VwGH Ro 2016/11/0015

VwGHRo 2016/11/001528.11.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, in den Revisionssachen des Dr. W Z in K, vertreten durch Dr. Fritz Arlamovsky, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 6- 8, 1. gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 4. Mai 2016, Zl. LVwG-AV-620/001-2014, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in Angelegenheit Gewährung der Krankenunterstützung und 2. gegen den Beschluss vom 21. Oktober 2016, Zl. LVwG-AV-620/003-2014, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist (belangte Behörde: Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich, weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss

Normen

AVG §6;
VwGG §26;
VwGG §30a Abs1;
VwGG §30b Abs1;
VwGG §46;
VwGG §62;
VwRallg;
AVG §6;
VwGG §26;
VwGG §30a Abs1;
VwGG §30b Abs1;
VwGG §46;
VwGG §62;
VwRallg;

 

Spruch:

gefasst:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1.1. Der Revisionswerber ist Arzt und Mitglied der Ärztekammer für Niederösterreich. Die an den Revisionswerber adressierte Erledigung der belangten Behörde vom 29. Jänner 2014 betraf dessen Antrag vom 10. April 2013 auf Gewährung von Krankenunterstützung. Gegen diese Erledigung erhob der Revisionswerber Beschwerde.

1.2. Mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich (im Folgenden auch: Verwaltungsgericht) vom 4. Mai 2016 (dem Revisionswerber zugestellt am 11. Mai 2016) wurde die genannte Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen und die Erhebung einer ordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt.

In der Begründung vertrat das Verwaltungsgericht zusammengefasst die Rechtsansicht, dass die erwähnte Erledigung der belangten Behörde vom 29. Jänner 2014 keinen anfechtbaren Bescheid darstelle (Fehlen einer entsprechenden Beschlussfassung durch das Kollegialorgan).

1.3. Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss erhob der Revisionswerber (damals noch vertreten durch Rechtsanwalt DDr. L.) Revision, die einerseits - nach der Adressbezeichnung am Beginn des Schriftsatzes - beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich unter Anführung der E-Mail-Adresse "post@lvwg.noel.at " eingebracht werden sollte und andererseits "unter einem" an den Verwaltungsgerichtshof übermittelt wurde (hg. protokolliert zur Zl. Ro 2016/11/0015).

1.4. Mit Schriftsatz vom 29. September 2016 (der abermals sowohl an das Verwaltungsgericht als auch an den Verwaltungsgerichtshof adressiert war) beantragte der Revisionswerber durch seinen nunmehrigen Rechtsvertreter die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist und führte dazu begründend aus, dass sein vormaliger Rechtsvertreter die Revision am 25. Mai 2016 mit E-Mail an das zuständige Verwaltungsgericht (als Einbringungsgericht) gesendet habe. Dabei habe der damalige Rechtsvertreter, wie ihm durch ein Telefonat mit einem Richter des Verwaltungsgerichts vom 23. September 2016 bekannt geworden sei, eine unrichtige E-Mail-Adresse verwendet, weil diese richtig "post@lvwg.noel gv.at" laute.

Außerdem habe der Rechtsvertreter über Wunsch des Revisionswerbers die Revision auch gleichlautend im ERV (elektronischer Rechtsverkehr) an den Verwaltungsgerichtshof gesendet, was "glaublich" dazu dienen solle, dass "psychologisch ein Druck auf die zügige Durchführung des dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelagerten Verfahrens beim Verwaltungsgericht einwirken solle".

Als Vorkehrung gegen die Verwendung falscher E-Mail-Adressen sei das bislang klaglos funktionierende "mail delivery System" verwendet worden, mit dem eine eingetretene Unzustellbarkeit spätestens am Folgetag angezeigt werde. Im konkreten Fall sei jedoch, obwohl die Kanzleileiterin seines Rechtsvertreters täglich die eingehende elektronische und sonstige Post zu überwachen und diesem vorzulegen habe, eine Unzustellbarkeit der mit E-Mail abgesendeten Revision vom genannten System nicht angezeigt worden. Der Revisionswerber bzw. sein Rechtsvertreter hätten somit die zumutbaren Vorkehrungen zur Abwehr des Nachteils der Falschadressierung getroffen. Überdies hätten "bei normalem Verlauf der Dinge auch § 6 AVG und § 62 VwGG bewirkt", dass der Revisionsschriftsatz beim Verwaltungsgericht eingetroffen wäre.

