Begriff
Unter freiwilliger Abfertigung versteht das EStG eine Leistung des Arbeitgebers, deren unmittelbare Ursache die Beendigung des Dienstverhältnisses ist und auf die weder aufgrund gesetzlicher noch kollektivvertraglicher Bestimmungen ein Anspruch besteht. Schriftlichkeit (zB im Dienstvertrag) ist dabei nicht erforderlich, jedoch empfehlenswert.1
Lohnartenkasten – freiwillige Abfertigung im Abfertigung-Alt-System
Lohnsteuer (LSt) | Lohnsteuerpflichtig, und zwar: a) Begünstigt: Innerhalb der Viertel- bzw Zwölftelregelung(*) gem § 67 Abs 6 EStG beträgt die Lohnsteuer lediglich 6 %, Deckelung beachten. b) Nach Tarif: Der Überschreitungsbetrag unterliegt wie ein laufender Bezug im Zuflussmonat dem Lohnsteuertarif (§ 67 Abs 10 EStG). (*) siehe die nachfolgenden Erläuterungen. |
Sozialversicherung (SV) | Beitragsfrei2 |
Beitrag an die Betriebliche Vorsorgekasse | Nicht anwendbar, da Abfertigung-Alt-System |
Dienstgeberbeitrag (DB), Zuschlag zum | Lohnnebenkostenfrei3 |
Viertelregelung (§ 67 Abs 6 Z 1 EStG)
Sonstige Bezüge, die bei Beendigung eines Dienstverhältnisses anfallen und mit der Auflösung des Dienstverhältnisses im ursächlichen Zusammenhang stehen (zB freiwillige Abfertigung, Sterbegelder, Todfallsbeiträge etc), können gem § 67 Abs 6 Z 1 EStG mit dem begünstigten Steuersatz von 6 % versteuert werden, wobei sie insgesamt ein Viertel der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate betragen, aber das Neunfache der monatlichen ASVG-Höchstbeitragsgrundlage (Deckelung 2024: € 54.450,–) nicht übersteigen dürfen.
Zwölftelregelung (§ 67 Abs 6 Z 2 bis 4 EStG)
Darüber hinaus kann das begünstigt abzurechnende Ausmaß an freiwilligen (vertraglichen) Abfertigungen erhöht werden, wenn
- nachweislich (Glaubhaftmachung reicht nicht aus)
- (Vor-)Dienstzeiten als Arbeitnehmer (Zeiten aus selbstständiger Erwerbstätigkeit können nicht berücksichtigt werden, wohl aber ausländische Dienstzeiten)
vorliegen.
Der feste Steuersatz von 6 % ist auf einen Betrag anzuwenden, dessen Höhe von der nachgewiesenen Dienstzeit abhängt (siehe Dienstzeitstaffelung in der Tabelle unten), der maßgebliche Monatsbetrag ist außerdem gedeckelt mit der dreifachen Höchstbeitragsgrundlage (2024: max € 18.180,–).
Diese Erhöhungsmöglichkeit beträgt:
Bei einer nachgewiesenen Dienstzeit von: | bis zu: | Höchstbetrag für die 6%ige Besteuerung aufgrund der Deckelung |
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3 Jahre | 2/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate | € 36.360,–* |
5 Jahre | 3/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate | € 54.540,- |
10 Jahre | 4/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate | € 72.720,– |
15 Jahre | 6/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate | € 109.080,– |
20 Jahre | 9/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate | € 163.620,– |
25 Jahre | 12/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate | € 218.160,– |
* € 6.060,– (= monatliche ASVG-Höchstbeitragsgrundlage 2024) * 3 = € 18.180,– => 18.180,–* 2 = € 36.360,–; usw.
Während der nachgewiesenen (Vor-)Dienstzeiten erhaltene gesetzliche, kollektivvertragliche und/oder freiwillige Abfertigungen mindern das begünstigte Ausmaß ebenso wie eine bei Ende des aktuellen Dienstverhältnisses allenfalls zustehende gesetzliche Abfertigung. Auch im Falle der oben beschriebenen Erhöhungsmöglichkeiten sind die Zusatzzwölftel vom laufenden Bezug der letzten zwölf Monate zu berechnen.
