1. Wertung einer Berufung als Antrag gem. § 299 BAO2. Gruppenfeststellungsbescheid nach § 9 Abs. 9 KStG 1988 Grundlagenbescheid mit Bindungswirkung für abgeleitete Bescheide:- Feststellungsbescheid Gruppenträger- Körperschaftsteuerbescheid Gruppe
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2012/15/0175 eingebracht. Mit Erk. v. 26.11.2015 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der Berufungswerberin, vom 26. August 2010 und 2.Juli 2012 gegen die Bescheide des Finanzamtes Grieskirchen Wels vom 7. Juni 2010 und vom 7. Mai 2012 betreffend Abweisung des Antrages vom 24. Jänner 2012 auf Wertung der Berufung vom 26. August 2010 als Antrag gemäß § 299 BAO und betreffend Feststellungsbescheid Gruppenträger gemäß § 9 Abs. 6 Z 2 KStG 1988 und Körperschaftsteuer Gruppe für das Jahr 2005 entschieden:
Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (in der Folge kurz Bw) ist eine GmbH und an mehreren in- und ausländischen Gesellschaften beteiligt. Die Bw hat der oben genannten Wirtschaftstreuhandgesellschaft am 3. Mai 2000 auch eine Zustellvollmacht erteilt.
Mit Schriftsatz vom 23. Februar 2005 beantragte die Bw, die in den angeschlossenen Formularen näher spezifizierte Unternehmensgruppe nach § Abs. 8 KStG bescheidmäßig festzustellen.
Aus den vorgelegten Anträgen und Firmenbuchauszügen ist ersichtlich, dass die Bw der Gruppenträger der Unternehmensgruppe und Alleingesellschafter (unmittelbare Beteiligung von 100%) aller anderen in- und ausländischen Gruppenmitglieder ist und alle Gruppenmitglieder den Gewinn nach einem Ende Februar endenden abweichenden Wirtschaftsjahr ermitteln.
Die Anträge der Bw (Gruppenträger) und der inländischen Gruppenmitglieder sind von den jeweiligen im Firmenbuch ausgewiesenen gesetzlichen Vertretern (Organen), die Anträge der ausländischen Gruppenmitglieder hingegen von den gesetzlichen Vertretern der "übergeordneten" Bw (Gruppenträger) unterzeichnet.
Mit Bescheid vom 6. Dezember 2005 stellte das Finanzamt antragsgemäß das Bestehen einer Gruppe zwischen den genannten (in- und ausländischen) Gesellschaften ab der Veranlagung 2005 gemäß § 9 Abs. 8 KStG 1988 fest. Dieser Bescheid wurde an die Bw zu Handen der oben genannten steuerlichen Vertreterin adressiert und zugestellt.
Am 12. November 2007 ergingen der Feststellungsbescheid Gruppenträger 2005 gemäß § 9 Abs. 6 Z 2 KStG 1988 (§ 24a Abs. 1 Z 2 KStG) unter Abzug "zu berücksichtigender Verluste nicht unbeschränkt steuerpflichtiger ausländischer Gruppenmitglieder" von 2,002.888,00 € und der Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2005.
Auf Grund einer Betriebsprüfung betreffend die Jahre 2004 bis 2006 änderte das Finanzamt mit Gruppenfeststellungsbescheid 2005 vom 2. April 2010 gemäß § 9 Abs. 9 KStG 1988 den Bescheid vom 6. Dezember 2005 mit folgender Begründung dahingehend ab, dass die Zugehörigkeit des ausländischen Gruppenmitgliedes LD (in der Folge kurz LD) ab der Veranlagung 2005 rückwirkend gem. § 295a BAO iVm § 9 Abs. 10 3. Teilstrich KStG 1988 als aufgehoben gilt:
Durch den Untergang der Fa. LD durch Insolvenz sei die geforderte Mindestbestehensdauer von drei Jahren (§ 9 Abs. 10 3. Teilstrich KStG) seit dem Hinzutreten zur Gruppe nicht erfüllt. Die Fa. LD sei daher aus der Gruppe auszuscheiden (Hinweis auf Niederschrift vom 17. März 2010, Pkt. 3, wonach das Konkursverfahren über das Vermögen der Fa. LD am 16. November 2005 eröffnet worden ist).
Dieser Bescheid wurde ebenfalls ausschließlich an die Bw zu Handen der oben genannten steuerlichen Vertreterin adressiert und dieser nachweislich am 9. April 2010 zugestellt (datierter Eingangsstempel auf Beilage 2 des Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 und Berufung vom 24. Jänner 2012, S 2 Abs. 7).
Mit Schriftsatz vom 29. April 2010 richtete die genannte Vertreterin der Bw für diese einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist bis 31. Oktober 2010 betreffend den Gruppenfeststellungsbescheid 2005 vom 2. April 2010 an das Finanzamt Wien 1/23.
Am 7. Juni 2010 ergingen der Feststellungsbescheid Gruppenträger 2005, in dem die zu berücksichtigenden Verluste nicht unbeschränkt steuerpflichtiger ausländischer Gruppenmitglieder auf -286.723,00 € reduziert wurden, und der gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderte Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2005.
Über FinanzOnline beantragte die Bw am 5. Juli 2010 die Frist zur Berufung gegen den Feststellungsbescheid Gruppenträger 2005 und den Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2005 je vom 7. Juni 2010 und den Feststellungsbescheid Gruppenträger 2006 und den Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2006 je vom 8. Juni 2010 bis 31. August 2010 zu verlängern.
Mit Bescheid vom 13. Juli 2010 gab das Finanzamt dem Ansuchen der Bw vom 5. Juli 2010, "um Verlängerung der Frist zur Einbringung der Berufung gegen die Feststellungsbescheide Gruppe 2005 und 2006 sowie Körperschaftsteuerbescheide Gruppe 2005 und 2006" statt und verlängerte die Berufungsfrist bis zum 31. August 2010.
