Unterhaltsleistungen (Krankheitskosten) an die Ehegattin mit eigenen Einkünften erwachsen dem Steuerpflichtigen innerhalb seiner Unterhaltsverpflichtung rechtlich zwangsläufig
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat durch die Vorsitzende Dr. Maria Grohe und die weiteren Mitglieder Mag. Karoline Windsteig, KR Stefan Schöller, Mag. Harald Österreicher über die Berufung des G. B. ,W., Rgasse, vom 27. Juni 2006, vertreten durch Prof. Dr. Thomas Keppert WP GmbH u CoKG, Theobaldgasse 19, 1060 Wien, gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 8/16/17, vertreten durch AD Mold, vom 30. Mai 2006 betreffend die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2004 vom 12. September 2005 und die Einkommensteuer für das Jahr 2004 nach der am 28. März 2008 in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:
Die Berufung gegen den Bescheid über die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2004 vom 12. September 2005 wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Der Berufung gegen den Bescheid betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 2004 wird teilweise stattgegeben.
Der angefochtene Bescheid wird geändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem Ende der folgenden Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bw.) erzielte im Streitjahr 2004 Einkünfte aus nicht selbständiger Tätigkeit. In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für dieses Jahr beantragte er die Abzugsfähigkeit von Krankheitskosten in Höhe von 2.426,82 € und Kurkosten in Höhe von 2.213,28 € nach Abzug der Haushaltsersparnis.
Im Einkommensteuerbescheid vom 12. September 2005 hat das Finanzamt zunächst die beantragten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt und einen Selbstbehalt im Ausmaß von 2.679,59 € in Abzug gebracht. Dem Bw. wurde auf Grund dieser Veranlagung eine Einkommensteuer in Höhe von 945,71 € gutgeschrieben.
Am 9. Jänner 2006 erging an den Bw. ein Vorhalt, in dem ihm die Abgabenbehörde erster Instanz mitteilte, dass die gegenständliche Veranlagung vorerst ohne nähere Überprüfung der Erklärungsangaben durchgeführt worden sei, in der Folge jedoch auf Grund einer elektronischen Zufallsauswahl zur nachprüfenden Kontrolle ausgewählt wurde. Das Finanzamt ersuchte den Bw. hinsichtlich der geltend gemachten Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen eine detaillierte Aufstellung, die zugrunde liegenden Rechnungen, Belege sowie allfällige Bestätigungen über Ersätze der Krankenkassen nachzureichen.
Die steuerliche Vertretung des Bw. übermittelte eine Aufstellung der Aufwendungen samt der Belege, wonach der Bw. eigene Krankheits- und Kurkosten in Höhe von 2.026,09 € geltend machte. Für seine Ehegattin beantragte er zudem Krankheitskosten nach Abzug von Kostenersätzen in Höhe von 1.917,57 €, Apothekenkosten von 107,45 € und Kurkosten nach Abzug einer Haushaltsersparnis von 91,56 € im Ausmaß von 696,44 €. Insgesamt ergeben sich demnach für die Ehegattin des Bw. Krankheitskosten und Kurkosten in Höhe von 2.721,46 €. Bestätigungen über Kostenersätze der Krankenkassen würde es keine geben, diese seien allerdings anhand der vorgelegten Kontoauszüge des Bankkontos nachweisbar.
Das Finanzamt hob am 30. Mai 2006 den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2004 gem. § 299 BAO mit der Begründung auf, dass der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweise.
Im mit gleichem Datum erlassenen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2004 brachte das Finanzamt die beantragte außergewöhnliche Belastung lediglich in Höhe von 2.028,34 € in Ansatz, die sich jedoch nicht einkommensteuermindernd auswirkte, da sie den Selbstbehalt in Höhe von 2.679,59 € nicht überstiegen hat. Dem Begründungsteil des angefochtenen Bescheides ist zu entnehmen, dass nach der derzeitigen Spruchpraxis der Zivilgerichte die Ehegattin des Bw. einen Unterhaltsanspruch im Ausmaß von 40% des Nettofamilieneinkommens habe, das durch das Nettoeinkommen der Ehegattin gemindert werde. Die beantragten Aufwendungen für die außergewöhnlichen Belastungen von M. B. , der Ehegattin des Bw. seien vor diesem Hintergrund neu berechnet worden.
