VwGH 2003/15/0078

VwGH2003/15/007823.9.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde der E-GmbH in F, vertreten durch Dr. Dagmar Arnetzl und Dr. Maximilian Geiger, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 3. Juli 2003, GZ. RV/0182-G/02, betreffend Körperschaft- und Umsatzsteuer 1996, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §115 Abs1;
EStG 1988 §6 Z2 lita;
EStG 1988 §6 Z3;
EStG 1988 §6 Z5;
KStG §8 Abs1;
UStG 1994 §16 Abs1;
BAO §115 Abs1;
EStG 1988 §6 Z2 lita;
EStG 1988 §6 Z3;
EStG 1988 §6 Z5;
KStG §8 Abs1;
UStG 1994 §16 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er Körperschaftsteuer 1996 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist die Rechtsnachfolgerin der W-GmbH. An der W-GmbH waren zu 99% Dr. Erich S und zu 1 % die Waren-GmbH beteiligt. Dr. Erich S war auch zu 65% an der Waren-GmbH beteiligt. Dr. Erich S war Geschäftsführer der W-GmbH und der Waren-GmbH.

Mit Vertrag vom 18. April 1996 trat die Waren-GmbH ihren Anteil an der W-GmbH zum 30. April 1995 an Dr. Erich S um 1 S ab. Zugleich trat Dr. Erich S seinen Anteil an der Waren-GmbH ab.

Als Grundlage für diese Anteilsabtretungen wurde zwischen Dr. Erich S und der Waren-GmbH zum 30. April 1996 eine Vereinbarung geschlossen, die im Wesentlichen folgende Regelungen enthält:

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 8 Abs 1 KStG 1988 bleiben bei der Ermittlung des Einkommens von Körperschaftsteuersubjekten Einlagen und Beiträge jeder Art insoweit außer Ansatz, als sie von Personen in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, Mitglied oder in ähnlicher Eigenschaft geleistet werden.

Für die Frage, ob eine Vermögenszuwendung durch die Stellung als Gesellschafter veranlasst ist, kommt es maßgeblich darauf an, ob sie auch einander fremd gegenüberstehende Personen gesetzt hätten (vgl das hg Erkenntnis vom 26. Mai 1998, 94/14/0042).

Die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft können eine Einlage in die Kapitalgesellschaft nicht nur durch die Zuführung von Wirtschaftsgütern, sondern auch durch den Verzicht auf Forderungen gegenüber dem Gesellschafter bewirken. Ein solcher Verzicht führt durch den Wegfall der zuvor passivierten Verbindlichkeit bei der Kapitalgesellschaft zu einer Vermögensmehrung. Aus der Sicht des Schuldners ist dabei Gegenstand der Einlage der wegfallende Passivposten.

Aufgrund der Bewertungsbestimmungen des § 6 Z 2 lit a EStG 1988 einerseits und des § 6 Z 3 EStG 1988 anderseits kann es bei nicht mehr voll werthaltigen Forderungen zu einem Auseinanderfallen der Wertansätze bei Gläubiger und Schuldner kommen. Der Schuldner weist die Verbindlichkeit mit dem Rückzahlungsbetrag aus, während der Gläubiger den niedrigeren Teilwert ansetzen darf bzw muss. Durch den Wegfall der Schuld kommt es bei der Schuldnergesellschaft zu einer Betriebsvermögensmehrung in Höhe des bilanzierten Betrages, und zwar unabhängig davon, mit welchem Betrag der Gläubiger die Forderung ausgewiesen hat. Wenn der Wegfall der Schuld seine Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis hat, ist die gesamte Vermögensmehrung eine steuerlich neutrale Einlage iSd § 8 Abs 1 KStG 1988 (vgl Heinrich, Der Verzicht des Gesellschafters auf die nicht mehr voll werthaltige Forderung, FJ 1997, 312). Der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Ansicht, dass der Schulderlass als ein gesellschaftsrechtlich veranlasster (einheitlicher) Vorgang auf Seiten der Schuldnergesellschaft nicht in zwei Vorgänge aufgeteilt werden kann. Für die Betriebsvermögensmehrung, welche durch den auf die Gesellschafterstellung zurückzuführenden Schulderlass (Forderungsverzicht) bewirkt wird, findet sich in keiner Weise, also auch nicht insoweit eine betriebliche Veranlassung, als die Forderung auf Seiten des Gläubigers als nicht mehr werthaltig angesehen wird. Liegt die Wurzel für den Verzicht auf die Forderung im Gesellschaftsverhältnis, ist die sich daraus ergebende Betriebsvermögensmehrung bei der Gewinnermittlung der Schuldnergesellschaft zur Gänze als Einlage iSd § 8 Abs 1 KStG 1988 zu beurteilen (vgl nochmals Heinrich, aaO). Anders als nach der dem Beschluss des BFH vom 9. Juni 1997, GrS 1/94, BStBl 1998 II 307, zugrunde liegenden deutschen Rechtslage ist ein Schulderlass durch den Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft nicht dem § 6 Z 5 EStG 1988 zu subsumieren.

