Normen
AVG §1;
AVG §56;
Totalisateur Buchmacherwetten Gebühren 1919 §1 Abs1;
Totalisateur Buchmacherwetten Gebühren 1919 §2 Abs1;
Totalisateur Buchmacherwetten Gebühren 1919 §2 Abs4;
Totalisateur Buchmacherwetten Gebühren 1919 §2 Abs5 idF 2015/026;
Totalisateur Buchmacherwetten Gebühren 1919 §2 Abs5;
VStG §24;
VStG §26 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §38;
VwRallg;
WettenG Wr 2016 §22 Abs1 idF 2016/048;
WettenG Wr 2016 §22 Abs2;
WettenG Wr 2016 §22 Abs3 idF 2016/048;
WettenG Wr 2016 §24;
WettenG Wr 2016 §27 idF 2016/048;
WettenG Wr 2016 §30 Abs2;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018020001.J00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Wien hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht die Erstrevisionsweberin schuldig erachtet, sie habe als handelsrechtliche Geschäftsführerin der zweitrevisionswerbenden Partei und somit als gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ dieser Gesellschaft zu verantworten, dass die zweitrevisionswerbende Partei am 10.9.2015 um 18.30 Uhr in Wien, Hstraße, im Lokal "E" ohne Bewilligung der Wiener Landesregierung die Tätigkeit des gewerbsmäßigen Abschlusses von Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen ausgeübt habe, indem sie in dem Lokal drei Wettautomaten der Marke "A" mit den Seriennummern 6018, 6999 und 4311 aufgestellt habe, mit welchen interessierte Kunden Wettprogramme der zweitrevisionswerbenden Partei als Buchmacherin hätten aufrufen und Wetten auf den Ausgang sportlicher Ereignisse abschließen können. Sie habe dadurch § 1 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 GTBW-G iVm § 9 Abs. 1 VStG übertreten (Spruchpunkt I.), wofür der Erstrevisionswerberin (dem von ihr angefochtenen Straferkenntnis vom 28. September 2016 folgend) eine Geldstrafe von 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tage) auferlegt wurde.
2 Die gegen den angefochtenen Verfallsbescheid vom 28. September 2016 erhobene Beschwerde werde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass als Rechtsgrundlage für den Verfall § 17 Abs. 1 VStG und § 2 Abs. 4 GTBW-G heranzuziehen seien (Spruchpunkt II.).
Gemäß § 9 Abs. 7 VStG hafte die zweitrevisionswerbende Partei für den von der Erstrevisionsweberin zu leistenden Kostenbeitrag zur ungeteilten Hand (Spruchpunkt III.).
Gegen dieses Erkenntnis sei gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig (Spruchpunkt IV.).
3 Zur Zuständigkeit der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht (Landespolizeidirektion Wien) zur Erlassung der erstinstanzlichen Bescheide führte das Verwaltungsgericht in der Begründung aus, gemäß dem zum Entscheidungszeitpunkt in Kraft stehenden § 22 Abs. 2 Wiener Wettengesetz in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 48/2016 sei für Verwaltungsstrafverfahren betreffend den bewilligungslosen Abschluss von Wetten diese Behörde zuständig gewesen.
4 Die ordentliche Revision erachtete das Verwaltungsgericht unter anderem für zulässig, weil der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Feststellung des Ortes der Begehung einer Übertretung nach § 2 Abs. 1 GTBW-G in seinem Erkenntnis vom 24. Oktober 2016, Ra 2016/02/0189 bis 0191, und in seinem Beschluss vom 13. April 2016, Ra 2016/02/0053 und 0054, unterschiedliche Beurteilungsmaßstäbe angewendet habe und daher keine einheitliche Rechtsprechung vorliege.
5 Gegen dieses Erkenntnis haben die revisionswerbenden Parteien Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 21. September 2017, E 1364/2017-10, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten hat.
6 Die vorliegende Revision wird erkennbar wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhoben und es wird beantragt, das angefochtene Erkenntnis kostenpflichtig aufzuheben.
7 Der Magistrat der Stadt Wien hat eine Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, der Revision keine Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Die revisionswerbenden Parteien sehen in der Zulässigkeitsbegründung eine wesentliche Rechtsfrage in der Unterlassung der Wahrnehmung der Unzuständigkeit der belangten Behörde durch das Verwaltungsgericht.
9 Aus diesem Grund ist die Revision zulässig und auch begründet. 10 Nach ständiger Rechtsprechung gilt sowohl für die Behörden
erster Instanz als auch für die Berufungsbehörden, dass maßgebend für die Zuständigkeit zur Erlassung des jeweiligen Bescheides die im Zeitpunkt der Erlassung geltende Rechtslage ist. Im Falle einer Änderung der Sach- und Rechtslage im Laufe der Verfahrens, das heißt vor Erlassung des Bescheides, welche eine Änderung der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde bewirkt, ist das Verfahren von der nach der neuen Situation zuständigen Behörde weiter zu führen, weil dem Verwaltungsverfahren eine "perpetuatio fori" fremd ist (VwGH vom 20.1.12016, Ra 2015/17/0068, mwN).
