Normen
BauRallg
ROG Slbg 2009 §14
ROG Slbg 2009 §14 Abs3
ROG Slbg 2009 §15
ROG Slbg 2009 §16
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023060064.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B‑VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B‑VG).
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit Schriftsatz vom 6. April 2020 regten die Revisionswerberinnen an, die Salzburger Landesregierung möge für näher genannte Grundstücke gemäß § 14 Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 (ROG 2009) eine Standortverordnung für Handelsgroßbetriebe mit einer Gesamtverkehrsfläche von 55.250 m2 erlassen.
5 Nachdem eine solche Standortverordnung nicht erlassen worden war, brachten die Revisionswerberinnen die Säumnisbeschwerde vom 25. Oktober 2022 ein.
6 Diese wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig zurück und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.
Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zufolge (Hinweis auf VfGH 12.12.2016, V 49/2015) komme es durch die überörtliche Raumplanung nicht zu einem unmittelbaren Eingriff in die Rechtssphäre von Liegenschaftseigentümern, weshalb die Nichterlassung einer (passenden) Standortverordnung nicht im Rechtsweg durch Beschwerde an das LVwG bekämpft werden könne, sondern erst im Zuge des Bauverfahrens.
Darüber hinaus sei die Eingabe vom 6. April 2020 von der rechtskundigen Rechtsvertreterin der Revisionswerberinnen nicht als Antrag, sondern als „Anregung“ formuliert und nicht auf eine bescheidmäßige Erledigung gerichtet; diese könne nicht als Antrag gedeutet werden. Somit läge im gegenständlichen Fall kein Antrag auf Erlassung einer Standortverordnung vor, sodass diesbezüglich auch keine Säumnis habe eintreten können.
7 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird einerseits ein Abweichen des angefochtenen Beschlusses von der hg. Rechtsprechung bezüglich eines Antragsrechts auf Verordnungserlassung aufgrund des Rechtsstaatsprinzips (Hinweis insbesondere auf VwGH 28.5.2015, Ro 2014/07/0096; 28.1.2021, Ro 2019/02/0017) und andererseits ein Fehlen von hg. Rechtsprechung zur Frage, ob ein Anspruch auf Erlassung einer Standortverordnung gemäß § 14 ROG 2009 samt Rechtsschutzmöglichkeiten bestehe, vorgebracht.
8 Gegen die Alternativbegründung im angefochtenen Beschluss, wonach die Eingabe vom 6. April 2020 von der rechtskundigen Rechtsvertreterin der Revisionswerberinnen nicht als Antrag, sondern als „Anregung“ formuliert sei, nicht auf eine bescheidmäßige Erledigung gerichtet sei und nicht als Antrag gedeutet werden könne, bringen die Revisionswerberinnen in der Zulässigkeitsbegründung nichts vor. Die Revision ist daher schon deshalb zurückzuweisen, weil Sie nicht aufzeigt, dass im Zusammenhang mit der Alternativbegründung des angefochtenen Erkenntnisses eine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegt. Im Übrigen ist Folgendes festzuhalten:
9 § 14 Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 (ROG 2009), LGBl. Nr. 30/2009 idF LGBl. Nr. 82/2017, lautet auszugsweise:
„Standortverordnungen für Handelsgroßbetriebe
§ 14
(1) Standortverordnungen für Handelsgroßbetriebe werden von der Landesregierung erlassen und legen fest, dass die Verwendung von Flächen in einer Gemeinde für Handelsgroßbetriebe vom Standpunkt der überörtlichen Raumplanung des Landes zulässig ist. Solche Standortverordnungen haben sich auf bestimmte Grundflächen zu beziehen und das Höchstausmaß der Gesamtverkaufsflächen und die zulässigen Kategorien der Handelsgroßbetriebe festzulegen. Zur Verwirklichung überörtlicher Entwicklungsziele kann in solchen Standortverordnungen unter Beachtung der für die Raumordnung maßgeblichen Verhältnisse auch ein raumverträgliches Mindestmaß an baulicher Ausnutzbarkeit der Grundflächen festgelegt werden.
(2) Standortverordnungen für Handelsgroßbetriebe dürfen nur in Übereinstimmung mit den Raumordnungszielen und -grundsätzen erlassen werden. Darüber hinaus kommt bei Handelsgroßbetrieben mit zentrumsrelevantem Warensortiment die Erlassung einer Standortverordnung nur in Betracht, wenn
1. das Vorhaben mit der überörtlichen Funktion der Gemeinde im Hinblick auf die Versorgung mit Gütern in Einklang steht und
2. auf Grund des Vorhabens keine maßgeblich nachteiligen Auswirkungen auf die Verwirklichung des Raumordnungsziels der Revitalisierung und Stärkung der Orts- und Stadtkerne zu erwarten sind.
(3) Die Entscheidungen über die Erlassung von Standortverordnungen sind im Hinblick auf die Auswirkungen der angestrebten höchstzulässigen Gesamtverkaufsflächen auf die Verkehrsstrukturen, die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen sowie Erwerbsmöglichkeit, den sparsamen Umgang mit Grund und Boden, die weitere Entwicklung der gewachsenen Lebensräume unter besonderer Berücksichtigung des Prinzips der gestreuten Schwerpunktbildung zu treffen. Im Fall von Handelsagglomerationen ist dabei jeweils von den Gesamtauswirkungen auszugehen.
