Gesamtrechtsnachfolge bei Umgründungsmaßnahmen nach Art. III UmgrStG mit Vereinbarung der Anwendung des § 142 Handelsgesetzbuch
Entscheidungstext
Bescheid
Der Unabhängige Finanzsenat (UFS) hat über die Berufungen der Bw., vertreten durch TPA Treuhand Partner Austria, Wirtschaftstreuhand GmbH, 8010 Graz, Friedrichgasse 31, vom 22. Jänner bzw. 23. März 2004 gegen die Bescheide des Finanzamtes Leoben vom 16. Dezember 2003 betreffend Wiederaufnahme der Feststellungsbescheide 1995 - 1998 gemäß § 303 Bundesabgabenordnung, BGBl Nr. 1961/194 idgF (BAO) und Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 1995 - 1998 sowie Berichtigungsbescheid gemäß § 293 BAO zum Bescheid über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für 1995 vom 18. Februar 2004 entschieden:
Die Berufungen werden gem. § 273 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückgewiesen.
Begründung:
Die Berufungswerberin (Bw.) wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 23.11.1995 als T.KEG gegründet. Gesellschaftszweck war u. a. die Errichtung, Verwaltung und der Betrieb von Tiefgaragen. Einzige Komplementärin der KEG war die T.GmbH.V.H., E.H. und die P.GmbH. als Treuhänderin für G.G. und Dr.A.G. sowie Ing.J.S. waren im Verfahrenszeitraum Kommanditisten mit einer Hafteinlage von insgesamt 10.000,-S. Gleichzeitig waren sie im Verhältnis ihrer KEG-Einlagen auch Gesellschafter der GmbH.
Mit Vertrag vom 20.5.1999 beschlossen die Gesellschafter der KEG die rückwirkende Einbringung ihrer Kommanditanteile in die GmbH zum Stichtag 31.12.1998 unter Inanspruchnahme der steuerlichen Begünstigungen des Art. III Umgründungssteuergesetz 1991 (UmgrStG). In Einem erklärte die GmbH in analoger Anwendung der Bestimmungen des § 142 Handelsgesetzbuch (HGB) die Übernahme aller Aktiven und Passiven der Bw. und Fortführung des Unternehmens der KEG im Wege einer Gesamtrechtsnachfolge.
Am 21. September 1999 wurde die Vermögensübernahme gem. § 142 HGB durch die GmbH bei gleichzeitiger Auflösung und Löschung der KEG im Firmenbuch eingetragen.
In den Jahren 2001 bis 2003 fand eine Betriebsprüfung (BP) betreffend den Zeitraum 1995 - 1999 im Unternehmen der KEG bzw. ihrer Rechtsnachfolgerin statt. Als Ergebnis dieser Prüfung erließ das zuständige Finanzamt Leoben (FA) am 16. Dezember 2003 Bescheide über die Wiederaufnahme der Feststellungsverfahren gemäß § 303 Abs. 4 Bundesabgabenordnung (BAO) sowie neue Sachbescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 1995 - 1998 an die KEG. Der dazu als Begründung versendete BP-Bericht wies ebenfalls die KEG als Abgabepflichtige aus.
Am 17. Dezember 2003 ergingen neuerlich Wiederaufnahme- und Feststellungsbescheide für dieselben Jahre, nunmehr an die namentlich genannten ehemaligen Gesellschafter der KEG.
Gegen die für die Jahre 1996 - 1998 ergangenen Bescheide vom 17. Dezember 2003 wurde am 19. Jänner 2004 namens der ehemaligen KEG - Gesellschafter Berufung eingelegt.
Am 22. Jänner 2004 brachte auch die KEG - mit Hinweis auf eine Bescheidzustellung am 23. Dezember 2003 - gegen die Bescheide für 1995 - 1998 vom 16. Dezember 2003 Rechtsmittel ein.
