VwGH Ro 2020/09/0001

VwGHRo 2020/09/000112.10.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer, Mag. Feiel und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die Revision des A B in C, vertreten durch Mag. Dr. Michael Subarsky, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Tuchlauben 14/8, gegen den am 3. Oktober 2019 mündlich verkündeten und am 17. Oktober 2019 schriftlich ausgefertigten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts, W244 2206078‑1/7E, betreffend eine Angelegenheit nach dem Bundes‑Personalvertretungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Personalvertretungsaufsichtsbehörde beim Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37
AVG §56
B-VG Art130 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs1 Z1
B-VG Art144 Abs1
PVG 1967 §2 Abs1
PVG 1967 §3 Abs2
PVG 1967 §4
PVG 1967 §41 Abs1
PVG 1967 §41 Abs5 idF 1992/179
VwGG §33 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020090001.J00

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber war Vertragslehrer an einer Höheren Technischen Bundeslehranstalt in D. Mit Schreiben des Landesschulrats für Kärnten vom 17. Juli 2013 wurde er mit Wirksamkeit vom 1. September 2013 provisorisch mit den Agenden eines Abteilungsvorstands für die Abteilungen Fertigungstechnik und Industriedesign an einer Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt in E betraut und mit Ernennungsdekret der Bundesministerin für Bildung und Frauen vom 1. Juli 2015 mit Wirksamkeit von diesem Tag für einen Zeitraum von vier Jahren zum Abteilungsvorstand für Fertigungstechnik an der letztgenannten Bildungseinrichtung bestellt.

2 Mit Schreiben der Bildungsdirektion Kärnten vom 23. Jänner 2019 wurde der Revisionswerber mit Wirksamkeit vom 18. Februar 2019 gemäß § 207i Beamten‑Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) von dieser Funktion als Abteilungsvorstand abberufen und auf die von ihm zuvor innegehabte Planstelle eines Lehrers an der Höheren Technischen Bundeslehranstalt in D übergeleitet.

3 Mit Bescheid der Personalvertretungsaufsichtsbehörde (der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde) vom 16. August 2018 wurde der Antrag des Revisionswerbers vom 24. Mai 2018 auf Feststellung der Gesetzwidrigkeit der Geschäftsführung des Dienststellenausschusses an der Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt in E in seiner früheren Zusammensetzung in vier Fällen gemäß § 41 Abs. 1 und 2 Bundes‑Personalvertretungsgesetz (PVG) überwiegend als unbegründet abgewiesen.

4 Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig zurück. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG erklärte es für zulässig.

5 Ausgehend von eingangs dargestelltem Sachverhalt führte das Verwaltungsgericht rechtlich zusammengefasst aus, dass die Erhebung einer Parteibeschwerde gemäß Art. 132 Abs. 1 Z 1 B‑VG der Behauptung der Verletzung in subjektiven Rechten bedürfe, wobei das Rechtsschutzinteresse auch im Zeitpunkt der Entscheidung bestehen müsse.

6 Der Revisionswerber sei gemäß § 207i BDG 1979 mit Wirksamkeit vom 18. Februar 2019 von der Funktion als Abteilungsvorstand abberufen und auf die von ihm zuvor innegehabte Planstelle an der Höheren Technischen Bundeslehranstalt in D übergeleitet worden. Er falle daher nicht mehr in den Wirkungsbereich des Dienststellenausschusses an der Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt in E.

7 Zwar habe der Revisionswerber beim Arbeits- und Sozialgericht Wien ein Verfahren gegen die Abberufung von der Leitungsfunktion als Abteilungsvorstand und die „Versetzung“ an die Höhere Technische Bundeslehranstalt in D eingeleitet, sein Antrag im vorliegenden Fall richte sich jedoch nicht gegen das im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden aus dem Wirkungsbereich des Dienststellenausschusses gesetzte Verhalten des Dienststellenausschusses, weshalb ihm kein Rechtsschutzinteresse an der Gesetzmäßigkeit der Geschäftsführung dieses Dienststellenausschusses mehr zukomme.

8 Die Zulässigkeit der Revision sah das Bundesverwaltungsgericht im Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage gelegen, ob das Rechtsschutzinteresse bei einer noch anhängigen Klage wegen der Abberufung von einer Leitungsfunktion nach § 207i BDG 1979 auch dann bestehen bleibe, wenn sich der Antrag des Revisionswerbers nicht gegen das im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden aus dem Wirkungsbereich des Dienststellenausschusses gesetzte Verhalten des Dienststellenausschusses richte.