Mit Schriftsatz vom 26. August 2010 erhob die Abgabepflichtige Berufung gegen den Feststellungsbescheid Gruppenträger und den Bescheid Körperschaftsteuer Gruppe 2005 vom 7. Juni 2010 und den Feststellungsbescheid Gruppenträger und den Bescheid Körperschaftsteuer Gruppe 2006 vom 8. Juni 2010.
Die Berufung richtete sich hinsichtlich des Feststellungsbescheides Gruppenträger 2005 gegen die Nichtberücksichtigung des negativen Einkommens des ausländischen (englischen) Gruppenmitgliedes LD (LD) in Folge der nicht anerkannten dreijährigen Mindestzugehörigkeitsdauer zur steuerlichen Unternehmensgruppe.
Mit Bescheid vom 21. September 2011 forderte das Finanzamt die Bw gemäß § 85 Abs. 2 iVm § 250 BAO zur Behebung folgender Mängel der Berufung vom 26. August 2010 gegen Körperschaftsteuer für die Jahre 2005 und 2006 auf:
Fehlen eines Inhaltserfordernisses gemäß § 250 Abs. 1 BAO und zwar die genaue Bezeichnung des/der Bescheide/s, gegen den/die sich die Berufung richtet (Feststellungsbescheide Gruppenträger, Körperschaftsteuer Gruppe oder gegen beide).
Sollte sich die Berufung gegen die "Körperschaftsteuerbescheide Gruppe" richten, fehlten die Anfechtungspunkte, die begehrten Änderungen und eine Begründung der Berufung.
Mit Schreiben vom 21. September 2011 hielt das Finanzamt der Bw Folgendes vor:
Gemäß § 252 Abs. 1 BAO kann ein Bescheid, dem Entscheidungen zugrunde liegen, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind.
Bei der Gruppenbesteuerung werden in einem mehrstufigen Verfahren folgende Feststellungen iSd. § 92 Abs. 1 lit. b BAO getroffen:
a) § 9 Abs. 8 KStG Vorliegen einer Gruppe und Nennung des Gruppenträgers und der inländischen und ausländischen Mitglieder
b) § 9 Abs. 9 KStG Änderungen wie Eintritt oder Ausscheiden von Gruppenmitgliedern
c) § 24a Abs. 1 Z 1 KStG 1988 Ergebnis unbeschränkt steuerpflichtiger Gruppenmitglieder
d) 24a Abs. 1 Z 2 KStG 1988 Ergebnis des Gruppenträgers
Im gegenständlichen Fall wurde mit Gruppenfeststellungsbescheid vom 2. April 2010 gemäß § 9 Abs. 9 KStG ab der Veranlagung 2005 rückwirkend gemäß § 295a BAO die Zugehörigkeit der LD zur Unternehmensgruppe aufgehoben.
Dieser Bescheid ist offensichtlich rechtskräftig.
Die Berufung vom 26. August 2010 wird schon deshalb betreffend das Jahr 2005 (einziger Berufungspunkt: Erfassung des Verlustes der LD im insoweit abgeleiteten Feststellungsbescheid Gruppenträger 2005 und Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2005) kein Erfolg beschieden sein können (vgl. § 252 Abs. 1 BAO und UFS 05.05.2011, RV/0112-I/10).
Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2011 stellte die Bw hierauf einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Berufungsfrist gegen den ergangenen Gruppenfeststellungsbescheid 2005 vom 2. April 2010 und für den Fall dessen Abweisung den Antrag auf Erlassung von Gruppenfeststellungsbescheiden 2005, welche sowohl an den Gruppenträger als auch an das betroffene Gruppenmitglied gesandt werden und welche die Adressaten benennen, denen gegenüber die Bescheide wirken sollen.
Zum Mängelbehebungsauftrag vom 21. September 2011 nahm die Bw im genannten Schriftsatz vom 10. Oktober 2011 sinngemäß im Wesentlichen folgt Stellung:
Da die Bw als Gruppenträger der Unternehmensgruppe agiere, richte sich die Berufung vom 26. August 2010 gegen die Feststellungsbescheide Gruppenträger und Körperschaftsteuer Gruppe der Jahre 2005 (vom 7. Juni 2010) und 2006 (vom 8. Juni 2010). Da in der Berufung die Berücksichtigung des Verlustes des ausländischen Gruppenmitgliedes LD begehrt werde, ergebe sich hieraus auch eine Berufung gegen den Gruppenfeststellungsbescheid 2005 vom 2. April 2010.
Hinsichtlich des Körperschaftsteuerbescheides Gruppe 2005 vom 7. Juni 2010 werde als Änderung die Verminderung des Gruppeneinkommens um den begehrten Verlust ("negatives Einkommen") des ausländischen Gruppenmitgliedes LD von 1,716.165,00 € beantragt.
Mit am 2. April 2012 zugestelltem Bescheid vom 28. März 2012, RV/0383-L/12, wurde die oben erwähnte Berufung vom 26. August 2010 gegen den gemäß § 9 Abs. 9 KStG 1988 geänderten Gruppenfeststellungsbescheid 2005 vom 2. April 2010 als verspätet zurückgewiesen, weil der Bescheid vom 13. Juli 2010 die Frist zur Erhebung gegen den genannten Bescheid vom 2. April 2010 nicht (mit-) verlängert hat.
