Gesellschaftsteuerrechtliche Beurteilung eines Sanierungsverzichtes durch einen Gesellschafter
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat durch die Vorsitzende HR Mag. Dr. Bavenek-Weber und die weiteren Mitglieder Johann Jungwirth, Gustav Anderst und Helmut Tomek über die Berufung der Bw., vertreten durch Hamerle & Partner Wirtschaftstreuhand GmbH, 1030 Wien, Traungasse 14, gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom 23. März 2004, ErfNr., betreffend Haftung Gesellschaftsteuer am 20. Jänner 2009 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert wie folgt: Die Bezeichnung "Gesellschaftsteuerbescheid" wird durch "Haftungsbescheid" ersetzt.
Entscheidungsgründe
Auf Grund einer Kontrollmitteilung des Finanzamtes für den 4. 5. und 10 Bezirk in Wien (FA 4/5/10) erlangte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien (FAG) Kenntnis von einer im Jahr 2001 erfolgten Kapitalzuführung an die P. GmbH in Wien (in der Folge: die Gesellschaft) durch deren Alleingesellschafterin, P. GmbH & CoKG, H., Deutschland (Berufungswerberin, Bw.) in Höhe von S 5.229.242,43.
Im Jahresabschuss der Gesellschaft zum 31. Dezember 2001 ist dieser Forderungsverzicht als außerordentlicher Ertrag in Höhe von S 5.229.242,43 ausgewiesen.
Bei dieser Kapitalzuführung handelt es sich lt. einer an das FA 4/5/10 gerichteten Vorhaltsbeantwortung der Gesellschaft vom 4. März 2003 um einen Forderungsverzicht der Bw., Unter Hinweis auf die EStR, Rz 2599 und die KStR, Rz 684 erklärte die Bw. in dieser Vorhaltsbeantwortung weiters, dass eigentlich ein ertragsneutraler Gesellschaftsteuerzuschuss geplant gewesen wäre und die Behandlung als steuerpflichtiger Sanierungsgewinn lediglich auf Grund der nachteiligen Bestimmungen der Einkommensteuer- und der Körperschaftssteuerrichtlinien gewählt worden sei.
Mit Schreiben vom 18. Juni 2003 teilte die Gesellschaft dem FA 4/5/10 mit, dass ein Vertrag über den Schuldnachlass nicht vorliege. Der vorliegende Schuldnachlass sei somit unabhängig vom Vorliegen eines Vertrages entweder als Gesellschafterzuschuss oder als (mit Vorjahresverlusten voll verrechenbarer) Sanierungsgewinn zu behandeln.
Mit "Gesellschaftsteuerbescheid" vom 23. März 2004 nahm das FAG die Bw. unter Bezugnahme auf den oa. Vorgang für eine Gesellschaftsteuer in Höhe von € 3.800,24 gemäß § 9 Abs. 2 KVG in Verbindung mit § 224 Abs. 1 BAO als Haftungspflichtige in Anspruch.
In der gegen diesen Bescheid eingebrachten "Berufung gegen Gesellschaftsteuerbescheid vom 1. April 2004" - "Berufung gemäß § 248 BAO gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch" wendete die Bw ein, dass für die Annahme eines gesellschaftsteuerpflichtigen Zuschusses kein Platz bleibe. Dies mit der Begründung, dass sich der Forderungsnachlass nicht aus dem Gesellschafterdarlehen, sondern aus der Tatsache ergebe, dass die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt keine ausreichende Liquidität mehr besessen habe und daher die Forderung der Gesellschafterin zu diesem Zeitpunkt bereits objektiv wertlos gewesen sei. Keinesfalls könne der Sanierungsgewinn, der vom Finanzamt auch als steuerpflichtiger Ertrag behandelt worden sei, nunmehr zu einer Gesellschaftsteuerpflicht führen, da in diesem Fall das FAG von einem anderen Sachverhalt ausgehen würde, als das für die Einkommensteuerermittlung zuständige Finanzamt. Durch die vom zuständigen Finanzamt gewählte Behandlung als körperschaftssteuerpflichtiger Sanierungsgewinn seien die Verlustvorträge der Gesellschaft vernichtet worden und daher eine Fortführung bzw. ein Verkauf der Gesellschaft letztendlich unterblieben.
