Normen
AVG §1
AVG §6
EisenbahnG 1957 §1a
EisenbahnG 1957 §54 Z4
EisenbahnG 1957 §56
EisenbahnG 1957 §59
EisenbahnG 1957 §74
EisenbahnG 1957 §74 Abs1
EisenbahnG 1957 §74 idF 2015/I/137
EisenbahnG 1957 §74 idF 2019/I/060
EURallg
KOG 2001 §34
MRK Art6
VwGG §39 Abs2 Z6
VwGVG 2014 §24
VwGVG 2014 §24 Abs1
VwGVG 2014 §24 Abs4
VwRallg
12007P/TXT Grundrechte Charta Art47
12007P/TXT Grundrechte Charta Art51 Abs1
32001L0014 Fahrwegkapazität-RL Nutzungsentgelt Eisenbahninfrastruktur Art30
32002L0020 Genehmigungs-RL Art12
32012L0034 Eisenbahnraum-RL
32012L0034 Eisenbahnraum-RL Art3 Z2
32012L0034 Eisenbahnraum-RL Art56
32012L0034 Eisenbahnraum-RL Art56 Abs1
32012L0034 Eisenbahnraum-RL Art56 Abs1 lita
32012L0034 Eisenbahnraum-RL Art56 Abs1 litb
32012L0034 Eisenbahnraum-RL Art56 Abs10
32012L0034 Eisenbahnraum-RL Art56 Abs9
62011CJ0136 Westbahn Management VORAB
62011CJ0509 ÖBB-Personenverkehr VORAB
62015CJ0489 CTL Logistics VORAB
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019030029.J00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Schreiben vom 24. Oktober 2018 informierte die vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) belangte Behörde, die Schienen‑Control Kommission (iF auch: SCK), die Revisionswerberin über die Einleitung eines wettbewerbsaufsichtsbehördlichen Verfahrens über die von der Revisionswerberin auf ihrer Internetseite veröffentlichte „Information über geplante wesentliche Änderungen der Entgeltregelungen für Marktaufschläge im Wegeentgeltmodell 2020 in Abhängigkeit vom Ausgang der anhängigen Genehmigungsverfahren für Marktaufschläge der Wegeentgeltmodelle 2018 und 2019“ (iF auch: „Marktinformation“) mit Stand 7. September 2018 und räumte ihr die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme ein, von welcher die Revisionswerberin Gebrauch machte.
2 Mit Schreiben der SCK vom 13. Dezember 2018 wurden die in Österreich tätigen Eisenbahnverkehrsunternehmen über das wettbewerbsaufsichtsbehördliche Verfahren informiert und ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Die mitbeteiligte Partei W GmbH brachte daraufhin eine Stellungnahme ein.
3 Mit Bescheid vom 18. Februar 2019 erklärte die SCK folgende Passagen der von der Revisionswerberin auf ihrer Internetseite veröffentlichten „Marktinformation“ für unwirksam (die für unwirksam erklärten Inhalte sind ‑ durch Unterstreichen ‑ hervorgehoben):
„Information über geplante wesentliche Änderungen der Entgeltregelungen für Marktaufschläge im Wegeentgeltmodell 2020 in Abhängigkeit vom Ausgang der anhängigen Genehmigungsverfahren für Marktaufschläge der Wegeentgeltmodelle 2018 und 2019
(Stand 7. September 2018)
...
2. Für die Netzfahrplanperiode 2020 geplantes Vorgehen
Nunmehr steht das Genehmigungsverfahren betreffend Marktaufschläge in der Netzfahrplanperiode 2020 an. Die in Bälde erwarteten erstinstanzlichen Entscheidungen über die Höhe der Marktaufschläge für die Netzfahrplanperioden 2018 bzw 2019 können ‑ ebenso wie die beantragte Entscheidung der Schienen‑Control Kommission (SCK) für die Netzfahrplanperiode 2020 ‑ daher noch Auswirkungen auf das geplante Wegeentgeltmodell für die Netzfahrplanperiode 2020 haben. Insbesondere können sich Änderungen bei der Marktsegmentierung, in der Höhe der unmittelbar aufgrund des Zugbetriebes anfallenden Kosten bzw den Marktaufschlägen für jedes einzelne EVU und in jede Richtung ergeben.
Daher behält sich die Ö AG explizit vor, aufgrund erfolgter Entscheidungen der SCK und diese überprüfender Instanzen (auch unterjährige) Änderungen hinsichtlich der tatsächlichen Wegeentgelthöhe in beide Richtungen für jedes Marktsegment vorzunehmen. Insbesondere können auch Änderungen in der Höhe der unmittelbar aufgrund des Zugbetriebes anfallenden Kosten (‚direkte Kosten‘) bzw der Marktaufschläge (jeweils in beide Richtungen) als Folge dieser Entscheidungen erforderlich werden.
Vor diesem Hintergrund plant die Ö AG wie folgt vorzugehen:
Die Ö AG beabsichtigt grundsätzlich, auch aufgrund der ihr alleine obliegenden freien Methodenwahl, mit Wirkung für die Netzfahrplanperiode 2020 (15. Dezember 2019) dasselbe Wegeentgeltmodell anzuwenden wie in den beiden vorangegangenen Jahren (vgl SNNB 2018 bzw SNNB 2019 bzw Kapitel 3. Unterpunkt a.). Diesem werden aber ‑ als geplante Neuerung für die Netzfahrplanperiode 2020 ‑ nunmehr verfügbare Daten (zB Preiselastizität der Endkunden‑Nachfrage; Anteil des Wegeentgelts an den Gesamtkosten der EVU) einer aktuellen Primäranalyse des österreichischen Schienenverkehrsmarktes zugrundegelegt.
Die Ö AG beabsichtigt allerdings für den Fall, dass die in Kürze erwarteten erstinstanzliche Bescheide in den Genehmigungsverfahren betreffend Marktaufschläge für 2018 bzw 2019 Abweichungen vom beantragten Wegeentgeltmodell vorsehen, die Notwendigkeit einer bescheidkonformen Adaptierung des Wegeentgeltmodells im Rahmen der ihr alleine obliegenden freien Methodenwahl auch für die Netzfahrplanperiode 2020 zu prüfen und eine solche Adaptierung allenfalls vorzunehmen. Dasselbe Vorgehen ist für den Fall geplant, dass im Rechtsweg ergehende Entscheidungen wiederum Änderungen vorsehen sollten.
Wenngleich der Ausgang der Genehmigungsverfahren für Marktaufschläge 2018 bzw 2019 nicht prognostiziert werden kann, da die diesbezüglichen SCK ‑ Verfahren noch im Laufen (bzw abhängig von den im Rechtsgang ergehenden Entscheidungen) sind, hat die Ö AG auf Grundlage der derzeit in den anhängigen Verfahren vorliegenden ‚Gutachten zum Antrag der Ö AG zur Genehmigung von Aufschlägen gem. § 67d Abs 6 EisbG‘ des Sachverständigen Univ.‑Prof. Dr. G (‚G‑Gutachten‘) alternativ in Betracht kommende Modelle der Berechnung der Marktaufschläge identifiziert. Weitere alternative Modelle könnten sich aus dem Umstand ergeben, dass die SCK von der Ansicht der Ö AG abweichende Berechnungen der direkten Kosten vornimmt, aus denen sich dann Änderungen der Marktaufschläge ergeben können, die zur Erfüllung des vom bmvit zwingend vorgegebenen Erlösziels notwendig werden können.
Auf dieser Basis vermag die Ö AG nicht einzuschätzen, welche tatsächliche Wegeentgelthöhe in den jeweiligen Marktsegmenten letztlich aufgrund diesbezüglich richtungweisender Entscheidungen der SCK zu verrechnen sein wird. Gesetzt den Fall, dass nicht der von der Ö AG derzeit ihren Anträgen zugrundegelegten Modellvariante für 2018 bzw 2019 sowie 2020 gefolgt wird, könnten sich teils gravierende Abweichungen der tatsächlichen Wegeentgelthöhe in den jeweiligen Marktsegmenten ergeben.
Um den Eisenbahnverkehrsunternehmen die unter diesen Bedingungen weitestmögliche Planungssicherheit zu geben, hat die Ö AG die nach derzeitigem Kentnnisstand möglicherweise in Betracht kommenden alternativen Modelle auf Basis des G ‑ Gutachtens gerechnet und stellt diese in dieser Veröffentlichung dar (siehe dazu unten Kapitel 3.).
Ausdrücklich festgehalten wird, dass die Ö AG in den laufenden Verfahren allen möglichen Änderungen des von ihr beantragten Modells ausdrücklich entgegengetreten ist. Da sie sich als Ergebnis ihrer Prüfung der erwarteten Bescheide für 2018 bzw 2019 möglicherweise dennoch gezwungen sehen wird, das Wegeentgeltmodell 2020 im Sinne der unten näher dargestellten (oder ähnlich gestalteter) Alternativen zu ändern, wird den Eisenbahnverkehrsunternehmen dringend nahegelegt, unter Anwendung des Grundsatzes der unternehmerischen Vorsicht zwischen den unten dargestellten Wegeentgelten (siehe Kapitel 3. Unterpunkt a. bis d.) jeweils das für sie ungünstigste zu identifizieren und ihrer Planung für das Netzfahrplanjahr 2020 zugrunde zu legen.
Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die nachstehenden Informationen den aktuellen Planungsstand des Wegeentgeltmodells bzw der bisher identifizierten Alternativen wiedergeben. Änderungen können sich insbesondere aufgrund der ausstehenden Entscheidungen seitens der SCK ergeben.
