1) Rechtzeitigkeit der Berufung - Zustellung eines Bescheides ohne Zustellnachweis direkt an den Abgabepflichtigen 2) Behaupteter Zustellmangel als Wiedereinsetzungsgrund
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2008/16/0170 eingebracht. Mit Erk. v. 8.9.2010 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat am 15. September 2008 durch die Vorsitzende HR Dr. Hedwig Bavenek-Weber und die weiteren Mitglieder HR Mag. Ilse Rauhofer, Dkfm. Dr. Peter Bernert und Sabine Leiter über die Berufungen der BW, Adr, vertreten durch H. Wirtschaftsprüfer + Steuerberater GmbH, Adr2, gegen die Bescheide des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom 12. November 2004 betreffend Grunderwerbsteuer zu ErfNr.111.111/2003 (1. Zurückweisung der Berufung gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 18. Mai 2004 und 2. Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages) nach der am 15. September 2008 in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:
Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
1. Spaltungsvorgang:
Mit Generalversammlungsbeschluss der E GmbH. (kurz E) vom 29. September 2003 erfolgte unter Anwendung des § 1 Abs. 2 Z. 1 des Bundesgesetzes über die Spaltung von Kapitalgesellschaften eine nicht verhältniswahrende Spaltung bei der der Vermögensteil "Beteiligung und Liegenschaft" zum Stichtag 31. Dezember 2002 von der E an die neugegründete Gesellschaft BW (die nunmehrige Berufungswerberin, kurz Bw.) übertragen wurde.
2. Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer
Am 1. Oktober 2003 wurde von Herrn Notar N zu ErfNr.111.111/2003 eine Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer von einer Bemessungsgrundlage von € 191.565,00 (= 2-facher Einheitswert der Liegenschaft) durchgeführt.
3. Verfahren beim Finanzamt betreffend Grunderwerbsteuer zu ErfNr.111.111/2003
Mit Bescheid gemäß § 201 BAO vom 18. Mai 2004 zu ErfNr.111.111/2003 setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien gegenüber der Bw. Grunderwerbsteuer für "die Abspaltung zur Neugründung vom 29. September 2003 mit E GesmbH" mit 3,5% von € 309.500,04= € 10.832,50 fest, sodass sich eine Nachforderung von € 4.127,70 ergab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass Grundstücke nicht zum Vermögen im Sinne des § 32 Abs 2 UmgrStG in Verbindung mit § 12 Abs 2 UmgrStG zählen würden und daher die steuerliche Begünstigung (Berechnung der Grunderwerbsteuer vom zweifachen Einheitswert) nicht anwendbar sei.
Dieser Bescheid wurde der Bw. im Mai 2004 an ihre Geschäftsanschrift - X-gasse, PLZ (Postfach) - ohne Zustellnachweis zugestellt.
Am 4. August 2004 übermittelte die H. Steuerberater + Wirtschaftsprüfer GmbH dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien mittels Telefax eine Vollmachtsurkunde vom 2. Dezember 2003 und ersuchte zu ErfNr.111.111/2003 die Buchungsmitteilung Nr. 1 sowie den dazugehörigen Bescheid zu faxen.
Am 31. August 2004 brachte die H. Steuerberater + Wirtschaftsprüfer GmbH für die Bw. einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist bis zum 15. Oktober 2004 mit auszugsweise folgendem Inhalt ein:
"Mit Bescheid vom 18. Mai 2004 hat das Finanzamt die Grunderwerbsteuer für unsere oben angeführte Mandantschaft gemäß § 201 BAO festgesetzt. Dieser Bescheid wurde im Mai 2004 der Gesellschaft unter der Adresse ADR zugestellt, obwohl der Abgabenbehörde am 3. Dezember 2003 von uns eine Zustellvollmacht übermittelt wurde. Auf Grund unserer Nachfrage wurde uns der Bescheid am 6. August 2004, eingelangt am 9. August 2004, nochmals zugestellt.
Da auf Grund der Vollmachtsvorlage im Dezember 2003 das Finanzamt nur mehr an uns als Zustellungsbevollmächtigten rechtsgültig zustellen kann, ist der Bescheid erst am 9. August 2004 zugestellt worden"
Dieser Antrag wurde vom Finanzamt mit (der Bw. z. Hd. der H. Steuerberater + Wirtschaftsprüfer GmbH zugestelltem) Bescheid vom 7. Oktober 2004 zurückgewiesen. Dies mit der Begründung, dass die Eingabe nicht fristgerecht eingebracht worden sei. Der Grunderwerbsteuerbescheid sei am 18. Mai 2004 ordnungsgemäß an die Partei zugestellt worden. Die Berufungsfrist sei bereits am 18. Juni 2004 abgelaufen. Ein Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist könne aber lediglich innerhalb der offenen Berufungsfrist eingebracht werden.
