Beendigung einer Unternehmensgruppe
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der
1.) Bw.
2.) Bw.2
3.) Bw.3
4.) Bw.4
5.) Bw.5
6.) Bw.6
7.) Bw.7
alle vertreten durch die BDO Auxilia Treuhand Gesellschaft m. b. H., Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, 1010 Wien, Kohlmarkt 8 - 10, vom 7. Juni 2006 gegen den Bescheid des Finanzamtes Klagenfurt vom 22. Mai 2006 betreffend Feststellung über die Auflösung einer Unternehmensgruppe iSd § 9 KStG 1988 entschieden:
Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Das Finanzamt Klagenfurt hat dem von der EBw. Gesellschaft m. b. H. (nunmehr in Liquidation) gestellten Antrag vom 28. Dezember 2005 entsprochen und mit Bescheid vom 27. Feber 2006 gemäß § 9 Abs. 8 letzter Teilstrich KStG 1988 das Bestehen einer Unternehmensgruppe zwischen den nachfolgenden Gesellschaften ab der Veranlagung 2005 wie folgt festgestellt:
"I. Gruppenträger
EBw. Gesellschaft m. b. H. (Erstberufungswerberin, in der Folge: EBw.)
II. Gruppenmitglieder
A. Inländische Gruppenmitglieder:
GM1
GM2
GM3
GM4
B. Ausländische Gruppenmitglieder
GM5
GM6."
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid - der gegenüber allen genannten Gesellschaften ergangen ist - stellte das Finanzamt fest, dass diese Unternehmensgruppe als aufgelöst gilt.
Begründet wurde dies damit, dass gemäß § 9 Abs. 10 KStG 1988 die steuerlichen Wirkungen der Gruppenbesteuerung nur dann eintreten würden, wenn die Unternehmensgruppe für einen Zeitraum von mindestens drei (vollen) Jahren bestehe. Da die Auflösung des Gruppenträgers schon vor Ablauf dieses Zeitraumes (im Jahr 2006, sohin bereits im Jahr nach Stellung des Gruppenantrages) beschlossen worden sei, gelte die Unternehmensgruppe als beendet.
Angemerkt wird in diesem Zusammenhang, dass der Beschluss über die Auflösung der EBw. von ihren Gesellschaftern in der am 25. Jänner 2006 abgehaltenen außerordentlichen Generalversammlung gefasst worden ist. Die Eintragung dieses Beschlusses ins Firmenbuch erfolgte am 17. März 2006. Bei der EBw. wird tatsächlich die Abwicklung vorgenommen.
Die Berufungen halten der Ansicht des Finanzamtes entgegen, dass eine (rückwirkende) Herstellung jener steuerlichen Verhältnisse, die sich ohne Gruppenzugehörigkeit ergäben, nur auf Grund des faktischen Ausscheidens des Gruppenträgers oder des einzigen (letzten) Gruppenmitgliedes innerhalb der Drei - Jahres - Frist Platz zu greifen habe.
Hievon könne jedoch im gegenständlichen Fall angesichts der folgenden Umstände nicht die Rede sein:
Die EBw. habe keine Erklärung iSd § 9 Abs. 9 KStG auf Ausscheiden aus der Unternehmensgruppe abgegeben.
Zudem bleibe die EBw. jedenfalls - wie von § 9 Abs. 3 KStG 1988 gefordert - ungeachtet des gefassten Auflösungsbeschlusses eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft. Der Auflösungsbeschluss vernichte nämlich nicht die rechtliche Existenz der EBw., sondern setze lediglich ihre Abwicklung in Gang. Innerhalb welches Zeitraumes diese beendet sein werde, verschließe sich derzeit noch der abschließenden Beurteilung. Darüber hinaus komme den Gesellschaftern der EBw. im Abwicklungsverfahren jederzeit die Möglichkeit der Fassung eines Fortsetzungsbeschlusses zu.
Über die Berufungen wurde erwogen:
A.) betreffend das (Nicht-)Vorliegen Unternehmensgruppe
Mit dem Steuerreformgesetz 2005, BGBl. Nr I 47/2004 (StRefG) wurde u. a. mit Wirksamkeit ab der Veranlagung für das Kalenderjahr 2005 (§ 26c Z. 3 KStG 1988) im Wege der Änderung des § 9 KStG 1988 die Besteuerung von Unternehmensgruppen eingeführt.
