSlg 18.486/2008, 18.298/2007; soweit diese Voraussetzungen vorliegen, führen zu weit gefasste Anträge also nicht mehr – vgl. noch VfSlg 14.342/1995, 15.664/1999, 15.928/2000, 16.304/2001, 16.532/2002, 18.235/2007 – zur Zurückweisung des gesamten Antrages).

1.2. Da das Bundesverwaltungsgericht den Prüfungsumfang zutreffend abgegrenzt hat und auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl. VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2. Der Antrag ist begründet.

2.2.1. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Verordnungsgeber (vgl. zur Prüfung von Verordnungsbestimmungen am Maßstab des Verfassungsrechts VfSlg 17.960/2006, 19.033/2010). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. VfSlg 19.779/2013 bzw. zum Sachlichkeitsgebot bei Gesetzen VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001).

2.2.2. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes sei keine sachliche Rechtfertigung dafür zu finden, dass der Entfall der Teilprüfung "Fachbereich" der Berufsreifeprüfung davon abhängig gemacht werde, dass der erfolgreiche Abschluss von im SchOG geregelten vierjährigen berufsbildenden mittleren Schulen, sofern im Rahmen der Prüfung eine Abschlussarbeit absolviert wurde, nachgewiesen wird. Denn durch diese Anknüpfung an eine "im Schulorganisationsgesetz geregelte" vierjährige berufsbildende mittlere Schule werden Absolventen land- und forstwirtschaftlicher Fachschulen ohne Prüfung der Gleichwertigkeit des Bildungsziels, des Unterrichtsausmaßes, der Pflichtgegenstände und der vermittelten Lehrinhalte der besuchten Schule institutionell von der Anrechnung bzw. Anerkennung einer Teilprüfung der Berufsreifeprüfung ausgeschlossen.

2.2.3. Grundlage für die BRP-Ersatz-VO ist §3 Abs2 BRPG. Danach entfällt die im Zuge der Berufsreifeprüfung abzulegende Teilprüfung "Fachbereich" für Personen, "die eine nach Inhalt, Prüfungsform, Prüfungsdauer und Niveau gleichwertige Prüfung erfolgreich abgelegt haben". Jene Meister-, Befähigungs- und sonstigen Prüfungen, die diesen Anforderungen entsprechen, sind vom zuständigen Bundesminister durch Verordnung abschließend festzulegen. Nach diesem System scheidet eine Einzelfallprüfung aus. In Ausübung dieser Ermächtigung wird in §2 Z5 BRP-Ersatz-VO festgelegt, dass die Teilprüfung "Fachbereich" für Personen entfällt, die eine "Abschlussprüfung von im Schulorganisationsgesetz, BGBl Nr 242/1962, geregelten vierjährigen berufsbildenden mittleren Schulen, sofern im Rahmen der Prüfung eine Abschlussarbeit absolviert wurde", erfolgreich abgelegt haben.

2.2.4. §3 Abs2 BRPG stellt als gesetzliche Grundlage für die BRP-Ersatz-VO im Hinblick auf den Entfall der Teilprüfung "Fachbereich" auf die "Gleichwertigkeit" und somit auf inhaltliche Kriterien ab. Dementsprechend heißt es in den Erläuterungen zu §3 Abs2 BRPG: "Im Zuge der Erlassung der Verordnung auf Grund des neuen §3 Abs2 werden die Prüfungen, die zu einem Entfall der Prüfungsgebiete gemäß §3 Abs1 Z3 oder 4 führen sollen, hinsichtlich Inhalt, Prüfungsform, Prüfungsdauer und Niveau auf deren Gleichwertigkeit mit den Anforderungen in Abs1 Z3 und 4 zu überprüfen sein" (IA 152/A BlgNR 21. GP , 10). Wenn die verordnungserlassende Behörde einwendet, dass nur für die im SchOG geregelten berufsbildenden mittleren Schulen ein einheitliches Niveau und ein einheitlicher Prüfungsumfang der abschließenden Prüfung durch den Bundesgesetzgeber festgelegt werden könne und dass der Bund keinen Einfluss auf die Ausgestaltung von Abschlussprüfungen an land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen habe, übersieht sie daher, dass es nicht um die Regelung dieser schulrechtlichen Materie als solche geht, sondern darum, in welcher Form die BRP-Ersatz-VO an Vorschriften des jeweils kompetenten Gesetzgebers anknüpft.

2.2.5. Aus §3 Abs2 BRPG folgt weiters, dass die Einbeziehung von Abschlussprüfungen, die an anderen als nach dem SchOG geregelten Schulen abgelegt werden, in §2 Z5 BRP-Ersatz-VO nicht nur zulässig, sondern im Fall der Gleichwertigkeit verpflichtend ist. Dabei ergibt sich insbesondere aus dem Gleichheitssatz, dass die Auswahl der Abschlussprüfungen, die zu einem Entfall der Teilprüfung "Fachbereich" führen, nach sachlichen Kriterien vorzunehmen ist (vgl. grundsätzlich VfSlg 19.270/2010).

Die verordnungserlassende Behörde hat in §2 Z5 BRP-Ersatz-VO den Entfall der Teilprüfung "Fachbereich" auf Schulen eingeschränkt, die im SchOG geregelt sind, und stellt damit auf ein formal-organisatorisches und nicht auf das inhaltliche Kriterium der Gleichwertigkeit ab. Für den Verfassungsgerichtshof ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum von vornherein keine Gleichwertigkeit zwischen Abschlussprüfungen, die an im SchOG geregelten Schulen, und solchen wie jener des vorliegenden Falles, die nicht an im SchOG geregelten Schulen abgelegt werden, bestehen sollte. Dies wird auch nicht aus dem Verordnungsakt ersichtlich. Vielmehr ist darin eine Stellungnahme der Abteilung "Technische, gewerbliche und kunstgewerbliche Schulen" im zuständigen Bundesministerium enthalten, aus der sich ergibt, dass zwischen dem Lehrplan der im vorliegenden Fall betroffenen Fachschule Ritzlhof, Fachrichtung Gartenbau, und dem Lehrplan einer im SchOG geregelten Fachschule (§58 SchOG) hinsichtlich der Gesamt- bzw. Jahreswochenstundenzahlkeinesignifikanten Unterschiede bestehen.

2.2.6. Vor diesem Hintergrund ist es für den Verfassungsgerichtshof nicht nachvollziehbar, weshalb Abschlussprüfungen, die nicht an einer im SchOG geregelten Schule abgelegt werden, ausnahmslos – nämlich auch dann, wenn sie inhaltlich gleichwertig sind – aus dem Anwendungsbereich des §2 Z5 BRP-Ersatz-VO ausgeschlossen werden. §2 Z5 BRP-Ersatz-VO verstößt somit aus den dargelegten Gründen gegen den Gleichheitsgrundsatz und ist daher aufzuheben.

V. Ergebnis

1. §2 Z5 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Kultur über den Ersatz von Prüfungsgebieten der Berufsreifeprüfung, BGBl II 268/2000, idF BGBl II 218/2016 ist daher wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Die Verpflichtung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschungzur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B‑VG und §59 Abs2 VfGG iVm §4 Abs1 Z4 BGBlG.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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