Mit Eingabe vom 14. Oktober 2004 erhob die Bw. (vertreten durch die H. Wirtschaftsprüfer + Steuerberater GmbH) sowohl gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 18. Mai 2004 als auch gegen den Zurückweisungsbescheid vom 7. Oktober 2004 Berufung. In der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid führte sie zur Begründung Folgendes aus:
"Mit Bescheid vom 18. Mai 2004 hat die Abgabenbehörde Grunderwerbsteuer gemäß § 201 BAO bescheidmäßig festgesetzt. Die Zustellung dieses Bescheides hätte offenbar unmittelbar an uns als Bescheidadressat erfolgen sollen. Gemäß Begründung zum Zurückweisungsbescheid wäre diese am 18. Mai 2004 erfolgt. Dies ist denkunmöglich, da der Bescheid erst an diesem Tag ausgestellt wurde und somit in jedem Fall ein Postlauf zu berücksichtigen gewesen wäre.
Wie wir diesem Zurückweisungsbescheid entnehmen, kann der behauptete Zustellvorgang seitens der Behörde nicht nachgewiesen werden. Aus diesem Grund, sowie auf Grund des Umstandes, dass H. Steuerberater + Wirtschaftsprüfer GmbH, ........, bereits am 3. Dezember 2003 der Abgabenbehörde bekannt gegeben hat, dass sie zur Entgegennahme von behördlichen Schriftstücken bevollmächtig ist, konnte gemäß § 9 Abs 3 Zustellgesetz seitens der Behörde nur an die H. Steuerberater + Wirtschaftsprüfer GmbH als Zustellungsbevollmächtigter rechtsgültig zugestellt werden. Diese Zustellung erfolgte am 9. August 2004, woraus sich eine Rechtsmittelfrist bis 9. September 2004 ergibt. Der am 31. August 2004 eingebrachte Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist war somit rechtzeitig und die Zurückweisung rechtswidrig.
Auf Grund § 245 Abs 3 BAO hemmt ein Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist den Fristenablauf, sodass nach Erledigung des Antrags die unverbrauchte Frist offen zur Verfügung steht. Die am 31. August 2004 offene Rechtsmittelfrist betrug 9 Tage; nach Zurückweisung des Fristverlängerungsantrages am 11. Oktober 2004 steht somit eine Rechtsmittelfrist bis 20. Oktober 2004 zur Verfügung. Die von unserem bevollmächtigten Vertreter mit heutigem Tage eingebrachte Berufung ist somit fristgerecht."
Außerdem brachte die Bw. (vertreten durch die H. Wirtschaftsprüfer + Steuerberater GmbH) am 14. Oktober 2004 "in eventu" einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein, den sie wie Folgt begründete:
"Wie bereits aus der Begründung zur Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid hervorgeht, war auf Grund von Zustellungsmängeln eine frühere Anfechtung des Grunderwerbsteuerbescheides nicht möglich. Sollte die Behörde daher dennoch zu der Auffassung gelangen, dass die Rechtsmittelfrist bereits abgelaufen wäre, stellt dieser Zustellungsmangel zumindest ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis dar, das zur Wiedereinsetzung der allenfalls versäumten Frist gemäß § 308 BAO berechtigt.
Mit Zustellung des Bescheides an den steuerlichen Vertreter am 9. August 2004 ist diese Behinderung weggefallen. Auf Grund des heute eingebrachten Antrages ist daher die 3-Monatsfrist des § 308 Abs 3 BAO gewahrt."
Mit (der Bw. zu Handen der H. Steuerberater + Wirtschaftsprüfer GmbH zugestelltem) Bescheid vom 12. November 2004 wies das Finanzamt die Berufung vom 14. Oktober 2004 gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 18. Mai 2004 zurück, weil die Berufungsfrist gemäß § 245 bzw. § 276 BAO bereits am 24. Juni 2004 abgelaufen sei. Rechne man zum Bescheiddatum den Postlauf (3 Werktage) hinzu, ergebe sich als Datum der Zustellung der 24. Mai 2004.
Weiters wies das Finanzamt mit (der Bw. ebenfalls zu Handen der H. Steuerberater + Wirtschaftsprüfer GmbH zugestelltem) Bescheid vom 12. November 2004 den Antrag der Bw. vom 14. Oktober 2004 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass es bei Vorliegen eines Zustellmangels keiner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bedürfen würde, sondern infolge nicht ordnungsgemäßer Zustellung ein Nichtbescheid vorliegen würde. In einem nicht vorhandenen Zustellmangel könne aber kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis erblickt werden, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könnte.
In der die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid vom 7. Oktober 2004 abweisenden Berufungsvorentscheidung vom 12. November 2004 führte das Finanzamt zur Begründung Folgendes aus:
"Der Grunderwerbsteuerbescheid wurde im Mai 2004 an die Abgabepflichtige zugestellt. Zu diesem Zeitpunkt war der bescheiderlassenden Behörde ein bestehendes Vollmachtsverhältnis nicht bekannt. Dass seitens des nunmehrigen Vertreters bereits im Dezember 2003 dem Finanzamt 9/19 das Vollmachtsverhältnis mitgeteilt wurde, vermag die hiesige Behörde nicht in die Lage zu versetzen, das Vollmachtsverhältnis zu kennen. Eine Zustellung des Grunderwerbsteuerbescheides an die bevollmächtigte Kanzlei war daher im Zeitpunkt der Bescheiderlassung unmöglich. Der VGH hat in seinem Erkenntnis vom 27.3.1979, 3029/78 den Standpunkt vertreten, dass der Hinweis auf eine bei derselben Behörde ausgewiesenen Vollmacht ausreicht. Aus dieser Rechtsprechung kann der Schluss gezogen werden, dass ein Hinweis auf eine bei einer anderen Behörde vorgelegten Vollmacht nicht ausreicht, um das Bevollmächtigungsverhältnis ordentlich auszuweisen. Umso weniger kann eine bei einer anderen Behörde ausgewiesene Vollmacht einen Zustellmangel für die bescheiderlassende Behörde darstellen.