In dem gegen die abweisende Berufungsvorentscheidung eingebrachten Vorlageantrag wendete die Bw. im Wesentlichen ein, die Gesellschaft sei im Zeitpunkt der Forderungsabschreibung nicht mehr operativ tätig gewesen. Insbesondere für jene Darlehensteile, bei denen die nunmehr durchgeführte Liquidation des Unternehmens noch nicht absehbar gewesen sei und vom FAG auch entsprechende Darlehensgebühren für ein Gesellschafterdarlehen vorgeschrieben worden seien, könne die Fremdüblichkeit nicht ohne weiteres negiert werden, zumal in diesem Fall die betreffenden Darlehensgebühren zu unrecht vorgeschrieben worden wären. Weder eine Freiwilligkeit noch eine Leistung sei im vorliegenden Fall vorgelegen, da auf Grund der finanziellen Situation des Unternehmens (und mangels operativer Tätigkeit) die gesamte Gesellschafterforderung als uneinbringlich anzusehen gewesen sei und daher auch abgeschrieben worden sei. Auch der Wert der Gesellschaftsrechte habe sich nicht erhöht, da der Wert sowohl vor der Abschreibung als auch nach der Abschreibung der Gesellschafterforderungen genau Null betragen habe. Der Wert der Anteile sei durch die Abschreibung der ohnehin uneinbringlichen Forderungen unverändert geblieben.
Mit dem Vorlageantrag beantragte die Bw. die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat.
In einer weiteren Eingabe vom 23. Juli 2004 meinte die Bw. in Ergänzung zum bisherigen Berufungsvorbringen, dass die Verbindlichkeit lediglich aus Einfachheitsgründen (korrespondierend zur Wertberichtigung der Bw. mit dem Ziel der Bilanzbereinigung) abgeschrieben worden sei. Die Abschreibung beruhe daher auf einer einseitigen (aber nachvollziehbaren) Entscheidung durch die Geschäftsführung der österreichischen GmbH mit dem Ziel der Bilanzbereinigung. Von einem Verzicht dieser Forderung könne aus Sicht der deutschen Gesellschafterin daher nicht gesprochen werden. Von dieser sei lediglich eine entsprechende Wertberichtigung vorgenommen worden. Es handle sich vielmehr um eine handelsrechtlich gebotene Forderungsabschreibung der Alleingesellschafterin, die von der österreichischen Tochtergesellschaft gegengleich (aus rein buchhalterischen Gründen) verbucht worden sei.
Auf Grund eines Ersuchens des Unabhängigen Finanzsenates (UFS) übermittelte das FAG den Bemessungsakt ErfNr.x, aus welchem hervorgeht, dass die Gesellschaft zwei kurzfristige Darlehen der Bw. in Höhe von insgesamt S 1.000.000,00 zur Gebührenanzeige brachte.
Mit Schreiben vom 27. November 2007 wurde der Bw. vom UFS ua. Folgendes vorgehalten:
"................................ Dazu ist zu sagen, dass aus den oa. Schreiben der Gesellschaft an das Finanzamt für den 4. 5. und 10 Bezirk zu schließen ist, dass kein formaler Verzicht auf eine objektiv nicht rückzahlbare Forderung vorlag, sondern die Gesellschaft im Zeitpunkt der Leistung selbst von einem Gesellschafterzuschuss und somit sowohl von einer objektiven Eignung der Leistung, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen, wie auch von einer Freiwilligkeit der Leistung ausgegangen ist. Die einkommensteuerrechtliche Beurteilung als Sanierungsgewinn ändert daran nichts, zumal Sanierungsgewinne schon per Definition aus einer Vermehrungen des Betriebsvermögens entstehen (siehe § 23a KStG). Zum Vorbringen in der Berufung, wonach ein Verkauf der Gesellschaft letztendlich unterblieben sei, ist zu sagen, dass aus dem Firmenbuch eine Abtretung der Gesellschaftsanteile nach dem Forderungsverzicht an die D. B.V. ersichtlich ist. im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Gesellschaft zum 31. Dezember 2001 ein Eigenkapital von S 122.550,00 ausweist.