Die vorliegende Berufung richtet sich gegen den Bescheid vom 30. Mai 2006 über die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2004 vom 12. September 2005 und gegen den Bescheid betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 2004 ebenfalls vom 30. Mai 2006.
Es wird die ersatzlose Aufhebung der angefochtenen Bescheide sowie die erklärungsgemäße Feststellung der Höhe der außergewöhnlichen Belastungen des Bw. beantragt.
Der steuerliche Vertreter des Bw. gab an, dass er im Jahre 2004 für sich und seine Gattin insgesamt außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 4.640,10 € für Kur- und Krankheitskosten getragen habe. Unter Hinweis auf § 34 EStG 1988 sei es nicht erkennbar gewesen, wodurch die Spruchpraxis der Zivilgerichte den in Rede stehenden Aufwendungen den Charakter als außergewöhnliche Belastungen nehmen sollte. Die Begründung sei nicht geeignet, eine der in § 34 EStG 1988 angeführten Voraussetzungen der getragenen Aufwendungen in Frage zu stellen.
In der abweisenden Berufungsvorentscheidung legte das Finanzamt dar, es sei gemäß § 34 EStG 1988 für eine außergewöhnliche Belastung unter anderem Voraussetzung, dass sie zwangsläufig erwachse. Eine Anhaltung zur Zahlung der geltend gemachten Kosten sei nur im Rahmen der gesetzlichen Unterhaltspflicht möglich. Bezieht der Ehepartner eigene Einkünfte, so sei primär dieser verpflichtet, seine Kosten zu decken, bzw. seien die vom anderen Partner getragenen Kosten bei diesem nicht als zwangsläufig erwachsen anzusehen. Nach Lehre und Rechtsprechung sei nur dann, wenn die Ehegattin weniger als 40 % des Familieneinkommens beziehe, der Ehegatte insofern verpflichtet, den Fehlbetrag zu tragen. Konkrete Einwendungen gegen den Berechnungsmodus seien nicht vorgebracht worden.
Im Vorlageantrag mit dem Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung vor dem gesamten Berufungssenat führte der steuerliche Vertreter des Bw. aus, dass die Abgabenbehörde erster Instanz mit ihrem Verweis auf die Spruchpraxis des OGH betreffend die Höhe von Unterhaltszahlungen begründen wollte, dass M. B. vom Bw. auf Grund der zitierten Spruchpraxis keine Unterhaltszahlungen im Rechtsweg durchsetzen könnte. Damit sei die rechtliche Verpflichtung des Bw. zur Tragung von Krankheitskosten von M. B. und somit die Zwangsläufigkeit der Belastung negiert worden. Es sei jedoch zu bedenken, dass es sich bei der zitierten Spruchpraxis bzw. Lehre um Richtwerte handle und bei der Ermittlung der Höhe des zu leistenden Unterhaltes die Umstände des Einzelfalls Vorrang hätten. Zu diesen Umständen zählten unter anderem krankheitsbedingter Sonderbedarf (Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht 2004³, 134). Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles könne ein bis zu 50% höherer Anteil am Familieneinkommen gerechtfertigt sein. Es könne daher nicht mit dem Hinweis auf die allgemeine Spruchpraxis der Zivilgerichte die Zwangsläufigkeit der Kostentragung negiert werden, ohne die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Es sei in diesem Zusammenhang auch in Betracht zu ziehen, dass in der Lehre die Ansicht vertreten werde, dass bei aufrechter Ehe die zitierte Spruchpraxis insofern adaptiert werden müsse, als der haushaltsführende Ehegatte bei der Unterhaltsberechnung auf Grund der Haushaltsführung besser gestellt werden müsste.
Ferner sei zu bedenken, dass sich die Zwangsläufigkeit aus einer tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Verpflichtung ergeben könne. Aus der Begründung des Finanzamtes sei nicht zu erkennen, aus welchem Grund keine sittliche Verpflichtung vorliege.
