VwGH 2012/10/0181

VwGH2012/10/018112.8.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des G K als Alleininhaber und Konzessionär der Apotheke Z in F, vertreten durch Mag. Dr. Eleonore Berchtold-Ostermann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bräunerstraße 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit vom 24. August 2012, Zl. BMG-262305/0001-II/A/4/2012, betreffend Apothekenkonzession (mitbeteiligte Partei: B H in F, vertreten durch Dr. Ulrich Daghofer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Mariahilferstraße 20/II), zu Recht erkannt:

Normen

12010E049 AEUV Art49;
62012CJ0367 Sokoll-Seebacher VORAB;
ApG 1907 §10 Abs2 Z3 idF 2006/I/041;
ApG 1907 §10 Abs5 idF 2006/I/041;
EURallg;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
12010E049 AEUV Art49;
62012CJ0367 Sokoll-Seebacher VORAB;
ApG 1907 §10 Abs2 Z3 idF 2006/I/041;
ApG 1907 §10 Abs5 idF 2006/I/041;
EURallg;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der mitbeteiligten Partei die Konzession für die Errichtung und den Betrieb einer öffentlichen Apotheke in Mühldorf bei Feldbach an einem näher genannten Standort mit der Betriebsstättenadresse Industriepark 4 erteilt.

Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften aus, in der Gemeinde Mühldorf befinde sich keine ärztliche Hausapotheke. Die Entfernung der Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke zur bestehenden öffentlichen Apotheke ("Zur Mariahilf") des Beschwerdeführers in Feldbach betrage 2.333 m, die Entfernung zur weiteren in Feldbach bestehenden öffentlichen Apotheke ("Leonhard Apotheke") betrage 2.493 m.

Das den beiden bestehenden Apotheken gemeinsam verbleibende Versorgungspotenzial betrage nach dem Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer vom 18. November 2010

11.861 Personen, und zwar:

Über die dagegen gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde sowie Erstattung einer Gegenschrift durch die mitbeteiligte Partei in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. § 10 Apothekengesetz, RGBl. Nr. 5/1907 idF BGBl. I Nr. 41/2006 (ApG), lautet (auszugsweise):

"Sachliche Voraussetzungen der Konzessionserteilung

§ 10. (1) Die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn

1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und

2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.

(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn

1. sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet und weniger als zwei Vertragsstellen nach § 342 Abs. 1 ASVG (volle Planstellen) von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, oder

2. die Entfernung zwischen der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt oder

3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich in Folge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5 500 betragen wird.

...

(4) Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z 3 sind die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.

(5) Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne des Abs. 4 weniger als 5 500, so sind die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigten.

...

(7) Zur Frage des Bedarfes an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke ist ein Gutachten der österreichischen Apothekerkammer einzuholen. Soweit gemäß § 29 Abs. 3 und 4 Ärzte betroffen sind, ist auch ein Gutachten der Österreichischen Ärztekammer einzuholen.

..."

Vorauszuschicken ist, dass es sich vorliegend um keinen Übergangsfall nach dem VwGbk-ÜG handelt und somit gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

2. Dem angefochtenen Bescheid liegt die auf das Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer vom 18. November 2010 gestützte Auffassung zu Grunde, das der Apotheke ("Zur Mariahilf") des Beschwerdeführers und der "Leonhard Apotheke" im Falle der Errichtung der beantragten neuen öffentlichen Apotheke gemeinsam verbleibende Versorgungspotenzial - wegen der geringen Entfernung zwischen den Betriebsstätten dieser beiden Apotheken könnten gesonderte Versorgungspotenziale nicht ermittelt werden - würde (mindestens) 11.861 Personen betragen. Der Bedarf an der neuen öffentlichen Apotheke sei daher zu bejahen, zumal auch die anderen negativen Bedarfsvoraussetzungen des § 10 Abs. 2 ApG erfüllt seien.

3. Wie der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 27. März 2014, Zl. 2013/10/0209, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 13. Februar 2014, C-367/12 "Sokoll-Seebacher") ausgeführt hat, haben Gerichte und Behörden nach dem Unionsrecht bei der Entscheidung über einen Konzessionsantrag die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z 3 ApG unangewendet zu lassen und die Konzession - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - ohne Rücksicht auf eine allfällige Einschränkung des Kundenpotentials der benachbarten Apotheken auf unter 5.500 zu versorgende Personen zu erteilen, wenn die neu beantragte Apotheke erforderlich ist, um für die in bestimmten ländlichen und abgelegenen Gebieten wohnhafte Bevölkerung - unter Bedachtnahme auf die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln durch ärztliche Hausapotheken und unter Berücksichtigung der bei der Bedarfsprüfung im Vordergrund stehenden Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen - die zumutbare Erreichbarkeit einer Arzneimittelabgabestelle zu gewährleisten. Ist die Erteilung der beantragten Konzession nicht bereits aus diesen Gründen unionsrechtlich erforderlich, so ist § 10 Abs. 2 Z 3 ApG - der in diesem Fall auch nach den Ausführungen des EuGH nicht unionsrechtswidrig ist - weiterhin anzuwenden.

