UFS RV/0286-F/11

UFSRV/0286-F/115.7.2013

Auch Grenzgänger nach der Schweiz können die Steuerfreiheit von Tagesgeldern beanspruchen

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Dr. Kopf und die weiteren Mitglieder Dr. Gerald Daniaux, Mag. Tino Ricker und Mag. Michael Kühne über die Berufung des Bw, vertreten durch WT, vom 21. Juni 2010 gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom 20. Mai 2010 betreffend Einkommensteuer 2009 nach der am 26. Juni 2013 in 6800 Feldkirch, Schillerstraße 2, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Dier Einkommensteuer 2009 wird festgesetzt mit 2.632,67 €..

Die Bemessungsgrundlage und die Abgabenberechnung sind den angeschlossenen Berechnungsblättern (2) zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Spruches.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber, nachfolgend Bw abgekürzt, steht als Berufskraftfahrer in einem Arbeitsverhältnis zu einem Schweizer Arbeitgeber. Er wurde von seinem Arbeitgeber arbeitstäglich für Fahrten mit dem LKW in der Region Zürcher Oberland (im Raum Winterthur - Zürich - Rapperswil) eingesetzt. Abgangs- und Zielort bildete jeweils Altenrhein. Die vom Bw im Streitjahr erzielten Einkünfte sind gemäß Art. 15 Abs. 1 iVm Art. 23 Abs. 2 DBA Schweiz in Österreich (unter der Verpflichtung zur Anrechnung der Schweizer Quellensteuer) steuerpflichtig. Laut einer Beilage zur Einkommensteuererklärung erhielt der Bw von seinem Arbeitgeber im Streitjahr insgesamt 6.944 SFR Spesenaufwendungen pauschal abgegolten, für die er die Steuerfreiheit gemäß § 3 Abs. 1 Z 16b EStG geltend machte. Grundlage der Spesenzahlung bildet das vom kantonalen Steueramt genehmigte, für sämtliche Mitarbeiter seines Arbeitgebers geltende Spesenreglement. Die Bedeutung des Reglements liegt darin, dass es als konkrete Ausformung des Arbeitsvertrages einerseits den Arbeitgeber von der grundsätzlichen Verpflichtung dispensiert, die den Arbeitnehmern gebührenden Spesenvergütungen exakt zu ermitteln und zu bescheinigen. Andererseits befreit es auch den Arbeitnehmer von der Verpflichtung, den vertraglich und gesetzlich zustehenden Aufwandsersatz dem Arbeitgeber gegenüber einzeln zu belegen und abzurechnen. Gemäß dem Reglement gelten als Spesen die Auslagen, die Mitarbeitenden im Interesse des Arbeitgebers anfallen, wobei diese verpflichtet sind, ihre Spesen möglichst niedrig zu halten und die für die Ausübung der Tätigkeit nicht notwendigen Aufwendungen selbst zu tragen. Treten Mitarbeitende eine Geschäftsreise an oder sind sie aus anderen Gründen gezwungen, sich außerhalb ihres sonstigen Arbeitsortes zu verpflegen, haben sie Anspruch auf Vergütung der effektiven Kosten. Berufschauffeure wie der Bw, die im (aus Sicht des Arbeitgebers) inländischen Überlandverkehr eingesetzt wird, haben Anspruch auf monatliche Pauschalspesen in Höhe von 600 CHF, mit denen sämtliche Aufwendungen für auswärtige, das heißt außerhalb ihres sonstigen Arbeitsortes erforderliche Verpflegung, abgegolten sind. Diese Pauschalspesen sind (in der Schweiz) weder steuer- noch sozialversicherungspflichtig. Sie werden im Lohnausweis als "Pauschalspesen für ständige auswärtige Verpflegung" ausgewiesen. Aus den monatlichen Lohnblättern geht hervor, dass der Bw von seinem Arbeitgeber für 234 Tage jeweils 31 CHF an derartigen Pauschalspesen erhalten hat (234 x 31 = 7.254). Die Differenz zwischen den Spesen, für die der Bw die Steuerfreiheit gemäß § 3 Abs.1 Z 16b EStG geltend gemacht hat, und jenen, welche ihm ausbezahlt worden sind, ist darauf zurückzuführen, dass der Bw entsprechend dem Spesenreglement zT auch bei krankheits- bzw unfallbedingter Abwesenheit Spesen erhalten hat.