In einem Vorhalt des Finanzamtes wurde der Bw. ersucht, jene Umstände bekannt zu geben, die das nach der Spruchpraxis resultierende Ausmaß der Unterhaltsverpflichtung beeinflussen würden. Dies sollte in Bezug auf eine allfällige Anrechnung und Ausweitung auf den Unterhaltsanspruch erfolgen. Ebenso wurde der Bw. aufgefordert, die sich daraus ableitenden konkreten Auswirkungen ziffernmäßig auf das der ständigen Rechtsprechung folgende Verpflichtungsausmaß darzustellen. Desgleichen hat die Abgabenbehörde erster Instanz den Bw. ersucht, jene Umstände (Sittlichkeitsnormen) darzulegen, aus denen sich zum einen die Zwangsläufigkeit der geltend gemachten Krankheitskosten, zum anderen eine sittliche Verpflichtung zur Tragung dieser Kosten durch den Bw. aus der Sicht, dass der Ehegattin des Bw. zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes eigene Pensionseinkünfte zur Verfügung stehen, ableiten ließe.
Hinsichtlich der vorgenommenen Berechnungen der außergewöhnlichen Belastungen teilte das Finanzamt dem Bw. Folgendes mit.
Pensionsbezüge Bw. | 23.141,88 | ||
abzüglich Lohnsteuer | -5.428,52 | ||
Verfügungsbetrag Bw. | 17.713,36 | ||
Pensionsbezüge Ehegattin des Bw. | 10.274,16 | ||
abzüglich Lohnsteuer | -27,00 | ||
Verfügungsbetrag Ehegattin des Bw. | 10.247,16 | ||
Summe Verfügungsbetrag | 27.960,52 | ||
davon 40% | 11.184,20 | ||
11.184,20 | |||
-10.247,16 | |||
Differenzbetrag | 937,04 | ||
a.g.B. lt. Antrag Ehegattin des Bw. | 2.813,02 | ||
937,04 = 8,38% von 11.184,20 | |||
8,38% von 2.813,02 | 235,73 | ||
Eigene a.g.B. Bw. lt. Antrag | 2.026,09 | ||
a.g.B.- Ehegattin des Bw. | 235,73 | ||
Summe a.g.B. vor Selbstbehalt | € 2.261,82 |
In Beantwortung dieses Vorhaltes gab der steuerliche Vertreter des Bw. an, dass der gesamte vom Finanzamt errechnete Differenzbetrag in Höhe von 937,04 € als außergewöhnliche Belastung absetzbar sei. Denn für den Bw. bestehe die rechtliche Verpflichtung, diesen Betrag an seine Ehegattin zu bezahlen und erfolge diese Zahlung daher zwangsläufig. Die Zahlung sei für Krankheitskosten aufgewandt worden und demnach gemäß § 34 ff EStG als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.
In Bezug auf die konkreten Verhältnisse des Bw. und seiner Ehegattin würden insbesondere bei erhöhten Krankheitskosten des unterhaltsberechtigten Teiles 50% des gemeinsamen Vermögens von den Zivilgerichten als Verfügungsbetrag zugesprochen werden (Schwimann/Kollmasch, Unterhaltsrecht 2004³, 134).
Die Ehegattin des Bw. leide seit ihrem 11. Lebensjahr an Diabetes. Im Jahre 1998 habe ihr ein vierfacher Bypass gesetzt werden müssen und würden die Folgen dieser Operation bis heute fortwirken. So habe zum Beispiel unlängst ein Stent in einer Herzarterie gesetzt werden müssen. Auf Grund dieser Krankheiten leide die Ehegattin des Bw. unter starken Gehbeschwerden, da sowohl die Gefäße als auch die Nerven in den Beinen schwer geschädigt seien. Es handle sich dabei um eine so genannte "Schaufensterkrankheit".