3. Darstellung der Wegeentgelte in den einzelnen Modellvarianten
Die Darstellung erfolgt in der Art und Weise, wie sie in den Schienennetz‑Nutzungsbedingungen 2020 zu veröffentlichen wären, nämlich in €/Zugkilometer (Zugkilometerkomponente ‑ bestehend aus direkten Kosten und Marktaufschlag) und €/Bruttotonnenkilometer (Bruttotonnenkilometerkomponente ‑ bestehend aus den direkten Kosten). Die nachstehend unter a. bis d. angeführten Marktsegmente bzw die Höhe der direkten Kosten stellt den aktuellen Planungsstand dar, diesbezüglich können sich insbesondere noch Änderungen aufgrund der ausstehenden regulatorischen Entscheidungen ergeben.“
4 Weiters wurden die von der Revisionswerberin in Kapitel 3 dargestellten Alternativmodelle zur Berechnung der Wegeentgelte 2020 („b. Modell I G‑Gutachten für die Netzfahrplanperiode 2020“, „c. Modell II G‑Gutachten für die Netzfahrplanperiode 2020“ und „d. Modell III G‑Gutachten für die Netzfahrplanperiode 2020“) ebenfalls für unwirksam erklärt.
5 Außerdem wurde der Revisionswerberin aufgetragen, die für unwirksam erklärten Passagen binnen fünf Arbeitstagen ab Zustellung des Bescheides aus der auf ihrer Internetseite abrufbaren „Marktinformation“ zu entfernen und es ab Bescheidzustellung zu unterlassen, sich gegenüber den Fahrwegkapazitätsberechtigten auf die für unwirksam erklärten Passagen zu berufen.
6 In der Begründung stellte die Schienen‑Control Kommission ‑ nach einer zusammenfassenden Wiedergabe des Verfahrensganges ‑ im Wesentlichen Folgendes fest:
7 Auf der Internetseite der Revisionswerberin sei seit 7. September 2018 die verfahrensgegenständliche „Information über geplante wesentliche Änderungen der Entgeltregelungen für Marktaufschläge im Wegeentgeltmodell 2020 in Abhängigkeit vom Ausgang der anhängigen Genehmigungsverfahren für Marktaufschläge der Wegeentgeltmodelle 2018 und 2019“ abrufbar, die im Bescheid auch zur Gänze abgedruckt wurde. Mit Schriftsatz vom 7. September 2018 habe die Revisionswerberin gemäß § 67d Abs. 6 EisbG die Genehmigung der unter Punkt 3)a) der „Marktinformation“ ersichtlichen Aufschläge zum Wegeentgelt beantragt; dieses Genehmigungsverfahren sei bei der SCK anhängig. Die unter Punkt 3)a) angeführte Tabelle der direkten Kosten und der Marktaufschläge je Marktsegment habe die Revisionswerberin auch in den Schienennetz‑Nutzungsbedingungen (iF auch: SNNB) 2020 als Entgelt für die Netzfahrplanperiode 2020 veröffentlicht. Die Frist für die Bestellung von Fahrwegkapazität für die Netzfahrplanperiode 2020 sei in den SNNB 2020 mit 8. April 2019 festgelegt. Die Revisionswerberin habe auch für die Netzfahrplanperiode 2019 die in den SNNB 2019 wiedergegebenen ‑ im Bescheid ebenfalls genannten ‑ Entgelte veröffentlicht und die Genehmigung der Aufschläge zum Wegeentgelt beantragt; auch dieses Genehmigungsverfahren sei bei der SCK anhängig.
8 In rechtlicher Hinsicht führte die Schienen‑Control Kommission ‑ nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtslage ‑ zusammengefasst Folgendes aus:
9 Die verfahrensgegenständliche „Marktinformation“ sei ein vorgezogener Teil der SNNB 2020. Beabsichtige ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen, wesentliche Bestandteile der in § 67d Abs. 1 bis 5 EisbG angeführten Entgeltregel für Aufschläge zum Wegeentgelt zu verändern, habe es diese Veränderung gemäß § 67d Abs. 7 EisbG mindestens drei Monate vor Ablauf der in § 59 Abs. 8 EisbG angeführten Frist für die Veröffentlichung der SNNB auf seiner Internetseite zu veröffentlichen. Bei dieser Veröffentlichung nach § 67d Abs. 7 EisbG und, soweit sich die für unwirksam erklärten Teile auf das Wegeentgelt nach § 67 Abs. 1 EisbG bezögen, handle es sich um einen vorgezogenen Teil der SNNB. Die Informationen zu den beabsichtigten Änderungen des Wegeentgelts fänden sich zwar nicht im Hauptdokument der SNNB, sondern in einem separat aufrufbaren Dokument. Dies ändere jedoch nichts daran, dass das Dokument inhaltlich die Wegeentgelte und damit einen Regelungsinhalt der SNNB betreffe. Daher sei die Zuständigkeit der SCK gegeben (§ 74 Abs. 1 Z 3, Z 5 und Z 6 EisbG).
10 Inhaltlich führte die SCK zusammengefasst aus, die Revisionswerberin habe die vorgesehenen Aufschläge zum Wegeentgelt 2020 zu Recht gemäß § 67d Abs. 7 EisbG veröffentlicht. Dem Entgeltmodell würden näher genannte Neuerungen im Vergleich zu den Perioden 2018 und 2019 zu Grunde gelegt. Allerdings behalte sich die Revisionswerberin mit den für unwirksam erklärten Passagen der „Marktinformation“ vor, in Abhängigkeit vom Ausgang der noch laufenden Genehmigungsverfahren für die Jahre 2018 und 2019 die für die Netzfahrplanperiode 2020 veröffentlichten Aufschläge zum Wegeentgelt, deren Genehmigung sie bei der SCK beantragt habe, in jeder Weise zu ändern, somit insbesondere auch zu erhöhen. Ebenso behalte sich die Revisionswerberin vor, das Wegeentgelt iSd § 67 Abs. 1 EisbG, das grundsätzlich in Höhe der unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallenden Kosten zu ermitteln sei, in jede Richtung zu ändern. Der Vorbehalt solcher Änderungen widerspreche den Vorgaben der §§ 59 und 67d EisbG. Die SNNB und die für ihre Veröffentlichung vorgesehenen Fristen (§ 59 Abs. 8 EisbG, § 67d Abs. 7 EisbG) dienten der Planbarkeit und Vorhersehbarkeit der Zugangsbedingungen. Nach Ablauf dieser Veröffentlichungsfristen seien Änderungen der SNNB durch das Eisenbahninfrastrukturunternehmen grundsätzlich nicht mehr vorgesehen. Etwaige Änderungen der bereits veröffentlichten SNNB seien vielmehr ebenfalls innerhalb der Frist gemäß § 59 Abs. 8 EisbG vorzunehmen. Zulässig und sogar erforderlich seien nachträgliche Änderungen zwar in Umsetzung behördlicher oder verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen, allerdings nur durch Reduktion oder Entfernung veröffentlichter Entgelte. Die Revisionswerberin beabsichtige mit ihren Entgeltvarianten aber eine Anwendung anderer Wegeentgelte und Aufschläge als der ursprünglich vorgesehenen, was den Zweck der Veröffentlichungsfristen konterkarieren würde. Die Veröffentlichung mehrerer Entgeltmodelle biete den Fahrwegkapazitätsberechtigten gerade keine Unterstützung ihrer unternehmerischen Planungen und sei diskriminierend, weil die Notwendigkeit der Kalkulation mit der ungünstigsten Variante insbesondere potentielle neue Marktteilnehmer abschrecken würde.
11 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die Beschwerde der Revisionswerberin ‑ ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ als unbegründet ab; die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es für zulässig.
12 Das BVwG stellte fest, dass es sich bei der Revisionswerberin um ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen iSd § 1a EisbG, eine Zuweisungsstelle iSd § 62 Abs. 1 Z 1 EisbG sowie eine entgelterhebende Stelle iSd § 62b Abs. 1 Z 1 EisbG handelt, gab die strittige Marktinformation wieder und hielt fest, dass die für das Jahr 2020 veröffentlichten SNNB die unter Punkt 3.a. der Marktinformation angeführten Entgeltgrundsätze enthalten hätten. Als Termin für den Wechsel der Netzfahrplanperiode sei der zweite Samstag im Dezember, 24.00 Uhr, festgelegt worden; die SNNB 2020 seien daher von 15. Dezember 2019, 0.00 Uhr, bis 12. Dezember 2020, 24.00 Uhr, gültig. Die Frist für die Bestellung von Fahrwegkapazität für die Netzfahrplanperiode 2020 sei in den SNNB 2020 mit 8. April 2019 festgelegt. Die Revisionswerberin habe mit Schriftsatz vom 7. September 2018 die Genehmigung der unter Punkt 3.a. der Marktinformation dargestellten Aufschläge zum Wegeentgelt 2020 beantragt; dieses Verfahren sei bei der SCK anhängig. Ebenfalls anhängig bei der SCK seien die Verfahren zu den von der Revisionswerberin für die Netzfahrplanperiode 2019 beantragten Aufschlägen zum Wegeentgelt und zu den für die Netzfahrplanperiode 2018 begehrten Marktaufschlägen.
13 Der festgestellte Sachverhalt ergebe sich aus der Aktenlage und sei bereits im Verfahren vor der belangten Behörde unstrittig gewesen.