Mit am 16. April 2012 zugestellter Berufungsentscheidung vom 10. April 2012, RV/0259-L/12, RV/0211-L/12, wurde vom Senat auch das Rechtsmittel der Bw gegen die Bescheide des Finanzamtes, mit denen dieses den oben ebenfalls erwähnten Anträgen vom 10. Oktober 2011 auf
- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Frist zur Berufung gegen den Gruppenfeststellungsbescheid 2005 gemäß § 9 Abs. 9 KStG 1988 vom 2. April 2010 und auf
- Erlassung eines Gruppenfeststellungsbescheides 2005 gem. § 9 Abs. 9 KStG 1988
nicht entsprochen hatte, als unbegründet abgewiesen.
Im Schriftsatz vom 24. Jänner 2012 (S 4 Pkt. 2) stellte die Bw sinngemäß im Wesentlichen mit folgender Begründung einen Antrag auf Wertung der Berufung vom 26. August 2010 als Antrag gem. § 299 BAO zur Aufhebung des Gruppenfeststellungsbescheides 2005 vom 4. April 2010:
Für Anträge auf Aufhebung eines Bescheides gern § 299 BAO seien keine speziellen Inhaltserfordernisse vorgesehen. Im Aufhebungsantrag sei zwar sinnvollerweise der Bescheid anzugeben. Ein zwingendes gesetzliches Erfordernis dafür gebe es allerdings nicht. Dies umso mehr als in der Berufung vom 26. August 2010 ohnehin umfangreich dargelegt sei, warum der Gruppenfeststellungsbescheid vom 2. April 2010 rechtswidrig sei (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, Tz 28 zu § 299 BAO).
In der Berufung vom 26. August 2010 sei hinsichtlich LD ausschließlich davon die Rede, warum die Mindestdauer einer Gruppe trotz Insolvenz erfüllt sei. Einem sachkundigen Empfänger hätte daher völlig klar sein müssen, dass sich diese Berufung inhaltlich zwangsläufig auch gegen den Gruppenfeststellungsbescheid vom 2. April 2010 gerichtet habe.
Auch für Anträge auf Aufhebung gelte der allgemeine Grundsatz, dass es nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die verbalen Formen, sondern auf den Inhalt und das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteienschrittes ankommt (vgl. zB VwGH 20.02.1998, 97/15/0153, 0154; 23.04.2001, 99/140104). Gerade das inhaltliche Ziel habe der Finanzverwaltung aber völlig klar sein müssen.
Zudem sei im Zweifel einem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (zB VwGH 28.01.2003, 2001/14/0229; 20.05.2010, 2010/15/0035; 29.07.2010, 2009/15/0152).
Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens sei - im Hinblick auf § 115 BAO - die Absicht der Partei zu erforschen (zB VwGH 29.03.2001, 2000/14/0014; 28.01.2003, 2001/14/0229; 24.06.2009,2007/15/0041; 20.05.2010, 2010/15/0035).
Da es in der Berufung vom 26. August 2010 hinsichtlich LD ganz eindeutig nur um das Vorliegen der 3-jährigen Mindestbestandsdauer gehe, sei es inhaltlich zwangsläufig auch um den Gruppenfeststellungsbescheid vom 2. April 2010 gegangen.
Ritz spreche sogar ausdrücklich davon, dass die Deutung eines nach Ablauf der Berufungsfrist eingereichten, als Berufung bezeichneten Anbringens, als Antrag auf Aufhebung in Betracht kommt ( Ritz, aaO Tz 29 zu § 299BAO) und weiter, dass für die Beantwortung der Frage, ob ein Antrag nach § 299 BAO vorliegt, es beispielsweise unbeachtlich sei, ob ausdrücklich die Aufhebung beantragt wird, ob unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit des Bescheides eine Abänderung dieses Bescheides beantragt wird oder ob ein Ersatz des rechtswidrigen Bescheides durch einen anderen (rechtmäßigen) Bescheid begehrt wird. Auch für Aufhebungsanträge gelte der § 85 Abs. 2 (und dessen Abs. 4) BAO und somit die allgemeine Verpflichtung zur Erlassung von Mängelbehebungsaufträgen auch hinsichtlich des Aufhebungsantrags selbst.
Daher sei im Ergebnis die als Aufhebungsantrag zu wertende Berufung vom 26. August 2010 fristgerecht innerhalb der Jahresfrist gemäß § 302 BAO eingebracht worden und aufgrund des inhaltlichen Ziels des Anbringens eindeutig als Antrag gemäß § 299 BAO zu werten.
Gemäß § 299 Abs. 1 BAO könne die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn sich der Spruch des Bescheides als nicht richtig erweist.
§ 299 Abs. 1 BAO betreffe nicht nur Abgabenbescheide, sondern alle Bescheidarten (Ritz aaO Tz 6 zu § 299 BAO) wie etwa Feststellungsbescheide, Haftungsbescheide (§ 244 BAO), Sicherstellungsaufträge (§ 232 BAO), verfahrensleitende Verfügungen (§ 94 BAO) und Wiederaufnahmebescheide (§ 303 BAO) (vgl. AÖF 2003/65, Langheinrich/ Ryda, Die Aufhebung von Bescheiden gem. § 299 BAO, FJ 2009,387). Insbesondere können gemäß § 299 BAO auch Änderungsbescheide gemäß § 295a BAO aufgehoben werden (Ritz aaO Tz 5 zu § 299).
Es werde daher die Aufhebung des Gruppenfeststellungsbescheides vom 2. April 2010 beantragt.
Mit Bescheid vom 7. Mai 2012 wies das Finanzamt den Antrag der Bw vom 24. Jänner 2012 auf Wertung der Berufung vom 26. August 2010 als Antrag gemäß § 299 BAO sinngemäß im Wesentlichen mit folgender Begründung ab:
Für die Beurteilung von Anbringen komme es zwar nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes (zB VwGH 27.01.2005, 2004/16/0101; 12.03.2010, 2006/17/0360; 29.07.2010, 2009/15/0152; 11.11.2010,2010/17/0053,0054).