Zum Einwand, es sei keine Werterhöhung erfolgt, wird auf den RechtssatzNr. 6 (www.ris.bka.gv.at/vwgh ) zu VwGH vom 28. 9. 1998, 95/16/0302 hingewiesen, der wie folgt lautet:
"Nach stRSp ist der Nachweis einer tatsächlichen Werterhöhung nicht erforderlich; vielmehr reicht die objektive "Eignung" der Leistung, den Erfolg der Wertsteigerung zu bewirken (Hinweis E 19.4.1995, 93/16/0044). Selbst die Abdeckung von Verlusten ist als wertsteigernd im Sinn des § 2 Z 3 lit b KVG zu qualifizieren (Hinweis E 17.2.1994, 92/16/0089). Überhaupt wird bei Geldleistungen die Eignung, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen, im Regelfall zu bejahen sein, soweit ihnen als Sonderleistung nicht eine Gegenleistung gegenübersteht, bzw soweit die Leistung nicht zurückgezahlt werden muß. Nur dann, wenn der Zuschuß an eine bereits in Liquidation befindliche Kapitalgesellschaft geleistet wird, ist die Wertsteigerung im Sinn des § 2 Z 3 lit b KVG ausgeschlossen (Hinweis E 6.10.1994, 93/16/0103)."
Bemerkt wird, dass der Einwand in der Eingabe vom 23. Juli 2004, es wäre nicht einzusehen, wenn im Bereich der Gebühren und Verkehrsteuern ein und der selben Vorgang zuerst als Darlehen und in der Folge noch als Gesellschafterzuschuss behandelt werden würde, unbegründet ist, da es ausgeschlossen ist, dass es sich bei der Gewährung des Darlehens und dem Verzicht auf die Darlehensforderung um ein und denselben Vorgang handelt.
Auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes ist somit von einer freiwilligen Leistung eines Gesellschafters, die geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen, auszugehen.
Es wird der Bw. jedoch die Möglichkeit eingeräumt innerhalb der oa. Frist unter Vorlage der bezughabenden Unterlagen Stellung zu nehmen.
Insbesondere wird um Beilage folgender Unterlagen in Kopie gebeten:
Gesellschafterbeschlüsse die im Zusammenhang mit dem Forderungsverzicht bzw. Gesellschafterzuschuss, der Auflösung der Gesellschaft sowie der Einstellung der operativen Tätigkeit errichtet wurden;
Urkunde über die Abtretung der Geschäftsanteile an die D. B.V.
Weiters wird um Erläuterung der Ausführungen im Vorlageantrag betr. die Gesellschafterdarlehen ("Insbesondere für jene Darlehensteile, bei denen ................. die betreffenden Darlehensgebühren zu unrecht vorgeschrieben worden wären") sowie Offenlegung der bezughabenden Vertragsinhalte unter Beilage einer Kopie allfälliger darüber errichteten Urkunden und sonstigen Schriften gebeten. Bemerkt wird, dass lt. Recherche des FAG lediglich Darlehen in Höhe von S 1.000.000,00 einer Vergebührung unterzogen wurden.
Festzuhalten ist, dass die Berufung von der steuerlichen Vertreterin der P. GmbH & Co KG, welche auch steuerliche Vertreterin der P. GmbH war, eingebracht wurde. In der Berufungsschrift wird inhaltlich auf beide Gesellschaften "als Mandantin" Bezug genommen. Im Betreff der Berufungsschrift ist aber lediglich die Bw. genannt, an welche der angefochtene Bescheid gerichtet wurde. An die P. GmbH als Abgabenschuldnerin ist lt. Aktenlage kein Bescheid ergangen. Der Referent geht auf Grund des Inhaltes der Berufung davon aus, dass die gegenständliche Berufung ausschließlich der Bw. als Einschreiterin zuzurechnen ist.
