UFS RV/4297-W/02

UFSRV/4297-W/0229.8.2003

Auswärtige Berufsausbildung eines Kindes (“Verordnungsgemeinde") im Jahr 2001

 

Anmerkungen:
In diesem Sinne auch Lohnsteuerprotokoll 1992, AÖFV 255/2002, sowie Wiesner/Atzmüller/Grabner/Leitner/Wanke, EStG 1988, § 34 Anm. 69 ff.

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Christa Haiden, gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2001 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Der in Neunkirchen (NÖ) wohnhafte Berufungswerber (Bw.) beantragte in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2001 unter anderem die Gewährung des Pauschbetrages nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 infolge Berufsausbildung seiner Tochter Nina in Wien.

Mit Einkommensteuerbescheid vom 4. April 2002 wurde der Bw. zur Einkommensteuer für das Jahr 2001 veranlagt. Der Pauschbetrag nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 wurde nicht gewährt. "Aufwendungen für eine Berufsausbildung außerhalb des Wohnortes gelten nicht als außergewöhnliche Belastung, wenn auch im Einzugsbereich des Wohngebietes eine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Eine solche Möglichkeit ist in Ihrem Fall gegeben, sodass die geltend gemachten Aufwendungen nicht zu berücksichtigen waren."

Mit Schreiben vom 6. Mai 2002 erhob der Bw. durch seine steuerliche Vertreterin gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 Berufung mit dem Antrag, das beantragte Pauschale in Höhe von 1.500 S monatlich für das Hochschulstudium der Tochter Nina als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

"Nina hat an der technischen Universität das Fachgebiet Architektur inskripiert und beabsichtigt das Studium erfolgreich zu beenden. Da bei diesem Fachgebiet Vorlesungen, Übungen und insbesonders Zeichenarbeiten für sogenannte PROGRAMME bis spät in die Nachtstunden abgehalten bzw. durchgeführt werden, ist es für eine halbwegs erträgliche Studiendauer unmöglich, das Arbeitsprogramm als Pendlerin von Neunkirchen aus zu betreiben bzw. zu erledigen.

Nina bewohnt in Wien 16 eine Wohnung, da die tägliche Hin- und Rückfahrt einschließlich Umsteigzeit von Neunkirchen aus unter Berücksichtigung der Fahrpläne für Bundes- und Straßenbahn rund 3 Stunden ausmacht und speziell in den Nachtstunden lange Fahrt-, Warte- und Umsteigzeiten nicht zumutbar sind.

Es muss selbst von der Wiener Wohnung aus täglich 1 Stunde Zeitverlust für Hin- und Rückfahrt in Kauf genommen werden.

Die 2. Änderungen in den LSTR AÖF 2001/255 vom 20.12.2001 nehmen bereits auf Fahrtzeiten zwischen Heimatort und Studienort von mehr als einer Stunde Rücksicht und lassen den Freibetrag zu, auch wenn der Heimatort in der Vdg. zu § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetz 1992 BGBl 605/1993 genannt ist."

Mit Berufungsvorentscheidung vom 2. Oktober 2002 wies das Finanzamt Neunkirchen die Berufung als unbegründet ab: "Die Änderungen der LSTR treten erst ab 1.1.2002 in Kraft."

Hierauf brachte der Bw. durch seine steuerliche Vertreterin mit Schreiben vom 31. Oktober 2002 direkt in der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland einen Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz ein. Der Vorlageantrag enthält eine Darstellung des bisherigen Verfahrensganges.

Mit Kurzmitteilung vom 6. November 2002 wurde das Finanzamt Neunkirchen über den Vorlageantrag in Kenntnis gesetzt.

Gemäß § 323 Abs. 10 BAO ist für die Entscheidung über die noch offene Berufung der Bw. seit 1. Jänner 2003 der Unabhängige Finanzsenat zuständig.

Nach dem in Wiesner/Atzmüller/Grabner/Leitner/Wanke, EStG 1988, § 34 Anm. 71 wiedergegebenen Beispiel ist die Strecke Neunkirchen - Wien in beiden Richtungen in weniger als einer Stunde erreichbar.