14 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung bejahte das BVwG zunächst die Zuständigkeit der SCK zur inhaltlichen Prüfung der Marktinformation: Einseitig vom Eisenbahninfrastrukturunternehmen erlassene Regelungen mit rechtsgestaltender Wirkung seien ‑ unabhängig von deren Bezeichnung ‑ dann als SNNB zu qualifizieren, wenn es sich um Inhalte handle, die gemäß § 59 Abs. 4 EisbG Teil der SNNB sein sollten. Dies treffe für den Inhalt der vorliegenden „Marktinformation“ zu (§ 59 Abs. 4 Z 2 EisbG). Die „Marktinformation“ verfüge auch über normativen Charakter, weil sie sich auf die Dispositionsfreiheit der Eisenbahnverkehrsunternehmen auswirken solle und die Verbindlichkeit des in den SNNB festgelegten Wegeentgelts in zeitlicher Hinsicht relativiere, indem ein Vorbehalt abgegeben und darin zum Ausdruck gebracht werde, dass nachträglich Dispositionen ‑ ungeachtet der gesetzlichen Vorlauffristen iSd § 59 Abs. 8 und § 67d Abs. 7 EisbG ‑ getroffen werden könnten. Insofern seien die betreffenden Inhalte der „Marktinformation“ und die mit ihnen in Zusammenhang stehenden Teile der SNNB als Einheit zu sehen. Der SCK könne daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie die in Rede stehenden Passagen als Teil der SNNB gewertet und einer Prüfung unterzogen habe.
15 Dem stehe das Unionsrecht nicht entgegen: „Entgeltgrundsätze und Tarife“ und „Einzelheiten der Entgeltregelung“ sowie „ausreichende Informationen zu den Entgelten“ hätten Inhalt der SNNB zu sein (Verweis auf Art. 27 Abs. 2 iVm Anhang IV Z 2 der RL 2012/34/EU ); die in Art. 32 Abs. 1 RL 2012/34/EU genannten Aufschläge seien Teil dieses Entgelts. Die SCK sei daher zur rechtlichen Kontrolle der „Marktinformation“ zuständig gewesen, weil diese Veröffentlichung als Teil der SNNB zu qualifizieren sei. Damit könne dahingestellt bleiben, ob die mit BGBl. I Nr. 60/2019 erfolgte Änderung des § 74 Abs. 1 EisbG eine Zuständigkeit der SCK auch ohne eine solche Qualifizierung gewährleiste.
16 Inhaltlich führte das BVwG zusammengefasst aus, die Revisionswerberin sei über die gemäß § 59 Abs. 2 EisbG zulässige nachträgliche Änderungsmöglichkeit der SNNB hinausgegangen, indem sie nicht nur eine Änderung der SNNB in den Raum gestellt habe, mit der einer rechtskräftigen hoheitlichen Entscheidung entsprochen werden solle, sondern anlässlich einer solchen Entscheidung auch eine „Adaptierung“ des in den SNNB bereits publizierten Wegeentgeltmodells „in beide Richtungen für jedes Marktsegment“ aufgrund „der ihr alleine obliegenden Methodenwahl“ in Aussicht gestellt habe. Die gesetzlichen Vorlauffristen für die SNNB und deren Änderungen in §§ 59 Abs. 8 und 67d Abs. 7 EisbG sollten die bessere Planbarkeit des Verkehrsangebotes der Eisenbahnverkehrsunternehmen und die effizient‑wirtschaftliche Nutzung der Schieneninfrastruktur bewirken. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 2015, 2013/03/0034, verdeutliche, dass eine Änderung der SNNB bzw. wesentlicher Bestandteile der Entgeltregel nach § 67d EisbG nach Ablauf der Veröffentlichungsfristen nur noch in engen Grenzen in Betracht komme. Die Umsetzung einer behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung berechtige bzw. verpflichte zu einer Änderung der SNNB nach den gesetzlichen Fristen, beschränke sich aber auf den Inhalt der jeweiligen Entscheidung und ermächtige nicht dazu, vom Inhalt der Entscheidung abweichende Änderungen der SNNB vorzunehmen oder vom Entscheidungsinhalt nicht betroffene Regelungen in den SNNB zu ändern. Soweit die verfahrensgegenständliche „Marktinformation“ die zeitliche Geltungsdauer des Wegeentgeltmodells insofern modifiziere, als die unter Vorbehalt stehenden Entgeltregelungen anlässlich einer behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung ‑ auch wenn sie von ihr nicht betroffen seien ‑ grundlegend abgeändert werden könnten, widerspreche sie den §§ 59 Abs. 8 und 67d Abs. 7 EisbG. Im Übrigen sei die Veröffentlichung von „möglicherweise in Betracht kommenden“ Entgeltmodellen weder eine konsequente Festlegung künftiger Änderungen der Entgeltregel für die Berechnung von Aufschlägen, noch werde dadurch eine Vereinheitlichung der Zugangsbedingungen erreicht. Die Unwirksamerklärung stelle, anders als die Revisionswerberin meine, auch keinen unzulässigen Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 10 EMRK dar, weil die für unwirksam erklärten Inhalte der „Marktinformation“ eisenbahnrechtlichen Vorschriften widersprächen, die der Transparenz und dem Wettbewerb im Bereich des Eisenbahnverkehrs dienten, der Eingriff insofern also zulässig sei. Die von der Revisionswerberin monierte Verletzung des rechtlichen Gehörs gehe ins Leere, weil eine solche Verletzung durch die Gewährung von Parteiengehör im Rechtsmittelverfahren geheilt werde. Eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG habe gemäß § 24 Abs. 1 iVm Abs. 4 VwGVG unterbleiben können, weil der entscheidungswesentliche Sachverhalt geklärt sei, in der Beschwerde keine Rechts‑ oder Tatfragen aufgeworfen worden seien, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte und Art. 6 EMRK dem Absehen von einer Verhandlung nicht entgegenstehe.
17 Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei zulässig, weil der gegenständliche Fall von Rechtsfragen abhänge, denen grundsätzliche Bedeutung zukomme. Es fehle nämlich Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, unter welchen Voraussetzungen Inhalte der SNNB als solche zu qualifizieren seien, wenn sie nicht als Teil der SNNB publiziert wurden, aber gemäß § 59 Abs. 4 Z 2 EisbG Bestandteil der SNNB zu sein hätten. Ungeachtet des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 2015, 2013/03/0034, liege auch noch keine abschließende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage vor, ob in Umsetzung behördlicher oder gerichtlicher Entscheidungen nicht nur die von diesen Entscheidungen betroffenen Teile der SNNB nach Ablauf der Publikationsfristen geändert, sondern auch darüber hinausgehende Änderungen bzw. eine Neuregelung des Wegeentgelts vorgenommen werden dürfen.
18 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die zusammen mit den Verfahrensakten vorgelegte (ordentliche) Revision, deren Zulässigkeitsbegründung u.a. geltend macht, die Unterlassung der in der Beschwerde beantragten und von Art. 6 EMRK gebotenen mündlichen Verhandlung durch das Verwaltungsgericht begründe einen groben Verfahrensfehler.
19 Die vor dem BVwG belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei W GmbH erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung, in denen sie die Abweisung der Revision beantragten.
20 Die Revision erweist sich angesichts des in der Zulässigkeitsbegründung gerügten Absehens von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht als zulässig; sie ist aus diesem Grund auch begründet.
21 § 24 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz ‑ VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 138/2017, lautet auszugsweise:
„Verhandlung
§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
...
(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.“
22 Die maßgeblichen Bestimmungen des Eisenbahngesetzes 1957 (EisbG), BGBl. Nr. 60/1957 idF BGBl. I Nr. 60/2019 bzw. BGBl. I Nr. 137/2015 (§ 74) lauten bzw. lauteten ‑ auszugsweise ‑ wie folgt:
„6. Teil: Regulierung des Schienenverkehrsmarktes
1. Hauptstück
Allgemeines
Zweck
§ 54. Zweck der Bestimmungen des 6. Teiles dieses Bundesgesetzes ist es, die wirtschaftliche und effiziente Nutzung der Schienenbahnen in Österreich
1. durch die Herstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs zwischen Eisenbahnverkehrsunternehmen im Bereich des Schienenverkehrsmarktes auf Haupt- und solchen Nebenbahnen, die mit anderen Haupt- oder Nebenbahnen vernetzt sind,
2. durch die Förderung des Eintrittes neuer Eisenbahnverkehrsunternehmen in den Schienenverkehrsmarkt,
3. durch die Sicherstellung des Zuganges zur Eisenbahninfrastruktur für Zugangsberechtigte und
4. durch die Schaffung einer Überwachung des Wettbewerbs zum Schutze von Fahrwegkapazitätsberechtigten vor Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung
zu gewährleisten.
...
2. Hauptstück
Zugang zur Eisenbahninfrastruktur, zu Serviceeinrichtungen und ‑leistungen
1. Abschnitt
Allgemeines
Schienennetz-Nutzungsbedingungen
§ 59. (1) Ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen hat Schienennetz‑Nutzungsbedingungen in deutscher Sprache und in einer anderen Amtssprache der Europäischen Union zu erstellen.
(2) Ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen hat seine Schienennetz‑Nutzungsbedingungen auf dem neuesten Stand zu halten, bei Bedarf zu ändern und gegenüber jedem Fahrwegkapazitätsberechtigten in gleicher Weise anzuwenden.
...
(4) In den Schienennetz‑Nutzungsbedingungen haben Angaben zur Eisenbahninfrastruktur, die Fahrwegkapazitätsberechtigten zur Verfügung steht, und Angaben über die Zugangsbedingungen zur Eisenbahninfrastruktur einschließlich der wesentlichen administrativen, technischen und finanzielle Modalitäten enthalten zu sein. Darüber hinaus haben in Schienennetz‑Nutzungsbedingungen Informationen über die Bedingungen, einschließlich der administrativen, technischen und finanziellen Modalitäten für den Zugang zu an ihre Eisenbahninfrastruktur angeschlossenen Serviceeinrichtungen, einschließlich des Schienenzuganges, und über die Gewährung der Serviceleistungen, die in solchen Serviceeinrichtungen erbracht werden, enthalten zu sein oder es hat ein Verweis auf eine Internetseite enthalten zu sein, in der diese Informationen unentgeltlich in elektronischer Form in für jedermann zugänglicher Weise veröffentlicht sind. In den Schienennetz‑Nutzungsbedingungen haben insbesondere enthalten zu sein:
...