Maßgebend für die Wirksamkeit einer Prozesserklärung sei das Erklärte, nicht das Gewollte (z.B. VwGH 26.06.2003, 2002/16/0286-0289; 28.02.2008, 2006/16/0129). Allerdings sei das Erklärte der Auslegung zugänglich (VwGH 16.07.1996, 95/14/0148; 29.07.2010, 2009/15/0152).
Parteierklärungen im Verwaltungsverfahren seien nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, dh es komme darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss (VwGH 28.01.2003, 2001/14/0229; 28.02.2008, 2006/16/0129).
Bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens sei eine davon abweichende, nach außen auch andeutungsweise nicht zum Ausdruck kommende Absicht des Einschreiters nicht maßgeblich (zB VwGH 20.02.1998, 96/15/0127; 18.05.2006, 2003/16/0009; 24.06.2009, 2007/15/0041; vgl. Ritz. Bundesabgabenordnung, Kommentar, 4. Aufl., § 85 Tz. 1ff).
In der Folge gab das Finanzamt die Einleitung des Antrages vom 26 August 2010 vor dessen ausführlicher Begründung wieder und stellte sodann fest, dass in der gesamten Eingabe aus keinem Wort ein anderer Parteiwille als die Einbringung einer Berufung erkennbar sei. Es handle sich nach Ansicht des Finanzamtes um eine eindeutige Prozesserklärung.
Enthalte aber eine als "Berufung" bezeichnete Eingabe, die auch inhaltlich dem Rechtsmitteltypus einer Berufung entspricht, nichts, was auf die Absicht hinweist, auch (oder zumindest für den Eventualfall, dass der Berufungsantrag erfolglos bleibt) einen Antrag auf Aufhebung eines Bescheides im Sinn des § 299 BAO zu stellen, so sei das Finanzamt nicht berechtigt, eine solche Eingabe sowohl als Berufung als auch als Aufhebungsantrag in sachliche Behandlung zu nehmen.
Der Umstand allein, dass die Berufungseinwendungen nicht mit Erfolg erhoben werden können, rechtfertige nicht die Deutung dieser Berufung auch als Aufhebungsantrag. Erlasse das Finanzamt einen antragsgebundenen Bescheid ohne Vorliegen eines derartigen Antrages, wäre dieser Bescheid vielmehr ersatzlos aufzuheben.
Außerdem wäre auch einem rechtzeitigen Antrag auf Aufhebung des Gruppenfeststellungsbescheides vom 2. April 2010 mangels Vorliegens eines geeigneten Aufhebungsgrundes kein Erfolg beschieden:
Die Aufhebung setze nämlich die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus. Die bloße Möglichkeit reiche nicht aus. Wie der Stellungnahme des Prüfers zu entnehmen sei, könne davon aber keine Rede sein.
Über Antrag der Bw vom 5. Juni 2012 verlängerte das Finanzamt mit Bescheid vom 11. Juni 2012 die Frist zur Berufung gegen den genannten Bescheid vom 7. Mai 2012 bis 2. Juli 2012.
Mit am 2. Juli 2012 zur Post gegebenen Schriftsatz selben Datums erhob die Abgabepflichtige Berufung gegen den Bescheid vom 7. Mai 2012, beantragte neuerlich, die Berufung vom 26. August 2010 als Antrag gem. § 299 BAO zu werten und den Gruppenfeststellungsbescheid 2005 vom 2. April 2010 aufzuheben und begründete dies unter Wiederholung ihrer im Antrag vom 24. Jänner 2012 gemachten Ausführungen ergänzend wie folgt:
"Vom Finanzamt Grieskirchen Wels werden die ersten Seiten des eingebrachten Schreibens vom 26.8.2010 zitiert. Nicht zitiert wird die auf den Folgeseiten (unter Pkt. 1.) dargelegte inhaltliche Auseinandersetzung über die Rechtswidrigkeit des Gruppenfeststellungsbescheides. Unter anderem heißt es im letzten Satz unter Pkt. 1: " Wir kommen also zu dem aus unserer Sicht eindeutigen Ergebnis, dass die dreijährige Mindestzugehörigkeitsdauer der LD jedenfalls gegeben ist und daher für eine Rückabwicklung kein Platz bleibt." Die Rechtswidrigkeit des Gruppenfeststellungsbescheides 2005 vom 2.4.2010 war somit eindeutig angesprochen, denn das Erklärte ist der Auslegung eines Anbringens zugänglich (vgl. VwGH 16.07.1996, 95/14/0148; 29.07.2010, 2009/15/0152).
Zur Aufhebung gern § 299 BAO dürfen wir zudem Folgendes festhalten: Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.
§ 299 Abs. 1 BAO betrifft nicht nur Abgabenbescheide, sondern alle Bescheidarten (Ritz, BAO-Kommentar, Tz 6 zu § 299 BAO) wie etwa Feststellungsbescheide, Haftungsbescheide (§ 244 BAO), Sicherstellungsaufträge (§ 232 BAO), verfahrensleitende Verfügungen (§ 94 BAO) und Wiederaufnahmebescheide (§ 303 BAO) (vgl. AÖF 2003/65, Langheinrich/ Ryda, Die Aufhebung von Bescheiden gern § 299 BAO, FJ 2009, 387). Insbesondere können gem. § 299 BAO auch Änderungsbescheide gem. § 295a BAO aufgehoben werden (Ritz, BAO-Kommentar, Tz 5 zu § 299).
Vom Finanzamt Grieskirchen Wels wird zudem die Gewissheit der Rechtswidrigkeit des Gruppenfeststellungsbescheides 2005 vom 2.4.2010 bezweifelt und auf eine Stellungnahme des Betriebsprüfers verwiesen.