Diese Auffassung findet auch in den in der Anlage wiedergegebenen Verbindungen von Neunkirchen nach Wien und zurück ihre Deckung.

Die Wegzeit zwischen Wien Südbahnhof und dem Karlsplatz (Technische Universität) beträgt rund 15 Minuten.

Gemäß § 1 der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung über die Erreichbarkeit von Studienorten nach dem Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 605/1993, in der Fassung BGBl. Nr. 616/1995, BGBl. Nr. 307/1997 und BGBl. II Nr. 295/2001 ist von der Gemeinde Neunkirchen die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort Wien zeitlich noch zumutbar.

Am 27. August 2003 wurde am Finanzamt Neunkirchen mit den Parteien des zweitinstanzlichen Verfahrens die Sach- und Rechtslage erörtert (§ 279 Abs. 3 BAO).

Unterlagen über die im Detail besuchten Lehrveranstaltungen könne der Bw. derzeit keine vorlegen, allerdings bei Bedarf nachbringen. Der Bw. wisse aus seiner eigenen Studienerfahrung, dass man - insbesondere vor der Abgabe von schriftlichen Arbeiten und vor Prüfungen - oftmals bis am Abend arbeiten und an der Universität anwesend sein müsse. Auch stünden nur auf der Universität bestimmte erforderliche Geräte zur Verfügung. Freilich sei diese längere Anwesenheit nicht ständig, sondern nur punktuell erforderlich.

Über die Berufung wurde erwogen:

Auf Grund der Akten des Finanzamtes sowie der vom Unabhängigen Finanzsenat durchgeführten Ermittlungen steht folgender Sachverhalt fest:

Familienwohnsitz der Familie des Bw. ist Neunkirchen.

Die Tochter des Bw., Nina, studiert in Wien an der Technischen Universität Wien. Sie wohnt während des Studiums in einer Zweitwohnung in Wien. Die Kosten für die auswärtige Berufsausbildung trägt der Bw.

Vom Wohnort Neunkirchen (Bahnhof) kann die Haltestelle Wien Südbahnhof in weniger als einer Stunde erreicht werden und zwar zumeist in rund halbstündigen Intervallen. Gleiches gilt für die Rückfahrt. Bei der Rückfahrt besteht lediglich zwischen 20:58 Uhr und 22:03 Uhr keine Verbindung.

Neunkirchen ist von Wien weniger als 80 km entfernt.

Gemäß § 1 der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung über die Erreichbarkeit von Studienorten nach dem Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 605/1993, in der Fassung BGBl. Nr. 616/1995, BGBl. Nr. 307/1997 und BGBl. II Nr. 295/2001 ist von der Gemeinde Neunkirchen die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort Wien zeitlich noch zumutbar.

Der Unabhängige Finanzsenat folgt hierbei grundsätzlich dem Vorbringen der Parteien des zweitinstanzlichen Verfahrenes. Die Entfernung zwischen der Technischen Universität Wien und dem Südbahnhof wurde mittels der elektronischen Fahrplanauskunft http://www.vor.at ermittelt. Die Bahnverbbindungen zwischen Neunkirchen und Wien Südbahnhof wurden mit der ÖBB-Fahrplandatenbank (Winterfahrplan 2001) erhoben. Dass im Berufungszeitraum davon abweichende Verhältnisse geherrscht hätten, wurde von den Parteien des zweitinstanzlichen Verfahrens nicht behauptet.

Feststellungen über den Beginn und das Ende der von der Tochter des Bw. tatsächlich besuchten Lehrveranstaltungen waren nicht zu treffen, da sämtliche in Betracht kommenden Verbindungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Bahn Neunkirchen - Wien) eine Fahrzeit (inklusiver allfälliger Umsteigzeiten) von weniger als einer Stunde (oder bei einigen Verbindungen: von knapp über einer Stunde) aufweisen.

Unterlagen hierzu konnte der Bw. nicht vorlegen. Der Bw. räumt jedoch selbst ein, dass ein Anwesenheitserfordernis an der Universität am Abend nicht regelmäßig, sondern nur punktuell besteht.

Rechtlich folgt hieraus:

Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes gelten gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 1.500 S pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt.