Die Verwendung einer nur geringfügig modifizierten und auch schon erfolgreich verwendeten E-Mail-Adresse stelle einen Flüchtigkeitsfehler, also einen klassischen Fall von leichter Fahrlässigkeit, dar (Hinweis auf den hg. Beschluss vom 19. März 2015, Zl. 2012/16/0013 (richtig: 2012/16/0014)). Dazu komme die "ungebrochene Überwachung" des mail-delivery-Systems durch zwei Personen (Rechtsvertreter und seine Kanzleileiterin).

Diesem Vorbringen zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand folgt die Ausführung der Revision gegen den genannten Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4. Mai 2016. 1.5. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 21. Oktober 2016 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist gemäß § 46 VwGG abgewiesen und eine ordentliche Revision dagegen für unzulässig erklärt.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass eine E-Mail-Sendebestätigung nicht den zwingenden Schluss auf das tatsächliche Einlangen beim Empfänger zulasse (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 29. Jänner 2010, Zl. 2008/10/0251, und vom 24. Juni 2014, Zl. 2012/05/0180).

Im Erkenntnis vom 8. Oktober 2014, Zl. 2012/10/0100 (gleichfalls betreffend die Einbringung eines Rechtsmittels an einer falschen E-Mail-Adresse), habe der Verwaltungsgerichtshof entschieden, das Ausbleiben einer Fehlermeldung lasse nicht zwingend darauf schließen, dass die Sendung auch tatsächlich - dem richtigen Empfänger - übermittelt worden sei, sodass es für die Sorgfaltsanforderungen (bloß minderer Grad des Versehens) an den rechtskundigen Parteienvertreter, der ein fristgebundenes Rechtsmittel per E-Mail einbringt, nicht genüge, sich bloß darauf zu verlassen, dass nach der Absendung einer E-Mail-Nachricht keine Fehlermeldung erfolgt. Zum Nachweis des Einlangens sei vielmehr eine bei Absendung (mit Hilfe der Funktion "Übermittlung der Sendung bestätigen") anzufordernde "Übermittlungsbestätigung" erforderlich.

Gegenteiliges könne aus dem im Wiedereinsetzungsantrag zitierten Erkenntnis, Zl. 2012/16/0014, nicht abgeleitet werden, weil dieses den (hier nicht vorliegenden) Fall der unrichtigen Adressierung eines Rechtsmittels durch eine im Ausland aufhältige, nicht der deutschen Sprache mächtige und nicht rechtsfreundlich vertretenen Person betraf.

Vor diesem Hintergrund beruhe die gegenständliche Versäumung der Revisionsfrist nicht bloß auf einem minderen Grad des Versehens des Revisionswerbers bzw. dessen Rechtsvertreters, weil letzterer keine Bestätigung über den Eingang des mit E-Mail versendeten Rechtsmittels angefordert habe. Die korrekte E-Mail-Adresse sei außerdem auf dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4. Mai 2016 angeführt gewesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die (zur hg. Zl. Ra 2016/11/0156 protokollierte) Revision (die ebenfalls sowohl an das Verwaltungsgericht als auch an den Verwaltungsgerichtshof adressiert war).

1.6. Davon ausgehend wies das Verwaltungsgericht mit weiterem Beschluss vom 21. Oktober 2016 die Revision des Revisionswerbers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4. Mai 2016 gemäß § 30a Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist zurück und verwies in der Begründung darauf, dass die Revision erstmals im Schriftsatz vom 29. September 2016 gemeinsam mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhoben wurde.

Daraufhin beantragte der Revisionswerber mit (wiederum an das Verwaltungsgericht und an den Verwaltungsgerichtshof gerichtetem, zur hg. Zl. Ro 2016/11/0023 protokolliertem) Vorlageantrag gemäß § 30b VwGG (der Antrag nimmt zumindest erkennbar Bezug auf den zuvor genannten Zurückweisungsbeschluss vom 21. Oktober 2016), die Revision gegen den eingangs dargestellten Beschluss vom 4. Mai 2016 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen, und ersuchte gleichzeitig, über diese Revision (und die Frage ihrer Verspätung) erst nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Revision gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages zu erkennen.

1.7. Mit Schreiben vom 21. November 2016 legte das Verwaltungsgericht die außerordentliche Revision gegen seinen Beschluss vom 21. Oktober 2016 betreffend Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und den Vorlageantrag samt Revision gegen den Beschluss vom 4. Mai 2016, jeweils samt Verfahrensakten, dem Verwaltungsgerichtshof vor.

2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. die hg. Beschlüsse vom 25. März 2014, Zl. Ra 2014/04/0001 und vom 18. Februar 2015, Zl. Ra 2015/08/0008).