Nach den Materialien zur Regierungsvorlage des StRefG (451 der Beilagen XXII. GP) stellt die steuerliche Behandlung einer Unternehmensgruppe wie die bisherige Vollorganschaft eine Ausnahme der in § 7 KStG 1988 angeordneten Individualbesteuerung jeder Körperschaft dar.
Dementsprechend legt § 9 Abs. 1 KStG 1988 idF StRefG auch fest, dass abweichend von § 7 KStG 1988 im Sinne des § 9 Abs. 2 bis 5 KStG 1988 finanziell verbundene Körperschaften nach Maßgabe des § 9 Abs. 8 KStG 1988 eine Unternehmensgruppe bilden können. Diesfalls wird das steuerlich maßgebende Ergebnis des jeweiligen Gruppenmitgliedes dem steuerlich maßgebenden Ergebnis des beteiligten Gruppenmitgliedes bzw. Gruppenträgers jenes Wirtschaftsjahres zugerechnet, in das der Bilanzstichtag des Wirtschaftsjahres des Gruppenmitgliedes fällt.
Gruppenträger können nach § 9 Abs. 3 KStG 1988 u. a. unbeschränkt steuerpflichtige Kapitelgesellschaften sein.
Gemäß § 9 Abs. 10 KStG 1988 muss die Unternehmensgruppe für einen Zeitraum von mindestens drei Jahren bestehen. Hiebei gilt nach § 9 Abs. 10 erster Teilstrich KStG 1988, dass die Mindestdauer nur dann erfüllt ist, wenn das steuerlich maßgebende Ergebnis von drei jeweils zwölf Monate umfassenden Wirtschaftsjahren im Sinne des Abs. 6 zugerechnet wird.
Nach dem genannten Abs. 6 (Z. 1 des § 9 KStG 1988) ist bei Ermittlung des zuzurechnenden steuerlichen Ergebnisses zu beachten, dass als Ergebnis eines unbeschränkt steuerpflichtigen Gruppenmitgliedes der nach den Vorschriften des EStG 1988 und des KStG 1988 ermittelte Gewinn oder Verlust aus Einkunftsquellen des jeweiligen Wirtschaftsjahres gilt. Dieses Ergebnis ist gemäß § 9 Abs. 6 Z. 2 KStG dem am Gruppenmitglied unmittelbar oder mittelbar beteiligten Gruppenmitglied bzw. Gruppenträger zuzurechnen. Beim Gruppenträger ist auf das zusammengefasste Ergebnis § 7 Abs. 2 KStG 1988 anzuwenden.
Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2004, BGBl. I 240/180, vom 30. Dezember 2004 wurde u. a. § 9 Abs. 6 KStG 1988 mit Wirksamkeit bereits ab der Veranlagung für das Jahr 2005 (§ 26c Z. 6 KStG 1988) geändert. Demzufolge (§ 9 Abs. 6 Z. 1 KStG 1988) gilt als Ergebnis des unbeschränkt steuerpflichtigen Gruppenmitgliedes das Einkommen. Dieses Einkommen ist dem am Gruppenmitglied unmittelbar oder mittelbar beteiligten Gruppenmitglied bzw. Gruppenträger zuzurechnen. Als Ergebnis des Gruppenträgers gilt das Einkommen mit der Maßgabe, dass Sonderausgaben vom zusammengefassten Ergebnis abzuziehen sind (§ 9 Abs. 6 Z. 2 KStG 1988).
Die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (686 der Beilagen XXII. GP) führen hiezu aus, dass die Verwendung des Begriffes "Einkommen" klarstellen soll, dass unbeschränkt steuerpflichtige Gruppenmitglieder und der Gruppenträger zunächst unabhängig von der Unternehmensgruppe ihr "Einkommen" im Sinne des § 7 Abs. 2 KStG 1988 zu ermitteln haben.
"Einkommen" im Sinne des § 7 Abs. 2 KStG 1988 ist der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den in § 2 Abs. 3 EStG 1988 aufgezählten Einkunftsarten (nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus den einzelnen Einkunftsarten ergeben und nach Abzug der Sonderausgaben).