Inhaltlich begehrten die Einschreiter in den Berufungen übereinstimmend die Berücksichtigung von aufgrund der BP-Feststellungen nicht anerkannten Investitionsfreibeträgen (IFB) in Höhe von 1.620.000,- S im Jahr 1995 bzw. 56.700,- S im Jahr 1996 sowie die Anwendung der Bestimmungen des Art. III UmgrStG auf den Einbringungsvorgang im Jahr 1998, welche das FA wegen Fehlens eines positiven Verkehrswertes i.S.d. § 12 Abs. 1 UmgrStG abgelehnt hatte.
Am 18. Februar 2004 erließ das FA einen Berichtigungsbescheid gemäß § 293 BAO zum Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO für 1995 an die KEG, mit welchem der im Bescheid vom 16. Dezember 2003 offenbar irrtümlich ausgewiesene IFB von 1.620.000,- S eliminiert wurde.
Mit Berufung vom 23. März 2004 berief die KEG auch gegen diesen Bescheid und verwies zur Begründung auf das bereits eingebrachte Rechtmittel gegen die Bescheide vom 16. Dezember 2003.
Am 20. Juli 2004 erging zu den angefochtenen Bescheiden für 1995 - 1998 eine voll abweisende Berufungsvorentscheidung (BVE) an die KEG, gegen welche diese fristgerecht die Vorlage ihrer Rechtsmittel an die Abgabenbehörde II. Instanz begehrte. In der Folge legte das FA diese dem UFS zur Entscheidung vor.
Zum Rechtsmittel der ehemaligen Gesellschafter der KEG vom 19. Jänner 2004 ist weder eine Erledigung des FA noch eine Vorlage an den UFS aktenkundig.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 92 Abs.1 lit.b BAO sind abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen in Bescheidform festzustellen. Die Wirksamkeit eines solchen Bescheides setzt u. a. die Nennung jener Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft), an die er ergeht, in seinem Spruch voraus (§ 93 Abs. 3 BAO). Gemäß § 97 BAO erfordert dessen Wirksamkeit weiters die Bekanntgabe an denjenigen, für den der Bescheid seinem Inhalt nach bestimmt ist. Fehlt es an der Nennung eines geeigneten Bescheidadressaten liegt ein Nichtbescheid vor, dem keine normative Kraft zukommt (VwGH 17.11.2004, 99/14/0254; 1.7.1993, 90/17/0385). Ebenso entfaltet ein Bescheid keine Rechtswirkungen, der nicht an die Person ergeht, für die er bestimmt ist. Ein solcher Bescheid geht ins Leere. Dies trifft etwa zu, wenn ein Bescheid an eine nicht mehr existente Gesellschaft ergeht (VwGH 31.3.1998, 98/13/0016; 14.9.1993, 93/15/0080; 21.7.1993, 91/13/0162).
§ 243 BAO normiert die Berufung als ordentliches Rechtsmittel gegen Bescheide der Abgabenbehörde erster Instanz. Fehlt einer behördlichen Erledigung allerdings die Bescheidqualität, ist eine dagegen eingebrachte Berufung unzulässig und daher gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO zurückzuweisen. Ebensolches gilt für Berufungen gegen Bescheide, die dem Berufungswerber gegenüber nicht wirksam wurden (VwGH 17.11.2004, 99/14/0254).
§ 79 BAO sieht für die Beurteilung der Rechts- und Handlungsfähigkeit im Bereich des Abgabenrechtes die sinngemäße Anwendbarkeit bürgerlichrechtlicher Bestimmungen vor.
Nach § 19 Abs. 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten wiederum die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.
Abs. 2 leg. cit. normiert die abgabenrechtlichen Rechtsfolgen der Beendigung von Personenvereinigungen (Personengemeinschaften) ohne eigene Rechtspersönlichkeit (Übergang auf die zuletzt beteiligt gewesenen Gesellschafter nach Maßgabe ihrer ehemaligen Beteiligung).