Da sohin die Bescheidzustellung an die Abgabepflichtige ordnungsgemäß erfolgte, war der am31.10.2004 eingebrachte Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist als verspätet zurückzuweisen.
Die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid war daher als unbegründet abzuweisen."
Gleichzeitig mit Einbringung eines Antrages auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz im Berufungsverfahren betreffend den Zurückweisungsbescheid vom 7. Oktober 2004 (beim UFS erfasst unter RV/1132-W/05) erhob die Bw. auch Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid vom 12. November 2004 sowie gegen den Abweisungsbescheid betreffend Wiedereinsetzung vom 12. November 2004. In diesen für die Bw. von der H. Wirtschaftsprüfer + Steuerberater GmbH unter Berufung auf ihre Bevollmächtigung gemäß § 88 Abs. 9 WTBG eingebrachten Berufungen wurde zur Begründung Folgendes ausgeführt:
"1. Zum Zurückweisungsbescheid
Mit Bescheid vom 18. Mai 2004 hat die Abgabenbehörde Grunderwerbsteuer gemäß § 201 BAO festgesetzt. Die Zustellung dieses Bescheides hätte offenbar unmittelbar an die BW als Bescheidadressat erfolgen sollen. Gemäß Begründung zum Zurückweisungsbescheid vom 31. August 2004 wäre diese am 18. Mai 2004 erfolgt. Dies ist denkunmöglich, da der Bescheid erst an diesem Tag ausgestellt wurde und somit in jedem Fall ein Postlauf zu berücksichtigen gewesen wäre.
Wie wir diesem Zurückweisungsbescheid entnehmen, kann der behauptete Zustellvorgang seitens der Behörde nicht nachgewiesen werden. Aus diesem Grund, sowie auf Grund des Umstandes, dass H. Steuerberater + Wirtschaftsprüfer GmbH, ........, bereits am 3. Dezember 2003 der Abgabenbehörde bekannt gegeben hat, dass sie zur Entgegennahme von behördlichen Schriftstücken bevollmächtig ist, konnte gemäß § 9 Abs 3 Zustellgesetz seitens der Behörde nur an die H. Steuerberater + Wirtschaftsprüfer GmbH als Zustellungsbevollmächtigter rechtsgültig zugestellt werden. Diese Zustellung erfolgte am 9. August 2004, woraus sich eine Rechtsmittelfrist bis 9. September 2004 ergibt. Der am 31. August 2004 eingebrachte Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist war somit rechtzeitig und die Zurückweisung rechtswidrig. Aus dem von der Behörde in der Berufungsvorentscheidung vom 12. November 2004 zitierten VwGH-Erkenntnis vom 29.3.1979, 3029/78, wonach der Hinweis auf eine bei der selben Behörde ausgewiesenen Vollmacht ausreiche, ist auch kein entsprechender Umkehrschluss zu ziehen, wonach ein Hinweis auf eine bei einer anderen Behörde vorgelegten Vollmacht nicht ausreiche.
Auf Grund § 245 Abs 3 BAO hemmt ein Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist den Fristenablauf, sodass nach Erledigung des Antrags die unverbrauchte Frist offen zur Verfügung steht. Die am 31. August 2004 offene Rechtsmittelfrist betrug 9 Tage; nach Zurückweisung des Fristverlängerungsantrages am 11. Oktober 2004 stand somit eine Rechtsmittelfrist bis 20. Oktober 2004 zur Verfügung. Die mit 14. Oktober 2004 eingebrachte Berufung war somit fristgerecht.
In der Begründung zum Zurückweisungsbescheid vom 12. November 2004 wird in Widerspruch zum Zurückweisungsbescheid vom 7. Oktober 2004 als Berufungsfrist der 24. Juni 2004 und nicht der 18. Juni 2004 angeführt. Wie bereits oben erwähnt, ist es der Behörde offenbar nicht möglich, den Zustellvorgang nachzuweisen bzw. einen Zustellmangel auszuschließen. Gemäß Zustellgesetz ist der Umstand der Zustellung im Zweifel von der Behörde zu beweisen. Die widersprüchlichen Angaben in den Zurückweisungsbescheiden weisen durchaus auf einen zweifelhaften Umstand der Zustellung hin. Im Zurückweisungsbescheid vom 12. November 2004 wurde als Begründung lediglich angeführt, wann man davon ausgehen kann, dass richtig zugestellt ist. Diese Ausführung reicht jedenfalls nicht aus, der die Behörde treffenden Beweislast, nachzukommen. Die bis dato erfolgten Eingaben waren somit fristgerecht.