Aus den festgestellten Krankheiten sei ein erhöhter Kostenbedarf abzuleiten und würde der Ehegattin des Bw. daher von einem Zivilgericht 50% des gemeinsamen Verfügungsbetrages zugesprochen werden. In Anlehnung an die Berechnung des Finanzamtes wäre der Unterhaltsanspruch um 2.796,05 € höher als die errechneten 11.184,20 € und könnte die Ehegattin die Bezahlung dieses Betrages vom Bw. rechtlich durchsetzen. Dieser Betrag sei demnach dem Bw. zwangsläufig erwachsen, würde direkt mit der Krankheit seiner Ehegattin zusammenhängen und sei daher als zusätzliche außergewöhnliche Belastung im Jahre 2004 zu beurteilen gewesen. Demnach wären die gesamten Krankheitskosten von M. B. als zwangsläufig erwachsende außergewöhnliche Belastungen des Jahres 2004 anzusetzen gewesen.
Die steuerliche Vertretung des Bw. sieht die Übernahme der in Rede stehenden Krankheitskosten durch den Bw. auch aus sittlichen Gründen geboten, zumal er mit seiner Ehegattin seit 45 Jahren verheiratet sei. Sie leide an den oben angeführten Krankheiten und könnte ohne seine finanzielle Unterstützung die notwendigen Behandlungen nicht bezahlen. Es sei aus der Berechnung der Abgabenbehörde erkennbar, dass der Verfügungsbetrag der Ehegattin ohne Unterhaltsanspruch im Streitjahr 10.247,16 € betragen habe und nach Abzug der beantragten außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von 2.813,02 € würden der Ehegattin jährlich 7.434,14 € bzw. monatlich 619,51 € zur Verfügung stehen. Mit diesem Betrag könne sie ihren Lebensunterhalt nicht unter Aufrechterhaltung des von ihr gewohnten Lebensstandards bestreiten. Die finanzielle Unterstützung sei daher sittliche Pflicht des Bw. gewesen, um ihre Krankheitskosten bestreiten zu können. Erwähnt wurde, dass die Herzoperation während der Ehe durchgeführt werden musste.
Zu der am 28. März 2008 abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung ist trotz ausgewiesener Zustellung der Ladung weder der Bw. noch sein steuerlicher Vertreter erschienen. Die Amtspartei hat im Wesentlichen auf ihr bisheriges Vorbringen verwiesen. Klarstellend wird durch die Vorsitzende darauf hingewiesen und durch die Amtspartei zur Kenntnis genommen, dass das Finanzamt bei der Ermittlung der Kur- und Krankheitskosten versehentlich eine Haushaltsersparnis der Ehegattin des Bw. in Höhe von 91,56 € nicht in Abzug gebracht hat.
Über die Berufung wurde erwogen:
Außer Streit steht, dass der Bw. im Streitjahr für sich und seine Ehegattin Kur- und Krankheitskosten im Ausmaß von insgesamt 4.610,10 € bezahlt hatte und davon Kur- und Krankheitskosten seiner Ehegattin in Höhe von 2.813,2 € als außergewöhnliche Belastung beantragte. Weiters steht das Ausmaß des Familiennettoeinkommens des Bw. und seiner Ehegattin unstrittig in Höhe von 27.960,52 € fest.
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2 EStG 1988) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs.3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs.4).
Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein. Eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist gemäß Abs. 4 dieser Bestimmung wesentlich, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.
Gemäß § 34 Abs. 7 Z 3 und 4 EStG 1988 sind Unterhaltsleistungen für den (Ehe) Partner (106 Abs.3) durch den Alleinverdienerabsetzbetrag abgegolten. Darüber hinaus sind Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist dabei nicht zu berücksichtigen.
Krankheitskosten sind Ausgaben, die auf eine Krankheit zurückgehen, sie sind im täglichen Leben keine regelmäßigen Ausgaben und belasten also den, der sie zu tragen hat mehr als die Mehrzahl der übrigen Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes. Dass derartige Ausgaben im Hinblick auf das Einkommen des Steuerpflichtigen nicht außergewöhnlich scheinen, ist mit den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht in Einklang zu bringen (Hofstätter/Reichel, EStG Kommentar, § 34 EStG 1988 Einzelfälle, 20/1, VwGH 21.9.1956, 349/56).
