Bundesgesetz, mit dem das Außerstreitgesetz, die Jurisdiktionsnorm, das Gerichtsgebührengesetz, das Sicherheitspolizeigesetz und das Auslandsunterhaltsgesetz 2014 geändert werden sowie das Bundesgesetz vom 9. Juni 1988 zur Durchführung des Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung aufgehoben wird (Kinder-RückführungsG 2017 – KindRückG 2017), BGBl I 2017/130 vom 1. 8. 2017 (AB 1743 BlgNR 25. GP ; 2243/A 25. GP ).
Aktualisierte Fassung des in Zak 2017/594, 349 erschienenen Beitrags
Einleitung
Die Durchführungsbestimmungen zum Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ) waren bisher im DurchführungsG BGBl 1988/513 enthalten. Durch das Kinder-Rückführungsgesetz 2017 (KindRückG 2017) wurden diese Bestimmungen mit einigen inhaltlichen Änderungen in einen neuen Abschnitt des AußStrG (Abschnitt 7a, §§ 111a bis 111d) übernommen. Das DurchführungsG wurde aufgehoben. Das zentrale Ziel der Novelle ist die Vereinfachung und vor allem Beschleunigung von Rückführungsverfahren.
Das KindRückG 2017 trat am 1. 9. 2017 in Kraft und ist seit diesem Zeitpunkt auch in bereits anhängigen Verfahren anzuwenden.
Die neuen Regelungen orientieren sich in vielen Punkten an der bisher geltenden Rechtslage. Im Folgenden wird nur auf die wesentlichen Neuerungen eingegangen.
Anträge ins Ausland
- Zuständigkeit (§ 111a Abs 1 AußStrG): Der Rückführungsantrag ist beim Pflegschaftsgericht (§ 109 JN) einzubringen. Alternativ kann der Antragsteller den Antrag beim BG seines aktuellen Aufenthalts mündlich zu Protokoll geben. Dieses hat ihn als Durchlaufgericht an das Pflegschaftsgericht weiterzuleiten. Das Pflegschaftsgericht prüft den Antrag formal auf Vollständigkeit und legt ihn dann dem BMJ vor, das weiterhin als Zentrale Behörde für die Übermittlung ins Ausland zuständig ist.
- Zurückweisung (§ 111b Abs 3 AußStrG): Über eine formale Prüfung hinaus wurde dem Pflegschaftsgericht die Befugnis eingeräumt, den Antrag zurückzuweisen, wenn offensichtlich keine Kindesentführung iSd Art 3 HKÜ vorliegt.1 Bisher kam eine Zurückweisungsbefugnis nach der Rsp nur dem BMJ als Zentraler Behörde zu.2
Anträge aus dem Ausland
- Zuständigkeit (§ 109a JN): Die Zuständigkeitsvorschriften des DurchführungsG zu Anträgen aus dem Ausland wurden in die JN verlagert, blieben inhaltlich jedoch unverändert.
- Aufenthaltsermittlung (§ 111c Abs 2 AußStrG): Das BMJ als Zentrale Behörde ist ermächtigt und verpflichtet, Maßnahmen zur Ermittlung des Aufenthalts des Kindes zu treffen, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass es sich in Österreich aufhält, der konkrete Aufenthaltsort jedoch unbekannt ist. Neben Melderegister- und Hauptverbandsabfragen kann es auch die Sicherheitsbehörden um Mitwirkung ersuchen. Eine Weitergabe der Adresse des Kindes an den zurückgelassenen Elternteil ist nach den Materialien nicht zulässig.3
- Verfahrenshilfe (§ 111c Abs 4 AußStrG): Weiterhin ist vorgesehen, dass dem Antragsteller ohne die sonst geltenden Voraussetzungen Verfahrenshilfe zu gewähren ist. Der Gesetzgeber hat jedoch klargestellt, dass die Verfahrenshilfe nur bei bisher unvertretenen Personen auch die Bestellung eines Verfahrenshilfeanwalts umfasst.
- Verfahrensbeschleunigung (§ 111c Abs 5 und § 111d Abs 2 AußStrG): In der Rs 4.097/13, M. A. v Österreich = Zak 2015/38, 23 hat der EGMR die lange Dauer eines Rückführungsverfahrens kritisiert, die ua daraus resultierte, dass sowohl das Erkenntnisverfahren als auch das Vollstreckungsverfahren jeweils drei Instanzen zu denselben Fragen durchlaufen sind.4 Um die Rückführung zu beschleunigen, muss nun grundsätzlich bereits im Beschluss über die Rückführung auch dessen zwangsweise Durchsetzung nach einer Erfüllungsfrist angeordnet werden.5 Im Regelfall existiert daher nur noch ein anfechtbarer Beschluss und ein doppeltes Rechtsmittelverfahren wird vermieden. Eine Ausnahme ist nur vorgesehen, wenn die Durchsetzung vom Nachweis bestimmter Voraussetzungen im Ursprungsstaat (wie zB einer Wohnmöglichkeit) abhängt. Im Fall getrennter Beschlüsse schränkt das Gesetz das Rechtsmittelvorbringen im Durchsetzungsstadium ein. Eingewendet werden können nur noch Umstände, die im Erkenntnisverfahren noch nicht geprüft oder erst nachträglich eingetreten sind. Darüber hinaus sind in Umkehr des in § 44 AußStrG gewählten Regel-Ausnahme-Verhältnisses Rückführungs- und/oder Durchsetzungsbeschlüsse vorläufig verbindlich und vollstreckbar, sofern das Gericht nicht das Gegenteil anordnet.
- Kinderbeistand (§ 111d Abs 1 AußStrG): Im Rückführungsverfahren muss grundsätzlich ein Kinderbeistand iSd § 104a AußStrG bestellt werden.
- Mediation (§ 111c Abs 5 AußStrG): Der Gesetzgeber erwähnt zwar Bemühungen um eine gütliche Einigung und weist auf positive Erfahrungen mit Mediation bei Kindesentführungsfällen in Deutschland und den Niederlanden hin6, ordnet diese aber dem Primat der besonderen Dringlichkeit der Entscheidung unter.
- Kontaktrecht (§ 111c Abs 6 AußStrG): Um eine Entfremdung des Kindes von dem zurückgelassenen Elternteil zu verhindern oder zu beseitigen, ist das Rückführungsgericht verpflichtet, in jeder Lage des Verfahrens Maßnahmen zur Gewährleistung des Kontaktrechts zu treffen, sofern dem nicht das Kindeswohl entgegensteht.
- Der Fall, dass dem entführenden Elternteil im Ursprungsstaat nachträglich das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht eingeräumt wird, wurde in § 111e AußStrG ausdrücklich geregelt. Handelt es sich um eine endgültige Entscheidung, ist das Rückführungsverfahren einzustellen, bei einer vorläufigen oder nicht rechtskräftigen Entscheidung wird es unterbrochen.
Literatur
- Fucik, Das Rückführungsverfahren nach dem KindRückG 2017, iFamZ 2017, 283.
- Nademleinsky, Das Kinder-Rückführungsgesetz 2017, EF-Z 2017/100, 199.