2. Zum Abweisungsbescheid
Wie bereits aus der Begründung zur Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid hervorgeht, war auf Grund von Zustellungsmängeln eine frühere Anfechtung des Grunderwerbsteuerbescheides nicht möglich. Mit Zustellung des Bescheides an den steuerlichen Vertreter am 9. August 2004 ist diese Behinderung weggefallen. Auf Grund des am 14. Oktober 2004 eingebrachten Antrages ist die 3 Monatsfrist des § 308 Abs 3 BAO gewahrt.
Die in der Begründung des Abweisungsbescheides vom 12. November 2004 enthaltene Behauptung, ein Zustellmangel sei kein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis, das eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertige, kann das Erkenntnis des VwGH 18.9.1991, 91/13/0108 entgegengehalten werden, wonach beispielsweise die Unkenntnis einer gesetzmäßig bewirkten Zustellung als ein Ereignis iSd § 308 Abs 1 BAO angesehen wird.
Die Behauptung des Nichtvorhandenseins eines Zustellmangels ohne nähere Begründung bzw. ohne nähere Untersuchung der zugrunde liegenden Umstände, die eine solche Behauptung rechtfertigen würden, ist ebenfalls kein taugliches Argument für die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung.
Sollte die Behörde also dennoch zu der Auffassung gelangen, dass die Rechtsmittelfrist bereits abgelaufen war, stellt dieser Zustellungsmangel zumindest ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis dar, das zur Wiedereinsetzung der allenfalls versäumten Frist gemäß § 308 BAO berechtigt."
In allen vom Finanzamt dem Unabhängigen Finanzsenat vorgelegten Berufungen beantragte die Bw. die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat gemäß § 282 Abs. 1 Z. 1 BAO sowie auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 284 Abs. 1 Z. 1 BAO.
4. Verfahren vor dem Unabhängigen Finanzsenat
Mit Bescheid vom 28. Mai 2008, GZ. RV/1132-W/05 wurde die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid vom 7. Oktober 2004, mit dem der Antrag vom 31. August 2004 auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist betreffend den Grunderwerbsteuerbescheid vom 18. Mai 2004 zurückgewiesen worden war, vom Unabhängigen Finanzsenat gemäß § 273 Abs 1 BAO als unzulässig zurückgewiesen. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass gemäß § 110 Abs. 3 BAO gegen die Ablehnung eines Antrages auf Verlängerung einer Frist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig sei. Eine derartige Entscheidung könne gemäß § 244 BAO erst mit Berufung gegen den die Angelegenheit abschließenden Bescheid angefochten werden.
In der am 15. September 2008 abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung gab der für die H. Wirtschaftsprüfer + Steuerberater GmbH in Vertretung der Bw. erschiene Herr Mag. NN (kurz PV) einleitend bekannt, dass die Zustellvollmacht im Gesellschaftssteuer- und Grunderwerbsteuerverfahren nach wie vor noch aufrecht ist (Anm: im Gegensatz zum Veranlagungsverfahren der Bw. beim Finanzamt 9/18/19). Nach dem der Sachverhalt und der bisherige Verfahrensablauf durch die Referentin (wie in der den Parteien ausgehändigten Darstellung - Beilage 1 zur Niederschrift) referiert wurde, führte der Parteienvertreter ergänzend noch Folgendes aus:
1) zum Zurückweisungsbescheid:
"Über den Hergang der Zustellung gibt es keinen Nachweis, die Behörde widerspricht sich, was das Datum betrifft, was das Postfach betrifft. Faktum ist, dass die Bw. den Bescheid nicht bekommen hat.
Es gab eine Selbstberechnungserklärung von N, die wir nicht kennen. Es kann daher sein, dass er geschrieben hat, dass die Zustellungen an ihn zu ergehen haben. Die Zustellungsvollmacht für das FA 9/18/19 existierte. Besteht die Möglichkeit für das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern, solche Vollmachten abzufragen?"
Dem erwiderte der Vertreter der Amtspartei, dass es von den Zugriffsberechtigungen der einzelnen Bediensteten des Finanzamtes abhänge, wie weit sie in die Daten Einsicht nehmen können. Die Überreichung einer Vollmacht bei einem anderen Finanzamt sei nur dann für das Finanzamt für Gebühren relevant, wenn sich die Bw. beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien darauf berufe, wenn darauf hingewiesen werde. Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien müsse nicht von sich aus nachschauen, ob beim Finanzamt 9/18/19 eine Vollmacht vorliege. Nach Ritz, BAO-Kommentar zu § 9 ZustellG, Tz 19 und der dort zitierten VwGH-Judikatur müsse die Vollmacht im jeweiligen Verfahren geltend gemacht werden.
Zum Vorhalt der Referentin, dass der ihr vorgelegte Akt ErfNr.111.111/2003 nur eine Telekopie enthalte, mit welcher der Vertrag mit dem Selbstberechnungstempel vom 1.10.2003 am 8. Jänner 2004 gefaxt wurde und aus dem Akteninhalt keine Vollmacht für Notar N ersichtlich sei, antwortete der Parteienvertreter:
"Es ist aus meiner Sicht nicht unlogisch, dass der Notar N dazugeschrieben hat, dass die Zustellungen an ihn zu ergehen haben.
Darauf hin betonte die Referentin nochmals, dass nichts vorliege.