Art. III UmgrStG (§§ 12 ff) bewirkt zivilrechtlich - von bestimmten, hier nicht zutreffenden, Spezialtatbeständen abgesehen - eine Einzelrechtsnachfolge. Für das Abgabenrecht ist zwischen dem Ertragsteuerbereich und der verfahrensrechtlichen Situation zu unterscheiden. Während ertragsteuerlich nach § 14 Abs. 2 bzw. § 18 Abs. 2 UmgrStG mit Ablauf des Einbringungsstichtages die Wirkungen einer "Quasi-Gesamtrechtsnachfolge" eintreten, bleibt es aus verfahrensrechtlicher Sicht grundsätzlich bei der Einzelrechtsnachfolge, analog der zivilrechtlichen Konsequenz. Die bis zum Einbringungsstichtag realisierten Steuertatbestände sind daher auch nach der Einbringung dem Einbringenden bzw., bei untergegangenen Personengesellschaften, den ehemaligen Gesellschaftern zuzurechnen (vgl. Schwarzinger - Wiesner, Umgründungssteuer-Leitfaden, 2. Auflage, S. 471).
Dies gilt allerdings nicht für Fälle der Anwachsung nach § 142 HGB.
§ 142 HGB regelt die Auflösung einer zweigliedrigen Handelsgesellschaft ohne Liquidation bei gleichzeitigem Übergang aller Aktiven und Passiven auf den letzten, verbleibenden Gesellschafter. Die Bestimmung lautet:
Sind nur zwei Gesellschafter vorhanden, so kann, wenn in der Person des einen von ihnen die Voraussetzungen vorliegen, unter welchen bei einer größeren Zahl von Gesellschaftern seine Ausschließung aus der Gesellschaft zulässig sein würde, der andere Gesellschafter auf seinen Antrag vom Gerichte für berechtigt erklärt werden, das Geschäft ohne Liquidation mit Aktiven und Passiven zu übernehmen.
(2) Macht bei einer aus zwei Gesellschaftern bestehenden Gesellschaft ein Privatgläubiger des einen Gesellschafters von der ihm nach § 135 zustehenden Befugnis Gebrauch oder wird über das Vermögen des einen Gesellschafters der Konkurs eröffnet, so ist der andere Gesellschafter berechtigt, das Geschäft in der bezeichneten Weise zu übernehmen.
(3) Auf die Auseinandersetzung finden die für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters aus der Gesellschaft geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung.
Bei Personengesellschaften mit nur zwei Gesellschaftern führt das Ausscheiden eines der Gesellschafter grundsätzlich zur Beendigung der Gesellschaft und Auflösung des Gesamthandvermögens. § 142 HGB dient dem Zweck, diese Auflösung bei zweigliedrigen Handelsgesellschaften zu verhindern und damit den Fortbestand des Unternehmens zu sichern.
Die Rechtswirkungen des § 142 HGB (handelsrechtliche - und damit zivilrechtliche - Gesamtrechtsnachfolge) stellen zwingendes Recht dar und unterliegen deshalb nicht der Parteiendisposition. Nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung besteht aber aufgrund des Grundsatzes der Vertragsfreiheit die Möglichkeit, den Anwendungsbereich des § 142 HGB durch vertragliche Vereinbarung auf andere Fälle der Geschäftsübernahme zu erweitern. Dies kann sowohl im Gesellschaftsvertrag vorgesehen sein als auch durch gesonderte Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern festgelegt werden. In der Praxis wird von dieser Möglichkeit insbesondere bei Unternehmensübertragungen von Personengesellschaften auf Kapitalgesellschaften durch Einbringung nach den Bestimmungen des UmgrStG Gebrauch gemacht, um auf diese Weise die Rechtswirkungen der Gesamtrechtsnachfolge sicher zu stellen (vgl. Wünsch, Gedanken zur Geschäftsübernahme nach § 142 HGB in JBL 2003, 758 und Hochedlinger, Die Übertragung von Unternehmen und Gesellschaftsanteilen nach § 142 HGB in GesRZ 2002, 192 mit ausführlichen Judikatur- und Literaturverweisen).
