VwGH Ro 2014/10/0081

VwGHRo 2014/10/008130.9.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision der A H in Altmünster, vertreten durch DDr. Christian F. Schneider, Rechtsanwalt in 1220 Wien, ARES Tower, Donau-City-Straße 11, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 21. Februar 2014, Zl. LVwG-050006/8/Gf/Rt, betreffend Apothekenkonzession (mitbeteiligte Partei: S S in Gmunden, vertreten durch Mag. Dr. Eleonore Berchtold-Ostermann, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Bräunerstraße 6), zu Recht erkannt:

Normen

62012CJ0367 Sokoll-Seebacher VORAB;
ApG 1907 §10 Abs2 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
62012CJ0367 Sokoll-Seebacher VORAB;
ApG 1907 §10 Abs2 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 29. Dezember 20011 wurde der Antrag der mitbeteiligten Partei vom 19. August 2010 auf Erteilung einer Konzession zum Betrieb einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke mit dem Standort "Gemeindegebiet von Pinsdorf" und der voraussichtlichen Betriebsstätte Gmundnerstraße 4 mangels Bedarfs im Sinne des § 10 Apothekengesetz (ApG) als unbegründet abgewiesen, weil infolge der Neuerrichtung die Zahl der von der bestehenden öffentlichen Apotheke ("Lilienapotheke" in Altmünster) der Revisionswerberin weiterhin zu versorgenden Personen verringert und weniger als 5.500, nämlich bloß 1.513, Personen betragen würde.

Gegen diesen Bescheid hat die mitbeteiligte Partei Berufung an den UVS Oberösterreich erhoben.

Infolge eines im Zuge des Berufungsverfahrens vom UVS Oberösterreich an den EuGH gerichteten Ersuchens um Vorabentscheidung erging das Urteil das EuGH vom 13. Februar 2014, Rs C-367/12 , Sokoll-Seebacher.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich den Bescheid der BH Gmunden gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG aufgehoben und der mitbeteiligten Partei die beantragte Konzession für eine neu zu errichtende Apotheke mit der Betriebsstätte Gmundnerstraße 4, 4812 Pinsdorf erteilt. Weiters wurde die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a Abs. 1 VwGG zugelassen.

Begründend führte das Verwaltungsgericht - unter Hinweis auf das erwähnte Urteil des EuGH - im Wesentlichen aus, dass die "Feststellung der Unionsrechtswidrigkeit des Bedarfsprüfungskriteriums des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG" unmittelbare Wirksamkeit entfalte. Aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts sei die genannte Bestimmung im vorliegenden Fall außer Acht zu lassen, sodass ein Bedarf an der Errichtung der beantragten Apotheke bestehe. Da die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen vorlägen, sei die Konzession zu erteilen.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. Die mitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

Das Verwaltungsgericht hat die Akten des Verfahrens vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Revision ist wegen Abweichens des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Art. 133 Abs. 4 B-VG) zulässig; sie ist aus eben diesem Grund auch berechtigt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 27. März 2014, Zl. 2013/10/0209, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, unter Hinweis auf das genannte Urteil des EuGH vom 13. Februar 2014 ausgeführt hat, haben Gerichte und Behörden nach dem Unionsrecht bei der Entscheidung über einen Konzessionsantrag die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG unangewendet zu lassen und die Konzession - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - ohne Rücksicht auf eine allfällige Einschränkung des Kundenpotentials der benachbarten Apotheken auf unter 5.500 zu versorgende Personen zu erteilen, wenn die neu beantragte Apotheke erforderlich ist, um für die in bestimmten ländlichen und abgelegenen Gebieten wohnhafte Bevölkerung - unter Bedachtnahme auf die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln durch ärztliche Hausapotheken und unter Berücksichtigung der bei der Bedarfsprüfung im Vordergrund stehenden Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen - die zumutbare Erreichbarkeit einer Arzneimittelabgabestelle zu gewährleisten. Ist die Erteilung der beantragten Konzession nicht bereits aus diesen Gründen unionsrechtlich erforderlich, so ist § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG - der in diesem Fall nach den Ausführungen des EuGH nicht unionsrechtswidrig ist - weiterhin anzuwenden (vgl. dazu auch die hg. Erkenntnisse vom 25. April 2014, Zl. 2013/10/0022, vom 12. August 2014, Zl. 2012/10/0181, vom 8. Oktober 2014, Zl. Ro 2014/10/0096, sowie vom 22. April 2015, Zl. 2013/10/0077 und Zl. Ro 2014/10/0122).

Schon weil das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall ohne jegliche Prüfung der dafür maßgeblichen Voraussetzungen die Anwendbarkeit der Bedarfsprüfung nach § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG von vornherein verneint hat, hat es die Rechtslage verkannt.

Angemerkt sei an dieser Stelle, dass sich aufgrund der bisherigen Verfahrensergebnisse Anhaltspunkte für eine Auswirkung der von der mitbeteiligten Partei beantragten Neuerrichtung auf die Versorgungslage einer in ländlichen und abgelegenen Gebieten wohnhaften Bevölkerung nicht ergeben.

Es sei darauf hingewiesen, dass nach allgemein zugänglichem Kartenmaterial die Entfernung der Betriebsstätte der neu beantragten Apotheke zur bestehenden "Lilienapotheke" der Revisionswerberin 5,3 Straßenkilometer und zur nächstgelegenen öffentlichen Apotheke, der "Traunstein-Apotheke" in Gmunden, 2,5 Straßenkilometer beträgt. Somit kann sich der Anfahrtsweg für die Bevölkerung durch die Neuerrichtung der beantragten Apotheke maximal um 2,5 km verkürzen. Es ist von Vornherein auszuschließen, dass dies erforderlich ist, um für die Bevölkerung eines bestimmten abgelegenen ländlichen Gebietes einen zumutbaren Anfahrtsweg zu gewährleisten (vgl. etwa das erwähnte hg. Erkenntnis vom 12. August 2014).

§ 10 Abs. 2 Z. 3 ApG ist daher anzuwenden.

Das angefochtene Erkenntnis ist nach dem Gesagten mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 30. September 2015

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