Das Finanzamt wich bei der Veranlagung vom Begehren des Bw mit folgender Begründung ab: "Die Pauschalspesen lt. Spesenreglement der Firma AG wurden dem Bruttolohn hinzugerechnet, da es sich nicht um steuerfreie Spesenersätze gemäß § 3 Abs. 1 Z. 16b in Verbindung mit § 68 Abs.5 Z.1-6 EStG handelt. Die Spesen können daher nur insoweit durch Differenzwerbungskosten neutralisiert werden, als kein Mittelpunkt der Tätigkeit begründet wird. Dazu sind allerdings die Reiseaufzeichnungen vorzulegen, aus denen Dauer und Reiseroute der Dienstfahrten sowie die dafür erhaltenen Spesenersätze hervorgehen."

Der Bw erhob Berufung. In ihr machte er, soweit dies nach Ergehen einer teilweise stattgebenden Berufungsvorentscheidung noch strittig ist, geltend, der angefochtene Bescheid verstoße gegen das Gemeinschaftsrecht bzw gegen das Freizügigkeitsabkommen. Sinngemäß begründete es dies wie folgt: In seiner Stellungnahme zum Gesetzesantrag habe der Finanzausschuss festgestellt, dass die steuerfrei Behandlung von Tagesgeldern für bestimmte Berufsgruppen sachlich gerechtfertigt sei, weil mit diesen Tätigkeiten Aufwendungen verschiedenster Art verbundenen seien, die zwar für Gruppen von Arbeitnehmern und auch innerhalb dieser Gruppen der Höhe und dem Grunde nach unterschiedlich sein könnten, die aber bei der ständigen Dienstverrichtung an einem festen Arbeitsplatz nicht oder nicht in dieser Art anfielen. Neben diesen pauschalen Aufwandsentschädigungen berücksichtige die Befreiungsbestimmung die mit den angeführten Tätigkeiten verbundene Reiseerschwernis sowie Mobilitätsanreize. Im Betrieb seines Arbeitgebers gebe es keinen Betriebsrat. Der Arbeitgeber sei auch keinem Gesamtarbeitsvertrag unterstellt. Allerdings gelte das von den Schweizer Steuerbehörden genehmigte Spesenreglement für alle Mitarbeiter seines Arbeitgebers. Während in der Schweiz nur knapp 40 % der unselbständig Erwerbstätigen einem Gesamtarbeitsvertrag unterstellt seien, würden in Österreich 98 % von einem Kollektivvertrag erfasst. Neben der Grundvoraussetzung, dass eine bestimmte Tätigkeit ausgeübt werde, sei es notwendig, dass der Arbeitgeber aufgrund einer lohngestaltenden Vorschrift zur Zahlung der Reiseaufwandsentschädigung verpflichtet ist. Die Regelung des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 ermögliche es nach der Lehre (RdW 3/2007, 365), durch lohngestaltende Vorschriften den in § 26 EStG definierten Dienstreisebegriff auszuweiten und dadurch in den Genuss der Steuerfreiheit zu kommen. Ein LKW-Fahrer eines österreichischen Transportunternehmens erhalte laut Kollektivvertrag unter der Voraussetzung, dass er in der Schweiz eine achtstündige "Reise" durchführe ein Taggeld in Höhe von 19,53 €. Das von seinem Schweizer Arbeitgeber bezahlte Taggeld habe 20,22 € betragen. Allein aufgrund des Fehlens einer lohngestaltenden Vorschrift iSv § 68 Abs. 5 Z 1 bis 6 EStG sei ihm die geltend gemachte Steuerbefreiung verwehrt worden. Während alle bei einem im Inland ansässigen Güterbeförderungsbetrieb beschäftigten LKW-Fahrer (bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen) in den Genuss der Steuerbefreiung gelangten, erhielten die bei einem Schweizer Güterbeförderungsunternehmen beschäftigten Grenzgänger mangels einer entsprechenden lohngestaltenden Vorschrift als Tatbestandsvoraussetzung diese Vergünstigung nicht. Dies stelle nach der (reichlich vom Bw zitierten) Judikatur des EuGH eine unzulässige, gegen das Freizügigkeitsabkommen verstoßende Diskriminierung dar.