Abschließend wird bezüglich der Bw. um Bekanntgabe allfälliger Änderungen des Firmennamens, der Rechtsform etc. ersucht ".
Dazu teilte die Vertreterin der Bw. mit, dass ihr eine Übermittlung der angeforderten Unterlagen insofern nicht mehr möglich sei, als die gegenständliche Gesellschaft bereits seit längerem liquidiert worden sei und die entsprechenden Unterlagen nicht bei ihr in der Kanzlei gelagert seien. Wie vom UFS richtig festgehalten worden sei, sei ein Zuschuss, der an eine in Liquidation befindliche Gesellschaft geleistet werde, nicht geeignet, den Wert der Anteile zu erhöhen. Die Tatsache, dass im Zeitpunkt der Anteilsübertragung formell noch kein Liquidationsbeschluss gefasst worden war, könne letztendlich zu keinem anderen Ergebnis führen. Wie aus den beiliegenden Bilanzen + Gewinn- und Verlustrechnungen ersichtlich sei, habe die Gesellschaft bereits im Jahr 2001 ihre Geschäftstätigkeit zur Gänze eingestellt. Die Gesellschaft habe in der Folge bis zu Ihrer tatsächlichen Löschung weder Umsätze erzielt, noch in irgendeiner Weise eine operative wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet - dies wird aus den Jahresabschlüssen evident, da neben geringfügigen Verwaltungskosten keinerlei sonstige Kosten angefallen seien und auch keine Umsatzerlöse erzielt worden seien. Wieso die Anteile letztendlich vor der Liquidation noch innerhalb des Konzerns verschoben worden seien, sei ihnen nicht bekannt. In höchstem Maße evident sei jedoch die Tatsache, dass die erwerbende Konzerngesellschaft für einen wertlosen Konzernmantel jedenfalls nicht mehr aufgewendet hätte, wenn die Altgesellschafterin nicht auf Ihre Forderung verzichtet hätte. Wirtschaftlich betrachtet entspreche vorliegender Fall somit exakt der vom UFS zitierten Erkenntnis vom 6.10.1994.
Dieser Eingabe wurde ein Teilauszug aus den Jahresabschlüssen 2001 und 2002 vorgelegt. Dazu ist zu bemerken, dass aus dem vom Finanzamt für den 4. 5. und 10 Bezirk in Wien mit der oa. Kontrollmitteilung übermittelten vollständigen Jahresabschluss 2001, im Besonderen aus dem Anhang, hervorgeht, dass bei der Bewertung von einer Fortführung des Unternehmens ausgegangen wurde. In der "Darstellung der Finanzlage im Vergleich zum Vorjahr" ist ausgeführt, dass "der bereits festgestellte Vermögensanstieg von einer Verbesserung der finanziellen Situation des Unternehmens zum 31.12.2001 begleitet war".
Das Eigenkapital der Gesellschaft betrug zum 31. Dezember 2001 S 122.550,00
Über die Berufung wurde erwogen:
Zur Haftungsinanspruchnahme:
Auf Grund des § 2 Z 4 KVG unterliegen freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft, wenn die Leistung geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen, der Gesellschaftsteuer.
Nach § 10 Abs. 1 KVG ist über Rechtsvorgänge, die der Gesellschaftsteuer unterliegen, bis zum 15. Tag des auf den Kalendermonat, in dem der Rechtsvorgang stattgefunden hat, zweitfolgenden Monats, beim Finanzamt eine Abgabenerklärung vorzulegen. Dies gilt auch für Rechtsvorgänge, die von der Besteuerung ausgenommen sind. Ist über den Rechtsvorgang eine Urkunde aufgenommen worden, so ist diese der Abgabenerklärung in Abschrift anzuschließen. Diese Verpflichtungen entfallen insgesamt bei Rechtsvorgängen, für die gemäß § 10a eine Selbstberechnung der Steuer erfolgt.