Für den Beschwerdefall ist zunächst festzuhalten, dass die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens davon ausgehen, dass die Waren-GmbH den Forderungsverzicht (noch) als Gesellschafterin ausgesprochen hat.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid den Wegfall der Verbindlichkeit aufgrund des Forderungsverzichtes in erster Linie deshalb nicht als Einlage iSd § 8 Abs 1 KStG 1988 behandelt, weil die Forderung nicht mehr werthaltig gewesen sei. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, vermag diese Ansicht den angefochtenen Bescheid nicht zu tragen. Zu tragen vermögen ihn aber auch nicht die weiteren Argumente, die der angefochtene Bescheid für die betriebliche Veranlassung der Betriebsvermögensmehrung ins Treffen führt:

Unbeachtlich ist, dass in der Vereinbarung über den Forderungsverzicht nicht angeführt wird, aus welchen Gründen der Verzicht erfolgte, obliegt es doch der belangten Behörde, Feststellungen darüber zu treffen, ob der Vorgang gesellschaftsrechtlich oder betrieblich veranlasst ist.

Die Feststellung des angefochtenen Bescheides, es sei nicht erkennbar, welche gesellschaftlichen Gründe für einen Forderungsverzicht eine mit 1% beteiligte Gesellschafterin bei ihrem Ausscheiden haben sollte, reicht genauso wenig hin, eine konkrete betriebliche Veranlassung aufzuzeigen, wie die Feststellung, aus der zwischen den beteiligten Parteien im Zusammenhang mit den Anteilsabtretungen geschlossenen Vereinbarung gehe zwar hervor, dass der Forderungsverzicht von der Erfüllung einiger Voraussetzungen abhängig gemacht worden sei, in der Vereinbarung fehle aber ein ausdrücklicher Hinweis auf die Eigenschaft des Verzichts als Gesellschafterzuschuss. Es entspricht nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass zwischen einander fremd gegenüberstehenden Geschäftspartnern bereits deshalb auf eine Forderung verzichtet wird, weil die Einbringung der Forderung aussichtslos erscheint. Zwar nimmt der Gläubiger in einer solchen Situation eine Wertberichtigung vor, zu einem ausdrücklichen Verzicht auf die Forderung sieht er sich dadurch jedoch in der Regel nicht veranlasst. Im Beschwerdefall ist es nicht ausgeschlossen, dass die Waren-GmbH den Forderungsverzicht ausgesprochen hat, damit die W-GmbH einen bestimmten Namen nicht mehr als Firma und ein bestimmtes Logo nicht mehr verwendet, worin eine betriebliche Veranlassung für den Forderungsverzicht gelegen wäre; eine dahingehende konkrete Sachverhaltsfeststellung wurde von der belangten Behörde aber nicht getroffen und würde überdies in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Sachverhaltsfeststellung, dass die Forderung wertlos sei, stehen, welches einer konkreten Auflösung durch die belangte Behörde (einschließlich einer Auseinandersetzung damit, ob dem Namen und dem Logo ein wirtschaftlicher Wert zukommt) bedürfte. Im Beschwerdefall erscheint es aber genauso wenig als ausgeschlossen, dass die Waren-GmbH durch den Forderungsverzicht den Konkurs über das Vermögen der W-GmbH verhindern wollte. Vorteilszuwendungen eines Gesellschafters, welche die Gesellschaft vor dem Konkurs bewahren sollen, sprechen idR für eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung.

Den angefochtenen Bescheid vermag auch nicht der Hinweis auf das hg Erkenntnis vom 26. Mai 1998, 94/14/0042, zu stützen, betrifft es doch nicht die steuerliche Behandlung des Forderungsverzichts auf Seiten der Schuldnergesellschaft, sondern stellt ausdrücklich auf die Rechtsfolge beim Gesellschafter ab.

Schließlich reicht auch der Umstand, dass eine Abgabenerklärung gemäß § 10 KVG betreffend einen Gesellschafterzuschuss nicht abgegeben worden sei, nicht hin, um eine betriebliche Veranlassung des Vorganges aufzuzeigen.

Die belangte Behörde hat es sohin - in Verkennung der Rechtslage - unterlassen, eine nachvollziehbare Feststellung zu treffen, dass die Waren-GmbH den Forderungsverzicht nicht aufgrund ihrer Stellung als Gesellschafterin ausgesprochen hat, und welche konkrete betriebliche Veranlassung dem Forderungsverzicht zugrunde liegt.

§ 16 Abs 1 UStG 1994 lautet

"Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 geändert, so haben

1. der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag, und

2. der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen.

Die Berichtigungen sind für den Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung des Entgeltes eingetreten ist."

Eine Minderung der Bemessungsgrundlage iSd § 16 Abs 1 UStG 1988 liegt bei einem Forderungsverzicht unabhängig davon vor, ob dieser auf unternehmerische oder auf private Gründe zurückzuführen ist (vgl Ruppe, UStG2, § 16 Tz 31, im Gegensatz zu Kolacny/Mayr, UStG2, § 16 Anm. 4 "Verzicht"). Hinsichtlich Umsatzsteuer vermag die Beschwerde daher keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen.

Der angefochtene Bescheid war daher, soweit er Körperschaftsteuer betrifft, gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 23. September 2005

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