Der Vertreter der Amtspartei hielt fest, dass die Zustellung des Grunderwerbsteuerbescheides in die X-gasse, 1191 Wien (Postfach), gegangen sei. Dass die Bw. den Bescheid nicht erhalten hätte, sei im Verfahren vor dem Finanzamt nicht eingewendet worden. Es gebe einen Aktenvermerk über ein Telefonat.
Der genannte Aktenvermerk (Akt Seite 125) mit folgendem Inhalt wurde sodann verlesen:
"Eine "Nichtzustellung" des Bescheides an die Partei wurde seitens des Steuerberaters nicht bestritten ("Irgendwie muss ich einmal ins Verfahren kommen, um eine Abänderung des GrESt-Bescheides zu bewirken" - Ausspruch des steuerlichen Vertreters anlässlich eines Telefonates am 8.11.2004.)"
Zum Vorhalt der Referentin, dass es im Schreiben des steuerlichen Vertreters vom 31. August 2004 (Akt Seite 121) heiße: "Der Bescheid wurde im Mai 2004 der Gesellschaft unter der Adresse X-gasse zugestellt" antwortete der Parteienvertreter:
"Es gibt 2 H. Steuerberatungskanzleien. Außerdem hat die Bw. den Bescheid nicht erhalten, das hätte ermittelt werden müssen.
Zum Vorhalt der Referentin, dass der Parteienvertreter erstmalig vorbringe, dass die Bw. den Bescheid vom 18. Mai 2004 nicht erhalten habe, verwies der Parteienvertreter auf § 115 Abs.1 BAO. Nach Auskunft der Amtspartei wäre es ihr möglich gewesen, diese Zustellvollmacht zu ermitteln. Zu dem Zitat der Amtspartei "Ritz" sei festzuhalten, dass es sich dabei um eine unzulässige Verkürzung handle. In der täglichen Praxis sei selbstverständlich, dass eine Zustellvollmacht ein für allemal gelte. Es sei nicht üblich, dass man sich bei jeder Steuererklärung neu darauf berufen muss. Die Judikatur beziehe sich auf Bevollmächtigungen im Finanzstrafverfahren, wo das Finanzamt als Finanzstrafbehörde auftritt, und daher in diesen Fällen eine neuerliche Bevollmächtigung erforderlich sei.
Zum Hinweis des Vertreters der Amtspartei, dass aus dem AVOG abzuleiten sei, dass die Finanzverwaltung nicht eine (1) Behörde sei, sondern jedes Finanzamt für sich eine Behörde und deshalb, was bei einer Behörde vorgelegt werde, nicht automatisch für eine andere Behörde gelte und dass der Unabhängige Finanzsenat in dem nicht mit Beschwerde an den VwGH angefochten Zurückweisungsbescheid vom 28. Mai 2008, RV/1500-W/05 festgehalten habe "Mit Schreiben vom 3. Dezember 2003 wurde ....das Vollmachtsverhältnis nicht gegenüber dem FAG geltend gemacht" führte der Parteienvertreter aus, dass ein solches Verfahren damals hinfällig gewesen sei, da in diesem Fall seinem Vorbringen Rechnung getragen worden sei.
2) Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand brachte der Parteienvertreter noch Folgendes vor:
"Die Bw. befand sich in einem Rechtsirrtum - wenn sie den Bescheid überhaupt bekommen hat, - da aufgrund des Umstandes, dass sowohl Steuerberater als auch Notar in diesem Verfahren involviert waren, sie davon ausgehen durfte, dass diese ihre rechtlichen Interessen wahren. Nachdem festgestellt wurde, dass das nicht möglich war, wurden die entsprechenden Anträge unverzüglich und fristgerecht nachgereicht. Daher liegt hinsichtlich des Versäumnisses der Bw. allenfalls nur ein Versehen vor, das die Wiedereinsetzung nicht hindert."
Zum Vorhalt des Vertreters der Amtspartei, dass der Wiedereinsetzungsantrag mit einem Zustellmangel begründet worden sei. Letzterer wäre ein unvorhersehbares, unabwendbares Ereignis. Ein solcher Zustellmangel liege gar nicht vor. Ein weiteres Vorbringen enthalte der Wiedereinsetzungsantrag nicht, replizierte der Parteienvertreter wie Folgt:
"Das ist uns bewusst, dass der Zustellmangel kein Wiedereinsetzungsgrund ist. Zum Zeitpunkt des Wiedereinsetzungsantrages waren uns die näheren Umstände der Zustellung nicht bekannt. Daher wurde der Wiedereinsetzungsantrag auch nur vorsorglich und in eventu gestellt. Selbstverständlich ist dieser hinfällig, wenn der Senat heute zu der Auffassung gelangt, dass eine ordnungsgemäße Zustellung gar nicht erfolgt ist. Wenn doch, würde ich ersuchen, darüber zu befinden, ob der Rechtsirrtum unseres Klienten einen Wiedereinsetzungsgrund darstellt."
Abschließend beantragte der Vertreter der Amtspartei alle Berufungen als unbegründet abzuweisen. Eine Zustellung an die Bw. sei rechtsgültig erfolgt. Ein Zustellungsmangel liege nicht vor. Taugliche, zur Wiedereinsetzung führende Gründe, seien nicht vorgebracht worden.