2. ein Abschnitt, der die Entgeltgrundsätze und die Tarife darlegt und insbesondere beinhaltet
a) hinreichende Einzelheiten der Entgeltregelung;
b) ausreichende Informationen zu den Entgelten;
c) andere für den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur relevante Angaben zum Mindestzugangspaket und den Zugang zu Serviceeinrichtungen, einschließlich des Schienenzuganges, und zur Gewährung von Serviceleistungen, die in den Serviceeinrichtungen erbracht werden, wenn all dies nur durch einen einzigen Anbieter erbracht wird;
d) Ausführungen im Einzelnen, welche Verfahren, Regeln und gegebenenfalls Tabellen zur Durchführung der §§ 67a, 67d, 67e und 69a Abs. 2 angewandt werden;
e) Angaben zu beschlossenen oder, soweit verfügbar, in den nächsten fünf Jahren vorgesehenen Entgeltänderungen;
...
(5) Die Bestimmungen in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen müssen so gefasst sein, dass sie der Zuweisungsstelle und der entgelterhebenden Stelle keinen Ermessensspielraum ermöglichen, Fahrwegkapazitätsberechtigte diskriminieren zu können.
...
(7) Ein Entwurf der Schienennetz‑Nutzungsbedingungen ist der Schienen‑Control Kommission unverzüglich nach dessen Erstellung vorzulegen.
(8) Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen haben die Schienennetz‑Nutzungsbedingungen sowie deren Änderungen mindestens vier Monate vor Ablauf der Frist (§ 65 Abs. 4) für die Einbringung von Begehren auf Zuweisung von Fahrwegkapazität unentgeltlich in elektronischer Form auf ihrer Internetseite in für jedermann zugänglicher Weise zu veröffentlichen und der Schienen-Control Kommission innerhalb eines Monats ab Erstellung oder Änderung derselben vorzulegen.
...
3. Abschnitt
Wegeentgelte und Dienstleistungsentgelte
...
2. Unterabschnitt
Ausnahme von den Entgeltgrundsätzen für das Wegeentgelt
Volle Kostendeckung der Wegeentgelte
§ 67d. (1) Sofern die Wegeentgelte und sonstige Erlöse aus dem Betreiben der Eisenbahninfrastruktur nicht ausreichen, um eine volle Deckung der Kosten zu erreichen, können hiezu weitere Aufschläge auf der Grundlage effizienter, transparenter und nichtdiskriminierender Grundsätze festgesetzt werden, wobei die bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit der Segmente des Eisenbahnmarktes zu gewährleisten ist. Die Höhe der Wegeentgelte darf jedoch die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur durch Marktsegmente nicht ausschließen, die mindestens die Kosten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebes anfallen, sowie eine marktgerechte Rendite erbringen können.
(2) Vor Festsetzung weiterer Aufschläge hat das Eisenbahninfrastrukturunternehmen zu prüfen, inwieweit die Aufschläge für bestimmte Marktsegmente relevant sind; dabei hat es mindestens die im Anhang VI Nr. 1 der Richtlinie 2012/34/EU genannten Verkehrsdienst‑Paare in Betracht zu ziehen und die zutreffenden auszuwählen.
...
(6) Die Festsetzung weiterer Aufschläge bedarf der Genehmigung der Schienen‑Control Kommission, die zu erteilen ist, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen. Dem Antrag ist die Liste der festgelegten Marktsegmente und das Ergebnis der gemäß Abs. 2 durchzuführenden Prüfung vorzulegen.
(7) Beabsichtigt ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen, wesentliche Bestandteile der im Abs. 1 bis 5 angeführten Entgeltregel zu verändern, hat es diese Veränderung mindestens drei Monate vor Ablauf der im § 59 Abs. 8 angeführten Frist für die Veröffentlichung der Schienennetz‑Nutzungsbedingungen auf seiner Internetseite zu veröffentlichen.
...
5. Abschnitt
Wettbewerbsüberwachung, Marktbeobachtung
Überwachung des Wettbewerbs
§ 74. (1) Die Schienen‑Control Kommission hat auf Beschwerde von Fahrwegkapazitätsberechtigten oder Eisenbahnverkehrsunternehmen sowie von Amts wegen
...
3. einem Eisenbahninfrastrukturunternehmen hinsichtlich der Ausübung des Zuganges zur Eisenbahninfrastruktur durch einen Zugangsberechtigten und hinsichtlich der Inanspruchnahme eines gewährten Mindestzugangspaketes durch einen Zugangsberechtigten im Falle des Zuwiderhandelns ein den Bestimmungen des 6. Teiles oder ein den unmittelbar anzuwendenden unionsrechtlichen, die Regulierung des Schienenverkehrsmarktes regelnden Rechtsvorschriften entsprechendes Verhalten aufzuerlegen oder nicht entsprechendes Verhalten zu untersagen oder
...
5. den Bestimmungen des 6. Teiles oder den unmittelbar anzuwendenden unionsrechtlichen, die Regulierung des Schienenverkehrsmarktes regelnden Rechtsvorschriften nicht entsprechende Schienennetz‑Nutzungsbedingungen, Verträge oder Urkunden ganz oder teilweise für unwirksam zu erklären, oder
6. die Berufung auf Schienennetz‑Nutzungsbedingungen, die zur Gänze für unwirksam erklärt sind oder die Berufung auf diejenigen Teile der Schienennetz-Nutzungsbedingungen, die für unwirksam erklärt sind, zu untersagen, oder
7. die Ergänzung von Schienennetz‑Nutzungsbedingungen durch Angaben oder Informationen aufzutragen, die in diesen entgegen den Bestimmungen des 6. Teiles oder den unmittelbar anzuwendenden unionsrechtlichen, die Regulierung des Schienenverkehrsmarktes regelnden Rechtsvorschriften entweder nicht enthalten sind, oder aufgrund einer Unwirksamerklärung unwirksam sind, oder
8. festzustellen, ob in Entwurfsform vorliegende Schienennetz‑Nutzungsbedingungen den Bestimmungen des 6. Teiles oder den unmittelbar anzuwendenden unionsrechtlichen, die Regulierung des Schienenverkehrsmarktes regelnden Rechtsvorschriften nicht entsprechen würden (...).
... [Z 9 ‑ 11]
...
7. Teil
Regulierungsbehörde
Einrichtung der Schienen-Control Kommission
§ 81. (1) Bei der Schienen-Control GmbH wird eine Schienen‑Control Kommission eingerichtet.
(2) Der Schienen‑Control Kommission obliegen die ihr im 2., 3., 5. bis 6b. sowie im 9. Teil dieses Bundesgesetzes zugewiesenen Zuständigkeiten (§§ 13 Abs. 4 bis 6, 22b, 53c, 53f, 55, 57, 57c, 62a, 64 Abs. 5, 65e Abs. 4, 67d, 68a, 72, 73, 74, 74a, 75a Abs. 3, 75e, 78b, 84b, 84c, 154 und 164). (...)
...
10. Teil
Schlussbestimmungen
...
2. Hauptstück: Verhältnis zu anderen Rechtsvorschriften, Verweisungen
...
Bezugnahme auf Rechtsakte der Europäischen Union
§ 170. Durch dieses Bundesgesetz werden folgende Rechtsakte der Europäischen Union umgesetzt:
1. Richtlinie 2012/34/EU zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums, ABl. Nr. L 343 vom 14.12.2012 S. 32, zuletzt geändert durch die Richtlinie (EU) 2016/2370 , ABl. Nr. L 352 vom 23.12.2016 S. 1 (...).
...“
23 Mit der am 23. Juli 2019 in Kraft getretenen Novelle BGBl. I Nr. 60/2019 erhielt § 74 EisbG folgenden (auszugsweise wiedergegebenen) Wortlaut:
„Überwachung des Wettbewerbs
§ 74. (1) Die Schienen‑Control Kommission hat zur Sicherstellung des Wettbewerbs in den Schienenverkehrsmärkten auf Beschwerde von Fahrwegkapazitätsberechtigten oder Eisenbahnverkehrsunternehmen sowie von Amts wegen über geeignete Maßnahmen zur Korrektur von Fällen der Diskriminierung von Fahrwegkapazitätsberechtigten oder Eisenbahnverkehrsunternehmen, von Marktverzerrungen und anderer unerwünschter Entwicklungen in diesen Märkten zu entscheiden; insbesondere hat sie
...
3. einem Eisenbahninfrastrukturunternehmen hinsichtlich der Ausübung des Zuganges zur Eisenbahninfrastruktur durch einen Zugangsberechtigten und hinsichtlich der Inanspruchnahme eines gewährten Mindestzugangspaketes durch einen Zugangsberechtigten im Falle des Zuwiderhandelns ein den Bestimmungen des 6. Teiles oder ein den unmittelbar anzuwendenden unionsrechtlichen, die Regulierung des Schienenverkehrsmarktes regelnden Rechtsvorschriften entsprechendes Verhalten aufzuerlegen oder nicht entsprechendes Verhalten zu untersagen oder
...
5. den Bestimmungen des 6. Teiles oder den unmittelbar anzuwendenden unionsrechtlichen, die Regulierung des Schienenverkehrsmarktes regelnden Rechtsvorschriften nicht entsprechende Schienennetz‑Nutzungsbedingungen, Verträge oder Urkunden ganz oder teilweise für unwirksam zu erklären, oder
6. die Berufung auf Schienennetz‑Nutzungsbedingungen, die zur Gänze für unwirksam erklärt sind oder die Berufung auf diejenigen Teile der Schienennetz‑Nutzungsbedingungen, die für unwirksam erklärt sind, zu untersagen (...).
