Normen
AVG §59 Abs2;
B-VG Art133 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1 impl;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §28;
VwGVG 2014 §7;
VwGVG 2014 §9;
VwRallg;
WRG 1959 §138 Abs1 lita;
Spruch:
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (BH) vom 29. Juni 2015 wurde dem Revisionswerber aufgetragen, "bis spätestens 31. Juli 2015
a) das Schottermaterial aus der im südöstlichen Bereich des Grundstückes 1467, KG G, befindlichen Grabenkünette und zwar vom nordöstlichen Eck des Grundstückes 1466, KG G (früher Grabenende, jetzt Verrohrungsende), bis zum Straßendurchlass in der südwestlichen Ecke des Grundstückes 1471, KG G, zu entfernen und
b) diese Grabenkünette bis zur Geländeoberkante mit solchem Material aufzufüllen und so zu verdichten, dass es dem dort vorhandenen, gewachsenen Boden entspricht.
Die Durchführung ist der Wasserrechtsbehörde unaufgefordert und schriftlich unter Anschluss von aussagekräftigen Fotos (aus denen der Bodenaufbau der zu verfüllenden Grabenkünette ersichtlich ist) mitzuteilen."
2 Gegen diesen Bescheid der BH erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht.
3 Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 7. September 2015 erklärte das Landesverwaltungsgericht die Beschwerde als gegenstandlos und stellte das Beschwerdeverfahren ein. Es erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a VwGG für zulässig.
4 Begründend führte das Landesverwaltungsgericht aus, dass auf die Beschwerdebegründung aufgrund der mangelnden Verfahrensrelevanz nicht weiter eingegangen zu werden brauche.
5 Die BH habe die Beschwerde unter Anschluss des Bezug habenden Verwaltungsaktes, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, mit Schreiben vom 5. August 2015 dem Landesverwaltungsgericht vorgelegt. Damit ergebe sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts zur Entscheidungsfindung.
6 Im gegenständlichen Fall sei der Revisionswerber verpflichtet worden, "bis spätestens 31. Juli 2015" die weiter im Spruch des Bescheides der BH genannten Maßnahmen durchzuführen. Dieser Bescheid habe bislang jedoch, da § 13 Abs. 1 VwGVG normiere, dass rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerden aufschiebende Wirkung zukomme und diese von der BH auch nicht ausgeschlossen worden sei, keine Wirkung entfalten können.
7 Mit - bereits im Zeitpunkt der Beschwerdevorlage erfolgten -
Ablauf der genannten Frist sei auch auszuschließen, dass der angefochtene Bescheid der BH die Rechtsansprüche und rechtlichen Interessen des Revisionswerbers in irgendeiner Form beeinträchtigen könne.
8 Der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner auf das Beschwerdeverfahren umzulegenden ständigen Rechtsprechung zum Berufungsverfahren festgehalten, dass eine Berufung mangels Beschwer unzulässig sei, wenn der angefochtene Bescheid die Rechtsansprüche und rechtlichen Interessen des Rechtsmittelwerbers nicht beeinträchtigen könne (vgl. etwa VwGH vom 27. November 1972, Zl. 883/72, und vom 22. April 1994, Zl. 93/02/0283).
9 Im Sinne obiger Ausführungen sei daher im gegenständlichen Fall die für ein Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht notwendige Beschwer weggefallen. Da diese im Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde jedoch noch vorhanden gewesen sei, sei die Beschwerde nicht im Sinne der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung zurückzuweisen, sondern sei, da die vom Landesverwaltungsgericht anzuwendenden verfahrensrechtlichen Vorschriften keine dem § 33 Abs. 1 VwGG entsprechende Bestimmung enthielten, in analoger Anwendung der genannten Bestimmung das verwaltungsgerichtliche Verfahren mit Beschluss einzustellen.
