Normen
AVG §56
B-VG Art133 Abs4
EpidemieG 1950 §32
EpidemieG 1950 §32 Abs3
EpidemieG 1950 §33
EpidemieG 1950 §49 Abs1
EpidemieG 1950 §7
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090167.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die mitbeteiligten Parteien betreiben eine allgemeinmedizinische Gruppenpraxis, in der die verfahrensgegenständliche Dienstnehmerin beschäftigt ist. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 4. März 2020 wurde dieser gegenüber aufgrund ihres hohen Infektionsrisikos mit der Lungenerkrankung 2019‑nCoV (COVID‑19) deren sofortige Absonderung in ihrer Wohnung bis zum 16. März 2020 angeordnet. Der Dienstnehmerin wurde von den mitbeteiligten Parteien das für diesen Zeitraum anteilige Bruttogehalt von € 419,59 im März 2020 und die anteilige Sonderzahlung für den Absonderungszeitraum von € 69,93 im Rahmen der Auszahlung ihrer Sonderzahlungen für das Jahr 2020 im Juli 2020 ausbezahlt.
2 Mit Antrag vom 24. April 2020 begehrten die mitbeteiligten Parteien die Vergütung der der Dienstnehmerin fortgezahlten, näher aufgeschlüsselten Lohnkosten.
3 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde und nun revisionswerbende Partei) vom 2. Dezember 2020 wurde dem Antrag der mitbeteiligten Parteien vom 24. April 2020 auf Vergütung des Verdienstentgangs für den Zeitraum der behördlich verfügten Absonderung vom 4. März 2020 bis 16. März 2020 gemäß § 32 Abs. 1 bis 3 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) im Betrag von € 495,60 stattgegeben; ein Mehrbegehren von € 181,19 wurde abgewiesen.
4 Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit dem angefochtenen Erkenntnis insoweit Folge, als es dem Antrag im Umfang von € 577,79 stattgab und den darüberhinausgehenden Betrag von € 99,‑ ‑ abwies. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
5 Die im Revisionsverfahren ausschließlich strittige Differenz der zugesprochenen Lohnkosten begründete das Verwaltungsgericht zusammengefasst damit, dass neben dem aliquoten Bruttoentgelt von € 419,59 sowie dem darauf zu entrichtenden Dienstgeberanteil zur gesetzlichen Sozialversicherung von € 76,01 gemäß § 32 Abs. 3 iVm Abs. 1 Z 1 EpiG auch Anspruch auf Vergütung der anteiligen Sonderzahlungen von € 69,93 und den darauf entrichteten Dienstgeberanteil zur gesetzlichen Sozialversicherung von € 12,26 bestehe, was insgesamt einen Anspruch von € 577,79 ergebe.
6 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass zwar in Bezug auf die Frage der Vergütung des Verdienstentgangs eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG vorliege und auch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu existiere, jedoch hinsichtlich der zu lösen gewesenden Rechtsfrage ein eindeutiger Gesetzeswortlaut vorliege.
7 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B‑VG ‑ also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ‑ vorliegt, im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ‑ auch nach Einbringung der Revision ‑ bereits geklärt, liegt daher keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzlich Bedeutung zukäme (vgl. z.B. VwGH 25.2.2020, Ra 2019/09/0108).
10 Die revisionswerbende Amtspartei sieht die Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision, mit der sie Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend macht, darin gelegen, dass zu der vom Landesverwaltungsgericht vertretenen Ansicht, die Zahlung der anteiligen Sonderzahlung müsse nur für den Abrechnungsmonat nicht jedoch auch in diesem erfolgt sein, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle. Die besondere Bedeutung der Rechtsfrage liege in der Vielzahl der Fälle in denen zu entscheiden sei, ob im Vergütungsverfahren nach § 32 EpiG eine Sonderzahlung an den Dienstnehmer auch dann zu vergüten sei, wenn diese noch nicht einmal vom Dienstgeber geleistet worden sei. Schon aufgrund des Wortlauts des § 32 Abs. 3 EpiG könne ein Anspruch auf Vergütung nur in dem Zeitpunkt und in der Höhe auf den Dienstgeber übergehen, wenn und soweit diese auch tatsächlich ausbezahlt worden sei.
11 Der vorliegende Fall gleicht damit vom Sachverhalt wie auch von den aufgrund des Revisionsvorbringens zu lösenden Rechtsfragen sowohl in tatsächlicher wie auch in rechtlicher Hinsicht jenem, der vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 24. Juni 2021, Ra 2021/09/0094, entschieden wurde. Auf die Begründung dieses Erkenntnisses wird daher gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz und Abs. 9 VwGG verwiesen.
12 Demnach ist bei der Bemessung der für jeden Tag der Absonderung nach § 7 EpiG zu leistenden Vergütung (im Regelfall) auch jenes Entgelt zu berücksichtigen, das aus kollektiv‑ oder einzelvertraglich eingeräumten Sonderzahlungen resultiert. Die Ansicht, dass derartige Sonderzahlungen nur dann zu vergüten wären, wenn die Absonderung in den Abrechnungszeitraum fällt, in dem die Sonderzahlungen ausbezahlt werden, lässt sich dem Epidemiegesetz 1950 hingegen nicht entnehmen (siehe mit näherer Begründung VwGH 24.6.2021, Ra 2021/09/0094, Rn. 19 ff).
13 Wie der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis weiter ausgeführt hat, geht mit dem Zeitpunkt der Auszahlung des gebührenden Vergütungsbetrags an den Arbeitnehmer dessen Vergütungsanspruch gegenüber dem Bund gemäß § 32 Abs. 3 zweiter Satz EpiG auf den Arbeitgeber über. Dem stehen auch nicht die lediglich eine Fallfrist für die Geltendmachung eines aus behördlichen Maßnahmen resultierenden Anspruchs auf Vergütung des Verdienstengangs gemäß § 32 EpiG normierenden Fristen nach § 33 und § 49 Abs. 1 EpiG entgegen (siehe auch dazu VwGH 24.6.2021, Ra 2021/09/0094, Rn. 26 f). Im Hinblick darauf ist auch nicht zu besorgen ‑ wie die revisionswerbende Partei argumentiert ‑ dass ein tatsächlich noch nicht ausbezahlter Anspruch auf Vergütung auf den Dienstgeber übergehe.
14 Die außerordentliche Revision zeigt daher weder ein Abweichen des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich von der inzwischen ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 24.6.2021, Ra 2021/09/0094) noch eine andere Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG auf, weshalb die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen war.
Wien, am 31. August 2021
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