VwGH Ro 2017/15/0046

VwGHRo 2017/15/00463.4.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der GIS Gebühren Info Service GmbH in Wien, vertreten durch die Freimüller Obereder Pilz Rechtsanwältinnen GmbH in 1080 Wien, Alser Straße 21, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Oktober 2017, Zl. W120 2132567- 1/6E, betreffend Erlass eines Bescheides über die Verpflichtung zur Entrichtung von Rundfunkgebühren (mitbeteiligte Partei:

K Ges.m.b.H. in W, vertreten durch die Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 20), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56
ORF-G 2001 §31
RGG 1999 §2
RGG 1999 §3
VwGVG 2014 §28
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RO2017150046.J00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Partei ist Betreiberin eines Privatsenders und hat nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) an einem Standort Rundfunkempfangseinrichtungen für Radio und Fernsehen und an einem weiteren Standort eine Rundfunkempfangseinrichtung für Radio betrieben, wofür sie von der Gebühren Info Service GmbH (GIS) entsprechende "Vorschreibungen" von Rundfunkgebühren samt der damit verbundenen Abgaben und Entgelte erhielt, die sie ordnungsgemäß beglich.

2 Mit Schreiben vom 27. August 2015 beantragte die Mitbeteiligte "die Erlassung eines Bescheides über unsere von Ihnen angenommene Verpflichtung zur Entrichtung von Rundfunkgebühren für die o.a. Standorte zu den o.a. Teilnehmernummern gemäß §§ 6 (1) iVm 4 (1) RGG". Begründet wurde dieser Antrag damit, dass die Mitbeteiligte unter zwei Teilnehmernummern für zwei verschiedene Standorte von der GIS

"laufend ... Gebührenvorschreibungen" erhalte, "zuletzt für August

bis September 2015". Die "Rechtsgrundlage für diese Gebührenvorschreibungen - das RGG" sei jedoch "aus mehreren Gründen verfassungswidrig", weshalb die Erlassung eines Bescheids beantragt werde. Zudem erklärte die Mitbeteiligte, dass sie "die - hiermit ausdrücklich unter Vorbehalt der Rückforderung gestellte -

Zahlung der Rundfunkgebühren ab Oktober 2015 einstellen" werde.

3 Mit Bescheid vom 24. Juni 2016 wies die GIS den Antrag der Mitbeteiligten auf Erlassung eines Bescheids über die Gebührenpflicht für die beiden revisionsgegenständlichen Standorte zurück. Begründend führte sie aus, die Mitbeteiligte habe für die beiden Standorte die Rundfunkgebühren samt damit zusammenhängender Abgaben und Entgelte fortlaufend entrichtet. Die Erlassung eines Leistungsbescheides sei der GIS daher nicht möglich. Es sei der GIS jedoch auch verwehrt, einen Feststellungsbescheid zu erlassen, weil nach Lehre und Rechtsprechung für die Erlassung eines Feststellungsbescheides dann kein Raum bestehe, wenn die Erlassung eines Leistungsbescheides möglich sei. Die Mitbeteiligte habe die Zahlungen für die beiden Standorte während des Verfahrens nicht eingestellt, obwohl sie dies ausdrücklich angekündigt habe und ihr dies auch zumutbar gewesen wäre. Sohin sei der GIS aber jede Möglichkeit genommen worden, einen Leistungsbescheid zu erlassen.

4 Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Beschwerde. Begründend führte sie aus, ein Feststellungsbescheid sei zwar ein subsidiärer Rechtsbehelf, jedoch liege ein Feststellungsinteresse dann vor, wenn dem Rechtsunterworfenen die Beschreitung eines Rechtsweges vor den Verwaltungsbehörden oder den Gerichten unzumutbar sei. Das sei nach der Rechtsprechung dann der Fall, wenn dem Antragsteller aufgrund der ungeklärten Rechtslage Rechtsnachteile drohten oder die Gefahr einer Bestrafung bestehe. Der begehrte Feststellungsbescheid sei die einzig mögliche Verwaltungsentscheidung, die die Mitbeteiligte - ohne Rechtsnachteile in Kauf zu nehmen - erlangen könne. Das "Provozieren" eines Leistungsbescheids durch Einstellung der Zahlungen sei ihr nicht zumutbar: Gemäß § 6 RGG habe die GIS rückständige Abgaben und Entgelte im Verwaltungsweg hereinzubringen, wobei sie zur Deckung eines dadurch entstandenen Aufwandes einen Säumniszuschlag von 10 % des rückständigen Betrages vorschreiben könne. Es könne von ihr nicht verlangt werden, dass sie Zahlungen einstelle, ein Exekutionsverfahren über sich ergehen lasse sowie einen Säumniszuschlag und die Kosten der Exekutionsführung übernehme, nur um einen Leistungsbescheid zur Klärung der Frage der Gebührenpflicht zu erlangen. Einen Leistungsbescheid müsse die GIS im Übrigen selbst bei Zahlungsverzug nicht erlassen, weil sie sich zur Exekutionsführung eines Rückstandsausweises bedienen könne.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das BVwG der Beschwerde Folge und hob den Bescheid - soweit dieser die Zurückweisung des Antrages vom 27. August 2015 gemäß "§§ 1, 2, 3 Abs. 1 und 4 sowie § 6 Abs. 1 RGG idF BGBl. I Nr. 70/2013 iVm § 31 ORF Gesetz idF BGBl. I Nr. 169/2013, § 1 Kunstförderungsbeitra gsgesetz BGBl. 573/1981 idF BGBl. I Nr. 15/2015" betrifft - auf. Begründend führte es aus, es gebe im Rundfunkgebührengesetz keine ausdrückliche Rechtsgrundlage zur Feststellung der Gebührenpflicht (anders als etwa § 410 Abs. 1 Z 7 ASVG). Ebenso fehle eine Bestimmung, in welchen Konstellationen ein "Gebührenbescheid" im Sinne des § 6 Abs. 4 RGG zu erlassen sei. Gemäß dieser Bestimmung könne die GIS (seit der Novelle BGBl. I Nr. 71/2003) auf Grund eines mit ihrer Bestätigung, dass er einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht unterliege, versehenen Rückstandsausweises oder Gebührenbescheides die Eintreibung einer Geldleistung unmittelbar beim zuständigen Gericht beantragen. Eine nähere Begründung für das Verhältnis von Rückstandsausweis und "Gebührenbescheid(es)" enthielten die Gesetzesmaterialien (26/ME XXII. GP ) nicht. Dass eine rechtskraftfähige Entscheidung vor Exekutionsführung zwingend vorliegen müsse, ergebe sich aus dem Gesetz nicht ausdrücklich.