10 Das Landesverwaltungsgericht ließ die ordentliche Revision gegen diesen Beschluss zu, weil es sich bei der Frage, wie bei einer Klaglosstellung der revisionswerbenden Partei verfahrensrechtlich vorzugehen sei, um eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung handle, und eine diesbezügliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - soweit ersichtlich - nicht existiere.
11 Der Revisionswerber wandte sich mit einer ordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof und macht darin Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.
12 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
14 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
15 Gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG sind auf die Beschlüsse der Verwaltungsgerichte die für ihre Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Artikels sinngemäß anzuwenden.
16 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
17 Nach § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
18 Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch begründet.
19 Das Landesverwaltungsgericht ist in seinem Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
20 Die vom Verwaltungsgericht in der Begründung seines Beschlusses zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. November 1972, Zl. 883/72, und vom 22. April 1994, Zl. 93/02/0283, weisen zur Problematik des Revisionsfalls keine Bezüge auf.
21 In diesen Erkenntnissen sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Berufung setze nach seiner Rechtsprechung voraus, dass der Berufungswerber einen Grund dafür habe, die Entscheidung der Erstinstanz zu rügen; dies sei jedoch nicht der Fall, wenn dem Parteieiantrag bei antragbedürftigen Verwaltungsakten vollinhaltlich entsprochen worden sei.
22 Davon kann im vorliegenden Revisionsfall keine Rede sein:
23 Das Verwaltungsgericht geht - entsprechend den vorgelegten Verwaltungsakten - zutreffend davon aus, dass die Beschwerde des Revisionswerbers - rechtzeitig - noch während des Laufes der Erfüllungsfrist des wasserpolizeilichen Auftrages der BH vom 29. Juni 2015 ("bis spätestens 31. Juli 2015") erhoben wurde. Aus dem Ablauf der Erfüllungsfrist bis zur Vorlage der Verwaltungsakten mit Schreiben der BH vom 5. August 2015 schließt das Verwaltungsgericht auf einen Wegfall der "notwendigen Beschwer" des Revisionswerbers.
24 Damit verkennt das Verwaltungsgericht jedoch, wie im Fall eines bei ihm angefochtenen wasserpolizeilichen Auftrages vorzugehen ist.
25 Für die in einem wasserpolizeilichen Auftrag nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 vorgeschriebenen Maßnahmen ist eine Frist festzusetzen, die angemessen im Sinne des § 59 Abs. 2 AVG zu sein hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 3. Februar 2000, Zl. 99/07/0165, und vom 28. April 2011, Zl. 2010/07/0096).
26 Wenn auch - im Zeitpunkt der Vorlage der rechtzeitig erhobenen Beschwerde an das Verwaltungsgericht - die von der BH vorgeschriebene Erfüllungsfrist für den wasserpolizeilichen Auftrag bereits abgelaufen ist, bedeutet dies nicht, dass damit "die notwendige Beschwer" des Revisionswerbers weggefallen ist.
27 Vielmehr besteht weiterhin ein Rechtsschutzinteresse des Revisionswerbers, wodurch das Landesverwaltungsgericht angehalten ist, in der Sache über die Beschwerde des Revisionswerbers zu entscheiden, weil ungeachtet des Ablaufs der von der Behörde festgesetzten Erfüllungsfrist der wasserpolizeiliche Auftrag aufrecht bleibt.
28 Das Verwaltungsgericht hat nämlich seinerseits - da bei Erlassung seines Erkenntnisses die im Bescheid der BH vom 29. Juni 2015 verfügte Erfüllungsfrist jedenfalls bereits abgelaufen wäre - bei Bestätigung des erstbehördlichen Bescheides eine angemessene Erfüllungsfrist festzusetzen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. Juni 2011, Zl. 2011/05/0077, vom 23. August 2012, Zl. 2011/05/0069, und vom 25. September 2014, Zl. Ra 2014/07/0011).
29 Würde also bei einer Anordnung nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 keine angemessene Frist festgesetzt, so belastete dies das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
30 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.
31 Der Ausspruch für den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung der Novelle BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 25. Februar 2016
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)