Normen
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art18 Abs1;
NatSchG Krnt 2002 §9 Abs7;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs1a;
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art18 Abs1;
NatSchG Krnt 2002 §9 Abs7;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs1a;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat der erst-, zweit- und drittmitbeteiligten Partei zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 sowie der viert-, sechst- und siebtmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Die Revisionswerberin beabsichtigt die Errichtung einer 220 kV-Starkstromfreileitung zwischen Weidenburg, der Gemeinde Kötschach-Mauthen und Somplago (Region Friaul-Julisch Venetien, Italien).
Mit Bescheid des Umweltsenates vom 3. März 2010 wurde festgestellt, dass für dieses Vorhaben, soweit dieses den in Österreich gelegenen Teil des Gesamtprojektes umfasst, eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 - UVP-G 2000 (im Folgenden: UVP-G) durchzuführen ist.
Am 30. April 2010 stellte die Revisionswerberin an die Kärntner Landesregierung einen Genehmigungsantrag für dieses Projekt nach dem UVP-G.
Mit dem angefochtenen, im Devolutionsweg ergangenen Erkenntnis wurde der Genehmigungsantrag der Revisionswerberin abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht prüfte in seinem Erkenntnis die materiellen naturschutzrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen und vertrat nach Durchführung einer naturschutzrechtlichen Interessenabwägung die Auffassung, dass die öffentlichen Interessen an der Erhaltung des Charakters eines näher bezeichneten Landschaftsraumes und am Natur- und Landschaftsschutz höher zu bewerten seien als das gegenläufige ins Treffen geführte öffentliche Interesse an der Errichtung der Starkstromfreileitung.
Ferner sprach das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, und begründete diesen Ausspruch im Wesentlichen damit, dass die Revisionswerberin, die aufgrund der Untätigkeit der Behörde bereits eine erhebliche Verzögerung der Entscheidung über ihren Antrag habe in Kauf nehmen müssen, durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes an Stelle der Behörde (gemeint: Verwaltungsbehörde) eine gerichtliche Überprüfungsinstanz verliere. Das Rechtsstaatsprinzip in der in der Bundesverfassung normierten Ausprägung einer zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit gebiete wie das Erfordernis eines wirksamen Rechtsbehelfes gemäß Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), gegen Erkenntnisse in der Sache in Säumnisbeschwerdeverfahren jedenfalls die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zuzulassen. Insofern könne gesagt werden, dass der Möglichkeit der Revision, unabhängig von den darin aufgeworfenen Fragen, grundsätzliche Bedeutung zukomme, weshalb diese zuzulassen sei.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, es wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Erst-, die Zweit- und der Drittmitbeteiligte erstatteten eine gemeinsame Revisionsbeantwortung.
Die Viert-, der Sechst- und die Siebtmitbeteiligte sowie der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft brachten jeweils gesondert eine Revisionsbeantwortung ein.
Vom Fünftmitbeteiligten und von den übrigen Personen, die vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 4 VwGG zur Einbringung einer Revisionsbeantwortung aufgefordert worden waren, wurde keine Revisionsbeantwortung vorgelegt.
II.
Gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision ist der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a VwGG nicht an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 leg. cit. gebunden.
Der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes, dass es das Rechtsstaatsprinzip in der verfassungsgesetzlichen Ausprägung einer zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit ebenso wie Art. 47 GRC erfordere, die Revision zuzulassen, kann nicht gefolgt werden. Weder das im B-VG verankerte Rechtsstaatsprinzip noch Art. 47 GRC gebietet die Zulassung einer (ordentlichen) Revision gegen das vorliegende Erkenntnis in jedem Fall, unabhängig davon, ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG klärungsbedürftig erschien; dies nämlich bereits deshalb, weil auch dann, wenn das Bundesverwaltungsgericht die (ordentliche) Revision gegen sein Erkenntnis nicht zugelassen hätte, die Revisionswerberin die Möglichkeit hatte, gegen das Erkenntnis eine außerordentliche Revision zu erheben. Abgesehen davon kann aus Art. 47 GRC nicht abgeleitet werden, dass es mehrere gerichtliche Instanzen (iS eines gerichtlichen Rechtsmittelverfahrens) geben müsse (vgl. N. Raschauer/Sander/Schlögl in Holoubek/Lienbacher, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, GRC-Kommentar Art 47 Rz 18).
Nach der hg. Judikatur (vgl. den Beschluss vom 28. November 2014, Ro 2014/06/0077) hat ein Revisionswerber auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision gesondert darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet.
Hinsichtlich der Zulässigkeit der Revision und des Vorliegens von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung bringt die Revision (vgl. darin Punkt 3. iVm Punkt 4.1.10) Folgendes vor:
Die Revisionswerberin sei der Ansicht, dass die ordentliche Revision nicht nur, wie vom Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen, deshalb zulässig sei, weil eine höchstgerichtliche Überprüfung der im Säumnisbeschwerdeverfahren getroffenen Sachentscheidung erforderlich sei. Vielmehr lägen mehrere Rechtsfragen vor, die im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung hätten:
- "Zur Anwendung der TEN-E-VO gibt es bislang keine Judikatur des VwGH.
- Dies gilt insbesondere für das Verhältnis zwischen den in dieser Verordnung statuierten energiewirtschaftlichen Interessen und dem öffentlichen Interesse des Naturschutzes, das durch das K-NSG geschützt ist.
- Was die Durchführung einer Alternativenprüfung im Rahmen einer naturschutzrechtlichen Interessenabwägung betrifft, weicht das BVwG von der bisherigen Judikatur des VwGH ab, wonach eine Alternativenprüfung nur dann durchzuführen ist, wenn sie explizit im Gesetz vorgesehen ist.