Zu § 34 Abs. 8 EStG 1988 ist die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl. Nr. 624/1995, ergangen (im Folgenden als Verordnung bezeichnet). Diese Verordnung wurde mit BGBl. II Nr. 449/2001 mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 2002 geändert.

1. Rechtslage Jänner bis September 2001:

Die zur Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts wesentlichen Bestimmungen dieser Verordnung lauten in der für den Streitzeitraum 2001 gültigen Stammfassung:

"§ 1. Ausbildungsstätten, die vom Wohnort mehr als 80 km entfernt sind, liegen nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes.

§ 2. (1) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort gelten dann als nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn die Fahrzeit vom Wohnort zum Ausbildungsort bzw. vom Ausbildungsort zum Wohnort mehr als je eine Stunde bei Benützung des schnellsten öffentlichen Verkehrsmittels beträgt. Wegzeiten von der Wohnung zur Einstiegstelle des öffentlichen Verkehrsmittels oder von der Ausstiegstelle zur Ausbildungsstätte bleiben jeweils für Wegstrecken bis 1.500 m außer Ansatz.

(2) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort gelten jedenfalls als innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn von diesen Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort nach den Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, zeitlich noch zumutbar ist.

(3) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km gelten als nicht im Einzugsbereich des Wohnortes gelegen, wenn Schüler oder Lehrlinge, die innerhalb von 25 km keine adäquate Ausbildungsmöglichkeit haben, für Zwecke der Ausbildung außerhalb des Hauptwohnortes eine Zweitunterkunft am Ausbildungsort bewohnen (zB Unterbringung in einem Internat).

§ 3. Erfolgt die auswärtige Berufsausbildung im Rahmen eines Dienstverhältnisses, steht der pauschale Freibetrag für die auswärtige Berufsausbildung nur dann zu, wenn die Voraussetzungen gemäß §§ 1 und 2 vorliegen und von den Eltern Unterhaltszahlungen von nicht untergeordneter Bedeutung für eine Zweitunterkunft am Schulort oder für Fahrtkosten zu leisten sind."

Unter "Einzugsbereich des Wohnortes" i.S.d. § 34 EStG 1988 ist jener Bereich zu verstehen, in dem die tägliche Hin- und Rückfahrt zum Ausbildungsort zeitlich als noch zumutbar anzusehen ist (vgl. VwGH 31. 1. 2000, 95/15/0196; VwGH 14. 9. 1994, 91/13/0229).

Beträgt die Entfernung zwischen Ausbildungs(Studien)- und Wohnort weniger als 80 km und gilt die tägliche Hin- und Rückfahrt zwischen den beiden Orten gemäß der zu § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 ergangenen Verordnungen als zeitlich zumutbar, erfolgt die Berufsausbildung eines Kindes innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes. Die durch eine solche Berufsausbildung verursachten Aufwendungen können weder nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 noch - im Hinblick auf die Anordnungen in § 34 Abs. 7 EStG 1988 - nach den allgemeinen Bestimmungen des § 34 EStG 1988 als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden (UFS [Innsbruck], Senat 3 [Referent], 18.3.2003, RV/0356-/I/02; UFS [Linz], Senat 6 [Referent], 11.3.2003, RV/1360-L/02; UFS [Linz], Senat 2, 10.6.2003, RV/1297-L/02; UFS [Linz], Senat 7 [Referent], 21.3.2003, RV/1281-L/02; UFS [Wien], Senat 17 [Referent], 1.8.2003, RV/2672-W/02); UFS [Wien], Senat 17 [Referent], 12.8.2003, RV/4232-W/02).

Nach der im Zeitraum Jänner bis September 2001 geltenden Rechtslage stellen die Verordnungen zum Studienförderungsgesetz eine unwiderlegliche Vermutung auf, dass hinsichtlich der in ihnen genannten Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt zumutbar ist (vgl. VwGH 22. 9. 2000, 98/15/0098; VwGH 28. 5. 1997, 96/13/0109).

Wie festgestellt, nennt § 1 der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung über die Erreichbarkeit von Studienorten nach dem Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 605/1993, in der Fassung BGBl. Nr. 616/1995, BGBl. Nr. 307/1997 und BGBl. II Nr. 295/2001 als Gemeinde, von der die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort Wien zeitlich noch zumutbar ist, unter anderem Neunkirchen.