3.1. Zur außerordentlichen Revision gegen den Beschluss über die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

Das Verwaltungsgericht hat zur Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision darauf hingewiesen, dass gegenständlich (vor dem Hintergrund der von ihm zitierten hg. Rechtsprechung, insbesondere des Erkenntnisses vom 8. Oktober 2014, Zl. 2012/10/0100) eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliege.

Im diesbezüglichen Revisionsschriftsatz vom 10. November 2016 (der zunächst unvollständig eingebracht und mit Schriftsatz vom 17. November 2016 hinsichtlich der Revisionsbegründung ergänzt wurde) wird zur Zulässigkeit vorgebracht, es fehle Rechtsprechung zur Frage des Vorliegens eines die Wiedereinsetzung ausschließenden Versehens, wenn die Revision mittels E-Mail bei einer unrichtigen E-Mail-Adresse, die von der richtigen (bloß) um zwei Buchstaben und einen Punkt abweicht, eingebracht wird, und ein Fehlzustellungsanzeigesystem verwendet und täglich überwacht wird und dieses, entgegen bisheriger Erfahrung, bei der gegenständlichen Fehlzustellung keine Fehlzustellungsanzeige erstattete.

Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht dargetan, weil diese Frage, wie vom Verwaltungsgericht zutreffend erkannt wurde, vom Verwaltungsgerichtshof bereits im zitierten Erkenntnis, Zl. 2012/10/0100, dahin entscheiden wurde, dass es nicht ausreicht, sich bei der Einbringung eines fristgebundenen Rechtsmittels per E-Mail auf das Ausbleiben einer Fehlermeldung zu verlassen. Vielmehr ist zum Nachweis des Einlangens des mittels E-Mail eingebrachten Rechtsmittels eine "Übermittlungsbestätigung" anzufordern.

Vom Revisionswerber wurde gegenständlich nicht behauptet, eine Übermittlungsbestätigung angefordert zu haben.

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass (anders als der Revisionswerber in seinem Wiedereinsetzungsantrag offenbar meint) ein Fall des § 6 AVG iVm § 62 Abs. 1 VwGG gegenständlich nicht vorlag, weil - angesichts dessen, dass auf der Revision das richtige Verwaltungsgericht als Ort der Einbringung derselben angeführt ist - offensichtlich keine Unkenntnis des Revisionswerbers betreffend die Behördenorganisation und die Zuständigkeitsnormen (vor deren Nachteilen § 6 AVG schützen soll; vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, 2. Ausgabe (2014), Rz. 11 zu § 6) vorlag (anders daher etwa der dem hg. Beschluss vom 23. Oktober 2014, Zl. Ro 2014/11/0067, zugrunde liegende Fall, in welchem die Revision ausschließlich bei der unzuständigen Stelle eingebracht wurde). Gegenständlich bestand daher für den Verwaltungsgerichtshof keine Veranlassung, die (auch) an ihn ("unter einem") übermittelte Revision an das Verwaltungsgericht weiter zu leiten. Insbesondere dient § 6 AVG nicht dazu, die Sorgfaltspflichten eines Antragstellers hinsichtlich der ordnungsgemäßen Einbringung eines Rechtsmittels durch Mehrfachadressierung auf Behörden bzw. Verwaltungsgerichte abzuwälzen.

Nach dem Gesagten war die Revision gegen den Beschluss vom 21. Oktober 2016 betreffend Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mangels Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zurückzuweisen.

2.2. Zur Revision gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4. Mai 2016 (betreffend Beschwerdezurückweisung mangels Vorliegens eines Bescheides):

Aufgrund des rechtzeitigen Vorlageantrags hinsichtlich der Zurückweisung der Revision als verspätet ist der Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung über diese Revision (gegen den Zurückweisungsbeschluss vom 4. Mai 2016) berufen (§ 30b Abs. 1 VwGG), wobei die vorliegende Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes an die Stelle des Zurückweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts gemäß § 30a Abs. 1 VwGG (Beschluss vom 21. Oktober 2016) tritt (vgl. den bereits zitierten hg. Beschluss Zl. Ro 2014/11/0067).

Aus der Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist folgt, dass die erstmals (gemeinsam mit diesem Antrag) im Schriftsatz vom 29. September 2016 erhobene Revision gegen den (wie eingangs erwähnt) am 11. Mai 2016 zugestellten Beschluss vom 4. Mai 2016 verspätet ist.

Die Revision gegen den letztgenannten Beschluss war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG als verspätet zurückzuweisen.

Wien, am 28. November 2016

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