Wie das Einkommen zu ermitteln ist, ergibt sich nach dem EStG 1988 und dem KStG 1988. Bei Steuerpflichtigen, die - wie die EBw. - auf Grund ihrer Rechtsform nach handelsrechtlichen Vorschriften zur Buchführung verpflichtet sind, sind nach § 7 Abs. 3 KStG 1988 alle Einkünfte den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzurechnen.
Die Einkünfte (=Gewinne) solcher Steuerpflichtiger, deren Firma im Firmenbuch eingetragen ist, hat durch einen den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechenden Betriebsvermögensvergleich zu erfolgen (§ 5 Abs. 1 EStG 1988), d. h. durch die den angesprochenen Grundsätzen Rechnung tragende Ermittlung des Unterschiedsbetrages zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres (§ 4 Abs. 1 EStG 1988).
Im System des Betriebsvermögensvergleiches ist Gewinn demnach die betrieblich veranlasste Änderung des Reinvermögens während eines Wirtschaftsjahres (vgl. Quantschnigg - Schuch, Einkommensteuerhandbuch 1988, Wien 1993, Anm. 7 z. § 4).
Hievon abweichend ist nach § 19 Abs. 1 KStG 1988 bei einem unter § 7 Abs. 3 KStG 1988 fallenden Steuerpflichtigen - wie der EBw. - der seine Auflösung beschlossen hat und bei dem tatsächlich die Abwicklung erfolgt, der Besteuerung der Liquidationsgewinn zugrunde zu legen.
Liquidationsgewinn ist gemäß § 19 Abs. 2 KStG 1988 der im Zeitraum der Abwicklung erzielte Gewinn, der sich aus der Gegenüberstellung des Abwicklungs- - Endvermögens und des Abwicklungs- - Anfangsvermögens ergibt.
Mit dem Eintritt einer Kapitalgesellschaft in das Stadium der Abwicklung endet nämlich die dem Gesellschaftszweck gewidmete Tätigkeit der Kapitalgesellschaft. Gewinne aus der Verfolgung des Gesellschaftszweckes sind nicht mehr zu erwarten. Durch die Auflösung wird aus der Erwerbsgesellschaft eine Abwicklungsgesellschaft. Ihr Zweck ist nicht mehr auf Erwerb sondern auf "Selbstvernichtung in gesetzlich geregelter Weise" gerichtet (BFH v. 18. 10. 1967, I 262/63, BStBl. II 1968 S. 105 f).
Der Abwicklungsgewinn ist ein spezifischer Gewinnbegriff, der sowohl das Ergebnis aus der Auflösung der stillen Reserven als auch die Erträge des Abwicklungsanfangsvermögens umfasst (vgl. VwGH 24.2.1999, 96/13/0008 z. § 18 KStG 1966, der im Kern dem § 19 KStG 1988 entsprach) und demnach dem am Einkommensteuerrecht orientierten allgemeinen Gewinnbegriff nicht gleichzusetzen ist (siehe BFH, 8.12.1971, I R 164/69, BStBl. 1972 Teil II S. 229, dessen Auffassung sich der VwGH in seinem zitierten Erkenntnis angeschlossen hat, sowie BFH v. 18. 10. 1967, I 262/63, wonach es sich beim Abwicklungsgewinn somit nicht um "Gewinn" sondern um "Vermögen" handelt).
Vor dem Hintergrund dessen hätte dies - folgte man den von den Berufungswerberinnen vertretenen Ansicht - aber zur Konsequenz, dass dem "Einkommen" iSd § 7 Abs. 2 KStG 1988 "Vermögen" iSd § 19 KStG 1988 zugerechnet werden würde. Derartiges lässt sich aber aus der Bestimmung des § 9 Abs. 6 KStG 1988, der von einer Einkommenszurechnung ausgeht, nicht herauslesen.
Im gegenständlichen Fall endete die Verpflichtung der EBw. zur Ermittlung eines betrieblich veranlassten "Einkommens" angesichts des Beschlusses ihrer Auflösung am 26. Jänner 2006 unstrittig mit 31. Dezember 2005 (vgl. § 19 Abs. 5 KStG 1988).