Es kommt daher im Zeitraum Jänner bis September 2001 die unwiderlegliche Vermutung der Verordnung, dass eine tägliche Hin- und Rückfahrt zumutbar ist, zum Tragen.

Es ist dem unabhängigen Finanzsenat bei dieser Sach- und Rechtslage verwehrt zu prüfen, ob im Einzelfall ungeachtet der Anführung in einer der Verordnungen eine tägliche Hin- und Rückfahrt nicht möglich ist.

2. Rechtslage Oktober bis Dezember 2001:

Mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 2002 (§ 4 der Verordnung i.d.F. BGBl. II Nr. 449/2001) wurde § 2 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl. Nr. 624/1995, wie folgt neu gefasst:

§ 2. (1) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort gelten dann als nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn die Fahrzeit vom Wohnort zum Ausbildungsort und vom Ausbildungsort zum Wohnort mehr als je eine Stunde unter Benützung des günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden.

(2) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort gelten als innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn von diesen Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort nach den Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, zeitlich noch zumutbar sind. Abweichend davon kann nachgewiesen werden, dass von einer Gemeinde die tägliche Fahrzeit zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel mehr als je eine Stunde beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden. In diesem Fall gilt die tägliche Fahrt von dieser Gemeinde an den Studienort trotz Nennung in einer Verordnung gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, in der jeweils geltenden Fassung als nicht mehr zumutbar.

(3) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km gelten als nicht im Einzugsbereich des Wohnortes gelegen, wenn Schüler oder Lehrlinge, die innerhalb von 25 km keine adäquate Ausbildungsmöglichkeit haben, für Zwecke der Ausbildung außerhalb des Hauptwohnortes eine Zweitunterkunft am Ausbildungsort bewohnen (zB Unterbringung in einem Internat).

Hieraus ist für den Bw. freilich vorerst nichts gewonnen, weil die Verordnung in dieser Fassung während des gesamten Jahres 2001 nicht anwendbar ist, sondern erst ab 2002 gilt. Die von der steuerlichen Vertreterin des Bw. zitierten Ausführungen in den LStR 2002 beziehen sich grundsätzlich auch auf die Rechtslage ab 2002.

Allerdings ist zu beachten, dass auch die Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung über die Erreichbarkeit von Studienorten nach dem Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 605/1993 eine Änderung erfahren hat. Mit BGBl. II Nr. 295/2001 wurde in die Verordnung - mit erstmaliger Wirksamkeit für Anträge von Studierenden für das Studienjahr 2001/2002 (§ 23 Abs. 6 dieser Verordnung i.d.F. BGBl. II Nr. 295/2001) - anstelle des bisherigen § 22 ein neuer § 22 eingefügt, der wie folgt lautet:

"§ 22. Wenn in einem Verfahren über die Zuerkennung von Studienbeihilfe nachgewiesen wird, dass von einer Gemeinde die tägliche Fahrzeit zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel mehr als je eine Stunde beträgt, so gilt die tägliche Fahrt von dieser Gemeinde an den Studienort trotz Nennung in der Verordnung als nicht zumutbar."

Es ist daher nach herrschender Meinung seit 1. 10. 2001 (Beginn des Studienjahres 2001/2002, § 6 Abs. 1 UniStG) auch im Abgabenverfahren der Gegenbeweis der längeren Fahrtdauer zulässig (die Neufassung der Verordnung BGBl. Nr. 624/1995 durch Verordnung BGBl. II Nr. 449/2001 erfolgte zwar erst ab 1. 1. 2002, durch den Verweis auch in der Stammfassung der Verordnung BGBl. Nr. 624/1995 auf die Verordnungen zum StudienförderungsG 1992 ergibt sich jedoch die Zulässigkeit schon ab 1. 10. 2001; Wiesner/Atzmüller/Grabner/Leitner/Wanke, EStG 1988, § 34 Anm 69; vgl. auch Lohnsteuerprotokoll 2002, 1.18.2).