Krankheitskosten des Steuerpflichtigen selbst erwachsen ihm aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig. Bezieht die unterhaltsberechtigte Ehegattin eigene Einkünfte, so sind Krankheitskosten bei ihr selbst eine außergewöhnliche Belastung, da sie ihr aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen sind.
Der Verwaltungsgerichtshof bringt in einem Erkenntnis vom 28.4.1987, Zl. 85/14/0049, klar zum Ausdruck, dass der Ehegatte nur im Rahmen seiner gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung angehalten werden kann, Arztkosten für seine Ehegattin zu bezahlen. Bezieht die Ehegattin eigene Einkünfte, so ist primär sie verpflichtet, diese Kosten selbst abzudecken. Nur wenn die Ehegattin weniger als 40 % des Familieneinkommens (ohne Berücksichtigung von Kindern) bezieht, ist der Ehegatte insofern verpflichtet, einen Teil der Arztkosten (den Fehlbetrag) zu tragen.
Das Bestehen und das Ausmaß der Unterhaltspflicht richten sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts (vgl. VwGH 14.11.1995, 93/08/0199). Nach § 94 ABGB haben die Ehegatten nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen. Die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Prozentsätze zur Ermittlung der Höhe des Unterhaltes stellen bloß eine Orientierungshilfe dar, um für Durchschnittsfälle eine "generalisierende Regel" zur Verfügung zu haben. Eine Ausnahme von der "generalisierenden Regel" stellt unter anderem der krankheitsbedingte Sonderbedarf dar, der auf Seiten des Berechtigten einen höheren Anspruch begründen kann (VwGH 24.8.1999, 99/11/0010).
Feststeht, dass die Zwangsläufigkeit von Belastungen ein gemäß § 34 Abs. 1 EStG für die Absetzbarkeit gefordertes Kriterium ist und diese im konkreten Fall hinsichtlich der in Rede stehenden Kosten vor dem Hintergrund der für den Bw. gegenüber seiner Ehegattin bestehenden Unterhaltsverpflichtung zu beurteilen ist.
Aus obigen Ausführungen ist abzuleiten, dass Unterhaltsleistungen zwischen Ehegatten nach der Anordnung des Gesetzgebers steuerlich nicht zu berücksichtigen sind, es sei denn, sie würden beim Steuerpflichtigen selbst eine außergewöhnliche Belastung (zB bei Krankheitskosten) darstellen (vgl. Wiesner/Atzmüller/Grabner/Lattner/Wanke EStG § 34 Anm. 52). Abgesehen von dieser Ausnahme sind Unterhaltsleistungen selbst dann vom Abzug ausgeschlossen, wenn eine rechtliche Verpflichtung - beispielsweise bei einer Notsituation der Unterhaltsberechtigten - besteht (vgl. VwGH 26.11.1997, 95/13/0146).
In welchem Ausmaß der Bw. infolge seiner gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung die Krankheitskosten seiner Ehegattin zu tragen hat, ist somit davon abhängig, um wie viel die Ehegattin weniger als 40% des ihr zustehenden Familiennettoeinkommens bezieht. Denn nur insofern ist der Bw. verpflichtet einen Teil der entstandenen Krankheitskosten (Fehlbetrag) zu bezahlen (vgl. VwGH 28.4.1987, 85/14/0049).
Bezüglich der in Streit stehenden Krankheitskosten ist überdies auf die zivilgerichtliche Praxis hinzuweisen, nach der folgende pauschale Prozentregeln zur Ermittlung des Unterhaltsanspruches des Ehegatten mit geringerem (bzw. nicht vorhandenem Einkommen) gegenüber dem Ehegatten mit höherem (bzw. einzigem) Einkommen angewendet werden:
Wenn nur der Ehemann ein Einkommen (Nettoeinkommen) hat, so hat die Ehegattin einen Unterhaltsanspruch in Höhe von 33% des Einkommens des Ehegatten(Dittrich/Tades, ABGB, § 94 E 191). Hat hingegen jeder der beiden Ehegatten ein Einkommen, so ist dem Ehegatten mit dem niedrigeren Einkommen einschließlich seines eigenen Einkommens ein Anteil von 40% des für beide Ehegatten zur Verfügung stehenden Familieneinkommens auszumessen (aaO, E 186).