... [Z 7 bis Z 15]
...“
24 In den Erläuterungen zur Novelle BGBl. I Nr. 60/2019 (IA 918/A BlgNR 26. GP , 22) ist dazu Folgendes ausgeführt:
„Die Befugnisse der Schienen‑Control Kommission im Rahmen der Wettbewerbsüberwachung werden, um der Richtlinie 2012/34/EU besser zu entsprechen, generalklauselartig festgelegt und ihre bisherigen Einzelbefugnisse in Form einer Insbesondere‑Regelung belassen. Diese Insbesondere‑Regelung wird durch Einzelbefugnisse zu den Themen Unabhängigkeit der Eisenbahninfrastrukturunternehmen, Unabhängigkeit bei den wesentlichen Funktionen, Unparteilichkeit hinsichtlich Verkehrsmanagement und Instandhaltungsplanung und finanzielle Transparenz ergänzt.“
25 Die maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums, ABl. L 343 vom 14. Dezember 2012, S. 32, lauten ‑ auszugsweise ‑ wie folgt:
„(Erwägungsgründe)
...
(34) Um Transparenz und einen nichtdiskriminierenden Zugang zu den Eisenbahnfahrwegen und Leistungen in Serviceeinrichtungen für alle Eisenbahnunternehmen sicherzustellen, sollten alle für die Wahrnehmung der Zugangsrechte benötigten Informationen in den Schienennetz‑Nutzungsbedingungen veröffentlicht werden. (...)
(42) Bei den Entgelt- und Kapazitätszuweisungsregelungen sollte allen Unternehmen ein gleicher und nichtdiskriminierender Zugang geboten werden und so weit wie möglich angestrebt werden, den Bedürfnissen aller Nutzer und Verkehrsarten gerecht und ohne Diskriminierung zu entsprechen. Diese Regelungen sollten einen fairen Wettbewerb bei der Erbringung von Eisenbahnverkehrsdiensten ermöglichen.
...
(44) Kapazitätszuweisungs- und Entgeltregelungen sollten den Eisenbahnunternehmen klare und kohärente wirtschaftliche Signale geben, die sie zu rationalen Entscheidungen veranlassen.
...
(76) Die effiziente Verwaltung und gerechte und nichtdiskriminierende Nutzung der Eisenbahninfrastruktur erfordern die Einrichtung einer Regulierungsstelle, die über die Anwendung der Vorschriften dieser Richtlinie wacht und als Beschwerdestelle fungiert, unbeschadet der Möglichkeit gerichtlicher Nachprüfung. (...)
...
Artikel 27
Schienennetz-Nutzungsbedingungen
(1) Der Infrastrukturbetreiber erstellt und veröffentlicht nach Konsultation mit den Beteiligten Schienennetz‑Nutzungsbedingungen, die gegen Zahlung einer Gebühr, die nicht höher sein darf als die Kosten für die Veröffentlichung dieser Unterlagen, erhältlich sind. (...)
(2) Die Schienennetz‑Nutzungsbedingungen enthalten Angaben zum Fahrweg, der den Eisenbahnunternehmen zur Verfügung steht, und zu den Zugangsbedingungen für den betreffenden Fahrweg. (...) Anhang IV enthält den Inhalt der Schienennetz‑Nutzungsbedingungen.
(3) Die Schienennetz-Nutzungsbedingungen sind auf dem neuesten Stand zu halten und bei Bedarf zu ändern.
(4) Die Schienennetz‑Nutzungsbedingungen sind mindestens vier Monate vor Ablauf der Frist für die Beantragung von Fahrwegkapazität zu veröffentlichen.
...
Artikel 29
Festsetzung, Berechnung und Erhebung von Entgelten
(1) Die Mitgliedstaaten schaffen eine Entgeltrahmenregelung, wobei die Unabhängigkeit der Geschäftsführung gemäß Artikel 4 zu wahren ist.
Vorbehaltlich dieser Bedingung legen die Mitgliedstaaten auch einzelne Entgeltregeln fest oder delegieren diese Befugnisse an den Infrastrukturbetreiber.
Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Schienennetz‑Nutzungsbedingungen die Rahmenbedingungen und Vorschriften für die Entgelterhebung enthalten oder auf eine Website verweisen, auf der die Rahmenbedingungen und Vorschriften für die Entgelterhebung veröffentlicht sind.
Der Infrastrukturbetreiber nimmt die Berechnung und Erhebung des Wegeentgeltes gemäß den geltenden Rahmenbedingungen und Vorschriften für die Entgelterhebung vor.
(2) Außer im Fall besonderer Maßnahmen gemäß Artikel 32 Absatz 3 tragen die Infrastrukturbetreiber dafür Sorge, dass die Entgeltregelung in ihrem gesamten Netz auf denselben Grundsätzen beruht.
(3) Die Infrastrukturbetreiber tragen dafür Sorge, dass die Anwendung der Entgeltregelung zu gleichwertigen und nichtdiskriminierenden Entgelten für unterschiedliche Eisenbahnunternehmen führen, die Dienste gleichwertiger Art in ähnlichen Teilen des Markts erbringen, und dass die tatsächlich erhobenen Entgelte den in den Schienennetz‑Nutzungsbedingungen vorgesehenen Regeln entsprechen.
...
Artikel 31
Entgeltgrundsätze
...
(2) Die Mitgliedstaaten verpflichten den Infrastrukturbetreiber und den Betreiber der Serviceeinrichtung, der Regulierungsstelle alle erforderlichen Informationen zu den erhobenen Entgelten vorzulegen, damit diese ihre in Artikel 56 genannten Funktionen wahrnehmen kann. Diesbezüglich müssen der Infrastrukturbetreiber und der Betreiber der Serviceeinrichtung den Eisenbahnunternehmen nachweisen können, dass die dem Eisenbahnunternehmen gemäß den Artikeln 30 bis 37 tatsächlich berechneten Wege- und Dienstleistungsentgelte den in den Schienennetz‑Nutzungsbedingungen vorgesehenen Verfahren, Regeln und gegebenenfalls Tabellen entsprechen.
(3) Unbeschadet der Absätze 4 und 5 dieses Artikels und unbeschadet des Artikels 32 ist das Entgelt für das Mindestzugangspaket und für den Zugang zu Infrastrukturen, durch die Serviceeinrichtungen angebunden werden, in Höhe der Kosten festzulegen, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen.
...
Artikel 32
Ausnahmen von den Entgeltgrundsätzen
(1) Um eine volle Deckung der dem Infrastrukturbetreiber entstehenden Kosten zu erhalten, kann ein Mitgliedstaat, sofern der Markt dies tragen kann, Aufschläge auf der Grundlage effizienter, transparenter und nichtdiskriminierender Grundsätze erheben, wobei die bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit der Segmente des Eisenbahnmarktes zu gewährleisten ist. Die Entgeltregelung muss dem von den Eisenbahnunternehmen erzielten Produktivitätszuwachs Rechnung tragen.
Die Höhe der Entgelte darf jedoch nicht die Nutzung der Fahrwege durch Marktsegmente ausschließen, die mindestens die Kosten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen, sowie eine Rendite, die der Markt tragen kann, erbringen können.
Bevor die Mitgliedstaaten solche Aufschläge genehmigen, stellen sie sicher, dass die Infrastrukturbetreiber prüfen, inwieweit die Aufschläge für bestimmte Marktsegmente relevant sind; dabei ziehen sie mindestens die in Anhang VI Nummer 1 genannten Verkehrsdienst-Paare in Betracht und wählen die zutreffenden aus. Die Liste der von den Infrastrukturbetreibern festgelegten Marktsegmente umfasst mindestens die drei folgenden Segmente: Güterverkehrsdienste, Personenverkehrsdienste im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags und andere Personenverkehrsdienste.
...
Die Liste der Marktsegmente wird in den Schienennetz‑Nutzungsbedingungen veröffentlicht und mindestens alle fünf Jahre überprüft. Die Regulierungsstelle nach Artikel 55 überwacht diese Liste gemäß Artikel 56.
...
(6) Beabsichtigt ein Infrastrukturbetreiber, die wesentlichen Bestandteile der in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannten Entgeltregelung zu ändern, veröffentlicht er diese mindestens drei Monate vor Ablauf der in Artikel 27 Absatz 4 genannten Frist für die Veröffentlichung der Schienennetz‑Nutzungsbedingungen.
...
Artikel 56
Aufgaben der Regulierungsstelle
(1) Ist ein Antragsteller der Auffassung, ungerecht behandelt, diskriminiert oder auf andere Weise in seinen Rechten verletzt worden zu sein, so hat er unbeschadet des Artikels 46 Absatz 6 das Recht, die Regulierungsstelle zu befassen, und zwar insbesondere gegen Entscheidungen des Infrastrukturbetreibers oder gegebenenfalls des Eisenbahnunternehmens oder des Betreibers einer Serviceeinrichtung betreffend:
a) den Entwurf und die Endfassung der Schienennetz‑Nutzungsbedingungen;
b) die darin festgelegten Kriterien;
c) das Zuweisungsverfahren und dessen Ergebnis;
d) die Entgeltregelung;
e) die Höhe oder Struktur der Wegeentgelte, die er zu zahlen hat oder hätte;
...
(2) Unbeschadet der Befugnisse der nationalen Wettbewerbsbehörden für die Sicherstellung des Wettbewerbs in den Schienenverkehrsmärkten ist die Regulierungsstelle berechtigt, die Wettbewerbssituation in den Schienenverkehrsmärkten zu überwachen, insbesondere auch den Markt für Hochgeschwindigkeits‑Personenverkehrsdienste und die Tätigkeiten der Infrastrukturbetreiber in Bezug auf Absatz 1 Buchstaben a bis j. Die Regulierungsstelle überprüft von sich aus insbesondere die Einhaltung der in Absatz 1 Buchstaben a bis j genannten Punkte, um der Diskriminierung von Antragstellern vorzubeugen. Sie prüft insbesondere, ob die Schienennetz‑Nutzungsbedingungen diskriminierende Bestimmungen enthalten oder den Infrastrukturbetreibern einen Ermessensspielraum geben, der zur Diskriminierung von Antragstellern genutzt werden kann.