Der Parteienvertreter ersuchte abschließend um stattgebende Erledigung aller seiner Anträge, soweit sie sich nicht ausschließen. Die Behörde könne nicht nachweisen, wann und wie an die Adresse oder ans Postfach der Gesellschaft eine Zustellung erfolgt wäre. Zur Wiedereinsetzung werde noch auf Rechtsmeinung Ritz verwiesen, wonach ein Irrtum über Rechtsvorschriften dann einen Wiedereinsetzungsgrund darstelle, wenn kein grobes Verschulden vorliege.
Über die Berufung wurde erwogen:
1. Zur Wirksamkeit des Grunderwerbsteuerbescheides vom 18. Mai 2004:
Gemäß § 9 Abs. 1 Zustellgesetz (ZustG) in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 10/2004 (anwendbar ab 1.3.2004) können, soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts und eingetragene Erwerbsgesellschaften gegenüber der Behörde ausdrücklich zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellvollmacht).
Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde gemäß § 9 Abs. 3 ZustG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 10/2004, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen.
Hat eine Partei mehrere Zustellungsbevollmächtigte, so gilt die Zustellung gemäß § 9 Abs. 4 2. Satz ZustG als bewirkt, sobald sie an einen von ihnen vorgenommen worden ist.
Die Bestellung eines Vertreters (auch zum Zustellungsbevollmächtigten) wird erst mit der Vorlage der Vollmachtsurkunde oder mit der mündlichen Erteilung der Vollmacht der Behörde gegenüber oder mit der Berufung auf die Vollmacht gegenüber der Behörde wirksam. Die Bevollmächtigung muss im jeweiligen Verfahren geltend gemacht werden. Auch wenn nach der Vollmachtsurkunde die Vollmacht etwa alle Verfahren vor Abgabenbehörden des Bundes umfasst, ist sie dennoch von der Abgabenbehörde nur in dem Verfahren, in dem darauf hingewiesen wird, zu beachten (vgl. ua. VwGH 31.8.2000, 98/16/0310; UFS 07.09.2004, RV/0224-G/04).
Durch die im vorliegenden Fall mit Schreiben vom 3. Dezember 2003 erfolgte Übersendung der Vollmachtsurkunde vom 2. Dezember 2003 durch die H. Steuerberater + Wirtschaftsprüfer GmbH an das Finanzamt für den 9.,18. und 19. Bezirk zur "St.Nr. neu" wurde das Bestehen des Vollmachtsverhältnisses nicht gegenüber dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien geltend gemacht. Dem Finanzamt ist beizupflichten, dass es sich beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien und dem Finanzamt für den 9., 18. und 19. Bezirk um zwei Abgabenbehörden iSd AVOG handelt. Das gegenständliche Grunderwerbsteuerverfahren steht auch in keinerlei Zusammenhang mit den beim Finanzamt für den 9., 18. und 19. Bezirk geführten Veranlagungsverfahren der Bw., weshalb für die Veranlagungsverfahren und das Grunderwerbsteuerverfahren durchaus unterschiedliche Vollmachtsverhältnisse bestehen können. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass mittlerweile im Grunderwerbsteuer und im Gesellschaftsteuerverfahren eine andere Gesellschaft als mit der Vertretung der Bw. betraut ist, als im Veranlagungsverfahren (siehe dazu die Ausführungen des Parteienvertreters in der mündlichen Verhandlung). Zur Möglichkeit der Einsichtnahme durch Bedienstete des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien in das elektronische Abgaben- und Informationssystem ist daher zu bemerken, dass eine Anmerkung des Vollmachtsverhältnisses bei den beim Finanzamt für den 9.,18. und 19. Bezirk anhängigen Verfahren nichts darüber aussagt, ob dem Vertreter auch für bei anderen Abgabenbehörden anhängige Verfahren eine Vollmacht erteilt wurde.
Dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien wurde die Vollmachtsurkunde vom 2. Dezember 2003 erst am 4. August 2004 mittels Telefax übersandt. Zuvor wurde weder die H. Steuerberater + Wirtschaftsprüfer GmbH noch die H. Wirtschaftsprüfer + Steuerberater GmbH für die Bw. beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien tätig und hat sich auch keine der beiden Gesellschaften auf die erteilte Vollmacht berufen. Auch von dem die Selbstberechnung der Grunderwerbsteuererklärung durchführenden Notar N wurde keine Erklärung über das Vorliegen eines Vollmachtsverhältnisses gegenüber dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien abgegeben. Dies ergibt sich aus der Aktenlage. Vom steuerlichen Vertreter wurden in der mündlichen Verhandlung bloß Mutmaßungen darüber angestellt, dass der Notar eine Zustellvollmacht geltend gemacht haben könnte, aber nicht einmal eine entsprechende Behauptung aufgestellt. Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 18. Mai 2004 wurde daher vom Finanzamt zu Recht direkt an die Bw. zugestellt.
Gemäß § 26 Abs. 2 ZustG gilt die Zustellung als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen.