Sicherlich wollte der Gesetzgeber eine Unterhaltsbemessung im Einzelfall unter Bedachtnahme auf die besonderen Lebensverhältnisse der Ehegatten und der sich daraus ergebenden Billigkeitskriterien. Solange aber keine besonderen Umstände (zB krankheitsbedingter Sonderbedarf) geltend gemacht werden, erfordert es nicht nur die ausgleichende Gerechtigkeit, sondern auch die Praktikabilität der Rechtsprechung, von generalisierenden Regeln bei der Bemessung des Unterhaltes auszugehen (LGZ Wien 8. 2. 1984, 44 R 1007/84, EFSlg 44.869). Als derartiger Sonderbedarf sind beispielsweise die Kosten der durch die körperliche Verfassung des Unterhaltsberechtigten begründeten Unterbringung in einem Pflegeheim anzusehen (OGH 24. 2. 1994, 8 Ob 503/94).
In dem bereits zitiertem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.8.1999, GZ. 99/11/0010, brachte dieser überdies zum Ausdruck, dass gegenüber einen infolge eines krankheitsbedingten Sonderbedarfs zur Deckung der Unterkunfts- und Verpflegungskosten angenommenen Unterhaltsanspruch in Höhe von 50% des Familiennettoeinkommens keine Bedenken bestehen und führte weiters aus, dass von der Hälfte dieses Familieneinkommens das Einkommen des Unterhaltsberechtigten abzuziehen ist, sodass sich daraus die Unterhaltsleistung des Unterhaltsverpflichteten errechnet.
Vor diesem Hintergrund geht der Senat im konkreten Fall davon aus, dass die von der steuerlichen Vertretung des Bw. vorgebrachten krankheitsbedingten Umstände der Ehegattin des Bw. einen solchen außergewöhnlichen Sonderbedarf darstellen, der ein Abgehen von einer Durchschnittsbetrachtung notwendig machte. Es war somit nach der gegebenen Sachlage von einem Unterhaltsanspruch der Ehegattin des Bw. in Höhe von 50% des Familiennettoeinkommens auszugehen.
Im vorliegenden Fall beträgt das Familieneinkommen 27.960,52 €, wobei der Ehegattin des Bw. angesichts ihres 50%igen Unterhaltsanspruches ein Anteil von 13.980,26 € am verfügbaren Einkommen zustand. Die Unterhaltsverpflichtung des Bw. an seine Ehegattin errechnete sich aus der Differenz zwischen dem 50%igen Anteil und den eigenen Einkünften der Ehegattin in Höhe von 10.247,16 €, die somit 3.733,10 € betragen hat.
In diesem Zusammenhang wird festgestellt, dass das Finanzamt bei der Ermittlung der Kranken- und Kurkosten der Ehegattin des Bw. von 2.813,02 € ausgegangen ist und dabei versehentlich den Abzug einer Haushaltsersparnis im Ausmaß von 91,56 € unterließ. Demnach betragen die streitgegenständlichen Aufwendungen richtigerweise 2.721,46 €, die bei der Ehegattin des Bw. iSd § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Sie sind jedoch hinsichtlich ihrer rechtlichen Zwangsläufigkeit durch die Unterhaltsverpflichtung des Bw. im Ausmaß von 3.733,10 € begrenzt.
Wird die Unterhaltsverpflichtung des Bw. in Höhe von 3.733,10 € in Relation zum nach dem mit 50% berechneten Anteil (13.980,26 €) gestellt, so ergibt dies einen Anteil von 26,70%. Das der Ehegattin des Bw. zur Verfügung stehende Familiennettoeinkommen (13.980,26 €) entfiel somit zu 26,70 % auf den ihr zustehenden Unterhaltsanspruch in Höhe von 3.733,10 €. Dementsprechend ist auch die Unterhaltsverpflichtung des Bw. hinsichtlich der für seine Ehegattin aufgewendeten Krankheits- und Kurkosten zu aliquotieren und im Ausmaß von 26,70 % von den geltend gemachten 2.721,46 €, das sind 726,63 €, als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
Lediglich in diesem Ausmaß bestand für den Bw. eine rechtlich durchsetzbare Verpflichtung, für die beantragten Krankheitskosten im Sinne des § 34 Abs. 1 EStG 1988 aufzukommen (vgl. auch UFS vom 1.12.2005, RV/1364-W/05, UFS vom 7.2.2006, RV/0262-L/04, UFS vom 19.9.2007, RV/2378-W/06).