9 Gegen diesen Beschluss richtet sich die Revision des Revisionswerbers, die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

10 Die Revision ist gegen den Beschluss eines Verwaltungsgerichts nach Art. 133 Abs. 4 und 9 B‑VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil dieser von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Auch bei Erhebung einer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision hat die revisionswerbende Partei von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern sie der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder sie eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (siehe VwGH 29.1.2020, Ro 2019/09/0001, mwN).

12 Der Revisionswerber argumentiert die Zulässigkeit seiner Revision zusammengefasst damit, dass die Abberufung als Abteilungsleiter und die folgende Überleitung auf eine andere Dienststelle rechtswidrig gewesen seien, er durch die Erhebung einer Klage beim Arbeitsgericht gegen die Abberufung jedoch alle ihm zumutbaren Anstrengungen unternommen habe, um seine Rückkehr durchzusetzen. Sein Rechtsschutzinteresse beruhe aber nicht nur auf einer künftig möglichen Rückkehr an jene Dienststelle, sondern gründe insbesondere auch darin, dass ihm infolge einer unrichtigen Rechtsansicht der Dienstbehörde während laufenden Verfahrens die Möglichkeit genommen worden sei, die Rechtskonformität des Dienststellenausschusses zu überprüfen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu erwogen:

13 Die Revision ist aus den aufgezeigten Gründen zulässig. Sie ist auch begründet.

14 Aufgabe der Personalvertretung ist nach § 2 Abs. 1 PVG die beruflichen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und gesundheitlichen Interessen der Bediensteten zu wahren und zu fördern. Sie hat in Erfüllung dieser Aufgaben dafür einzutreten, dass die zugunsten der Bediensteten geltenden Gesetze, Verordnungen, Verträge, Dienstordnungen, Erlässe und Verfügungen eingehalten und durchgeführt werden. Der Wirkungsbereich eines Dienststellenausschusses erstreckt sich auf die Bediensteten der Dienststelle, bei der der Dienststellenausschuss errichtet ist (§ 3 Abs. 2 iVm § 4 PVG).

15 Der Aufsichtsbehörde obliegt nach § 41 Abs. 1 PVG die Aufsicht über die Personalvertretungsorgane, welche insbesondere die Sorge um die Gesetzmäßigkeit der Geschäftsführung der Organe der Personalvertretung umfasst. Die Aufsicht erfolgt von Amts wegen oder auf Antrag einer Person oder eines Organs der Personalvertretung, die oder das die Verletzung ihrer oder seiner Rechte durch rechtswidrige Geschäftsführung behauptet.

16 Nach der von der Personalvertretungsaufsichtsbehörde übernommenen Rechtsprechung der Personalvertretungs‑Aufsichtskommission hat die Personalvertretung nur die in § 2 Abs. 1 erster Satz PVG erwähnten Interessen der im Bundesdienst befindlichen Bediensteten zu wahren, weshalb mit einem einvernehmlichen Ausscheiden aus dem Bundesdienst oder dem Übertritt in den Ruhestand wegen Erreichens der Altersgrenze die Beschwer und das Rechtsschutzinteresse ‑ die auch zum Zeitpunkt der Entscheidung noch vorliegen müssen ‑ entfällt (PVAB 13.1.2015, B 2‑PVAB715, mwN).

17 Nach dem endgültigen Ausscheiden aus dem Dienststand kann sich niemand mehr durch ein Verhalten der Personalvertretung beschwert erachten, selbst wenn der Betreffende noch Ansprüche an den ehemaligen Dienstgeber zu stellen hat (siehe den Nachweis aus der Rechtsprechung der Personalvertretungs‑Aufsichtskommission in Schragel, PVG § 41 Rz 20).

18 Aber auch zu der vormaligen, mit der PVG‑Novelle 1992, BGBl. Nr. 179/1992, eingefügten „Dienstgeberbeschwerde“ nach (damals) § 41 Abs. 5 PVG wurde bereits judiziert, dass die Beschwer des antragstellenden Personalvertretungsorgans durch „Abgang“ des Organs des Dienstgebers (etwa durch Dienstzuteilung an eine andere Dienststelle) nicht mehr bestehe und weggefallen sei (siehe PVAK 9.11.2012, A17‑PVAK/12; 2.4.2013, A32‑PVAK/12).

19 Anderes gilt jedoch jedenfalls dann, wenn ein Bediensteter gegen seinen Willen in den Ruhestand versetzt, gekündigt oder entlassen wurde und sich gegen das Verhalten der Dienstgeberseite durch Rechtsmittel ‑ etwa auch an den Verwaltungsgerichtshof ‑, eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder eine Klage bei Gericht zur Wehr setzt. In diesen Fällen steht noch nicht abschließend fest, ob das Dienstverhältnis rechtswirksam beendet worden ist (vgl. auch dazu die Nachweise aus der Rechtsprechung in Schragel, aaO).