Das Finanzamt erließ eine teilweise stattgebende Berufungsvorentscheidung. Hinsichtlich des im Kern abweislichen Teiles führte es aus: "Die pauschalen Spesenersätze (SFR 31/Tag, SFR 6.944) waren dem Brutto hinzuzurechnen. Trotz der vorliegenden Fahrtätigkeit können die Spesen, welche gemäß dem von der kantonalen Steuerverwaltung genehmigten, freiwilligen Reglement der AG ausbezahlt wurden, nicht wie beantragt gemäß § 3 Abs. 1 Z 16b EStG steuerfrei belassen werden. Es liegt weder eine lohngestaltende Vorschrift noch eine Betriebsvereinbarung iSd des inländischen Arbeits- und Steuerrechts vor. Eine gemeinschaftsrechtswidrige Diskriminierung von Wanderarbeitern liegt nicht vor, nur weil die innerstaatlich objektiv gerechtfertigten Anspruchsvoraussetzungen und Bestimmungen im Ausland nicht ähnlich vorhanden sind. Es handelt sich nicht um eine protektionistische, inländische Bestimmung (vgl. VwGH 2008/15/0243). Es werden regelmäßig 10-20 idente Abladestellen im Züricher Oberland (Altenrhein - Winterthur - Zürich - Rapperswil) angefahren, wodurch von einem einheitlichen Zielgebiet (ca. 282 km/Tag) auszugehen ist. Taggeld steht für die ersten 15 Tage (gesamt 150 Std, 460.-) zu."

Der Bw brachte fristgerecht den Vorlageantrag vom 13.12.2010 ein. In ihm machte er neuerlich geltend, die strittige Befreiungsbestimmung sei in Übereinstimmung mit dem Freizügigkeitsabkommen, also nicht diskriminierend, auszulegen, wobei er im Wesentlichen sein Berufungsvorbringen wiederholte.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988, der unter dem nicht unschlüssig begründeten Verdacht der Verfassungswidrigkeit steht (VfGH 23.6.2006, G 147/5; Doralt, RdW 3/2007, 365; Fellner, SWK 3/2010, T 16), aber vom UFS als in Wirkung stehend und im Ergebnis der früheren Rechtslage entsprechend, also ohne zeitliche Schranken bzw Bedachtnahme auf den Dienstreisebegriff (Doralt, EStG11, § 3 Tz 128; Fuchs in Hofstätter / Reichel, § 3 Tz 23b; Jakom/Laudacher, EStG, 2013, Rz 87 ff) anzuwenden ist, sind steuerfrei:

Vom Arbeitgeber als Reiseaufwandsentschädigungen gezahlte Tagesgelder und Nächtigungsgelder, soweit sie nicht gemäß § 26 Z 4 zu berücksichtigen sind, die für eine
- Außendiensttätigkeit (zB Kundenbesuche, Patrouillendienste, Servicedienste),
- Fahrtätigkeit (zB Zustelldienste, Taxifahrten, Linienverkehr, Transportfahrten außerhalb des Werksgeländes des Arbeitgebers),
- Baustellen- und Montagetätigkeit außerhalb des Werksgeländes des Arbeitgebers,
- Arbeitskräfteüberlassung nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, BGBl. Nr. 196/1988 , oder eine
- vorübergehende Tätigkeit an einem Einsatzort in einer anderen politischen Gemeinde
gewährt werden, soweit der Arbeitgeber aufgrund einer lohngestaltenden Vorschrift gemäß § 68 Abs. 5 Z 1 bis 6 zur Zahlung verpflichtet ist. Die Tagesgelder dürfen die sich aus § 26 Z 4 ergebenden Beträge nicht übersteigen. Kann im Falle des § 68 Abs. 5 Z 6 keine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden, weil ein Betriebsrat nicht gebildet werden kann, ist von einer Verpflichtung des Arbeitgebers auszugehen, wenn eine vertragliche Vereinbarung für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern vorliegt.