Die zivilrechtliche Gesamtrechtsnachfolge einer Einbringung durch Anwachsung bedingt gem. § 19 Abs. 1 BAO auch eine steuerliche Gesamtrechtsnachfolge (vgl. Wundsam-Zöchling-Huber-Kuhn, Kommentar zum UmgrStG, § 12, TZ 6 und § 19, TZ 44). In Fällen des Vermögensüberganges einer Personengesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft als einzigen, verbleibenden Hauptgesellschafter gemäß § 142 HGB haben bescheidmäßige Erledigungen der Behörde daher auch für vor der Einbringung gelegene Zeiträume ausschließlich an den Rechtsnachfolger zu ergehen (neuerlich VwGH, 17.11.2004, 99/14/0254, ebenso UFS, RV/1486-L/02 v. 24.1.2005).
Im anhängigen Fall lauten die maßgeblichen Bestimmungen des Sacheinlage- und Einbringungsvertrages vom 20. Mai 2005 wie folgt:
Punkt II /1: " Mit diesem Vertrag bringen die Kommanditisten ihre Mitunternehmeranteile (Kommanditanteile) im Verhältnis ihrer Hafteinlagen an der T. KEG auf Basis der Einbringungsbilanzen der Mitunternehmerschaft bzw. der einzelnen Gesellschafter zum Stichtag 31. (einunddreißigster) Dezember 1998 (neunzehnhundertachtundneunzig), im folgenden kurz Einbringungsbilanz , rückwirkend zu diesem Bilanzstichtag, im folgenden kurz Einbringungsstichtag , in die übernehmende Gesellschaft unter Inanspruchnahme der Begünstigungen des Artikel III. UmgrStG ein."
Punkt II /3:"Aufgrund dieser Einbringung ist die übernehmende Gesellschaft alleiniger Gesellschafter der T. KEG, die damit aufgelöst ist. Die übernehmende Gesellschaft erklärt jedoch, das gesamte Unternehmen der Kommanditerwerbsgesellschaft mit allen Aktiva und Passiva fortzuführen, sodaß das Gesamthandvermögen der Kommanditerwerbsgesellschaft in analoger Anwendung der Bestimmungen des § 142 HGB im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Gesellschaft übergeht."
Nachdem davon auszugehen ist, dass der Sacheinlage- und Einbringungsvertrag vom 20. Mai 1999 die für seine Rechtswirksamkeit erforderlichen Voraussetzungen bei der Anmeldung zur Eintragung des Vermögensüberganges nach § 142 HGB im Firmenbuch am 14. Juli 1999, jedenfalls aber bei der tatsächlichen Firmenbucheintragung am 21. September 1999 erfüllt hat, hatten rechtsgestaltende behördliche Erledigungen spätestens ab diesem Zeitpunkt an die Rechtsnachfolgerin zu ergehen. Dies war jedoch bei keinem der angefochtenen Bescheide der Fall. Unter diesen Umständen konnten die am 16. Dezember 2003 bzw. 18. Februar 2004 an die KEG ergangenen Erledigungen keine Rechtswirkungen entfalten (im Übrigen ebenso wenig die am 17. Dezember 2003 an die ehemaligen Gesellschafter der KEG ergangenen Bescheide). Im Sinne der dargestellten Rechtslage waren demnach auch die dagegen eingebrachten Berufungen unzulässig und deshalb gemäß § 273 Abs.1 lit. a BAO zurückzuweisen.
Unter diesen Umständen erübrigte sich eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Rechtsmittel vom 22. Jänner 2004 gegen die Bescheide vom 16. Dezember 2003 fristgerecht im Sinne des § 245 BAO eingebracht wurden.
Graz, am 9. Mai 2005
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 93 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Einbringung nach Art. III UmgrStG 1991, Vermögensanwachsung nach § 142 HGB, Einzelrechtsnachfolge, Gesamtrechtsnachfolge, Vertragsfreiheit |
Verweise: |