20 Das in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten für eine Bescheidbeschwerde erforderliche Rechtsschutzinteresse ist nur dann zu verneinen, wenn es für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied mehr macht, ob der angefochtene Bescheid aufrecht bleibt oder aufgehoben wird oder die Erreichung des Verfahrensziels für den Beschwerdeführer keinen objektiven Nutzen mehr hat, die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen soweit also nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen (vgl. VwGH 5.4.2018, Ra 2017/19/0607, mwN).

21 Diese Rechtsprechung ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auch in der hier zu beurteilenden Rechtssache zu beachten.

22 Im vorliegenden Fall wurde der Revisionswerber mit Ernennungsdekret der Bundesministerin für Bildung und Frauen vom 1. Juli 2015 mit Wirksamkeit vom selben Tag für einen Zeitraum von vier Jahren zum Abteilungsvorstand für Fertigungstechnik an der Schule in E bestellt. Er wurde ‑ vor Ablauf seiner Bestellung ‑ mit Schreiben der Bildungsdirektion Kärnten vom 23. Jänner 2019 mit Wirksamkeit vom 18. Februar 2019 gemäß § 207i Abs. 1 BDG 1979 vorzeitig abberufen und nach § 207i Abs. 2 BDG 1979 ex lege auf jene Planstelle übergeleitet, die er vor seiner Ernennung innehatte. Nach den unwidersprochenen Ausführungen im angefochtenen Beschluss leitete der Revisionswerber beim Arbeits- und Sozialgericht Wien ein Verfahren gegen seine Abberufung von der Leitungsfunktion als Abteilungsvorstand und die „Versetzung“ an die Höhere Technische Bundeslehranstalt in D ein.

23 Das Bundesverwaltungsgericht verneinte ein rechtliches Interesse an der Entscheidung über seine Beschwerde damit, dass die Anträge nicht auf das Verhalten des Dienststellenausschusses im Zusammenhang mit der Abberufung des Revisionswerbers gerichtet gewesen wären.

24 Diese Argumentation widerspricht jedoch der dargelegten Rechtsprechung. Ausschlaggebend ist in diesem Zusammenhang für das Bestehen eines rechtlichen Interesses an einer Entscheidung über seine Beschwerde nicht der Inhalt der Anträge des Revisionswerbers, sondern der Umstand, ob er endgültig aus dem Zuständigkeitsbereich des hier gegenständlichen Dienststellenausschusses ausgeschieden ist.

25 Zwar ist es nicht als rechtswidrig zu erkennen, den Wegfall des Rechtsschutzinteresses im Sinn der bisherigen Judikatur auch dann anzunehmen, wenn ein Antragsteller freiwillig oder auch gegen seinen Willen die Dienststelle ‑ und damit den Bereich des Dienststellenausschusses ‑ verlassen hat. Der Dienststellenwechsel muss ‑ jedenfalls für den Fall, dass dieser gegen den Willen des Antragstellers erfolgte ‑ jedoch ein dauerhafter sein. Davon kann dann nicht ausgegangen werden, wenn der Antragsteller gegen die Maßnahme des Dienstgebers, die zum Dienststellenwechsel führte, Rechtsmittel ergreift und diese ‑ abstrakt betrachtet ‑ dazu führen können, dass der Antragsteller an die Dienststelle des Dienststellenausschusses, dessen Geschäftsführung er überprüft haben will, zurückkehren kann. Dies jedenfalls für jene Tätigkeit des Dienststellenausschusses, die vor der Abberufung des Revisionswerbers gelegen ist. Nach diesem Zeitpunkt ‑ also für die Zeit, in der der Revisionswerber faktisch nicht an der Dienststelle tätig war ‑ läge sein rechtliches Interesse hingegen nicht ohne weiteres auf der Hand. In diesem Fall läge es am Antragsteller sein rechtliches Interesse darzulegen.

26 Indem das Bundesverwaltungsgericht ‑ ausgehend von der nicht zu teilenden Rechtsansicht, es käme für das Fortbestehen des rechtlichen Interesses an einer Entscheidung über seine Beschwerde auf den Inhalt der Anträge des Revisionswerbers an ‑ keine Feststellungen dazu traf, ob der Revisionswerber bereits endgültig die Dienststelle des Dienststellenausschusses an der Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt in E verlassen hat oder die von ihm ergriffenen Rechtsmittel bzw. die Klage beim Arbeits- und Sozialgericht dazu führen könnte, dass er weiterhin bei dieser Dienststelle in Verwendung steht, belastete es seinen Beschluss mit einem sekundären Feststellungsmangel.

27 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

28 Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

29 Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 12. Oktober 2020

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