§ 68 Abs. 5 EStG 1988 sieht eine Begünstigung für Zulagen vor, soweit sie

1. auf Grund gesetzlicher Vorschriften,

2. auf Grund von Gebietskörperschaften erlassener Dienstordnungen,

3. auf Grund aufsichtsbehördlich genehmigter Dienst(Besoldungs)ordnungen der Körperschaften des öffentlichen Rechts,

4. auf Grund der vom Österreichischen Gewerkschaftsbund für seine Bediensteten festgelegten Arbeitsordnung,

5. auf Grund von Kollektivverträgen oder Betriebsvereinbarungen, die auf Grund besonderer kollektivvertraglicher Ermächtigungen abgeschlossen worden sind,

6. auf Grund von Betriebsvereinbarungen, die wegen Fehlens eines kollektivvertragsfähigen Vertragsteiles (§ 4 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974 ) auf der Arbeitgeberseite zwischen einem einzelnen Arbeitgeber und dem kollektivvertragsfähigen Vertragsteil auf der Arbeitnehmerseite abgeschlossen wurden.

Der Berufungssenat stimmt zunächst dem Finanzamt zu, dass bei wörtlicher Auslegung der zitierten Bestimmungen dem Bw die geltend gemachte Steuerbefreiung nicht zustehen würde, da in diesem Falle das Spesenreglement, welches eine kollektive Regelung der Arbeitsverhältnisse eines schweizerischen Betriebes darstellt, dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer zugestimmt haben und das beiderseitige Rechten und Pflichten begründet, nicht als lohngestaltende Vorschrift im maßgeblichen Sinne zu werten wäre. Denn es ist wohl unstrittig und bedarf keiner weitergehenden Erläuterungen, dass ein Anwendungsfall nach § 68 Abs. 5 Z 1 bis 4 EStG schon deshalb nicht vorliegt, weil die dort angeführten Anknüpfungsmerkmale eines österreichischen Gesetzes, einer österreichischen Gebietskörperschaft, einer österreichischen Körperschaft öffentlichen Rechts bzw des österreichischen Gewerkschaftsbundes fehlen. Zu Recht ist zwischen den Parteien des Berufungsverfahrens aber auch nicht unstrittig, dass nach wörtlicher Auslegung bzw nach der vor Wirksamkeit des Freizügigkeitsabkommens gebotenen Auslegung auch kein Anwendungsfall von § 68 Abs. 5 Z 5 und 6 EStG vorliegt. Dies deshalb, weil auch die dort angeführten lohngestaltenden Vorschriften ein rein österreichisches Spezifikum darstellen (www.sozialpartner.at , www.wikipedia.org ). Während in der Schweiz das kollektive Arbeitsrecht im Wesentlichen durch Gesamtarbeitsverträge geregelt wird, kommt diese Funktion in Österreich den Kollektivverträgen mit dem auch hier wesentlichen Unterschied zu, dass in der Schweiz lediglich ca. ein Drittel der Arbeitnehmer Gesamtarbeitsverträgen unterstellt sind (vgl. Bundesamt für Statistik, http://www.bfs.admin.ch/ ), während in Österreich mehr als 90% der in der Privatwirtschaft beschäftigten Arbeitnehmer von einem Kollektivvertrag erfasst sind, wobei - wie der Bw in der Berufung zutreffend vorgebracht hat - nicht nur die Dichte des kollektiven Arbeitsrechtes, sondern auch jene der Betriebsräte in der Schweiz um ein Vielfaches höher als in Österreich ist.