Im vorliegenden Fall befindet sich die Betriebsstätte der neu beantragten Apotheke im Gemeindegebiet von Mühldorf bei Feldbach. Die Entfernung der Betriebsstätte zu den bereits bestehenden beiden Apotheken in Feldbach beträgt nach den unstrittigen Feststellungen im angefochtenen Bescheid 2,3 km (Apotheke "Zur Mariahilf") bzw. 2,5 km ("Leonhard Apotheke"). Somit kann sich der Anfahrtsweg für die Bevölkerung durch die Neuerrichtung der beantragten Apotheke maximal um 2,3 bzw. 2,5 km verkürzen. Es ist von Vornherein auszuschließen, dass dies erforderlich ist, um für die Bevölkerung eines bestimmten abgelegenen ländlichen Gebietes einen zumutbaren Anfahrtsweg zu gewährleisten (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom 27. März 2014).

Die Anwendung von § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG durch die belangte Behörde begegnet daher im vorliegenden Fall keinen Bedenken.

4. Die Beschwerde - die sich gegen die Zuordnung der Ambulanzpatienten und der Beschäftigten des Landeskrankenhauses Feldbach zum Versorgungspotenzial ihrer Apotheke wendet - ist jedoch im Ergebnis berechtigt:

Die belangte Behörde hat - dem Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer folgend - die (angenommenen 90.000) Ambulanzpatienten des Landeskrankenhauses Feldbach, die nicht bereits auf Grund ihres Wohnsitzes zum Kundenpotenzial dieser Apotheken gehören - in einem Ausmaß berücksichtigt, das 1.824 ständigen Einwohnern entspricht. Die dem Gutachten der Apothekerkammer zu Grunde liegende Ambulanzstudie beruht auf der Befragung von 2.000 Personen ab 15 Jahren, wobei diese Personen angegeben haben, im Durchschnitt pro Jahr 12,25 mal eine Apotheke aufgesucht zu haben. Diese Nutzungsfrequenz wurde als Ausmaß der durchschnittlichen Apothekeninanspruchnahme eines ständigen Einwohners herangezogen.

Die auf dieser Methode der Bedarfserhebung eines ständigen Einwohners aufbauende Ermittlung des durch die Ambulanzpatienten des Landeskrankenhauses Feldbach hervorgerufenen zusätzlichen Bedarfs im Ausmaß von 1.824 "Einwohnergleichwerten" beruht aus den im hg. Erkenntnis vom 20. November 2013, Zl. 2012/10/0125, dargelegten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, auf einem Verfahrensmangel. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass dieses zusätzliche Kundenpotenzial nicht berücksichtigt werden könne, wenn es sich weder mit vertretbarem Aufwand durch einzelfallbezogene Feststellungen, noch durch repräsentative Studien ermitteln lasse (vgl. auch das erwähnte hg. Erkenntnis vom 27. März 2014).

Diese Grundsätze gelten auch für die Ermittlung des durch die (630) Beschäftigten im Landeskrankenhaus Feldbach hervorgerufenen zusätzlichen Bedarfs im Ausmaß von 46 "Einwohnergleichwerten", die ebenfalls auf derselben Methode der Erhebung des durchschnittlichen Bedarfs eines ständigen Einwohners beruht (vgl. auch dazu das erwähnte hg. Erkenntnis vom 20. November 2013).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde daher der Apotheke ("Zur Mariahilf") des Beschwerdeführers und der "Leonhard Apotheke" ohne ausreichende Grundlage ein gemeinsames zusätzliches Kundenpotential auf Grund der Ambulanzpatienten (1.824 "Einwohnergleichwerten") und der Beschäftigten des Landeskrankenhauses Feldbach (46 "Einwohnergleichwerten") im Ausmaß des Bedarfs von 1.870 ständigen Einwohnern zugeordnet. Ohne Berücksichtigung dieses Werts verbliebe den beiden Apotheken nach dem erwähnten Gutachten der Apothekerkammer jedoch nur ein gemeinsames Kundenpotenzial im Ausmaß des Arzneimittelbedarfs von

9.991 ständigen Einwohnern.

Nach der von der belangten Behörde hinsichtlich dieses Kundenpotenzials angewendeten (und von der Beschwerde in diesem Punkt auch nicht in Frage gestellten) Divisionsmethode wäre ein Bedarf an der neu zu errichtenden Apotheke der mitbeteiligten Partei daher nicht gegeben (vgl. abermals das erwähnte hg. Erkenntnis vom 27. März 2014).

Davon ausgehend kann schließlich das Beschwerdevorbringen, wonach die belangte Behörde die Divisionsmethode bei der Zuordnung der Ambulanzpatienten zu Unrecht angewendet habe, im vorliegenden Fall dahin stehen.

5. Auf Grund der erwähnten Verfahrensmängel war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

6. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

7. Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG (idF BGBl. I Nr. 122/2013) und § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 auf die §§ 47 ff VwGG (in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung) iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 12. August 2014

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