Im vorliegenden Fall wurde in dem von der H. Steuerberater + Wirtschaftsprüfer GmbH für die Bw. eingebrachten Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist vom 31. August 2004 dezidiert ausgeführt, dass der Grunderwerbsteuerbescheid der Bw. im Mai 2004 zugestellt wurde. Weder in der am 14. Oktober 2004 eingebrachten Berufung noch in den weiteren beim Finanzamt eingebrachten Anträgen wurde von der Bw. die Tatsache der Zustellung bestritten. Von der Bw. wurde lediglich gerügt, dass die Behörde über keinen Zustellnachweis verfüge und dass ein Zustellmangel vorliege, weil die Zustellung nicht an den ausgewiesenen Vertreter erfolgt sei. Die erstmals bei der am 15. September 2008 abgehaltenen mündlichen Verhandlung aufgestellte Behauptung, dass die Bw. den Bescheid nicht bekommen habe, steht im deutlichen Widerspruch zu den relativ zeitnahe zum Zustellvorgang namens der Bw. erfolgten Angaben und wurde vom Senat daher als unglaubwürdig angesehen. Vom Parteienvertreter wurde auch kein Grund genannt, weshalb die zu Beginn des Verfahrens getätigten Ausführungen nunmehr - nach beinahe 4 Jahren - als nicht mehr den Tatsachen entsprechend angesehen werden. Bedient sich der Abgabepflichtige - wie hier - im Laufe eines Verfahrens mehrerer Vertreter (nämlich einerseits der H. Steuerberater + Wirtschaftsprüfer GmbH und anderseits der H. Wirtschaftsprüfer + Steuerberater GmbH) so sind ihm die Erklärungen sämtlicher Vertreter zuzurechnen. Dass der Bescheid der Bw. tatsächlich im Mai 2004 zugekommen ist wird auch durch den anlässlich eines Telefonates vom 8. November 2004 getätigten Ausspruch "Irgendwie muss ich einmal ins Verfahren kommen, um eine Abänderung des Grest-Bescheides zu bewirken" (siehe dazu den über das Telefonat errichteten Aktenvermerk, Akt S. 125, der in der mündlichen Verhandlung verlesen wurde und dessen Inhalt der - nunmehrige - Parteienvertreter nicht entgegen trat) erhärtet. Auf Grund der der Bw. zuzurechnenden Angaben im Antrag vom 31. August 2004 sind von der Abgabenbehörde keine weiteren Ermittlungen über die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung durchzuführen und wird bei der Entscheidung davon ausgegangen, dass der Grunderwerbsteuerbescheid vom 18. Mai 2004 der Bw. im Mai 2004 tatsächlich zugekommen ist und - spätestens - am 31. Mai 2004 wirksam wurde.
2. Zur Rechtmäßigkeit der Zurückweisung der Berufung
Gemäß § 245 Abs 1 BAO beträgt die Berufungsfrist einen Monat.
Gemäß Abs 3 leg cit kann die Berufungsfrist aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt, verlängert werden. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Lauf der Berufungsfrist gehemmt.
Die Hemmung des Fristenlaufes beginnt gemäß Abs 4 leg cit mit dem Tag der Einbringung des Antrages und endet mit dem Tag, an dem die Entscheidung über den Antrag dem Antragsteller zugestellt wird. In den Fällen des Abs 3 kann jedoch die Hemmung nicht dazu führen, dass die Berufungsfrist erst nach dem Zeitpunkt, bis zu dem letztmalig ihre Verlängerung beantragt wurde, abläuft.
Der Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist kann rechtswirksam nur innerhalb der Berufungsfrist eingebracht werden. Ein verspäteter Antrag hat keine fristhemmende Wirkung, er ist zurückzuweisen (vgl. Ritz, BAO³ § 245 Rz 14).
Im gegenständlichen Fall ist die Einbringung des Ansuchens um Fristverlängerung erst am 31. August 2004 und somit rund drei Monate nach Wirksamwerden des Bescheides erfolgt und kommt dem Antrag daher keine hemmende Wirkung zu. Das Finanzamt hat daher sowohl den Antrag vom 31. August 2004 auf Verlängerung der Berufungsfrist als auch die am 14. Oktober 2004 gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 18. Mai 2004 eingebrachte Berufung zu Recht wegen Verspätung zurückgewiesen.
Auch der von der gleichzeitig mit der Berufung gegen den Grunderwerbsteuer eingebrachte Wiedereinsetzungsantrag ändert nichts daran, dass die Zurückweisung der Berufung als verspätet zu Recht erfolgte (vgl. VwGH 7.8.2003, 2000/16/0735 und 27.4.2004, 2003/05/0065).
Es war daher die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid vom 12. November 2004 als unbegründet abzuweisen.
3. Zur Rechtmäßigkeit der Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages:
Gemäß § 308 Abs. 1 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Gemäß Abs. 3 leg.cit. muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Abgabenbehörde, bei der die Frist wahrzunehmen war, bei Versäumung einer Berufungsfrist oder einer Frist zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 276 Abs. 2) bei der Abgabenbehörde erster oder zweiter Instanz eingebracht werden. Spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag hat der Antragsteller die versäumte Handlung nachzuholen.
Gemäß § 309a Abs. 1 BAO hat der Wiedereinsetzungsantrag zu enthalten: a) die Bezeichnung der versäumten Frist; b) die Bezeichnung des unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses; c) die Angaben, die zur Beurteilung des fehlenden groben Verschuldens an der Fristversäumung notwendig sind; d) die Angaben, die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Antrags notwendig sind.