6 Fehle es an der Erlassung einer rechtskraftfähigen Entscheidung der GIS über das Bestehen der Gebührenpflicht und habe eine Partei das Bestehen der Gebührenpflicht (nicht nur der Höhe nach, sondern schon dem Grunde nach), ausdrücklich bestritten, so bestehe aus Sicht des BVwG grundsätzlich ein rechtliches Interesse der Partei, dass ein entsprechender Bescheid über das Bestehen oder Nichtbestehen der Gebührenpflicht abspreche. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 17.11.2008, 2008/17/0163) sowie des § 6 Abs. 4 RGG sei jedoch davon auszugehen, dass diesfalls eine Verpflichtung der GIS bestehe, einen Leistungsbescheid mit konkretem Leistungsbefehl zu erlassen. Dass die Mitbeteiligte die ihr vorgeschriebenen Beträge bezahlt habe, ändere daran nichts, wenn diese das Bestehen der Gebührenpflicht dem Grunde nach bestritten habe und die Zahlung unter "Vorbehalt" erfolgt sei.

7 Die Revision ließ das BVwG zu, weil zur verfahrensgegenständlichen Frage Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle und die Rechtslage nicht eindeutig sei.

8 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die (ordentliche) Revision der GIS, in der diese insbesondere geltend macht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage, ob ein Rundfunkteilnehmer Anspruch auf Erlassung eines Bescheids habe, obwohl er sämtliche Gebühren und Entgelte regelmäßig leiste. Ein Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung bestehe ihrer Ansicht nach dann nicht, wenn eine Forderung erfüllt werde. Da die Mitbeteiligte zu jedem Zeitpunkt die entsprechenden Gebühren und Entgelte bezahlt habe, habe somit kein Anspruch auf Bescheiderlassung bestanden. Zudem hätte auch nach der Entrichtung die Möglichkeit bestanden, einen Antrag auf Rückzahlung zu Unrecht entrichteter Rundfunkgebühren zu stellen.

9 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie u.a. die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragte.

 

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet. 12 Wenn die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung (vgl. VwGH 19.6.2017, Ro 2016/03/0028, mwN).

13 Im Revisionsfall war daher durch das BVwG allein zu prüfen, ob die GIS die sachliche Behandlung des Antrags der Mitbeteiligten auf "die Erlassung eines Bescheides über unsere von Ihnen angenommene Verpflichtung zur Entrichtung von Rundfunkgebühren" zu Recht verweigert hat.

14 Liegt der in erster Instanz angenommene Zurückweisungsgrund nicht vor, so hat das Verwaltungsgericht den Zurückweisungsbescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die Behörde über den Antrag unter Abstandnahme von dem zunächst gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden hat (VwGH 28.2.2008, 2006/16/0129, mwN).

15 Besteht über die Verpflichtung zur Entrichtung von Rundfunkgebühren samt verbundener Abgaben und Entgelte Meinungsverschiedenheit, hat der Rundfunkteilnehmer als Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung - auch bei laufender Entrichtung der Abgaben und Entgelte - Anspruch auf bescheidmäßigen Abspruch über diese Verpflichtung.

16 Die Revision erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

17 Von der von der revisionswerbenden Partei beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

18 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14. Gemäß § 47 Abs. 3 VwGG haben Mitbeteiligte einen Anspruch auf Aufwandersatz im - hier vorliegenden - Fall der Abweisung der Revision. Zu leisten ist der Aufwandersatz bei Abweisung der Revision an sich vom Revisionswerber. Da der Revisionswerber im hier vorliegenden Fall aber die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist, ist der Aufwandersatz im Sinne des § 47 Abs. 5 VwGG von dem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verwaltungsverfahren gehandelt hat. Dabei handelt es sich - schon im Hinblick auf die Weisungsbefugnis des Bundesministers für Finanzen (§ 5 Abs. 6 RGG) - um den Bund (vgl. VwGH 1.9.2015, Ro 2014/15/0051).

Wien, am 3. April 2019

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