Nach Abs. 2 leg.cit sind ua. die am Rechtsvorgang Beteiligten zur Vorlage der Abgabenerklärung zur ungeteilten Hand verpflichtet.
Auf Grund des § 9 Abs. 2 Z 2 KVG haftet für die Gesellschaftsteuer bei Leistungen, wer die Leistung bewirkt.
Das Rechtsinstitut der Haftung dient der Verstärkung und Sicherung des Abgabenanspruchs. Haftung bedeutet nach den Vorschriften des Steuerrechts das Einstehen müssen für eine fremde Schuld (vgl. VwGH 20. 4. 1989, 89/16/0009, 0010, 0011).
Gemäß § 224 Abs. 1 erster Satz BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht.
Die sachliche Rechtfertigung von Haftungsregelungen ergibt sich einerseits aus dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Einbringlichkeit öffentlich rechtlicher Ansprüche und andererseits aus einem durch eine Rechtsbeziehung begründeten sachlichen Zusammenhang zwischen der Person des Abgabepflichtigen und des Haftungspflichtigen (vgl. VfGH 15. 12. 1988, G 89/88, 9. 3. 1989, G 163/88 u. a. und 13. 10. 1993, G 4/93).
Die Geltendmachung einer Haftung ist in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, welche sich gemäß § 20 BAO innerhalb der Grenzen zu halten hat, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen.
Das Abstellen auf öffentliche Interessen (vor allem die Bedachtnahme auf eine geordnete und gesicherte Abgabenerhebung) bei Berücksichtigung des Ermessenskriteriums der Zweckmäßigkeit ist allerdings nicht mit dem Gedanken bedingungslosen Strebens nach Mehrung der Staatseinnahmen gleichzusetzen. Bei der Ermessensentscheidung sind daher nicht nur das öffentliche Interesse an einem gesicherten und zeitnahen Abgabenaufkommen und die Einbringlichkeit der Abgabenschuld, sondern auch die besonderen Verhältnisse des konkreten Falles in Betracht zu ziehen.
Das Ermessen ist bei der Haftung nach § 9 Abs. 2 KVG im Sinne einer Nachrangigkeit der Haftungsinanspruchnahme zu üben. Es ist Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Haftenden, dass die Einbringlichkeit der Abgaben beim Eigenschuldner gefährdet oder wesentlich erschwert ist. Eine ermessenswidrige Inanspruchnahme des Haftenden wird vor allem dann vorliegen, wenn die Abgabenschuld vom Eigenschuldner ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeiten rasch eingebracht werden kann.
Im Hinblick darauf, dass die Eigenschuldnerin am 19. März 2004 nach beendeter Liquidation gelöscht wurde, sind die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme wegen Uneinbringlichkeit bei der Eigenschuldnerin jedenfalls gegeben.
Die, die Gesellschafterhaftung nach § 9 Abs. 2 Z 2 KVG sachlich rechtfertigende Rechtsbeziehung zwischen der Kapitalgesellschaft als Eigenschuldner und dem leistenden Gesellschafter als Haftungspflichtigen ergibt sich aus ihrer gemeinsamen Beteiligung an der die Gesellschaftsteuerpflicht begründenden Leistung.
Daneben ist im Besonderen zu berücksichtigen, dass auf Grund des § 10 Abs. 2 KVG auch der Bw. zur Gesellschaftsteuererklärung verpflichtet gewesen wäre.
Die hier maßgebliche gesellschaftsteuerbare Leitung erfolgte im Jahr 2001.