Als inhaltlich rechtswidrig erachtet gilt ein Bescheid dann, wenn es zu einer unrichtigen Auslegung von Abgabenvorschriften kommt oder gegen Gesetze verstoßen wird (vgl. Langheinrich/ Ryda, Die Aufhebung von Bescheiden gem. § 299 BAO, FJ 2009, 387ft). Die Gewissheit der Rechtswidrigkeit basiert auf zwei wesentlichen Punkten, welche wir bereits im Schreiben vom 26.8.2010 dargelegt haben. Wir dürfen auf diese nochmals hinweisen:
Bereits aus der Notwendigkeit des Vorliegens von "Wirtschaftsjahren" iSd § 9 Abs. 10 KStG ergibt sich, dass schon aus der eindeutigen gesetzlichen Definition des Wirtschaftsjahres her ein Abstellen auf einen Gewinnermittlungszeitraum iSd § 19 Abs. 3 KStG nicht gerechtfertigt ist (somit unrichtige Auslegung von Abgabenvorschriften).
Aufgrund der Bezugnahme auf § 7 Abs. 3 KStG ergibt sich gem. KStR Rz 1404, dass § 19 KStG nur bei unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften in Betracht kommt. Wir halten fest, dass es sich bei der LD um ein ausländisches Gruppenmitglied handelt, das in Österreich nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist. § 19 KStG ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut daher auf die LD nicht anwendbar (somit Verstoß gegen das Gesetz, da § 19 KStG nicht für beschränkt steuerpflichtige Körperschaften ohne inländische Betriebsstätte angewandt werden kann).
Die Rechtswidrigkeit des Gruppenfeststellungsbescheides 2005 vom 2.4.2010 ist damit offensichtlich und nicht bloß möglich."
Über die Berufungen wurde erwogen:
§ 299 BAO betreffend Gruppenfeststellungsbescheid 2005 vom 2. April 2010
Gemäß § 299 Abs. 1 BA O kann die Abgabenbehörde erster Instanz einen von ihr erlassenen Bescheid auf Antrag der Partei oder von Amts wegen aufheben, wenn der Spruch sich als nicht richtig erweist.
Aufhebungen gemäß § 299 BAO sind gemäß § 302 Abs. 1 BAO bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe (§97) des Bescheides zulässig.
Die Bw hat mit Schriftsatz vom 24. Jänner 2012 (S 4 Pkt. 2) die Wertung der Berufung vom 26. August 2010 als Antrag zu Aufhebung des Gruppenfeststellungsbescheides vom 2. April 2010 gemäß § 299 BAO beantragt. Dieser Gruppenfeststellungsbescheid 2005 vom 2. April 2010 gemäß § 9 Abs. 9 KStG 1988 wurde an die Bw zu Handen der oben genannten Vertreterin adressiert und dieser nachweislich am 9. April 2010 zugestellt (datierter Eingangsstempel auf Beilage 2 des Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 und Berufung vom 24. Jänner 2012, S 2 Abs. 7).
Die Berufungsbehörde stellt nicht in Abrede, dass die Deutung eines nach Ablauf der Berufungsfrist eingebrachten, als Berufung bezeichneten Anbringens als Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 BAO in Betracht kommt.
Dem streitgegenständlichen Anbringen vom 26. August 2010 ist vor der ausführlichen Begründung folgende Einleitung vorangestellt:
"Linz. 26. August 2010
St.Nr. und Name der Bw
Berufung gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2005 und 2006
Sehr geehrte Damen und Herren!
Im Auftrag und in Vollmacht unserer Mandantin erheben wir innerhalb offener Frist das
Rechtsmittel der
Berufung
gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2005 (Feststellungsbescheid Gruppenträger 2005) vom 7.6.2010 und den Körperschaftsteuerbescheid 2006 (Feststellungsbescheid Gruppenträger 2006) vom 8.6.2010. In beiden Fällen wurde innerhalb offener Rechtsmittelfrist ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist bis zum 31.8.2010 gestellt. Das zuständige Finanzamt hat der Verlängerung der Berufungsfrist zugestimmt.
Die Berufung richtet sich hinsichtlich. des Feststellungsbescheides Gruppenträger 2005 gegen die Nichtberücksichtigung des negativen Einkommens des ausländischen (englischen) Gruppenmitgliedes LD in Folge der nicht anerkannten dreijährigen Mindestzuge- hörigkeitsdauer zur steuerlichen Unternehmensgruppe.
Die Berufung richtet. sich zudem hinsichtlich des FeststelIungsbescheides Gruppenträger 2006 gegen die Nichtberücksichtigung der negativen Einkünfte aus der deutschen D-KG.
Wir stellen den Berufungsantrag , im Feststellungsbescheid Gruppenträger 2005 neben den Verlusten des tschechischen Gruppenmitgliedes iHv 286.723,00 € auch den Verlust des englischen Gruppenmitglieds iHv 1,716.165,00 € zu berücksichtigen.
Hinsichtlich des Feststellungsbescheides Gruppenträger 2006 stellen wir den Antrag auf Berücksichtigung des negativen Ergebnisanteiles aus der deutschen KG iHv 2.790.227,56 €, sodass das eigene Einkommen des Gruppenträgers von -4,414.952,81 € auf -7,205.180,37 € sinkt.
Als Konsequenz sind die Körperschafsteuerbescheide 2005 und 2006 sowie der Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2005 anzupassen. Weitere Folgeänderungen ergeben sich in späteren Jahren."
Im Kommentar Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO³, § 85 E 10 und E 11, finden sich folgende Judikaturhinweise:
Bei Beurteilung eines Antrages kommt es nicht auf die (allenfalls unrichtige) Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen, sondern auf seinen wesentlichen Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel eines Parteischrittes an (VwGH 24.01.1978, 1617/77; 03.06.1992, 92/13/0127; 29.01.1996, 94/16/0158; und 31.05.2000, 94/13/0157).