Den Nachweis über die Dauer der zu berücksichtigenden (Vor-)Dienstzeiten und über den Erhalt bzw Nichterhalt von Abfertigungen iSd § 67 Abs 3 EStG oder gem § 67 Abs 6 EStG hat der Arbeitnehmer in Form von Bestätigungen seiner Vor-Arbeitgeber zu erbringen. Der (Vordienstzeiten-)Nachweis ist vom Arbeitgeber zum Lohnkonto (§ 76 EStG) zu nehmen. Bis zu welchem Zeitpunkt zurück die Dienstverhältnisse nachgewiesen werden, bleibt dem Arbeitnehmer überlassen. Der Nachweis muss jedoch beim aktuellen Dienstverhältnis beginnen und lückenlos so weit zurück erfolgen, wie es dem Arbeitnehmer möglich ist oder opportun erscheint. Ein Außerachtlassen einzelner Jahre bzw. Dienstverhältnisse (samt der im Rahmen dieser Dienstverhältnisse bezogenen Abfertigungen) kommt dabei nicht in Betracht4.
Hinweis
Die Zwölftelregelung kommt nur bei Gewährung einer freiwilligen (vertraglichen) Abfertigung zur Anwendung. Sie hängt ausschließlich davon ab, ob und inwieweit der Arbeitnehmer seine (Vor-)Dienstzeit nachweist und bereits (freiwillige und gesetzliche) Abfertigungszahlungen erhalten hat bzw eine gesetzliche Abfertigungszahlung erhält.
Nachweise für die Anwendung der Zwölftelregelung
- 1. Hinsichtlich der Vordienstzeiten ist vom Arbeitnehmer eine vom Vor-Arbeitgeber unterfertigte Bestätigung zu verlangen.
- 2. Dienstzeugnisse sind keine tauglichen Nachweise dafür, dass der Arbeitgeber keine Abfertigungen anlässlich der Beendigung des Dienstverhältnisses erhalten hat.
- 3. Nur in Ausnahmefällen – wenn die obige Bestätigung vom Vor-Arbeitgeber nicht erhältlich ist – sollte der Gehaltsausweis bezüglich des Austrittsmonats akzeptiert werden, allerdings – empfehlenswerterweise – nur in Verbindung mit einer Erklärung des Arbeitnehmers (Schad- und Klagloshaltungsvereinbarung), bei Nichtanerkennung dieses Nachweises durch die Behörde die Abgabennachforderung dem Arbeitgeber zu ersetzen.
- 4. Eine uneinheitliche Verwaltungspraxis besteht derzeit bezüglich der Anrechnung der nach Tarif abgerechneten freiwilligen Abfertigung und ausländischer Abfindungsbeträge.
- 5. Mögliche Lösung: Anfrage beim Betriebsstättenfinanzamt nach § 90 EStG und/oder Abschluss einer Schad- und Klagloshaltungsvereinbarung mit dem Arbeitnehmer.
Laufende Bezüge der letzten zwölf Monate
Zu den laufenden Bezügen der letzten zwölf Monate gehören alle steuerbaren Bezugsteile, die dem Arbeitnehmer für diese Lohnzahlungszeiträume gewährt wurden, unabhängig davon, ob diese lohnsteuerpflichtig waren oder nicht (zB steuerfreie Überstundenzuschläge, Sachbezüge, steuerpflichtige Diätenteile, steuerfreie Taggelder gemäß § 3 EStG, etc, nicht aber Kostenersätze gemäß § 26 Z 4 EStG). Weiters hinzuzurechnen ist der laufende Teil der Urlaubsersatzleistung bei Beendigung des Dienstverhältnisses.
Es sind keine Bezüge zu berücksichtigen, die der Arbeitnehmer bei anderen Arbeitgebern erhalten hat, bzw es darf eine kurze Dienstdauer nicht „hochgerechnet" werden;5 dh:
- Weder dürfen laufende Bezüge aus einem vorangegangenen Dienstverhältnis miteinbezogen werden
- noch sind die erhaltenen laufenden Bezüge aus dem eben erst beendeten Dienstverhältnis, das weniger als zwölf Monate gedauert hat, auf fiktive zwölf Monatsbezüge umzurechnen; so sind bspw bei einem zwei Monate dauernden Dienstverhältnis nur die laufenden Bezüge dieser zwei Monate zu zwölfteln.