11 Gleichzeitig mit dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Abschluss und die Vermittlung von Wetten (Wiener Wettengesetz), BGBl. Nr. 26/2016, am 13. Mai 2016 trat das GBTW-G außer Kraft (§ 30 Abs. 2 Wiener Wettengesetz).
12 Das vorliegende Straferkenntnis sowie der Verfallsbescheid mit Datum jeweils 28. September 2016 wurden nach dem Außerkrafttreten des GBTW-G erlassen.
13 Das Verwaltungsgericht hat die Bestrafung der Erstrevisionswerberin auf § 1 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 GTBW-G sowie den Verfall auf § 17 Abs. 1 VStG und § 2 Abs. 4 GTBW-G gestützt und zog wegen des Außerkrafttretens der Zuständigkeitsbestimmung des GBTW-G die Bestimmung des § 22 Abs. 2 Wiener Wettengesetz in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 48/2016 heran, wonach die Landespolizeidirektion Wien zur Erlassung der erstinstanzlichen Bescheide zuständig gewesen sei.
14 Gemäß § 22 Abs. 2 Wiener Wettengesetz i.d.F. LGBl. Nr. 26/2016, fällt die Vollziehung des § 24 (das sind die Strafbestimmungen des Wiener Wettengesetzes) in die Zuständigkeit der Landespolizeidirektion Wien.
Mit der am 11. November 2016 in Kraft getretenen Novelle LGBl. Nr. 48/2016 wurde § 22 Abs. 2 Wiener Wettengesetz ersatzlos gestrichen, sodass in der Folge der Magistrat der Stadt Wien zuständig gewesen ist (§ 22 Abs. 1 und 3 leg. cit.).
15 Eine Zuständigkeit der Landespolizeidirektion Wien zur Vollziehung des GBTW-G sieht diese Bestimmung allerdings nicht vor. Auch die Übergansbestimmungen des Wiener Wettengesetzes (§ 27) enthalten diesbezüglich keine Regelung. Grundlage für die Zuständigkeit der Landespolizeidirektion Wien zur Vollziehung der hier maßgeblichen Bestimmungen des GBTW-G konnte § 22 Abs. 2 Wiener Wettengesetz daher nicht sein.
16 Auch nach dem GBTW-G konnte die Zuständigkeit der Landespolizeidirektion Wien zur Erlassung der vorliegenden Bescheide nicht begründet werden:
17 Gemäß § 2 Abs. 5 GTBW-G, LGBl. 388/1919, war zur Bestrafung (nach dem GTBW-G) die politische Bezirksbehörde und, wo sich eine staatliche Sicherheitsbehörde befindet, diese berufen.
18 In § 2 Abs. 5 GTBW-G wurde mit der Novelle LGBl. Nr. 26/2015 folgender Satz eingefügt: "Die Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren betreffend die gewerbsmäßige Vermittlung von Wettkundinnen und Wettkunden obliegt dem Magistrat."
19 Für die Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren, die keine Vermittlung von Wettkundinnen und Wettkunden betreffen, läge demnach die Zuständigkeit der (nunmehr) Landespolizeidirektion Wien vor.
20 Im vorliegenden Fall ist während des Verfahrens insofern eine Änderung der Rechtslage eingetreten, als die Zuständigkeitsvorschrift des § 2 Abs. 5 erster Satz GTBW-G, die die Zuständigkeit der Landespolizeidirektion Wien begründet hätte, vor Erlassung der gegenständlichen Bescheide außer Kraft getreten ist (§ 30 Abs. 2 des Wiener Wettengesetzes LGBl. Nr. 26/2016). Aufgrund dieser Bestimmung konnte somit die Zuständigkeit der Landespolizeidirektion Wien nicht (mehr) begründet werden.
21 Somit greift mangels ausdrücklicher Zuständigkeitsregelung die subsidiäre Regelung des § 26 Abs. 1 VStG, wonach in Verwaltungsstrafsachen die Bezirksverwaltungsbehörden zuständig sind, wenn die Verwaltungsvorschriften über die sachliche Zuständigkeit keine Bestimmungen enthalten.
22 Das bedeutet für den Revisionsfall, dass im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht die Landespolizeidirektion Wien, sondern der Magistrat der Stadt Wien in erster Instanz sachlich zuständig war.
23 Nach der Rechtsprechung ist die Unzuständigkeit der ersten Instanz vom Verwaltungsgericht in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen (VwGH vom 15.12.2014, Ro 2014/17/0121).
24 Dies verkennend hat das Verwaltungsgericht das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
25 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 16. März 2018
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