Dies setzt jedoch voraus, dass eine der Auslegung zugängliche Parteienerklärung überhaupt vorliegt und dass der Wille der Partei aus ihrem Vorbringen mit Eindeutigkeit erschlossen werden kann. Nicht kommt der Behörde die Aufgabe zu, den Sinn einer unklaren, mehr als eine Deutung zulassenden Parteienerklärung in der Richtung zu bestimmen, die für den Standpunkt der Partei am günstigsten wäre, geschweige denn von der Partei tatsächlich nicht erstattete Erklärungen zu fingieren (VwGH 08.04.1992, 91/13/0123).
In dem von einer Steuerberatungsgesellschaft namens der Bw eingebrachten Schriftsatz vom 26. August 2010 ist ausschließlich vom ordentlichen Rechtsmittel der "Berufung" und nicht von der Bescheidaufhebung bzw. Aufhebung gemäß § 299 BAO die Rede. Im genannten Schriftsatz wird überhaupt kein Gruppenfeststellungsbescheid erwähnt. Ebenso wenig kommt in diesem Schriftsatz das Datum 2. April 2010 vor, zu dem der Gruppenfeststellungsbescheid 2005 ergangen ist, sondern der 7. Juni 2010 und der 8. Juni 2010, an denen der Feststellungsbescheid Gruppenträger und der Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2005 und 2006 ergangen sind.
In Anbetracht dieser aufgezeigten Umstände ist bei objektiver Beurteilung des seitens der Bw im Schriftsatz vom 26. August 2010 Erklärten, nicht erkennbar, dass damit außer der Berufung gegen die genannten Bescheide vom 7. und 8. Juni 2010 auch ein Antrag auf Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO) betreffend den Gruppenfeststellungsbescheid 2005 vom 2. April 2010 intendiert gewesen wäre.
Die Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes erweist sich schon deshalb als unberechtigt. Es ist dem Finanzamt beizupflichten, dass der Umstand, dass die Berufungseinwendungen (gegen den Feststellungsbescheid Gruppenträger und Körperschaftsteuer Gruppe 2005) nicht mit Erfolg erhoben werden können, die Deutung dieser Berufung als Aufhebungsantrag (betreffend den Grundlagenbescheid Gruppenfeststellungsbescheid 2005) nicht rechtfertigen.
Würde man der an der Notwendigkeit und nicht am objektiven Erklärungswert orientierten Argumentation der Bw folgen, würde dies bedeuten, dass in Berufungen gegen abgeleitete Bescheide erhobene Einwendungen, die gegen vorgelagerte Grundlagenbescheide erhoben werden müssten, als Anträge auf Aufhebung der Grundlagenbescheide zu deuten wären. Nach Ansicht der Berufungsbehörde wäre dies die Fiktion einer von der Partei tatsächlich gar nicht erstatteten Erklärung (vgl. VwGH 08.04.1992, 91/13/0123) und ginge daher zu weit.
Außerdem setzt die Aufhebung nach § 299 BAO die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus; die bloße Möglichkeit der Rechtswidrigkeit reicht nicht aus (VwGH 24.06.2010, 2010/15/0059; UFS 16.08.2011, RV/1194-W/11; Ritz aaO § 299 Tz 13 unter Hinweis auf VwGH 05.08.1993, 91/14/0127, 0128).
Gemäß § 9 Abs. 10 KStG 1988 muss die Unternehmensgruppe für einen Zeitraum von mindestens drei Jahren bestehen, wobei nach dem ersten TS die Mindestdauer nur erfüllt ist, wenn das steuerlich maßgebende Ergebnis von drei jeweils zwölf Monate umfassenden Wirtschaftsjahren im Sinne des Abs. 6 zugerechnet wird.
Das Finanzamt hat im bekämpften Bescheid sinngemäß ausgeführt, dass von der Gewissheit der Rechtswidrigkeit des Gruppenfeststellungsbescheides 2005 vom 2. April 2010 auf Grund der Stellungnahme des Prüfers keine Rede sein könne.
In seiner Stellungnahme vom 21. Oktober 2010 hat der Prüfer zur Nichtanerkennung der dreijährigen Mindestzugehörigkeitsdauer des Gruppenmitgliedes LD nämlich sinngemäß im Wesentlichen Folgendes ausgeführt (Fettdruck durch die Berufungsbehörde):
Die Konkurseröffnung über das Vermögen der LD sei am 16. November 2005 erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt habe daher eine Gruppenzugehörigkeit von einem Jahr und 8 Monaten bestanden. Abgesehen von den in der Berufung angeführten Rechtsproblemen betreffend Insolvenzzeitraum, unerwünschte Gestaltung etc., sei die Mindestdauer der Gruppenzugehörigkeit nur dann erfüllt, wenn das Einkommen aus drei vollen Wirtschaftsjahren letztlich beim Gruppenträger zu einer Zurechnung geführt hat (Hinweis auf siehe KStR Rz 1565). Nach Ansicht der Betriebsprüfung sei dies im gegenständlichen Fall schon deshalb nicht gegeben, weil aufgrund nachfolgend angeführter Gründe keine geeigneten Nachweise für die Verluste bzw. Verlustverrechnungen im Ansässigkeitsstaat des ausländischen Gruppenmitglieds vorgelegt bzw. vorgelegt werden könnten:
Vom Masseverwalter seien weder Steuererklärungen eingereicht, noch Bilanzen beim Handelsregister abgegeben worden. Dh. die letztgültige Veranlagung bei der britischen Steuerbehörde sei für das Wirtschaftsjahr 2004 (Bilanzstichtag 29.2.2004) erfolgt. Als zuletzt eingereichter Abschluss liege beim Handelsregister ebenfalls nur die Bilanz zum 29.2.2.2004 auf (Hinweis auf Beilage 1).