Die beiden zuletzt genannten lohngestaltenden Vorschriften der Ziffern 5 und 6 knüpfen klar und eindeutig an Bestimmungen des österreichischen Arbeits- und Betriebsverfassungsrechtes an (§§ 2, 4, 8, 11, 21, 33, 34 und 40 ArbVG; Fellner, SWK 3/2010, T 16) (das im Übrigen in arbeitsrechtlicher Hinsicht an europäisches Recht angepasst worden ist). Dieses regelt ua , wer zum Abschluss von Kollektivverträgen fähig ist, und es normiert die Arbeitsstätte als idR zentralen Anknüpfungspunkt des Betriebsverfassungsrechtes. Der zentrale Begriff des Betriebsverfassungsrechtes wiederum ist der Betrieb (Floretta - Spielbüchler - Strasser, Arbeitsrecht II3, S 253). Da in diesem Bereich das Territorialprinzip den räumlichen Geltungsbereich bestimmt (Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 33 Rz 17; Dittrich/Tades, Arbeitsrecht § 33 ArbVG E 2; OGH 26.3.1997, 9 Ob A 88/97z), gelten die in § 68 Abs. 5 Z 1 bis 6 angeführten lohngestaltenden Vorschriften (zunächst einmal) nur für in österreichischen Betrieben Beschäftigte. Dies gilt auch für die lohngestaltende Vorschrift im Sinne von § 68 Abs. 5 Z 6 EStG, die zwar zunächst auf einen breiten Anwendungsbereich verweist (arg. "aufgrund von Betriebsvereinbarungen"), die diesen aber letztlich dann wieder durch einen Relativsatz, auf in österreichischen Betrieben geschlossene Vereinbarungen einengt. Das also heißt: Alle als Begünstigungsvoraussetzung angeführten lohngestaltenden Vorschriften setzen einen inländischen Arbeitgeber voraus. Dies aber ist letztlich der Grund, weshalb das Spesenreglement zum einen keine lohngestaltende Vorschrift im Sinne von § 68 Abs. 5 Z 1 bis 6 EStG ist, weshalb aber andererseits die Notwendigkeit besteht, der Bestimmung in Beachtung des Grundsatzes der Arbeitnehmerfreizügigkeit einen erweiterten Anwendungsbereich zuzumessen. Im Fall der Beschäftigung von Arbeitnehmern im Inland durch einen ausländischen Arbeitgeber hat im Übrigen auch das BMfF die Notwendigkeit zu einer ausdehnenden Auslegung erkannt (LR 2002 Rz 735c).

Der Berufungssenat stimmt also in einem zweiten Schritt auch dem Bw zu, dass eine wörtliche Auslegung der Befreiungsbestimmung gegen das Freizügigkeitsabkommen verstoßen würde. Zu dieser Überzeugung gelangte der UFS im Ergebnis bereits in einer früheren Berufungsentscheidung (UFS 21.11.2006, RV/0232-F/05), wobei der Verweis auf die lohngestaltenden Vorschriften damals von § 26 Z 4 EStG aus erfolgte und zum Ergebnis führte, dass schweizerische Gesamtarbeitsverträge österreichischen Kollektivverträgen formell gleichgestellt worden sind. Diese Beurteilung vermag sich zudem auf die analoge Anwendung der zu § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 ergangenen Berufungsentscheidungen (UFS 5.10.2005, RV/0016-F/04; UFS 29.5.2006, RV/0028-F/06; UFS 22.6.2006, RV/1007-W/06) zu stützen, die ihrerseits höchstgerichtlich (VfGH 30.9.2010, G 29/10; VwGH 29.4.2010, A 2010/0017; VwGH 2010/15/0181) und in der Fachliteratur (RdW 2007, 692; FJ 2008, 107; Jakom/Laudacher; taxlex 2010, 265) bestätigt worden sind.