- Die Entscheidung steht darüber hinaus im Widerspruch zur UVP-rechtlichen Judikatur des VwGH, wonach die Genehmigung für ein Linienvorhaben nicht mit der Begründung versagt werden darf, dass es eine 'umweltverträglichere' Trasse gäbe.
- Demgemäß hat es der VwGH in UVP-Genehmigungsverfahren betreffend Starkstromfreileitungen bislang stets abgelehnt, deren Genehmigungsfähigkeit an den Umweltauswirkungen, die eine allfällige Alternative in Form einer Verkabelung hätte, zu messen.
- Schließlich gibt es zu Art 10 Energieprotokoll bislang keine einschlägige Judikatur."
Mit diesem Vorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukäme.
Vorauszuschicken ist, dass einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung im vorgenannten Sinn zukommen kann, wenn sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und wenn die Entscheidung über die Revision von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt (vgl. den hg. Beschluss vom 24. Juni 2014, Ra 2014/05/0004).
Wurde eine im Einzelfall vorzunehmende Interessenabwägung, wie sie das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 9 Abs. 7 des Kärntner Naturschutzgesetzes 2002 - K-NSG 2002 durchgeführt hat, auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarerer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel (vgl. den hg. Beschluss vom 25. April 2014, Ro 2014/21/0033).
Dem Revisionsvorbringen, es gebe zur Anwendung der TEN-E-VO, gemeint: Verordnung (EU) Nr. 347/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2013, bislang keine Judikatur des VwGH, was insbesondere für das Verhältnis zwischen den energiewirtschaftlichen Interessen und den öffentlichen Interessen des Naturschutzes gelte, ist zu erwidern, dass gemäß Art. 19 zweiter Absatz dieser Verordnung die Bestimmungen nach Kapitel III der Verordnung - darin (vgl. Art. 7) ist der "Vorrangstatus" von Vorhaben von gemeinsamem Interesse normiert - nicht für Vorhaben von gemeinsamem Interesse im Genehmigungsverfahren, für die ein Vorhabenträger vor dem 16. November 2013 Antragsunterlagen eingereicht hat, gelten. Da im Revisionsfall der Genehmigungsantrag von der Revisionswerberin vor diesem Tag eingebracht worden ist, finden die Bestimmungen des genannten Kapitels der Verordnung auf den Revisionsfall keine Anwendung. Damit ist nicht zu erkennen, inwieweit die Frage des Verhältnisses zwischen den in dieser Verordnung statuierten energiewirtschaftlichen Interessen und den öffentlichen Interessen des Naturschutzes eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG darstellen soll. Im Übrigen begründet der bloße Umstand, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu einem vergleichbaren Sachverhalt oder einer bestimmten Rechtsnorm fehlt, für sich allein noch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 23. September 2014, Ro 2014/01/0033). In diesem Zusammenhang sei noch bemerkt, dass sich das Bundesverwaltungsgericht mit dieser Verordnung auseinandergesetzt und diesbezüglich ausgeführt hat, dass, wenn auch die Vorrangwirkung ("Vorrangstatus" im vorgenannten Sinn) gemäß Art. 19 der Verordnung nicht gelte, die Aufnahme des geplanten Vorhabens in die Liste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse der Verordnung bereits für sich ein hohes öffentliches Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens festlege, sodass es implizit bei seiner Interessenabwägung auf diese Verordnung Bedacht genommen hat.
Auch mit dem Vorbringen, das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes stehe in Widerspruch zur UVPrechtlichen Judikatur des VwGH, eine Alternativenprüfung sei nur dann durchzuführen, wenn sie explizit im Gesetz vorgesehen sei, und es sei bei Projekten betreffend Starkstromfreileitungen bislang stets abgelehnt worden, deren Genehmigungsfähigkeit an den Umweltauswirkungen zu messen, legt die Revision keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG dar. So ist aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Erkenntnisses nicht abzuleiten, dass die beantragte Genehmigung deshalb versagt worden sei, weil eine "umweltverträglichere" Trasse existiere. Die Bedachtnahme im Erkenntnis auf etwaige Alternativen wurde im Rahmen der rechtlichen Beurteilung nur insoweit aufgegriffen, als Art. 10 Abs. 2 des Energieprotokolls (gemeint: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Energie Protokoll "Energie", BGBl. III Nr. 237/2002 idF BGBl. III Nr. 110/2005) festlegt, dass bei Bauten von (u.a.) Stromleitungen und der entsprechenden Netzstationen soweit als möglich bestehende Strukturen und Leitungsverläufe zu benutzen sind (zur Frage naturschutzrechtlicher Interessenkonflikte vgl. etwa Matthias Köhler, Naturschutzrecht 33 f). Im Übrigen ist das Revisionsvorbringen, dass das Erkenntnis in Widerspruch zur hg. Judikatur stehe, auch deshalb nicht zielführend, weil das Bundesverwaltungsgericht den Genehmigungsantrag der Revisionswerberin - wie bereits dargelegt - nicht auf Grund des Vorliegens einer "umweltverträglicheren" Trassenalternative, sondern auf Grund des überwiegenden öffentlichen Interesses am Natur- und Landschaftsschutz abgewiesen hat.
Wie bereits erwähnt, begründet der bloße Umstand, dass zu einer bestimmten Regelung keine hg. Judikatur besteht, noch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Schon deshalb ist auch das nicht weiter konkretisierte Vorbringen zum Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, dass es zu Art. 10 Energieprotokoll keine einschlägige Judikatur gebe, nicht zielführend.
Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Gemäß § 21 Abs. 1 Z 4 VwGG sind auch die dritt- und die siebtmitbeteiligte Partei im vorliegenden Revisionsverfahren, weil sie durch eine Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses in ihren rechtlichen Interessen berührt wären.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 24. Februar 2015
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