Das für die Erhebung der Gesellschaftsteuer zuständige FAG hat erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt auf Grund einer Kontrollmitteilung Kenntnis von den haftungsbegründenden Gesellschafterleistungen erhalten, obwohl gesellschaftsteuerpflichtige Leistungen von den am Rechtsvorgang Beteiligten mit Abgabenerklärung offen gelegt hätten werden müssen. Es lag neben der Eigenschuldnerin auch an dem zur Gesellschaftsteuererklärung verpflichteten Bw., dass das FAG nicht früher von der haftungsbegründenden Leistung Kenntnis erlangte.
Eine Gesellschaftsteuerfestsetzung gegenüber der Eigenschuldnerin erfolgte nicht.
Einwendungen gegen die Haftungsinanspruchnahme über die Behauptung hinaus, dass der Abgabenanspruch nicht gegeben sei, erfolgten nicht.
Die Gesellschafteuerschuld ist noch nicht entrichtet.
Es war daher die Bw. für die aushaftende Gesellschaftsteuerschuld als Haftende heranzuziehen.
Da der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung kein Abgabenbescheid vorangegangen ist, ist die Frage, ob ein Abgabenanspruch gegeben ist, als Vorfrage im gegenständlichen Haftungsverfahren zu entscheiden (siehe VwGH 17.12.1996, 94/14/0148).
Zum Abgabenanspruch:
Gemäß § 2 Z 4 b KVG unterliegt eine freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft durch den Verzicht auf eine Forderung der Gesellschaftsteuer, wenn die Leistung geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen.
Die Gesellschaftsteuerschuld entsteht auf Grund des § 4 Abs 1 BAO mit dem tatsächlichen Bewirken der Leistung.
Dass es sich hier um den Wegfall eine Forderung eines Gesellschafters an einer inländischen Kapitalgesellschaft handelte, ist unbestritten.
Wenn die Bw. nun meint dass der vorliegende Fall "wirtschaftlich" dem, dem Erkenntnis des VwGH vom 6.10.1994, 93/16/0103 zu Grunde gelegenen Fall entspreche, so ist dazu Folgendes zu sagen:
Aus dem von der Bw. vorgelegten Auszug der Jahresabschlüsse 2001 und 2002 (Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen) geht hervor, dass die Gesellschaft in diesen Jahren keine Umsätze mehr aus einer ordentlichen Geschäftstätigkeit erzielt hat. Aus dem Firmenbuch ergibt sich, dass die Gesellschaft mit Generalversammlungsbeschluss vom 11. März 2003 aufgelöst wurde und mit 19. März 2004 im Firmenbuch gelöscht wurde.
Für die gesellschaftsteuerrechtliche Beurteilung sind aber die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Leistung maßgeblich. Späteren Ereignissen kann daher lediglich eine Indizwirkung zukommen, sodass die Tatsache, dass der Geschäftsbetrieb nach dem Forderungsverzicht nicht wieder aufgenommen wurde und die Gesellschaft in der Folge liquidiert und gelöscht wurde, für sich alleine nicht besagt, dass sich die Gesellschaft zum Zeitpunkt des Forderungsverzichtes bereits in stiller Liquidation befunden hat. Aus Sicht des Leistungszeitpunktes ist nicht erkennbar, ob die Einstellung der operativen Tätigkeit auf Dauer oder nur vorübergehend angelegt war.
So ist im Gegenteil im Jahresabschluss 2001 in der "Darstellung der Finanzlage im Vergleich zum Vorjahr" ausgeführt ist, dass "der bereits festgestellte Vermögensanstieg von einer Verbesserung der finanziellen Situation des Unternehmens zum 31.12.2001 begleitet war" und, dass bei der Bewertung von einer Fortführung des Unternehmens ausgegangen wurde. Auch führte der Forderungsverzicht zu einem positiven Eigenkapital.