(4) ...“
In den Erläuterungen (Nr. 307 der Beilagen zum stenographischen Protokoll des Salzburger Landtages; 5. Session der 15. GP, S 56 f) wird zu Abs. 3 ausgeführt:
„Im Abs 3 wird jedoch klargestellt, dass die Standortprüfung kein Projektgenehmigungsverfahren darstellt, sondern bei Handelsagglomerationen der kumulative Charakter der Auswirkungen auf den Raum abzuschätzen ist. In die Beurteilung sind daher nicht nur die raumrelevanten Auswirkungen des eigentlichen Vorhabens, sondern auch die des in räumlicher Nähe befindlichen Bestandes einzubeziehen, wobei dazu auch raumordnungsrechtlich zulässige, aber noch nicht errichtete Handelsgroßbetriebe zählen.“
10 Die Revisionswerberinnen argumentieren in der Zulässigkeitsbegründung zunächst, eine Standortverordnung gemäß § 14 ROG 2009 knüpfe ausschließlich an die Eigenschaften eines konkreten Vorhabens an; sowohl aufgrund der Stellung dieser Bestimmung im 2. Teil des 2. Abschnittes des ROG 2009 („Raumverträglichkeitsprüfungen“) als auch aufgrund deren Inhaltes handle es sich um ein Projektgenehmigungsverfahren.
Dem steht der klare Wortlaut dieser Bestimmung, insbesondere dessen Abs. 3, entgegen, der durch die Erläuterungen noch verdeutlicht wird. Auch das Argument der systematischen Interpretation überzeugt nicht, weil eine Raumverträglichkeitsprüfung immer die Beurteilung überörtlicher Interessen, nicht nur des jeweiligen Betriebsstandortes, zum Gegenstand hat (vgl. etwa die §§ 15 und 16 ROG 2009 betreffend die Raumverträglichkeitsprüfung für Abfallbehandlungsanlagen und für Seveso-Betriebe).
11 Den in der Zulässigkeitsbegründung zitierten hg. Entscheidungen (VwGH 28.5.2015, Ro 2014/07/0096; 28.1.2021, Ro 2019/02/0017) lagen Sachverhalte zugrunde, die mit dem gegenständlich zu beurteilenden nicht vergleichbar sind. Im ersten Fall betreffend das Immissionsschutzgesetz-Luft setzte sich der VwGH ausführlich mit den unionsrechtlichen Vorgaben sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH auseinander und leitete daraus ein Recht von natürlichen Personen, die unmittelbar von der Überschreitung von unionsrechtlich verbindlich festgelegten Grenzwerten betroffen sind, auf Erlassung von Luftqualitätsplänen durch die nationalen Behörden ab. Eine vergleichbare unionsrechtliche Grundlage betreffend die Erlassung einer Standortverordnung gemäß § 14 ROG 2009 wird in der Zulässigkeitsbegründung nicht vorgebracht und ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht erkennbar.
Die zweite zitierte Entscheidung (Ro 2019/02/0017) betrifft die Errichtung eines Behindertenparkplatzes durch Verordnung gemäß § 43 Abs. 1 lit. d Straßenverkehrsverordnung 1960. Der Verwaltungsgerichtshof ging in verfassungskonformer Interpretation dieser Bestimmung unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung behinderter Personen gemäß Art. 7 Abs. 1 B‑VG bei Vorliegen der Voraussetzungen von einem subjektiven Recht von Menschen mit Behinderung auf Erlassung eines entsprechenden Halteverbotes beziehungsweise ‑ sofern die Voraussetzungen nicht vorliegen - auf Erlassung eines (negativen) Bescheides aus. Auch diesbezüglich zeigte die Revision nicht auf, inwiefern diese Argumentation auf den vorliegenden Fall übertragbar sein könnte.
12 Wenn die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig ist, liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht vor, und zwar selbst dann nicht, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt (vgl. etwa VwGH 20.10.2022, Ra 2022/06/0226, Rn. 8, mwN).
Aus dem Wortlaut des § 14 ROG 2009 und den dazu ergangenen Erläuterungen ist klar ersichtlich, dass der Landesgesetzgeber die Erlassung einer Standortverordnung für Handelsgroßbetriebe nur im Einklang mit der überörtlichen Raumplanung sowie nach Prüfung der Interessen der Gemeinde (überörtliche Funktion im Hinblick auf die Versorgung von Gütern bzw. Revitalisierung und Stärkung der Orts- und Stadtkerne) vorsah und die Standortprüfung kein Projektgenehmigungsverfahren darstellt. Angesichts dessen und mangels Übertragbarkeit der in der Zulässigkeitsbegründung zitierten hg. Entscheidungen auf den vorliegenden Fall wurde in der Revision auch im Hinblick auf die Hauptbegründung des angefochtenen Beschlusses nicht aufgezeigt, das das LVwG von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach niemandem ein in einem Verwaltungsverfahren durchsetzbares Recht auf Erlassung einer bestimmten Verordnung zukommt (vgl. etwa VwGH 17.5.2022, Ra 2022/06/0019; Rn. 14, mwN), abgewichen wäre.
13 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 10. Mai 2023
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