...
(6) Die Regulierungsstelle gewährleistet, dass die vom Infrastrukturbetreiber festgesetzten Entgelte dem Kapitel IV Abschnitt 2 entsprechen und nichtdiskriminierend sind. Verhandlungen zwischen Antragstellern und einem Infrastrukturbetreiber über die Höhe von Wegeentgelten sind nur zulässig, sofern sie unter Aufsicht der Regulierungsstelle erfolgen. Die Regulierungsstelle hat einzugreifen, wenn bei den Verhandlungen ein Verstoß gegen die Bestimmungen dieses Kapitels droht.
...
(9) Binnen eines Monats ab Erhalt einer Beschwerde prüft die Regulierungsstelle die Beschwerde und fordert gegebenenfalls einschlägige Auskünfte an und leitet Gespräche mit allen Betroffenen ein. (...) Unbeschadet der Zuständigkeiten der nationalen Wettbewerbsbehörden für die Sicherstellung des Wettbewerbs in den Schienenverkehrsmärkten entscheidet sie gegebenenfalls von sich aus über geeignete Maßnahmen zur Korrektur von Fällen der Diskriminierung von Antragstellern, Marktverzerrung und anderer unerwünschter Entwicklungen in diesen Märkten, insbesondere in Bezug auf Absatz 1 Buchstaben a bis j.
...
ANHANG IV
INHALT DER SCHIENENNETZ-NUTZUNGSBEDINGUNGEN
(gemäß Artikel 27)
Die Schienennetz‑Nutzungsbedingungen gemäß Artikel 27 müssen folgende Angaben enthalten:
...
2. Einen Abschnitt mit einer Darlegung der Entgeltgrundsätze und der Tarife. Dieser Abschnitt umfasst hinreichende Einzelheiten der Entgeltregelung sowie ausreichende Informationen zu den Entgelten und andere für den Zugang relevante Angaben bezüglich der in Anhang II aufgeführten Leistungen, die nur von einem einzigen Anbieter erbracht werden. Es ist im Einzelnen aufzuführen, welche Verfahren, Regeln und gegebenenfalls Tabellen zur Durchführung der Artikel 31 bis 36 in Bezug sowohl auf Kosten als auch auf Entgelte angewandt werden. Dieser Abschnitt enthält ferner Angaben zu bereits beschlossenen oder, soweit verfügbar, in den kommenden fünf Jahren vorgesehenen Entgeltänderungen.
...“
26 Die Revision macht zunächst die Unzuständigkeit der Verwaltungsbehörde geltend und moniert, weder die Schienen‑Control Kommission noch das BVwG hätten die Zuständigkeit zum wettbewerbsaufsichtsbehördlichen Einschreiten nach § 74 EisbG rechtskonform begründet. Seit Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 60/2019 dürfe gemäß § 74 EisbG nur noch eingeschritten werden, wenn dies „zur Korrektur von Fällen der Diskriminierung von Fahrwegkapazitätsberechtigten oder Eisenbahnverkehrsunternehmen, von Marktverzerrungen und anderer unerwünschter Entwicklungen in diesen Märkten“ erforderlich sei; es fehle an einer Begründung, dass derartige Fälle vorlägen und dass die angeordneten Maßnahmen geeignet seien, Abhilfe zu schaffen. Das BVwG habe die „Marktinformation“ „rechtlich falsch“ als SNNB qualifiziert. Es liege an der Revisionswerberin als Eisenbahninfrastrukturunternehmen, welche Inhalte sie als SNNB bereitstelle; die „Marktinformation“ sei eben gerade nicht in den SNNB veröffentlicht worden. Daher sei es für die Beurteilung der Zuständigkeit unerheblich, ob die Inhalte der „Marktinformation“ in die SNNB aufzunehmen gewesen wären. Auch die Schienen‑Control Kommission habe ihre Zuständigkeit unzutreffend auf § 74 Abs. 1 Z 3, 5 und 6 EisbG gestützt. Die „Marktinformation“ sei kein „vorgezogener Teil der SNNB“, sondern als Veröffentlichung nach § 67d Abs. 7 EisbG klar von den SNNB zu trennen. Ebenso wenig werde durch die „Marktinformation“ die Ausübung des Zugangs zur Eisenbahninfrastruktur iSd § 74 Abs. 1 Z 3 EisbG berührt. Selbst wenn man unterstellen würde, die „Marktinformation“ könne grundsätzlich ein Teil der SNNB sein, wäre diese bloß als Entwurf der SNNB iSd § 74 Abs. 1 Z 8 EisbG zu qualifizieren und hätte das gegenständliche Verfahren spätestens mit Veröffentlichung der endgültigen SNNB 2020 eingestellt werden müssen.
27 Mit diesem Vorbringen gelingt es der Revision nicht darzulegen, dass die vor dem BVwG belangte Schienen‑Control Kommission eine Zuständigkeit in Anspruch genommen hat, die ihr nach § 74 EisbG nicht zukam.
28 Gemäß § 54 EisbG ist Zweck der Bestimmungen des ‑ mit „Regulierung des Schienenverkehrsmarktes“ überschriebenen ‑ 6. Teils des EisbG die Gewährleistung der wirtschaftlichen und effizienten Nutzung der Schienenbahnen in Österreich, nämlich durch die Herstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs zwischen Eisenbahnverkehrsunternehmen im Bereich des Schienenverkehrsmarktes (Z 1), die Förderung des Eintrittes neuer Eisenbahnverkehrsunternehmen in den Schienenverkehrsmarkt (Z 2), die Sicherstellung des Zugangs zur Eisenbahninfrastruktur für Zugangsberechtigte (Z 3) sowie die Schaffung einer Überwachung des Wettbewerbs zum Schutz von Fahrwegkapazitätsberechtigten vor Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (Z 4).
29 Gemäß § 81 Abs. 2 EisbG obliegen der Schienen‑Control Kommission (u.a.) die ihr im 6. Teil des EisbG zugewiesenen ‑ damit auch die in § 74 EisbG genannten ‑ Zuständigkeiten.
30 § 74 EisbG, mit dem die Regelung des Art. 56 RL 2012/34/EU umgesetzt wird (vgl. § 170 Z 1 EisbG und die wiedergegebenen Gesetzesmaterialien), statuiert die von der Schienen‑Control Kommission im Bereich der Wettbewerbsüberwachung wahrzunehmenden Befugnisse. Diese Regelung hatte ihre oben [vgl. Rz 22] wiedergegebene, im Zeitpunkt der Erlassung des behördlichen Bescheids geltende Fassung durch die Novelle BGBl. I Nr. 137/2015 erhalten. Die Erläuterungen zu dieser Novelle (RV 841 BlgNR 25. GP , 11) führen dazu Folgendes aus:
„In dieser Bestimmung ist zunächst der Maßstab für die Wettbewerbsüberwachung neu formuliert. Dabei wird nicht nur auf das diskriminierende Verhalten, diskriminierende Schienennetz‑Nutzungsbedingungen, diskriminierende Verträge oder diskriminierende Urkunden abgestellt, sondern allgemeiner auf Verstöße gegen Rechtsvorschriften (und zwar auf Verstöße gegen den 6. Teil des Eisenbahngesetzes 1957 und gegen unmittelbar anzuwendende unionsrechtliche, die Schienenverkehrsmarktregulierung regelnde Rechtsvorschriften). Damit wird nach dem Wortlaut des § 74 nicht nur die Freiheit von Diskriminierungen, wie sie in Bestimmungen des Eisenbahngesetzes 1957 gefordert ist, erfasst, sondern allgemeiner auch sonstige Zuwiderhandlungen gegen einschlägige Rechtsvorschriften einbezogen. Mit dieser Formulierungsänderung wird dem Wortlaut des Art. 56 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34/EU Rechnung getragen, der über die Diskriminierung im engeren Sinn hinaus auch sonstige Rechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Regulierung einschließt.“
31 Mit der am 23. Juli 2019 ‑ sohin nach Ergehen der verwaltungsbehördlichen Entscheidung, aber noch vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses ‑ in Kraft getretenen Novelle BGBl. I Nr. 60/2019 wurde der Wortlaut des § 74 Abs. 1 EisbG neuerlich modifiziert; die Bestimmung erhielt die oben unter Rz 23 wiedergegebene Fassung. In den Gesetzesmaterialien (vgl. IA 918/A BlgNR 26. GP , 22) wird dazu ausgeführt, es würden die Befugnisse der SCK im Rahmen der Wettbewerbsüberwachung „generalklauselartig festgelegt“ und ihre „bisherigen Einzelbefugnisse in Form einer Insbesondere‑Regelung belassen“, um der RL 2012/34/EU „besser zu entsprechen“. Zudem sei die „Insbesondere‑Regelung“ um weitere Einzelbefugnisse zu den Themen Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und finanzielle Transparenz ergänzt worden.
32 Dem Argument der Revision, seit Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 60/2019 sei eine Zuständigkeit der SCK nur gegeben, wenn dies ‑ im Sinne des Einleitungshalbsatzes des § 74 Abs. 1 EisbG ‑ „zur Korrektur von Fällen der Diskriminierung von Fahrwegkapazitätsberechtigten oder Eisenbahnverkehrsunternehmen, von Marktverzerrungen und anderer unerwünschter Entwicklungen in diesen Märkten“ erforderlich sei, ist zunächst Folgendes zu entgegnen: Soweit das Gesetz nicht ‑ etwa in Übergangsbestimmungen ‑ anderes bestimmt, ist für die Beurteilung der Zuständigkeit einer Behörde die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgeblich (vgl. nur etwa VwGH 16.3.2018, Ro 2018/02/0001, 20.1.2016, Ra 2015/17/0068, 27.6.2013, 2012/12/0115). Schon deshalb hat die genannte Novelle die Zuständigkeit der SCK im vorliegenden Fall nicht berührt.