Weiters ist die Gesellschaft in Ihren Eingaben vom 4. März 2003 und vom 18. Juni 2003 gegenüber dem Finanzamt für den 4. 5. und 10 Bezirk in Wien dezidiert von einem Gesellschafterzuschuss (Forderungsverzicht) bzw. Schuldennachlass ausgegangen, welcher eigentlich als ertragsneutraler Gesellschafterzuschuss geplant gewesen wäre und die Behandlung als Sanierungsgewinn lediglich auf Grund von nachteiligen Bestimmungen der Einkommensteuer- und der Körperschaftssteuerrichtlinien erfolgt sei und es wurde der Geschäftsanteil an der Gesellschaft, wenn auch innerhalb des Konzerns, in der Folge noch abgetreten, was jedenfalls eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung voraussetzt, zumal mit einer solchen Abtretung auch Aufwand und Kosten verbunden sind.
Im Übrigen berechtigt eine Wertberichtigung der Forderung beim Gläubiger den Schuldner nicht zur "Schuldabschreibung".
Der späteren Behauptung, dass hier gar keine Leistung vorgelegen sei, da die Verbindlichkeit lediglich aus Einfachheitsgründen (korrespondierend zur Wertberichtigung der Bw. mit dem Ziel der Bilanzbereinigung) abgeschrieben worden sei, kann daher ebenso wenig gefolgt werden, wie der Behauptung, dass sich die Gesellschaft zum Zeitpunkt des Verzichts bereits in stiller Liquidation befunden hätte.
Dazu ist auch zu sagen, dass der Wert eines Forderungsverzichtes aus der Sicht der Gesellschaft zu ermitteln ist und im Regelfall dem Nennbetrag der Forderung entspricht (siehe Dorazil, Kapitalverkehrsteuergesetz-Kurzkommentar2, S. 185 und 186 Pkt. V. 6. und 8. zu § 7; Brönner/Kamprad, Kommentar zum KVG4, Rz 13 zu § 8).
Zum Hinweis in der Berufung, dass durch die vom zuständigen Finanzamt gewählte Behandlung als körperschaftsteuerpflichtiger Sanierungsgewinn die Verlustvorträge der Gesellschaft zur Gänze vernichtet worden seien und daher eine Fortführung bzw. ein Verkauf der Gesellschaft letztendlich unterblieben sei, ist zu sagen, dass die körperschaftsteuerrechtliche Beurteilung nicht maßgeblich ist und unabhängig davon ob der Wegfall der Forderung auf einen gewinnerhöhenden oder gewinnneutralen gesellschaftlich veranlassten Forderungsverzicht oder eine betrieblich veranlasste Sanierung im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes beruht, eine eigenständige gesellschaftsteuerrechtliche Beurteilung erforderlich ist. Ungeachtet dessen, ist zum Hinweis auf die körperschaftssteuerrechtliche Beurteilung unter Bezugnahme auf die Rz 684 der seinerzeitigen Körperschaftssteuerrichtlinie, wonach der gesellschaftlich veranlasste Verzicht des Anteilsinhabers auf seine Forderung gegen die Körperschaft in Höhe jenes Betrages eine gesellschaftlich veranlasste Einlage darstellt, der dem Tageswert der Forderung im Zeitpunkt des Verzichts entspricht, auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.9.2005, 2003/15/0078 hinzuweisen, wonach es durch den Wegfall der Schuld bei der Schuldnergesellschaft zu einer Betriebsvermögensvermehrung in Höhe des bilanzierten Betrages kommt, und zwar unabhängig davon, mit welchem Betrag der Gläubiger die Forderung ausgewiesen hat. Wenn der Wegfall der Schuld seine Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis hat, ist diesem Erkenntnis nach die gesamte Vermögensvermehrung eine steuerlich neutrale Einlage iSd § 8 Abs. 1 KStG in der hier maßgeblichen Fassung vor BGBl I 24/2007 (siehe RdW 11/2005 S 726).
