VwGH 2012/16/0014

VwGH2012/16/001419.3.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger, den Hofrat Dr. Mairinger und die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, in der Beschwerdesache des VK in Litauen, vertreten durch Mag. Hannes Quester, Rechtsanwalt in 1190 Wien, Heiligenstädter Straße 28, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 15. Juli 2011, Zl. ZRV/0055-Z1W/08, betreffend Zurückweisung eines Antrages nach Art. 239 ZK, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §13 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §13 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.

2. Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt. Ein Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Die vorliegende mit 27. Oktober 2011 datierte und an "Verwaltungsgericht Österreich Judenplatz 11A, A-1014 Wien, Österreich" gerichtete Beschwerde wurde dem Stempelaufdruck auf dem Briefumschlag, mit dem die Beschwerde übermittelt wurde, zufolge am 28. November 2011 in Litauen zur Post gegeben.

In einem nicht datierten Begleitschreiben zu seiner Beschwerde führt der Beschwerdeführer aus, dass "wegen der technischen Missverständnisse und der Ungenauigkeit der Anschrift die Berufungsbeschwerde den Adressaten rechtzeitig nicht erreichen konnte. Wir senden wiederholt die Berufungen und bitten, dieses Absendungsdatum als nicht versäumte Frist zu berücksichtigen".

Als weitere Beilage zu der Beschwerde findet sich ein Briefumschlag, welcher mit der Adresse des Beschwerdeführers als Absender sowie mit der Adresse des Empfängers "Administrative Court Judenplatz 11A A-1014, Wien Austria" versehen ist. Auf der Vorderseite weist er den Abdruck eines litauischen Poststempels vom 3. November 2011 sowie ein Klebeetikett mit den Angaben "unbekannt" und "Rücksendedatum 7. 11. 2011" auf. Auf der Rückseite des Umschlags findet sich ein Abdruck eines litauischen Poststempels vom 19. November 2011.

In der Folge übermittelte die belangte Behörde auf Ersuchen des Verwaltungsgerichtshofes eine Ablichtung des Rückscheines über die Zustellung des angefochtenen Bescheides. Aus diesem ergibt sich, dass der angefochtene Bescheid am Dienstag, 27. September 2011, vom Beschwerdeführer persönlich übernommen wurde.

Gemäß § 26 Abs. 1 VwGG beträgt die Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde gemäß Art. 131 B-VG in der im Beschwerdefall noch maßgeblichen Fassung vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 sechs Wochen. Die Frist beginnt gemäß § 26 Abs. 1 Z 1 VwGG mit dem Tag der Zustellung des angefochtenen Bescheides an die beschwerdeführende Partei.

Für die Fristberechnung gelten infolge § 62 Abs. 1 VwGG die Bestimmungen der §§ 32 ff AVG. Nach § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Nach § 33 Abs. 3 leg. cit. werden die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) in die Frist nicht eingerechnet.

Im Beschwerdefall begann die sechswöchige Frist des § 26 Abs. 1 Z 1 VwGG mit der Zustellung des angefochtenen Bescheides am Dienstag, dem 27. September 2011. Diese Frist endete daher mit Ablauf des Dienstag, 8. November 2011. Die am Montag, dem 28. November 2011 zur Post gegebene Beschwerde erweist sich somit als verspätet.

Das oben genannte Begleitschreiben zur Beschwerde ist jedoch als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 Abs. 1 VwGG anzusehen.

Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist gemäß § 46 Abs. 1 VwGG dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Antrag ist gemäß § 46 Abs. 3 VwGG beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen.

Aus dem der Beschwerde beigelegten Briefumschlag und dem Begleitschreiben ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die Beschwerde wurde am 3. November 2011 erstmals in Litauen zur Post gegeben. Aufgrund der fehlerhaften Adressierung konnte die Sendung jedoch nicht dem Verwaltungsgerichtshof zugestellt werden. Sie wurde daher von der Post am 7. November 2011 an den Beschwerdeführer zurückgeschickt. Aufgrund des litauischen Poststempels "2011-11-19" auf der Rückseite des Kuverts kann geschlossen werden, dass sie dem Beschwerdeführer frühestens an diesem Tag zugekommen ist. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass dieser am Montag, 28. November 2011 zur Post gegebene Antrag auf Wiedereinsetzung nicht verspätet eingebracht wurde.

Im Beschwerdefall erfolgte die erstmalige Postaufgabe des Beschwerdeschriftsatzes am 3. November 2011, somit rechtzeitig innerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist.

Die Gefahr des Verlustes einer an eine Behörde (Gericht) übersandten Eingabe trifft jedoch den Einschreiter. Gleiches gilt für einen Fall wie den vorliegenden, wo die Eingabe - ohne bei der Behörde (dem Gericht) einzulangen - aus welchen Gründen auch immer dem Einschreiter zurückgestellt wird (vgl. den hg. Beschluss vom 26. Jänner 1996, 95/02/0292).

Es kann im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, ob die Bezeichnung "Administrative Court" sowie der Zusatz "A" bei "Judenplatz 11" eine unrichtige Adressierung ist, bei der die Post nicht in die Lage versetzt wird, ein Schriftstück an den Verwaltungsgerichtshof zuzustellen. Selbst unter der Annahme einer unrichtigen Bezeichnung wäre im Beschwerdefall nämlich nicht von einem Verschulden, das über einen minderen Grad des Versehens hinausgeht, auszugehen, war doch zum Zeitpunkt der erstmaligen Adressierung und Postaufgabe der Beschwerdeführer offenbar nicht der deutschen Sprache mächtig und auch nicht rechtsfreundlich vertreten.

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung ist daher stattzugeben. Zur Ablehnung der Beschwerde

Gemäß § 33a VwGG idF der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51, kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Finanzsenates (mit einer hier nicht interessierenden Einschränkung bei Finanzstrafsachen) durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil sie von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

In der vorliegenden Beschwerde werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des § 33a VwGG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Der erkennende Senat hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde abzulehnen.

Gemäß § 58 Abs. 1 VwGG hat - da die §§ 47 bis 56 leg. cit. für den Fall der Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde gemäß § 33a leg. cit. nicht anderes bestimmen - jede Partei den ihr im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erwachsenden Aufwand selbst zu tragen. Ein Zuspruch von Aufwandersatz findet daher nicht statt.

Wien, am 19. März 2015

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