Denn nach Überzeugung des Berufungssenates muss die in Rede stehende Befreiungsbestimmung im Lichte der unmittelbar anzuwendenden Grundfreiheiten des Unionsrechts bzw des Freizügigkeitsabkommens so gelesen werden, dass die Steuerfreiheit für als Reiseaufwandsentschädigungen gezahlte Tagesgelder auch Arbeitnehmern zusteht, die nicht bei einem inländischen Betrieb bzw inländischem Arbeitgeber, sondern bei einem Betrieb im übrigen Unionsgebiet, im Gebiet des Europäischen Wirtschaftsraums oder - aufgrund des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizer Eidgenossenschaft andererseits (Freizügigkeitsabkommen) - in der Schweiz beschäftigt sind, sofern die übrigen (vom Abgabepflichtigen im Rahmen der ihn bei Auslandssachverhalten treffenden erhöhten Mitwirkungsverpflichtung nachzuweisenden) Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Z 16b leg.cit. erfüllt sind. Dies ist jedenfalls bei Vorliegen von folgenden zwei im Berufungsfall gegebenen Sachverhaltselementen nach Überzeugung des Senates der Fall. Zum einen ist zu beachten, dass dem berufungsführenden Arbeitnehmer (fiktiv) steuerfreie Tagesgelder auf Grund eines Kollektivvertrages gebührten, wenn er nicht in einem ausländischen, sondern in einem inländischen Betrieb seine berufliche Tätigkeit verrichten würde. Dies erhellt aus dem bei der Arbeiterkammer angeforderten, den beiden Parteien des Berufungsverfahrens bekannt gegebenen "Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe - Kollektivvertrag für Arbeiter" wie auch aus dem Umstand, dass der Bw bei seiner früheren inhaltsgleichen Beschäftigung für ein österreichisches Speditionsunternehmen derartige Taggelder (steuerfrei) erhalten hat. Zum anderen ist von Bedeutung, dass dem Arbeitnehmer auch tatsächlich (den fiktiven Spesen vergleichbare) Spesen auf Grund eines für alle Arbeitnehmer gültigen, von der kantonalen Steuerbehörde genehmigten Spesenreglements bezahlt wurden. Die Steuerfreiheit ist damit der Höhe nach zweifach begrenzt, nämlich zum einen mit den fiktiv gebührenden Taggeldern laut Kollektivvertrag und zum andern mit den tatsächlich gewährten Spesen(ersätzen) laut behördlich genehmigtem Reglement. Durch diese Auslegung wird die abkommensrechtlich untersagte Diskriminierung vermieden. Gleichzeit wird berücksichtigt, dass es zu keiner Besserstellung von im Ausland beschäftigten Arbeitnehmern kommt.

Konkret bedeutet dies: Dem Bw gebührten nach seinem Vorbringen (E-Mail vom 7.6.2013) bei gleicher, im Inland bzw für einen inländischen Arbeitgeber ausgeübter Arbeit gemäß Kollektivvertrag Taggelder in Höhe von 4.921 €. Tatsächlich erhielt der Bf für bzw an 209 Arbeitstagen je 31 CHF. Da die Höhe der steuerfrei zu belassenden Taggelder auch entsprechend der Rechtsauffassung des Bw (siehe E-Mail vom 25.6.2013) keinesfalls die tatsächlich reisebedingt erhaltenen Spesen übersteigen darf, waren lediglich 4.225,98 € steuerfrei zu belassen. Auf diesen Betrag waren - bezogen auf die ergangene Berufungsvorentscheidung - die in ihr in diesem Zusammenhang anerkannten Differenzwerbungskosten in Höhe von 460 € anzurechnen.

Der Berufung war daher teilweise stattzugeben.

Beilage: 2 Berechnungsblätter

Feldkirch, am 5. Juli 2013

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

Art. 23 Abs. 2 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
§ 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 68 Abs. 5 Z 1-6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Verweise:

VwGH, 2008/15/0243
OGH 26.03.1997, 9 Ob A 88/97z
UFS 05.10.2005, RV/0016-F/04
UFS 29.05.2006, RV/0028-F/06
UFS 22.06.2006, RV/1007-W/06
VfGH 30.09.2010, G 29/10
VwGH, 2010/15/0181

Stichworte