Nach Auskunft des geprüften Unternehmens bestehe nach britischem Gesellschaftsrecht keine Verpflichtung zur Erstellung von Jahresabschlüssen, wenn ein Unternehmen Insolvenz angemeldet hat. Die Frist zur Erstellung des Jahresabschlusses ende 9 Monate nach Abschluss des Geschäftsjahres dh. 9 Monate nach dem 28. Februar 2005. Gegenüber der Steuerbehörde bestehe bei Konkursanmeldung üblicherweise ebenfalls keine Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung (Hinweis auf Beilage 2). Daher seien die Fristen für die Erstellung von Bilanzen und Abgabe von Steuererklärungen längst verstrichen.
Für das Wirtschaftsjahr 2004/2005 sei ein Entwurf einer Steuererklärung erstellt, jedoch nicht mehr abgegeben worden. Dieser Verlust sei als Gruppenverlust geltend gemacht worden. Für die Folgejahre seien keine Bilanzen mehr vorgelegt worden. Es seien auch keine Verlustverrechnungen beim Gruppenträger vorgenommen worden.
Der Masseverwalter habe die Gläubiger bereits in seinem Brief vom 6. Jänner 2006 informiert, dass nicht einmal die bevorrechteten Gläubiger befriedigt werden und es mangels Vermögens nicht erforderlich sei, eine Gläubigerversammlung einzuberufen.
Im Bricht des Masseverwalters sei ausgeführt worden, dass ein massiver Schuldenüberhang von 2.695.215,00 Pfund vorliege und das Mutterunternehmen (die Bw - Zusatz der Berufungsbehörde) nicht bereit wäre, weitere Zuschüsse zu gewähren. Bereits am 17. November 2005 seien in Absprache mit der Muttergesellschaft (Bw) alle Projektmanager kontaktiert und angewiesen worden, das ganze Personal zu entlassen und die Auftragnehmer zu informieren, dass keine weiterem Arbeiten mehr im Auftrag des Unternehmens ausgeführt werden. Der Masseverwalter habe auch für notwendig erachtet, die Gesellschaft entweder durch eine freiwillige Gläubigerauflösung oder durch eine Zwangsliquidation zu beenden (Hinweis auf Beilage.3).
In Anbetracht dieses negativen Berichtes sei auch verständlich, dass der Masseverwalter in seiner Funktion als Verwalter dieses Unternehmens keine Notwendigkeit gesehen habe, Bilanzen erstellen zu lassen oder Steuererklärungen abzugeben. Dies auch deshalb, weil er bereits mit 17.November 2005 die Tätigkeit des Unternehmens eingestellt habe. Da für die LD weder ordnungsmäßige Bilanzen zum 28. Februar 2005, 28. Februar 2006 und 28. Februar 2007 vorliegen und auch keine Steuererklärungen für diese Zeiträume abgegeben worden seien, sei nach Ansicht der Betriebsprüfung schon aus diesen Gründen die Mindestdauer der Gruppenzugehörigkeit nicht gegeben und infolge eine Anrechnung von Verlusten nicht möglich. Wie aus dem Veranlagungsakt ersichtlich vertraten ursprünglich die Vertreter des Unternehmens ebenfalls die Meinung, dass die Mindestdauer der Gruppenzugehörigkeit nicht erfüllt gewesen sei und erklärten mit Schreiben 'vom 14.Juni 2006 das Ausscheiden der LD aus der Gruppe. Diese Erklärung sei jedoch mit Schreiben, vom 22.Juni 2006 wieder zurückgezogen worden.
Die in der Berufung angeführte Begründung betreffend die Mindestdauer der Gruppenzugehörigkeit sei als reine Rechtsfragen einer rechtlichen Würdigung zu unterziehen.
Auf Grund der vom Prüfer aufgezeigten Umstände teilt die Berufungsbehörde die Rechtsansicht des Finanzamtes, dass die Rechtswidrigkeit des die Zugehörigkeit der LD zur Gruppe verneinenden Gruppenfeststellungsbescheides 2005 vom 2. April 2010 keineswegs gewiss ist.
Auch die bisherige Spruchpraxis des Unabhängigen Finanzsenates (UFS 31.08.2006, RV/0194-K/06 und UFS 07.12.2010, RV/1224-W/10) zur Dreijahresfrist in § 9 KStG 1988 im Insolvenzfall spricht gegen den Rechtsstandpunkt der Bw:
Der Abwicklungsgewinn ist ein spezifischer Gewinnbegriff, der sowohl das Ergebnis aus der Auflösung der stillen Reserven als auch die Erträge des Abwicklungsanfangsvermögens umfasst (vgl. VwGH 24.02.1999, 96/13/0008 zu § 18 KStG 1966, der im Kern dem § 19 KStG 1988 entsprach) und demnach dem am Einkommensteuerrecht orientierten allgemeinen Gewinnbegriff nicht gleichzusetzen ist (siehe BFH 8.12.1971, I R 164/69, BStBl. 1972 Teil II S. 229, dessen Auffassung sich der VwGH in seinem zitierten Erkenntnis angeschlossen hat, sowie BFH 18.10.1967, I 262/63, wonach es sich beim Abwicklungsgewinn somit nicht um "Gewinn", sondern um "Vermögen" handelt).
§ 9 Abs. 6 KStG in der ab der Veranlagung für das Jahr 2005 geltenden Fassung BGBl. I 240/180, auf den im obenzitierten Abs. 10 verwiesen wird, stellt hingegen auf das Einkommen ab.
Der Berufung gegen die Abweisung des Antrages betreffend Aufhebung gemäß § 299 BAO des Gruppenfeststellungsbescheides 2005 vom 2. April 2010 kommt aus den genannten Gründen keine Berechtigung zu.