Ausnahmen von der Zwölf-Monats-Regel
Eine Ausnahme von der „Zwölf-Monats-Regel“ bildet eine Konzernversetzung innerhalb des letzten Dienstjahres. Rechnet Konzertbetrieb B Dienstjahre an, die der Arbeitnehmer beim Konzernbetrieb A verbracht hat, kann unter Bedachtnahme auf die vorhergehende Konzernversetzung, die eine enge Verknüpfung bei der gesetzlichen Abfertigung zulässt, die Berechnung der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate, unter Berücksichtigung der beim Konzernbetrieb A erhaltenen Monatsbezüge, vorgenommen werden.
Aus den Lohnsteuerrichtlinien geht weiters hervor: Hat das Dienstverhältnis länger als zwölf Monate gedauert und sind innerhalb der letzten zwölf Monate zB infolge Präsenzdienst, Ausbildungsdienst bei Frauen, Krankheit, Altersteilzeit, Mutterschutz oder Karenzurlaub geringere oder gar keine Bezüge ausbezahlt worden, ist die Beurteilung von dem Zeitraum zurückgehend vorzunehmen, für den letztmalig die vollen laufenden Bezüge angefallen sind.6
Der VwGH hat allerdings ausgesprochen, dass der Steuersatz von 6 % nach dem klaren Wortlaut des § 67 Abs 1 Z 1 EStG auf "ein Viertel der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate" anzuwenden ist. Dass von der Absicht des Gesetzgebers abgewichen werden kann, ist nach Ansicht des VwGH nicht erkennbar, auch wenn die Finanzverwaltung dazu seit vielen Jahren eine die Abgabepflichtigen begünstigende Ansicht vertritt (vgl Rz 1088 LStR 2002). Im konkreten Fall sprach der VwGH aus, soweit Krankengeldbezüge (sechs Siebentel) lohnsteuerpflichtige Bezüge aus dem konkreten, nunmehr beendeten Beschäftigungsverhältnis in den letzten zwölf Monaten ersetzen, sind sie somit für die Viertelberechnung in die Bemessungsgrundlage als "Bezüge der letzten zwölf Monate" einzubeziehen.7
Die LStR wurden jedoch auch im Zuge der letzten Wartung im Dezember 2023 diesbezüglich nicht abgeändert, weshalb davon auszugehen ist, dass diese begünstigende Verwaltungspraxis (zumindest vorerst) beibehalten wird.
Übersicht: Einzubeziehende laufende Bezüge
Welche laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate sind in die Berechnung einzubeziehen?
JA | NEIN |
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usw |
usw |
*) Es können somit steuerfreie Reiseaufwandsentschädigungen gem § 3 Abs 1 Z 16b EStG in die Berechnung „der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate“ einbezogen werden, nicht jedoch Kostenersätze und Reiseaufwandsentschädigungen gem § 26 Z 4 EStG. Für eine nachträgliche Aufteilung der Reiseaufwandsentschädigungen – da diese grundsätzlich in einer Summe am Lohnkonto und am L 16 auszuweisen sind – in steuerfreie Bezüge gem § 3 Abs 1 Z 16b EStG und in § 26 EStG bestehen derzeit ebenso wenig Bedenken wie für eine diesbezügliche Näherungsrechnung.
Überschreiten der Begünstigungsgrenzen für freiwillige (vertragliche) Abfertigungen
Soweit die Grenzen des ersten und zweiten Satzes des § 67 Abs 6 EStG überschritten werden, sind solche sonstigen Bezüge wie ein laufender Bezug im Zeitpunkt des Zufließens nach dem laufenden Lohnsteuertarif des jeweiligen Kalendermonats der Besteuerung zu unterziehen. Dabei ist ein monatlicher Lohnzahlungszeitraum zu unterstellen.