Der Verordnung BGBl. Nr. 624/1995 enthält einen dynamischen Verweis auf die Verordnungen zum StudienförderungsG 1992 ("...wenn von diesen Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort nach den Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, zeitlich noch zumutbar ist..."); da nach der seit 1. Oktober 2001 anzuwendenden Fassung der hier maßgeblichen Verordnung zum StudienförderungsG 1992 bei Nachweis einer eine Stunde überschreitenden Fahrzeit die tägliche Fahrt trotz Nennung in der Verordnung als nicht zumutbar gilt, entfaltet ein derartiger Nachweis auch Wirkungen im Abgabenverfahren (UFS [Wien], Senat 17 [Referent], 11.8.2003, RV/4223-W/02).

Dieser Nachweis wird im Zeitraum Oktober bis Dezember 2001 (wie auch ab Jänner 2002) freilich an Hand der Grundsätze des StudienförderungsG 1992 - und nicht an Hand der Ermittlungsgrundsätze des § 2 Abs. 1 Verordnung BGBl. Nr. 624/1995 in der Stammfassung für jene Ausbildungsorte, die in keiner Verordnung nach § 26 Abs. 3 StudienförderungsG 1992 genannt sind - zu führen sein (UFS [Wien], Senat 17 [Referent], 11.8.2003, RV/4223-W/02).

Nach Ansicht des VfGH kann der in § 26 StudienförderungsG 1992 verwendete Begriff des "günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels" nicht anders als dahin verstanden werden, dass in jeder Richtung je ein Verkehrsmittel zwischen den in Betracht kommenden Gemeinden besteht, das die Strecke in einem geringeren Zeitraum als einer Stunde bewältigt (VfGH 11. 12. 1986, B 437/86). Diese Rechtsprechung fand auch in Rz 883 LStR 2002 und die Entscheidungspraxis des Unabhängigen Finanzsenates (UFS [Innsbruck], Senat 3 [Referent], 4.8.2003, RV/0334-I/03) Eingang.

Daher sind nach § 2 Abs. 2 Verordnung BGBl. Nr. 624/1995 i.V.m. § 22 Verordnung BGBl. Nr. 605/1993 i.d.F. BGBl. II Nr. 295/2001 (anders als nach § 2 Abs. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 624/1995 in der Stammfassung) zwar Wartezeiten, die beim Umsteigen außerhalb des Heimat- oder Studienortes (regelmäßig) anfallen, zu berücksichtigen, nicht aber die Zeiten zwischen Ankunft im Ausbildungsort und Ausbildungsbeginn sowie zwischen Ausbildungsende und Abfahrt des Verkehrsmittels, ebenso nicht andere Wartezeiten, Fußwege sowie Fahrten im Heimatort oder im Studienort (vgl. Rz 883 LStR 2002; UFS [Innsbruck], Senat 3 [Referent], 4.8.2003, RV/0334-I/03).

Da die Verordnung hinsichtlich der Nachweisführung einer eine Stunde übersteigenden Wegzeit auf die jeweilige Gemeinde (den Wohnort bzw. den Ausbildungsort) und nicht auf die Wohnung bzw die Ausbildungsstätte abstellt, ist somit nicht die tatsächliche Gesamtfahrzeit maßgebend, sondern die Fahrzeit mit dem "günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel" zwischen diesen beiden Gemeinden. Hierbei ist die Fahrzeit zwischen jenen Punkten der jeweiligen Gemeinden heranzuziehen, an denen üblicherweise die Fahrt zwischen diesen Gemeinden mit dem jeweiligen öffentlichen Verkehrsmittel angetreten bzw. beendet wird (vgl. Wiesner/Atzmüller/Grabner/Leitner/Wanke, EStG 1988, § 34 Anm 71; Lohnsteuerprotokoll 2002, Punkt 1.18.3; UFS [Wien], Senat 17 [Referent], 11.8.2003, RV/4232-W/02).