33 Im Übrigen ist auch nicht zu sehen, dass mit dieser Novelle eine Einschränkung der der Schienen‑Control Kommission bisher zugewiesenen Zuständigkeiten ‑ seit der Novelle BGBl. I Nr. 137/2015 (generell) auf Verstöße gegen die maßgebenden Rechtsvorschriften über Beschwerde und auch von Amts wegen zu reagieren ‑ erfolgte: Ausweislich der Materialien sollte vielmehr eine (bessere) Anpassung an die Richtlinie erfolgen, die Befugnisse sollten generalklauselartig festgelegt und die bisherigen Einzelbefugnisse beibehalten sowie ergänzt werden.
34 Für die Auslegung des § 74 EisbG, und zwar sowohl in der im Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Entscheidung geltenden Fassung BGBl. I Nr. 137/2015 als auch in der im Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG geltenden Fassung BGBl. I Nr. 60/2019, ist daher im Sinne einer richtlinienkonformen Interpretation die RL 2012/34/EU (idF der RL 2016/2370/EU ) heranzuziehen.
35 Gemäß Art. 56 Abs. 2 RL 2012/34/EU ist die Regulierungsstelle berechtigt, die Wettbewerbssituation in den Schienenverkehrsmärkten, insbesondere (u.a.) die Tätigkeiten der Infrastrukturbetreiber in Bezug auf Art. 56 Abs. 1 lit. a bis lit. j RL 2012/34/EU , zu überwachen. Die Regulierungsstelle überprüft von sich aus insbesondere die Einhaltung der in Art. 56 Abs. 1 lit. a bis lit. j RL 2012/34/EU genannten Punkte, um der Diskriminierung von Antragstellern vorzubeugen. Sie prüft insbesondere, ob die Schienennetz‑Nutzungsbedingungen diskriminierende Bestimmungen enthalten oder den Infrastrukturbetreibern einen Ermessensspielraum geben, der zur Diskriminierung von Antragstellern genutzt werden kann. Bei den in Art. 56 Abs. 1 lit. a bis j RL 2012/34/EU genannten Punkten handelt es sich (u.a.) um Entscheidungen des Infrastrukturbetreibers betreffend den Entwurf und die Endfassung der Schienennetz‑Nutzungsbedingungen (lit. a), die darin festgelegten Kriterien (lit. b), die Entgeltregelung (lit. d) sowie die Höhe oder Struktur der Wegeentgelte, die ein Antragsteller zu zahlen hat oder hätte (lit. e). Weiters räumt Art. 56 Abs. 9 dritter Satz RL 2012/34/EU der Regulierungsstelle die Befugnis ein, unbeschadet der Zuständigkeiten der nationalen Wettbewerbsbehörden für die Sicherstellung des Wettbewerbs in den Schienenverkehrsmärkten gegebenenfalls von sich aus über geeignete Maßnahmen zur Korrektur von Fällen von Diskriminierung von Antragstellern, Marktverzerrung und anderer unerwünschter Entwicklungen in diesen Märkten, insbesondere in Bezug auf Abs. 1 lit. a bis j, zu entscheiden.
36 Der EuGH hat in seinem Urteil vom 9. November 2017, Rs C‑489/15, CTL Logistics GmbH, zum Umfang der von der Regulierungsstelle wahrzunehmenden Befugnisse im Bereich der Wettbewerbsüberwachung (dort noch zur Vorgängerrichtlinie RL 2001/14/EG ) ausgeführt, Gegenstand einer Beschwerde nach Art. 30 RL 2001/14/EG (nunmehr Art. 56 RL 2012/34/EU ) können insbesondere Entscheidungen des Infrastrukturbetreibers betreffend die Entgeltregelung oder die Höhe oder Struktur der Wegeentgelte sein. Die Regulierungsstelle hat nicht nur die im Einzelfall anwendbaren Entgelte zu beurteilen. Sie hat ferner dafür Sorge zu tragen, dass die Gesamtheit der Entgelte, d.h. die Entgeltregelung, mit der Richtlinie in Einklang steht. Die zentrale Überwachung durch die Regulierungsstelle, die dafür Sorge trägt, dass die Entgelte nicht diskriminierend sind, entspricht folglich dem Grundsatz, dass die zentrale Festlegung der Entgelte unter Beachtung des Diskriminierungsverbots vom Betreiber vorgenommen wird. Vor diesem Hintergrund sind die Vorschriften über die Wirkungen der Entscheidungen der Regulierungsstelle und über den Umfang der von ihr vorgenommenen Kontrollen zu sehen (vgl. insbesondere Rn. 55ff).
37 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 13. September 2016, Ro 2015/03/0045 ‑ unter Verweis auf Judikatur des EuGH (u.a. EuGH 22.11.2012, Rs C‑136/11, Westbahn Management GmbH, Rn. 33; EuGH 26.9.2013, Rs C‑509/11, ÖBB ‑ Personenverkehrs AG, Rn. 64) ‑ klargestellt, dass die Bestimmungen des 6. Teils des EisbG auf dem Boden der unionsrechtlichen Vorgaben, denen die nationalen Rechtsvorschriften zu deren Umsetzung zu entsprechen haben, soweit wie möglich im Lichte des Wortlauts, des Zusammenhangs und der Ziele der Richtlinie 2012/34/EU auszulegen und anzuwenden sind, um das mit ihr angestrebte Ergebnis zu erreichen.
38 Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten, dass der Schutz vor Diskriminierung, den die Schienen‑Control Kommission im Rahmen der Wettbewerbsaufsicht nach § 74 EisbG zu gewährleisten hat und der im Sinne des § 54 Z 4 EisbG als Schutz von Zugangsberechtigten vor Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung zu verstehen ist, auch die Sicherstellung umfasst, dass die veröffentlichten Schienennetz‑Nutzungsbedingungen alle nach dem Gesetz erforderlichen Inhalte aufweisen, und dass schließlich das Eisenbahninfrastrukturunternehmen den Zugang zu den jeweiligen Leistungen nicht an Bedingungen knüpft, die in den Schienennetz‑Nutzungsbedingungen nicht enthalten sind (vgl. VwGH 30.6.2015, 2012/03/0087).
39 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Schienen‑Control Kommission seit Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 137/2015 nunmehr auch explizit die Zuständigkeit zukommt, Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Ergänzung von Schienennetz‑Nutzungsbedingungen durch Angaben oder Informationen aufzutragen, die in diesen entgegen den einschlägigen innerstaatlichen und unionsrechtlichen Bestimmungen nicht enthalten sind (vgl. § 74 Abs. 1 Z 7 EisbG).
40 Im vorliegenden Fall stützte das BVwG die Zuständigkeit der Schienen‑Control Kommission auf § 74 Abs. 1 Z 5 EisbG und sah diese zusammengefasst schon darin begründet, dass es sich bei den in Rede stehenden Passagen um Inhalte handle, die gemäß § 59 Abs. 4 Z 2 EisbG in den Schienennetz‑Nutzungsbedingungen zu regeln seien.
41 Gemäß § 74 Abs. 1 Z 5 EisbG hat die Schienen‑Control Kommission den Bestimmungen des 6. Teiles oder den unmittelbar anzuwendenden unionsrechtlichen, die Regulierung des Schienenverkehrsmarktes regelnden Rechtsvorschriften nicht entsprechende Schienennetz‑Nutzungsbedingungen, Verträge oder Urkunden ganz oder teilweise für unwirksam zu erklären.
42 Die vorliegende „Information über geplante wesentliche Änderungen der Entgeltregelungen für Marktaufschläge im Wegeentgeltmodell 2020 in Abhängigkeit vom Ausgang der anhängigen Genehmigungsverfahren für Marktaufschläge der Wegeentgeltmodelle 2018 und 2019“ wurde von der Revisionswerberin als Eisenbahninfrastrukturunternehmen iSd § 1a EisbG bzw. Art. 3 Z 2 RL 2012/34/EU mit Stand 7. September 2018 auf ihrer Internetseite veröffentlicht. Sofern die Revision aus dem Umstand, dass die „Marktinformation“ nicht im Rahmen der von der Revisionswerberin erstellten Schienennetz‑Nutzungsbedingungen 2020, sondern als separates Dokument veröffentlicht wurde, ableiten möchte, die Schienen‑Control Kommission hätte nicht einschreiten dürfen, ist ihr zu entgegnen, dass es für die Beurteilung der wettbewerbsaufsichtsbehördlichen Zuständigkeit nach § 74 Abs. 1 EisbG nicht von Relevanz sein kann, ob jene Angaben und Informationen, die von Gesetzes wegen zwingend in den vom Eisenbahninfrastrukturunternehmen zu erstellenden Schienennetz‑Nutzungsbedingungen zu enthalten sein haben, auch tatsächlich in diesen abgebildet sind. Andernfalls stünde es in der Disposition des Eisenbahninfrastrukturunternehmens, die von ihm zu erstellenden Bedingungen für die Nutzung der Schieneninfrastruktur der wettbewerbsaufsichtsbehördlichen Kontrolle zu entziehen und somit die Wirksamkeit der nach Unionsrecht zu gewährleistenden zentralen Überwachung durch die Regulierungsstelle (vgl. EuGH 9.11.2017, Rs C‑489/15, CTL Logistics GmbH, Rn. 58; 76. Erwägungsgrund zur RL 2012/34/EU ) zu unterwandern.