Wird das Dienstverhältnis während des Kalendermonats beendet und werden im Zuge der Beendigung freiwillige (vertragliche) (Abfertigungs-)Zahlungen ausbezahlt, die bereits zum Tarif zu besteuern sind, so ist die (Abfertigungs-)Zahlung den laufenden Bezügen des Austrittsmonats zuzurechnen und gemeinsam nach dem Monatstarif (unter Berücksichtigung eines monatlichen Lohnzahlungszeitraums) zu versteuern. In diesem Fall ist am Lohnzettel als Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses der Tag der tatsächlichen Beendigung des Dienstverhältnisses (arbeitsrechtliches Ende) anzuführen.8
Anspruchsumwandlung
In der Praxis wird immer wieder ein Betrag als freiwillige Abfertigung abgerechnet, obwohl es sich in Wahrheit bspw um folgende Bezüge handelt:
- Nachzahlung von Provisionen, Überstunden, Prämien etc
- Abgeltung nicht verbrauchter Urlaube
- Vergleichszahlung bzw Abgangsentschädigung (wird dafür bezahlt, dass der Arbeitnehmer auf eine Kündigungsanfechtung verzichtet)
- Zahlungen für Verzicht auf Arbeitsleistungen für künftige Lohnzahlungszeiträume
Die Rechtsprechung stellt eindeutig klar, dass in diesen Fällen die Abrechnung dieser Bezüge nicht als lohnsteuerbegünstigte freiwillige Abfertigung erfolgen kann.
Freiwillige (vertragliche) Abfertigung nach Beendigung des Dienstverhältnisses
Freiwillige Abfertigungen etc können bis längstens zwölf Monate nach Beendigung des Dienstverhältnisses steuerbegünstigt ausbezahlt werden, sofern sie
- durch die Beendigung des Dienstverhältnisses ausgelöst werden und
- mit dieser in ursächlichem Zusammenhang stehen.9
Freiwillige (vertragliche) Abfertigung und Altersteilzeit
Bei Vereinbarung einer Altersteilzeit ist die begünstigte Besteuerung einer Abfertigung iSd § 67 Abs 6 EStG erst bei tatsächlicher Beendigung des Dienstverhältnisses zulässig.10 Der Anspruch auf eine steuerliche Begünstigung der freiwilligen (vertraglichen) Abfertigung ist zwingend an die Auflösung des Dienstverhältnisses geknüpft, die jedoch beim Blockmodell erst am Ende der Altersteilzeit und nicht mit Beginn der Freizeitphase erfolgt.
Im Unterschied zu einer „normalen“ Reduktion der Arbeitszeit kann bei Vorliegen einer Altersteilzeitbeschäftigung hinsichtlich der Berechnung des begünstigten Ausmaßes der freiwilligen (vertraglichen) Abfertigung auf die laufenden Bezüge der letzten zwölf „Vollzeitmonate“ zurückgegriffen werden → somit können (bzw sind) die letzten zwölf Monate vor Beginn der Altersteilzeitbeschäftigung herangezogen werden.
Freiwillige (vertragliche) Abfertigung und Fortsetzung des Dienstverhältnisses
Die Lohnsteuerbegünstigung einer freiwilligen Abfertigung ist zwingend an die Beendigung des Dienstverhältnisses geknüpft. Wird das Dienstverhältnis im Anschluss an die Beendigung – zB mit mehr als 25 % reduzierten Bezügen – fortgesetzt (= „Änderungskündigung“), kann eine freiwillige Abfertigungszahlung ebenfalls begünstigt ausbezahlt werden11.
Freiwillige (vertragliche) Abfertigung und Konzernwechsel
Bei wiederholtem Wechsel im Konzern kann es zu einer mehrfachen Inanspruchnahme der „Viertelregelung“ kommen. Eine Einschränkung sieht das Gesetz (§ 67 Abs 6 EStG) nur im Zusammenhang mit der Zwölftelregelung vor12.
Abgrenzung freiwillige Abfertigung – Abgangsentschädigung
Keine freiwillige Abfertigung liegt vor, wenn der Arbeitgeber eine Zahlung leistet, um den Arbeitnehmer zur Auflösung des Dienstverhältnisses zu bewegen. In diesem Fall liegt eine Abgangsentschädigung vor.