Normen
AVG §1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs1 Z4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §12
VwGVG 2014 §15 Abs3
VwGVG 2014 §17
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RO2021090031.J00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 12. April 2018 erkannte die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde die Revisionswerberin ‑ eine Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe ‑ eines Disziplinarvergehens nach § 136 Abs. 1 Z 2 Ärztegesetz 1998 (ÄrzteG 1998) für schuldig und verhängte über sie gemäß § 139 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 eine Geldstrafe.
2 Über die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin setzte die belangte Behörde mit Beschwerdevorentscheidung vom 14. November 2018 die Geldstrafe herab.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung eines Vorlageantrags vom 15. Juni 2021 ab und den Vorlageantrag als verspätet zurück. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG erklärte es für zulässig.
4 Die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags begründete das Verwaltungsgericht damit, dass der Versäumung der Frist für den Vorlageantrag ein nicht bloß minderer Grad des Versehens zugrunde liege; demzufolge sei der Vorlageantrag gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG als verspätetet zurückzuweisen. Zwar habe die Behörde nach § 15 Abs. 3 VwGVG verspätete Vorlageanträge mit Bescheid zurückzuweisen; trotz Fehlens einer ausdrücklichen Entscheidungsermächtigung sei aber davon auszugehen, dass im Fall der Vorlage eines verspäteten Vorlageantrags samt Beschwerde die Zuständigkeit zur Entscheidung endgültig auf das Verwaltungsgericht übergehe. Die Zurückweisung des Vorlageantrags wegen Verspätung habe in diesem Fall das Verwaltungsgericht vorzunehmen.
5 Die Zulässigkeit der Revision sah das Verwaltungsgericht im Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die Zuständigkeit zur Zurückweisung eines Vorlageantrags als verspätet ausschließlich der Behörde zukomme oder diese nach Vorlage auf das Verwaltungsgericht übergehe.
6 Gegen diesen Beschluss richtet sich die (irrig als „außerordentliche“ bezeichnete) Revision, die eine „Verletzung in ihren verfassungsgesetzlich und einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten“ geltend macht. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
7 Die Revision ist gegen den Beschluss eines Verwaltungsgerichts nach Art. 133 Abs. 4 und 9 B‑VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil diese von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Auch bei Erhebung einer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision hat die revisionswerbende Partei von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern sie der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder sie eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (VwGH 12.10.2020, Ro 2020/09/0001; 29.1.2020, Ro 2019/09/0001, mwN).
9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B‑VG ‑ also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ‑ vorliegt, im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ‑ auch nach Einbringung der Revision ‑ bereits geklärt, liegt daher keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (VwGH 31.8.2021, Ra 2021/09/0167, mwN).
10 Mit Erkenntnis vom 18. Mai 2021, Ra 2020/08/0196, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz und Abs. 9 VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof die vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich in der Zulässigkeitsbegründung aufgeworfene Rechtsfrage (unter ausdrücklicher Ablehnung der Übertragung der zu Vorlageanträgen gegen Berufungsvorentscheidungen ergangenen Rechtsprechung [VwGH 26.2.2009, 2005/09/0107] auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren) bereits dahingehend gelöst, dass dem Verwaltungsgericht ab der Beschwerdevorlage durch die Behörde die Zuständigkeit zur Zurückweisung eines Vorlageantrags insbesondere wegen Verspätung zukommt.
11 Damit ist aber die vom Verwaltungsgericht in seiner Zulässigkeitsbegründung ausgeführte Rechtsfrage durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits geklärt. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss auch nicht abgewichen.
12 Da die vorliegende Revision keine eigenen Ausführungen zur Zulässigkeit enthält, wird auch keine andere grundsätzliche Rechtsfrage aufgezeigt.
13 Die Revision war somit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zur Behandlung nicht geeignet und deshalb ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
14 Darauf, ob mit dem Revisionspunkt die Verletzung in einem subjektiven‑öffentlichen Recht im Sinn des § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geltend gemacht wird, war bei diesem Ergebnis nicht mehr einzugehen (vgl. VwGH 11.11.2016, Ra 2016/12/0088; 19.3.2014, Ro 2014/09/0034).
Wien, am 18. November 2021
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