Daher kann unter Bedachtnahme darauf, dass die EBw. den Antrag auf Bildung einer Unternehmensgruppe mit Wirksamkeitsbeginn (erst) ab der Veranlagung für das Jahr 2005 gestellt hat, eine wie oben dargestellt geforderte "Einkommens-Zurechnung - ungeachtet der Tatsache des Fortbestehens der rechtlichen Existenz der EBw. (Wiesener - Schneider - Spanbauer Kohler, Körperschaftsteuergesetz 1988, 1996, Anm. 2 z. § 19) - im Lichte der von § 9 Abs. 10 KStG 1988 geforderten Mindestbestehensdauer von drei Jahren nicht Platz greifen.
Den Berufungsvorbringen der jederzeit möglichen Fassung eines Fortführungsbeschlusses ist im Übrigen entgegenzuhalten, dass nach der Lehre (Wiesner u. a., a.a.O., Anm. 7 z. § 19, Gaier, Die Liquidation von Kapitalgesellschaften, in FS Bauer, S. 58) der Liquidationszeitraum mit dem Ablauf des Beschlusstages endet und (erst) ab diesem Zeitpunkt die Wirkungen des § 19 KStG 1988 wegfallen.
Am Boden des Vorangeführten waren die Berufungen demnach als unbegründet abzuweisen.
B.) betreffend die Zulässigkeit der Erlassung des angefochtenen Bescheides
Nach § 9 Abs. 8 letzter Teilstrich KStG 1988 hat das für die Erhebung der Körperschaftsteuer des Antragstellers zuständige Finanzamt das Vorliegen der Voraussetzungen für das Bestehen der Unternehmensgruppe gegenüber allen den Antrag unterfertigenden Körperschaften bescheidmäßig festzustellen. Die Materialien zur Regierungsvorlage (451 der Beilagen XXII. GP) führen hiezu aus, diese Verpflichtung über die Gruppenbildung in rechtsmittelfähiger Form abzusprechen werde dem Finanzamt deshalb auferlegt, um für alle Beteiligten an der Gruppe Rechtssicherheit zu gewährleisten.
Dieser Feststellungsbescheid ist gemäß § 9 Abs. 9 letzter Teilstrich KStG 1988 in allen Fällen der Änderung gegenüber dem Gruppenträger und allen Gruppenmitgliedern der Unternehmensgruppe abzuändern.
Nach den angesprochenen Materialien kann eine Änderung einer bestehenden Unternehmensgruppe sowohl durch ein faktisches Ereignis als auch eine Gestaltung ausgelöst werden.
Auf Grund des im gegenständlichen Fall eingetretenen faktischen Ereignisses (Auflösung der EBw. und ihre erfolgende Abwicklung) war daher - nicht zuletzt auch unter Bedachtnahme auf Gründe der Rechtssicherheit angesichts der zwischen den Berufungswerberinnen und dem Finanzamt bestehenden Auffassungsunterschiede - die Erlassung des angefochtenen Bescheides geboten.
C.) betreffend die Verbindung der Berufungen zu einem gemeinsamen Verfahren
Da es sich beim angefochtenen Bescheid dem eindeutigen Gesetzeswortlaut zufolge (§ 9 Abs. 9 letzter Teilstrich KStG 1988 "dieser Feststellungsbescheid") um einen Bescheid handelt, waren die im Spruch genannten Berufungen nach § 277 BAO zu einem gemeinsamen Verfahren zu verbinden.
D.) betreffend die Berufungslegitimation der GM5 und der GM6
Da der angefochtene Bescheid (vgl. § 9 Abs. 9 letzter Teilstrich KStG 1988: "Dieser Feststellungsbescheid ist in allen Fällen der Änderung gegenüber dem Gruppenträger und allen Gruppenmitgliedern der Unternehmensgruppe abzuändern.") auch an diese beiden Gesellschaften zu ergehen hatte, sind diese ebenfalls rechtsmittellegitimiert.
Es war daher nach all dem spruchgemäß zu entscheiden.
Klagenfurt, am 31. August 2006
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 9 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988 |
Schlagworte: | Auflösung, tatsächliche Abwicklung, Gruppenträger, Beendigung der Unternehmensgruppe |
Verweise: | VwGH 24.02.1999, 96/13/0008 |