Da der Selbstbehalt des Bw. unstrittigerweise 2.679,59 € beträgt und die insgesamt geltend gemachten Kur- und Krankheitskosten 2.752,72 € ausmachen, übersteigen diese den Selbstbehalt lediglich um 73,13 €.
Eine sittliche (ethische) Verpflichtung kommt in erster Linie gegenüber nahen Angehörigen bzw. Lebensgefährten in Betracht, soweit nicht ohnehin hinsichtlich dieses Personenkreises eine rechtliche Verpflichtung besteht (Wiesner/Atzmüller/Grabner/Lattner/Wanke EStG, § 34 Anm. 32ff). Dabei reicht es nicht aus, dass sich der Steuerpflichtige zur Tätigung der Aufwendungen sittlich verpflichtet fühlt. Ebenso ist nicht ausreichend, dass das Handeln menschlich verständlich, wünschens- oder lobenswert erscheinen mag.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass von einer sittlichen Pflicht nicht schon dann gesprochen werden kann, wenn eine Handlung von der Sittenordnung gutgeheißen wird, sondern nur dann, wenn entsprechendes Handeln von ihr gefordert ist. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen, in dem das Rechtsgefühl der Gemeinschaft zum Ausdruck kommt (VwGH 23.4.1985, 84/14/0158).
Weiters besteht auch keine über die rechtliche Verpflichtung hinausgehende sittliche Verpflichtung zur Tilgung von Schulden eines Angehörigen, es sei denn, eine derartige Verpflichtung ergibt sich - wie z.B. im Falle einer Kreditaufnahme für eine notwendige Operation - aus den besonderen Umständen, die zur Aufnahme der Schuld geführt haben (VwGH 11.6.1991, 91/14/0052, VwGH 23.5.1996 95/15/0018)).
Eine über das rechtliche Ausmaß hinausgehende sittliche Verpflichtung des Bw., seine Ehegattin bei der Finanzierung der in Rede stehenden Kur- und Krankheitskosten zu unterstützen, war vor dem Hintergrund vorstehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung nicht zu begründen, zumal die Ehegattin des Bw. angesichts ihrer finanziellen Lage weder zur Aufnahme von Schulden für die durch den Krankheitsverlauf notwendig gewordenen Kosten der Heilbehandlung gezwungen war, noch dadurch in eine vergleichbare existenzbedrohende Notsituation geraten wäre. Der Bw. durfte somit objektiv nicht davon ausgehen, von seiner Ehegattin eine solche Notlage abzuwenden.
Aus der Sicht, dass die gesetzliche Unterhaltsverpflichtung des Bw. überdies die allgemeinen Lebenshaltungskosten seiner Ehegattin umfasst, dienen seine Unterhaltsleistungen insgesamt der Abdeckung ihres Lebensbedarfs und sichern auf diese Weise ihre wirtschaftliche Situation. Aus dieser Gesamtbetrachtung lässt sich jedoch keine sittliche Verpflichtung des Bw. ableiten, im Rahmen einer 50%igen Unterhaltsverpflichtung die gesamten Krankheits- und Kurkosten seiner Ehegattin zu finanzieren.
Es war daher der über den für den Bw. errechneten Selbstbehalt hinausgehende Betrag in Höhe von 73,13 € als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen
Daraus folgt, dass der angefochtene Bescheid über die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2004 - dessen Spruch sich als unrichtig erwiesen hat - zu Recht ergangen ist. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2004 war im Sinne vorstehender Ausführungen zu ändern.
Die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2004 erfolgte demnach nach dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, wobei dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtssicherheit einzuräumen war.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Beilage: 1 Berechnungsblatt
Wien, am 31. März 2008
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Krankheitskosten, Kurkosten, Zwangsläufigkeit |