Feststellungsbescheid Gruppenträger gemäß § 9 Abs. 6 Z 2 KStG und Körperschaftsteuer Gruppe vom 7. Juni 2010 für das Jahr 2005
Mit am 2. April 2012 zugestellten Bescheid vom 28. März 2012, RV/0383-L/12 ist der Unabhängige Finanzsenat der Rechtsansicht der Bw, die Berufungsfrist betreffend den genannten Bescheid vom 2. April 2010 sei verlängert worden, nicht gefolgt und hat deshalb die Berufung vom 26. August 2010, die nach Ansicht der Bw (auch) gegen den Bescheid vom 2. April 2010 gerichtet gewesen sein soll, als verspätet zurückgewiesen.
Mit Berufungsentscheidung vom 10. April 2012, RV/0259-L/12, RV/0211-L/12, wurden auch die Anträge der Bw auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO hinsichtlich der Frist zur Berufung gegen den genannten Bescheid vom 2. April 2010 und Erlassung eines Gruppenfeststellungsbescheides 2005 gemäß § 9 Abs. 9 KStG als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 252 Abs. 1 BAO kann ein Bescheid, dem Entscheidungen zugrunde liegen, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind.
Ritz, BAO 4. Aufl., § 252 Tz 3, führt dazu Folgendes aus:
§ 252 Abs. 1 bis 3 schränkt das Berufungsrecht gegen abgeleitete Bescheide ein; Einwendungen gegen im Grundlagenbescheid getroffene Feststellungen sollen nur im Verfahren betreffend den Grundlagenbescheid vorgebracht werden können. Werden sie im Rechtsmittel gegen den abgeleiteten Bescheid vorgebracht, so ist die Berufung diesbezüglich als unbegründet abzuweisen (z.B. VwGH 28.05.1997, 94/13/0273; 23.03.2000, 2000/15/0001; 19.03.2002, 2002/14/0005; 07.07.2004, 2004/13/0069) und nicht als unzulässig zurück zuweisen (vgl. VwGH 13.05.1955, 522/52). Eine solche Abweisung setzt voraus, dass der Grundlagenbescheid dem Bescheidadressaten des abgeleiteten Bescheides gegenüber wirksam geworden ist (VwGH 22.03.1983, 82/14/0214).
Mit Gruppenfeststellungsbescheid 2005 vom 2. April 2010 gemäß § 9 Abs. 9 KStG 1988 änderte das Finanzamt den Bescheid vom 6. Dezember 2005 dahingehend ab, dass die Zugehörigkeit des ausländischen Gruppenmitgliedes LD (kurz LD) ab der Veranlagung 2005 rückwirkend gem. § 295a BAO iVm § 9 Abs. 10 3. Teilstrich KStG 1988 als aufgehoben gilt. Dieser Bescheid wurde an die Bw zu Handen der oben genannten steuerlichen Vertreterin adressiert und dieser nachweislich am 9. April 2010 zugestellt (datierter Eingangsstempel auf Beilage 2 des Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 und Berufung vom 24. Jänner 2012, S 2 Abs. 7).
Dieser Bescheid ist auf Grund der bestehenden Zustellvollmacht der Bw gegenüber am 9. April 2010 wirksam geworden.
Beim genannten Bescheid vom 2. April 2010 handelt es sich um einen Feststellungsbescheid iSd § 92 Abs. 1 lit. b BAO, der sinngemäß rückwirkend die abgabenrechtlich bedeutsame Tatsache (§ 9 Abs. 9 KStG) festgestellt hat, dass LD ab der Veranlagung 2005 der gegenständlichen Gruppe nicht angehört (hat).
Dass die Behauptung der Bw, die Erledigung vom 2. April 2010 wäre mangels Adressierung und Zustellung (auch) an das ausländische Gruppenmitglied LD ein Nichtbescheid, unzutreffend ist, wurde bereits auf Seite 22ff der genannten Berufungsentscheidung vom 10. April 2010, RV/0259-L/12, RV/0211-L/12, unter Hinweis auf Judikatur (VwGH 24.06.2010, 2007/15/0284, vgl. UFS 04.05.2010, RV/0262-L/10, 30.06.2010, RV/0822-L/09, und 16.11.2011, RV/1351-L/10) und Literatur (Paterno und Seidl, in ÖStZ 2011, 221ff) dargelegt, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.
Feststellungsbescheide dienen der Abwendung künftiger Rechtsgefährdung (vgl. VwGH 26.06.2000, 96/17/0242; und 01.07.1993, 90/17/0116).
Die auf Grund des Mängelbehebungsauftrages vom 21. September 2011 mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2011 konkretisierte Berufung vom 26. August 2010 gegen den Feststellungsbescheid Gruppenträger und Körperschaftsteuer Gruppe für das Jahr 2005 macht ausschließlich die Berücksichtigung des Verlustes des ausländischen Gruppenmitgliedes LD geltend und setzt damit die Einbeziehung von LD in die Gruppe im Jahr 2005 voraus. Diesbezügliche Einwendungen hätten jedoch gegen den Gruppenfeststellungsbescheid 2005 vom 2. April 2010 geltend gemacht werden müssen.
Dem genannten Bescheid vom 2. April 2010 kommt Bindungswirkung für den Feststellungsbescheid Gruppenträger und Körperschaftsteuer Gruppe für das Jahr 2005 zu (vgl. § 252 Abs. 1 BAO und UFS 05.05.2011, RV/0112-I/10, Pkt. 8)
Der Berufung gegen die Bescheide für das Jahr 2005 vom 7. Juni 2010 konnte deshalb ebenfalls kein Erfolg beschieden sein.
Linz, am 18. Juli 2012
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 299 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |