Normen
12010E049 AEUV Art49;
62012CJ0367 Sokoll-Seebacher VORAB;
ApG 1907 §10 Abs2 Z3 idF 2006/I/041;
EURallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
12010E049 AEUV Art49;
62012CJ0367 Sokoll-Seebacher VORAB;
ApG 1907 §10 Abs2 Z3 idF 2006/I/041;
EURallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der erstrevisionswerbenden Partei sowie der Viertrevisionswerberin jeweils Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Zur Vorgeschichte wird zunächst auf das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2014, Zl. 2013/10/0197, verwiesen. Daraus sei insbesondere Folgendes in Erinnerung gerufen:
Mit Bescheid des Bundesministers für Gesundheit vom 19. März 2010 wurde dem Mitbeteiligten die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke in Leonding/Haag an einer bestimmten Betriebsstätte und mit einem bestimmten "von Amts wegen eingeschränkten Standortgebiet" erteilt.
Am 3. Februar 2011 stellte der Mitbeteiligte bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land einen "Antrag auf (eine näher umschriebene) Standorterweiterung laut § 54 Apothekengesetz". In einem weiteren Schreiben vom 12. Mai 2011 bezog sich der Mitbeteiligte mit Blick auf seinen Antrag auf Standorterweiterung ausdrücklich auf die Bestimmung des § 46 Abs. 5 Apothekengesetz (ApG).
Mit dem angeführten hg. Erkenntnis wurde ein Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich (UVS) vom 17. Juli 2013, mit dem dieser Antrag des Mitbeteiligten abgewiesen worden war, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. In den Entscheidungsgründen wurde im Kern der Rechtsauffassung des UVS, es habe im vorliegenden Fall nicht der Durchführung eines "gesonderten Bedarfsprüfungsverfahrens" iSd § 46 Abs. 5 iVm § 10 ApG bedurft, eine Absage erteilt. Der Verwaltungsgerichtshof hob demgegenüber hervor, es sei maßgeblich, ob in Ansehung des Gebietes der Standorterweiterung die Voraussetzungen für die Konzessionserteilung vorlägen. Schon mit Blick auf den vom UVS selbst in einem (einen abweisenden erstbehördlichen Bescheid aufhebenden) Berufungsbescheid vom 27. Juli 2012 der Erstbehörde erteilten Auftrag, ein "Bedarfsprüfungsverfahren gemäß den §§ 46 ApG i.V.m. § 10 ApG" durchzuführen, sei der nunmehr im Devolutionsweg zuständig gewordene UVS zur Vornahme einer solchen Prüfung verpflichtet.
2. Das nach Art. 151 Abs. 51 Z. 8 B-VG zur Weiterführung des Verfahrens zuständig gewordene Landesverwaltungsgericht Oberösterreich holte daraufhin ein Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer zu der Frage ein, ob an der vom Mitbeteiligten beabsichtigten Standorterweiterung ein entsprechender Bedarf im Sinn des § 10 ApG bestehe.
Ungeachtet der Verneinung dieser Frage in dem am 23. April 2014 erstatteten Gutachten gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit dem angefochtenen Erkenntnis dem Antrag des Mitbeteiligten auf Erweiterung des Standortes seiner Apotheke "auf das Gemeindegebiet Leonding, südlich der Paschingerstraße (einschließlich beider Straßenseiten)" mit der Maßgabe statt, dass "durch den neuen Standort die Entfernung zwischen der in Aussicht genommenen Betriebsstätte seiner Apotheke und der Betriebsstätte einer der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheken gemäß § 10 Abs. 2 Z. 2 ApG nicht weniger als 500 m betragen darf".
Zur Begründung berief sich das Verwaltungsgericht im Kern auf die Rechtsprechung des EuGH, insbesondere auf dessen Urteil vom 13. Februar 2014, Rs C-367/12 , Sokoll-Seebacher, und leitete daraus (ungeachtet einer ausdrücklichen Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom 27. März 2014, Zl. 2013/10/0209) im Wesentlichen ab, dass die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG auch im vorliegenden Fall nicht (mehr) anzuwenden sei. Da sich nach dem eingeholten Gutachten der Österreichischen Apothekenkammer "in der in Aussicht genommenen Betriebsstätte keine ärztliche Hausapotheke" befinde, komme auch der Hinderungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 1 ApG nicht zum Tragen, sodass lediglich die Anordnung des § 10 Abs. 2 Z. 2 ApG (betreffend die Mindestentfernung von 500 m zwischen der in Aussicht genommenen Betriebsstätte und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke) zu berücksichtigen sei.
Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ließ das Verwaltungsgericht mit der Begründung zu, dass im gegenständlichen Verfahren grundsätzliche Rechtsfragen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen gewesen seien, weil "bislang eine entsprechende Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes" fehle.
3. Gegen dieses Erkenntnis richten sich (u.a.) die im Kopf genannten Revisionen. Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.
Das Verwaltungsgericht hat die Akten des Verfahrens vorgelegt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Bestimmungen des Apothekengesetzes (ApG), RGBl. Nr. 5/1907 idF BGBl. I Nr. 32/2014, lauten - auszugsweise - wie folgt:
"§ 9.
Konzession.
Der Betrieb einer öffentlichen Apotheke, welche nicht auf einem Realrechte beruht (radizierte, verkäufliche Apotheken), ist nur auf Grund einer besonderen behördlichen Bewilligung (Konzession) zulässig.
Im Konzessionsbescheid ist als Standort der Apotheke eine Gemeinde, eine Ortschaft, ein Stadtbezirk oder ein Teil eines solchen Gebietes zu bestimmen. Bei Apotheken, welche schon früher betrieben worden sind, ist der bisherige Standort aufrecht zu erhalten. Die Konzession hat nur für den Standort Geltung.
Sachliche Voraussetzungen der Konzessionserteilung
§ 10. (1) Die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn
1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und
2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.
(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn
1. sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet und weniger als zwei Vertragsstellen nach § 342 Abs. 1 ASVG (volle Planstellen) von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, oder
2. die Entfernung zwischen der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt oder
3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich in Folge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5 500 betragen wird.
(...)
(7) Zur Frage des Bedarfes an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke ist ein Gutachten der österreichischen Apothekerkammer einzuholen. (...)
(...)
Verlegung
§ 14. (1) Die Verlegung einer Apotheke innerhalb des festgesetzten Standortes (§ 9 Abs. 2) bedarf der Genehmigung durch die Österreichische Apothekerkammer.
(2) Die Verlegung einer öffentlichen Apotheke an einen anderen Standort ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bewilligen, wenn die Voraussetzungen des § 10 zutreffen und überdies von dem neuen Standort aus der Bedarf des Gebietes besser befriedigt werden kann.
Gesuch um die Konzession zum Betriebe einer öffentlichen Apotheke.
§ 46. (...)
(5) Über einen Antrag auf Erweiterung des bei Erteilung der Konzession zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke gemäß § 9 Abs. 2 festgesetzten Standortes oder um nachträgliche Festsetzung des Standortes, wenn dieser bei Erteilung der Konzession nicht gemäß § 9 Abs. 2 bestimmt wurde, ist das für die Konzessionserteilung vorgesehene Verfahren durchzuführen."
2. Die eingangs genannten revisionswerbenden Parteien weisen auf die zu dem genannten Urteil des EuGH, Rs C-367/12 , ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes hin (insbesondere auf das Erkenntnis vom 27. März 2014, Zl. 2013/10/0209) und bringen dazu im Wesentlichen vor, dass sich die Apotheke des Mitbeteiligten im Stadtgebiet von Leonding befinde, in dem bereits mehrere öffentliche Apotheken bestünden. Bereits aufgrund der im gegenständlichen Einzugsgebiet bestehenden öffentlichen Apotheken seien zumutbare Anfahrtswege für die Bevölkerung gewährleistet; es sei von vornherein auszuschließen, dass eine Verkürzung des Anfahrtsweges erforderlich wäre, um für die Bevölkerung eines bestimmten abgelegenen ländlichen Gebietes einen zumutbaren Anfahrtsweg zu gewährleisten.
Das auch für die Erweiterung des Standortes einer bestehenden öffentlichen Apotheke geltende Bedarfsprüfungssystem (nach § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG) sei auch nach dem angeführten Urteil des EuGH nicht als grundsätzlich "EU-rechtswidrig" anzusehen, sondern - ausnahmsweise - nur dort, wo eine schlechte Versorgung der Menschen bestehe, die in ländlichen oder abgelegenen Regionen außerhalb der Versorgungsgebiete bestehender Apotheken wohnten.
3. Die angeführten Revisionen sind wegen Abweichens des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Art. 133 Abs. 4 B-VG) zulässig; sie sind aus eben diesem Grund auch berechtigt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 27. März 2014, Zl. 2013/10/0209, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 13. Februar 2014, Rs C- 367/12 , Sokoll-Seebacher) ausgeführt hat, haben Gerichte und Behörden nach dem Unionsrecht bei der Entscheidung über einen Konzessionsantrag die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG unangewendet zu lassen und die Konzession - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - ohne Rücksicht auf eine allfällige Einschränkung des Kundenpotentials der benachbarten Apotheken auf unter 5.500 zu versorgende Personen zu erteilen, wenn die neu beantragte Apotheke erforderlich ist, um für die in bestimmten ländlichen und abgelegenen Gebieten wohnhafte Bevölkerung - unter Bedachtnahme auf die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln durch ärztliche Hausapotheken und unter Berücksichtigung der bei der Bedarfsprüfung im Vordergrund stehenden Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen - die zumutbare Erreichbarkeit einer Arzneimittelabgabestelle zu gewährleisten. Ist die Erteilung der beantragten Konzession nicht bereits aus diesen Gründen unionsrechtlich erforderlich, so ist § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG - der in diesem Fall nach den Ausführungen des EuGH nicht unionsrechtswidrig ist - weiterhin anzuwenden (vgl. dazu auch die hg. Erkenntnisse vom 25. April 2014, Zl. 2013/10/0022, und vom 12. August 2014, Zl. 2012/10/0181).
Indem das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall ohne jede Prüfung dahin, ob die vom Mitbeteiligten beantragte Standorterweiterung erforderlich sei, um für die in bestimmten ländlichen und abgelegenen Gebieten wohnhafte Bevölkerung die zumutbare Erreichbarkeit einer Arzneimittelabgabestelle zu gewährleisten, von vornherein die Anwendbarkeit der Bedarfsprüfung nach § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG verneint hat, hat es die Rechtslage verkannt.
Angemerkt sei an dieser Stelle, dass sich aufgrund der bisherigen Verfahrensergebnisse Anhaltspunkte für eine Auswirkung der vom Mitbeteiligten beantragten Erweiterung des Standortes seiner Apotheke innerhalb des Stadtgebietes von Leonding auf die Versorgungslage einer in ländlichen und abgelegenen Gebieten wohnhaften Bevölkerung nicht ergeben.
4. Das angefochtene Erkenntnis ist nach dem Gesagten mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 53 Abs. 1 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 8. Oktober 2014
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