Auch die Studie des Österreichischen Instituts für Raumplanung, die den Verordnungen zum StudienförderungsG 1992 zugrunde liegt, rechnete mit dem jeweiligen Stadtzentrum bzw. zentralen Bahnhöfen und Haltestellen, wobei abgesehen von Linz und Wien der jeweilige (Haupt)Bahnhof, in diesen beiden Städten folgende Aus- bzw. Einstiegsstellen herangezogen wurden: Linz: Hauptbahnhof, Bahnhof Linz-Urfahr, (aus dem Mühlviertel) Linz Hessenplatz. Wien: Bahn: Wien Westbahnhof, Wien Franz Josefs-Bahnhof, Wien Nord, Wien Südbahnhof, (aus Richtung Wolfsthal) Wien Mitte; Regionalbusverkehr: Wien Brigittaplatz, Wien Nord, Gürtel (vgl. Wiesner/Atzmüller/Grabner/Leitner/Wanke, EStG 1988, § 34 Anm. 71).

Maßgebend ist daher nicht die Wegzeit Neunkirchen - Technische Universität Wien, sondern die (kürzere) Wegzeit Neunkirchen - Südbahnhof Wien. Abzustellen ist jedoch in Wien auf den Südbahnhof und nicht etwa auf die Haltestelle Wien Meidling, auch wenn diese oft als Umsteigestation verwendet wird.

Der Nachweis einer eine Stunde überschreitenden Fahrzeit wurde nicht geführt.

Allerdings ist zu beachten, dass ausnahmsweise nicht das "schnellste" öffentliche Verkehrsmittel als "günstigstes" Verkehrsmittel heranzuziehen sein kann, weil die Benützung etwa infolge mehrstündiger Wartezeiten (vgl. Wiesner/Atzmüller/Grabner/Leitner/Wanke, EStG 1988, § 34 Anm. 70) oder zu kurzer Ruhepausen zwischen Rückkehr vom Studienort und Fahrbeginn zum Studienort am nächsten Tag unzumutbar wäre (UFS [Wien], Senat 17 [Referent], 12.8.2003, RV/4223-W/02).

Mehrstündige Wartezeiten bestehen nicht.

Da die Erreichbarkeit mit der Bahn regelmäßig - unter Tags und am späten Abend - unter einer oder - in einigen Fällen - knapp über einer Stunde Fahrzeit (inklusive allfälligem Umsteigen) liegt, war auch nicht zu prüfen, ob die Ruhepausen ausreichend waren. Ein weniger schnelles Verkehrsmittel am Abend als unter Tags besteht nicht.

Selbst wenn von der Tochter des Bw. ein Zug mit einer Fahrzeit über einer Stunde verwendet wird, ist die geringfügige Überschreitung der Fahrzeit von einer Stunde unschädlich (vgl. auch VfGH 11. 12. 1986, B 437/86: "im Einzelfall zweckmäßigeres Verkehrsmittel unwesentlich länger als eine Stunde für die Bewältigung der Wegstrecke benötigt"). Es handelt sich hierbei nur um eine unbeachtliche, geringfügige Überschreitung.

Der Unabhängige Finanzsenat verkennt nicht, dass ein tägliches Pendeln im Hinblick auf die Studienzeiten der Tochter und das punktuelle Erfordernis, bisweilen auch bis am Abend in der Technischen Universität anwesend zu sein, weniger zweckmäßig als eine Wohnung in Wien sein kann.

Allein, darauf kommt es nach der dargestellten Rechtslage nicht an. Die einzige, seit Oktober 2001 neu hinzugekommene Möglichkeit für die Abgabenbehörde auf individuelle Umstände - und nicht auf standardisierte, vom Einzelfall losgelöste Regelungen - Bedacht zu nehmen, besteht in der bis September 2001 nicht gegebenen Zulässigkeit der Nachweisführung einer eine Stunde übersteigenden täglichen Fahrzeit zwischen Wohn- und Ausbildungsgemeinde bei "Verordnungsgemeinden". Dieser Nachweis konnte im gegenständlichen Fall nicht erbracht werden.

Die Berufung war daher als unbegründet abzuweisen.

Wien, 29. August 2003

Anlage:

 

 

 

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Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 34 Abs. 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 2 Abs. 2 Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl. Nr. 624/1995
§ 1 StudFG - Erreichbarkeit von Studienorten (BMWF), BGBl. Nr. 605/1993

Schlagworte:

Auswärtige Berufsausbildung, Verordnungsgemeinde, Fahrzeit, Wartezeit, Wegzeit, Nachweis längerer Wegzeit

Stichworte