Entspricht der Wiedereinsetzungsantrag nicht diesen Erfordernissen, so hat die Abgabenbehörde dem Antragsteller die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass der Antrag nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt (§ 309a Abs. 2 BAO).
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nur dann in Betracht, wenn eine Frist versäumt wurde. Ist das nicht der Fall, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand schon von vornherein nicht in Betracht (vgl. VwGH 29.10.2003, 2001/13/0210). Wollte man daher der Argumentation der steuerlichen Vertreterin folgen, dass ein Zustellmangel vorliege, käme eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mangels einer diesfalls nicht bestehenden Fristversäumnis sohin von vornherein nicht in Betracht.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stecken die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist den Rahmen für die Untersuchung der Frage ab, ob ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist. Der behauptete Wiedereinsetzungsgrund muss bereits im Antrag glaubhaft gemacht bzw. müssen bereits im Antrag taugliche Bescheinigungsmittel beigebracht werden (vgl. VwGH 24.2.2005, 2005/16/0001, mwN).
Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Ereignis unvorhergesehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht mit einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die subjektiv zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwartet werden konnte (siehe dazu VwGH 30.5.1995, 95/05/0060). Unvorhergesehen kann ein Ereignis dann gelten, wenn die Partei dieses tatsächlich nicht mit einberechnet hat und sie dessen Eintritt unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte. Nicht die Erfahrungen eines Durchschnittsmenschen, sondern die subjektiven Verhältnisse bilden somit für dieses Verständnis des Begriffes "unvorhergesehen" den Beurteilungsmaßstab. Unabwendbar ist ein Ereignis, wenn sein Eintritt von der Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nicht verhindert werden kann, auch wenn sie dieses Ereignis voraussah. Maßgebend für die Beurteilung ist der durchschnittliche Ablauf der Ereignisse. Der Begriff "unabwendbar" stellt demgemäß auf die objektiven Hinderungsmöglichkeiten eines Durchschnittsmenschen ab, wenn es bei Anwendung der normalerweise erreichbaren Möglichkeiten und Mittel durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte (vgl. VwGH 15.3.2001, 98/16/0051, Stoll, Kommentar BAO, Bd III, S 2983ff).
Bringt ein Abgabepflichtiger gegen einen Bescheid kein Rechtsmittel ein bzw. setzt er seinen Rechtsvertreter nach dem Ende der Rechtsmittelfrist vom Ergehen eines Bescheides in Kenntnis, so bildet die Kenntnisnahme durch den Rechtsvertreter im Allgemeinen keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund (vgl UFSL RV/0622-L/06 vom 03.04.2008)
Rechtsunkenntnis oder Rechtsirrtum stellen nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich kein solches (unvorhergesehenes oder unabwendbares) Ereignis dar (vgl. VwGH 10.5.2001, 98/15/0028; VwGH 15.6.1993, 93/14/0011, mwN).
Außerdem muss der behauptete Wiedereinsetzungsgrund bereits im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand glaubhaft gemacht werden (vgl ua. den Beschluss des VwGH vom 28.6.1989, 89/16/0093), weshalb im Berufungsverfahren kein "Austausch" von Wiedereinsetzungsgründen vorgenommen werden darf. Es ist daher nicht weiter darauf einzugehen, ob der erstmals in der mündlichen Verhandlung angesprochene "Rechtsirrtum" der Bw. (auf Grund der Involvierung sowohl des Steuerberaters als auch des Notars in diesem Verfahren hätte sie davon ausgehen dürfen, dass diese ihre rechtlichen Interessen wahren) einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen könnte.
Der gegenständliche Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde ausschließlich damit begründet, dass auf Grund von Zustellungsmängeln eine frühere Anfechtung des Grunderwerbsteuerbescheides nicht möglich gewesen wäre. Damit wird ein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund aber nicht dargelegt. Läge tatsächlich ein Zustellmangel vor, wäre der Bescheid gar nicht wirksam geworden und somit auch keine Fristversäumt worden. Im Wiedereinsetzungsantrag wurde nicht dargetan, auf Grund welchen Ereignisses die Bw. selber nicht in der Lage gewesen wäre, innerhalb der Berufungsfrist eine Berufung oder einen Antrag auf Fristverlängerung beim Finanzamt einzubringen oder ihre steuerliche Vertreterin von der erfolgten Bescheidzustellung zu verständigen, damit diese für sie tätig wird. Es wurde im Wiedereinsetzungsantrag nicht einmal dargetan, dass die Bw. während der offenen Berufungsfrist in irgendeiner Form tätig geworden wäre, um die Wirksamkeit der Bescheidzustellung zu überprüfen und ist daher die Tatsache, dass der Bescheid trotz erteilter Zustellvollmacht mit der Zustellung direkt an die Bw. wirksam wurde, nicht als unvorhergesehenes Ereignis zu qualifizieren.
Der Antrag vom 14. Oktober 2004 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde daher vom Finanzamt mit Bescheid vom 12. November 2004 zu Recht abgewiesen und ist daher die dagegen eingebrachte Berufung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 15. Oktober 2008
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 9 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 |
Schlagworte: | Zustellung, Zustellnachweis, Zustellvollmacht, Zustellmangel, Wiedereinsetzung |