43 Dieses Verständnis kommt deutlich auch in Art. 56 der RL 2012/34/EU zum Ausdruck, der die „Aufgaben der Regulierungsstelle“ umschreibt: Wenn Art. 56 Abs. 1 der Regulierungsstelle eine Zuständigkeit betreffend Entscheidungen des Infrastrukturbetreibers nicht nur hinsichtlich der Schienennetz‑Nutzungsbedingungen (lit. a) und der darin festgelegten Kriterien (lit. b) zuweist, sondern auch ‑ offensichtlich unabhängig von einer Aufnahme in die Schienennetz‑Nutzungsbedingungen ‑ hinsichtlich ‑ u.a. ‑ der Entgeltregelung (lit. d), wird deutlich, dass die Zuständigkeit der Regulierungsstelle zur Überprüfung von Entgeltregelungen nicht davon abhängig gemacht werden kann, dass diese in den Schienennetz‑Nutzungsbedingungen enthalten sind.
44 Für die Frage, ob die Schienen‑Control Kommission in Bezug auf die entsprechenden Passagen der „Marktinformation“ wettbewerbsaufsichtsbehördlich einschreiten durfte, ist daher in erster Linie auf deren Inhalt abzustellen.
45 In der verfahrensgegenständlichen „Marktinformation“ informierte die Revisionswerberin, gestützt auf § 67d Abs. 7 EisbG, zunächst über die von ihr für die Netzfahrplanperiode 2020 beabsichtigten Änderungen im Zusammenhang mit den nach § 67d EisbG festzusetzenden Entgelten und veröffentlichte jenes Wegeentgeltmodell, dessen Genehmigung sie gemäß § 67d Abs. 6 leg. cit. beantragte und das in Folge auch in den Schienennetz‑Nutzungsbedingungen 2020 veröffentlicht wurde. Darüber hinaus formulierte die Revisionswerberin in der „Marktinformation“ unter anderem aber auch den Vorbehalt, das in den SNNB 2020 festgelegte Wegeentgeltmodell unter bestimmten Voraussetzungen in jede Richtung abzuändern und wies darauf hin, dass sich infolge der ausstehenden Entscheidungen in den bei der Schienen‑Control Kommission anhängigen Genehmigungsverfahren für die Jahre 2018, 2019 und 2020 teils gravierende Abweichungen der tatsächlichen Wegeentgelthöhe in den jeweiligen Marktsegmenten ergeben könnten. Daran anknüpfend wurden in der „Marktinformation“ drei weitere „möglicherweise in Betracht kommende“ alternative Modelle zur Berechnung der Entgelte iSd § 67d EisbG veröffentlicht, deren Genehmigung von der Revisionswerberin allerdings nicht beantragt wurde und die auch nicht in den Schienennetz‑Nutzungsbedingungen 2020 veröffentlicht wurden. Dennoch wurde den Eisenbahnverkehrsunternehmen in der „Marktinformation“ dringend nahe gelegt, das jeweils für sie ungünstigste Modell zu identifizieren und dieses ihren Planungen für die Netzfahrplanperiode 2020 zugrunde zu legen.
46 Ausgehend davon ist dem BVwG nicht entgegenzutreten, wenn es die entsprechenden Passagen der „Marktinformation“ als in untrennbarem Zusammenhang mit den in den SNNB 2020 festgelegten Entgeltregelungen ansah und diese Passagen aufgrund ihres Inhalts als Angaben beurteilte, die gemäß § 59 Abs. 4 Z 2 EisbG in den Schienennetz‑Nutzungsbedingungen enthalten sein sollten. Die in Rede stehenden Inhalte der „Marktinformation“ unterlagen somit schon deshalb der von der Schienen‑Control Kommission wahrzunehmenden Wettbewerbsüberwachung im Sinne des ‑ richtlinienkonform zu interpretierenden ‑ § 74 EisbG. Durch die von der belangten Behörde sohin rechtmäßig in Anspruch genommene Überprüfungsbefugnis konnte die Revisionswerberin daher nicht in Rechten verletzt sein.
47 In der Sache wendet sich die Revision ‑ mit näherer Begründung ‑ gegen die rechtliche Beurteilung des BVwG bzw. der Schienen‑Control Kommission, wonach die für unwirksam erklärten Passagen der „Marktinformation“ gegen die im EisbG normierten Veröffentlichungsfristen für Schienennetz‑Nutzungsbedingungen (§ 59 Abs. 8 EisbG) und für beabsichtigte Änderungen von nach § 67d EisbG festgesetzten Entgelten (§ 67d Abs. 7 EisbG) verstoßen würden. In diesem Zusammenhang macht die Revision auch Verfahrensfehler geltend und bringt (unter anderem) vor, das BVwG sei seiner Begründungspflicht nicht nachgekommen und habe es insbesondere unterlassen, die von der Revisionswerberin beantragte mündliche Verhandlung durchzuführen.
48 Mit ihrem Vorbringen betreffend das Unterbleiben der beantragten mündlichen Verhandlung zeigt die Revision eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung auf.
49 Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes‑ oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) entgegenstehen. Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher durchzuführen, wenn es um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (vgl. idZ VwGH 8.4.2019, Ra 2018/03/0081, mwN).
50 Der Verwaltungsgerichtshof hat (unter Bezugnahme auf die Judikatur des EGMR zu Art. 6 EMRK) bereits ausgesprochen, dass in einer Beschwerde aufgeworfene Rechtsfragen, die nicht bloß beschränkter Natur oder von keiner besonderen Komplexität sind, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erfordern können (vgl. VwGH 27.3.2018, Ra 2016/06/0053, mwN).
51 In Bezug auf § 24 Abs. 4 VwGVG hielt der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt fest, dass der Gesetzgeber als Zweck einer mündlichen Verhandlung die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör sowie darüber hinaus auch die mündliche Erörterung einer nach der Aktenlage strittigen Rechtsfrage zwischen den Parteien und dem Gericht vor Augen hatte. Zweck einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist grundsätzlich nicht nur die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör zu diesem, sondern auch das Rechtsgespräch und die Erörterung der Rechtsfragen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auf das Urteil des EGMR vom 19. Februar 1998 im Fall Jacobsson gegen Schweden (Nr. 2), Nr. 8/1997/792/993, Rn. 49 (ÖJZ 1998, 4), hingewiesen, in welchem der Entfall einer mündlichen Verhandlung als gerechtfertigt angesehen wurde, weil angesichts der Beweislage vor dem Gerichtshof und angesichts der Beschränktheit der zu entscheidenden Fragen „das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte“. Der Verwaltungsgerichtshof hat in solchen Fällen eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind und in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen wurden, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Zusammenfassend ist demnach festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG auf Antrag eine mündliche Verhandlung durchzuführen hat, welche der Erörterung der Sach- und Rechtslage sowie der Erhebung der Beweise dient. Als Ausnahme von dieser Regel kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Antrages gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Durchführung einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers ist eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. zum Ganzen VwGH 16.12.2019, Ra 2018/03/0066, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung).
52 Der vorliegende Fall betrifft unzweifelhaft Angelegenheiten der „Durchführung des Rechts der Union“ iSd Art. 51 Abs. 1 GRC, setzen die in Rede stehenden Bestimmungen des EisbG doch die RL 2012/34/EU um und sind unionsrechtskonform auszulegen. Folglich kommen schon deshalb die in Art. 47 GRC festgelegten Garantien, die sich inhaltlich an Art. 6 und Art. 13 EMRK orientieren, zum Tragen (vgl. VwGH 8.4.2019, Ra 2018/03/0081, mwN).
53 In der Sache ging es im Wesentlichen um die Frage, ob die in der „Marktinformation“ von der Revisionswerberin in den Raum gestellten Änderungen der von ihr beantragten und in den SNNB 2020 veröffentlichten Entgeltregelungen rechtlich überhaupt zulässig wären. Dabei hatte die Revisionswerberin in ihrer Beschwerde gegen die verwaltungsbehördliche Entscheidung u.a. damit argumentiert, dass die von der Schienen‑Control Kommission vertretene Ansicht im Widerspruch zu § 59 Abs. 2 EisbG, wonach das Eisenbahninfrastrukturunternehmen seine Schienennetz‑Nutzungsbedingungen auf dem neuesten Stand zu halten und bei Bedarf zu ändern hat, sowie den entsprechenden unionsrechtlichen Bestimmungen stehe. Das BVwG setzte sich in der angefochtenen Entscheidung mit dem Verhältnis zwischen den im EisbG statuierten Veröffentlichungsfristen (§ 59 Abs. 8, § 67d Abs. 7 EisbG) und den dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen in § 59 Abs. 2 EisbG auferlegten Pflichten auseinander und kam zusammengefasst zum Ergebnis, § 59 Abs. 2 EisbG ließe es nicht zu, die Schienennetz‑Nutzungsbedingungen außerhalb der gesetzlichen Veröffentlichungsfristen im von der Revisionswerberin in der „Marktinformation“ in Aussicht gestellten Ausmaß abzuändern.
54 Die Frage, inwiefern Änderungen von in den Schienennetz‑Nutzungsbedingungen festgelegten Entgeltregelungen außerhalb der gesetzlich vorgesehenen Veröffentlichungsfristen zulässig sind, wurde vom BVwG, das die ordentliche Revision gegen seine Entscheidung zugelassen hat, selbst als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG qualifiziert. Schon im Hinblick darauf ist seine Sichtweise, in der Beschwerde seien keine Rechts- oder Tatfragen aufgeworfen worden, die eine mündliche Verhandlung erfordert hätten, nicht nachvollziehbar. Die Voraussetzungen für das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG lagen vielmehr fallbezogen nicht vor. Bei Missachtung der Verhandlungspflicht im Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK und des Art. 47 GRC ist keine Relevanzprüfung hinsichtlich des Verfahrensmangels vorzunehmen (vgl. VwGH 8.4.2019, Ra 2018/03/0081, mwN).
55 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
56 Von der Durchführung der vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
57 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 25. Februar 2020
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