Wenn die Bw. meint, dass es an der Freiwilligkeit der Leistung mangle und auch der Wert der Gesellschaftsrechte sich durch diese Abschreibung nicht erhöht hat, so ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach der Begriff der "Freiwilligkeit" jedenfalls nach dem Zweck des KVG und nach dem Inhalt des § 2 Z. 4 KVG selbst auszulegen ist. Sinn und Zweck des Teil I des KVG ist es, die Stärkung inländischer Kapitalgesellschaften durch Zuführung von Kapital zu besteuern. Während durch die Z. 1 des § 2 KVG der Erwerb von Gesellschaftsrechten einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerb steuerlich erfasst wird, soll durch Z. 2 bis 4 des § 2 KVG eine spätere Veränderung (Erhöhung) der Gesellschaftsrechte erfasst und dadurch das Gesamtbild des § 2 KVG abgerundet werden. Liest man die Bestimmungen der Z. 1, 2 und 3 des § 2 KVG nun zusammen, so kann als "freiwillig" im Sinn des § 2 Z. 3 KVG eine Leistung nur dann angesehen werden, wenn sie nicht auf einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung (also weder gesetzlichen noch vertraglichen Verpflichtung) beruht (Z. 2). Zur Erhöhung des Wertes der Gesellschaftsrechte hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtssprechung ausgeführt, dass der Nachweis einer tatsächlichen Werterhöhung nicht erforderlich ist. Es reicht die objektive "Eignung" der Leistung, den Erfolg der Wertsteigerung zu bewirken. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausgesprochen, dass selbst die Abdeckung von Verlusten als wertsteigernd im Sinn des § 2 Z 4 KVG zu qualifizieren ist. Nur dann, wenn der Zuschuss an eine bereits in Liquidation befindliche Kapitalgesellschaft geleistet wird, ist die Wertsteigerung im Sinn des § 2 Z 4 KVG ausgeschlossen (siehe dazu VwGH 28.09.1998, 95/16/0302 und 6.10.1994, 93/16/0103).
Da auch der Forderungsverzicht nur objektiv geeignet sein muß, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen (.....), ist auch bei Sanierungsverzichten i.d.R. GesStPfl. zu bejahen (.......); z. B. bei Verzicht, um die Gesellschaft vor dem Zusammenbruch zu bewahren (RFH v. 26.4. 1932, RStBI S. 1110), zur Verlustdeckung (RFH v. 18. 10. 1933, RStBI S. 1293), auch wenn die Überschuldung dadurch nicht voll beseitigt wird (RFH v. 23.6. 1931, RStBl S. 546); gegenüber einer bereits in Liquidation befindlichen Gesellschaft, wenn aus der Verwertungsgesellschaft wieder eine Vollgesellschaft gemacht werden soll (RFH v. 17. 5. 1929, RStBI S. 399) oder wenn die Liquidationsmasse zu günstigerer Zeit und Bedingung verwertet werden soll (RFH v. 25. 11. 1930, RStBI 1931,64) (Egly/Klenk Gesellschaftsteuerkommentar4, Rz 144 und 145 S 157).
Zum Einwand, es wäre nicht einzusehen, wenn im Bereich der Gebühren und Verkehrsteuern ein und derselbe Vorgang zuerst als Darlehen und in der Folge noch als Gesellschafterzuschuss behandelt werden würde, ist auf die Ausführungen im Vorhalt vom 21. November 2007 zu verweisen.
Abschließend ist auf das Urteil des EuGH vom 5.9.1991, Rechtssache C-15/89 Deltakabel BV, zu verweisen, wonach der Ausgleich eines Verlustes einer Gesellschaft durch einen Forderungsverzicht eines Gesellschafters eine Leistung darstellt, durch die das Gesellschaftsvermögen erhöht wird und sich dadurch auch der Wert der Gesellschaftsanteile erhöht. Diesem zu einem vergleichbaren Fall ergangenen Urteil lag ein Forderungsverzicht eines Gesellschafters zu Grunde, welcher es ermöglichte, die Gesellschaftsanteile an dieser Gesellschaft um 1 HFL zu verkaufen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 22. Jänner 2009
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 2 Z 4 lit. b KVG, Kapitalverkehrsteuergesetz, dRGBl. I S 1058/1934 |
Schlagworte: | Sanierungsgewinn, Sanierungsverzicht, Forderungsverzicht |
Verweise: |