VwGH Ra 2022/20/0340

VwGHRa 2022/20/034029.11.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann‑Preschnofsky, in den Rechtssachen der Revisionen 1. des S T, und 2. der M N, beide vertreten durch Dr. Sebastian Siudak, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Blütenstraße 15/5/5.13, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts je vom 18. August 2022, 1. L512 2207217‑1/44E und 2. L512 2207215‑1/43E, jeweils betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022200340.L00

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet und Staatsangehörige des Iran. Sie reisten rechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellten ‑ nach ihrer Weiterreise nach Deutschland und der erfolgten Rücküberstellung nach Österreich ‑ am 24. November 2017 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2 Mit den Bescheiden je vom 26. September 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diese Anträge sowohl hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status von Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten ab. Weiters wurden den revisionswerbenden Parteien keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen sie Rückkehrentscheidungen erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Iran zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde jeweils mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Die dagegen von den revisionswerbenden Parteien erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit den angefochtenen Erkenntnissen vom 18. August 2022 als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht jeweils aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

4 Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen an ihn erhobenen Beschwerden mit Beschluss vom 20. September 2022, E 2395‑2396/2022‑5, ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurden die gegenständlichen Revisionen eingebracht.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 In der Begründung zur Zulässigkeit ihrer Revisionen wenden sich revisionswerbenden Parteien unter mehreren Aspekten gegen die beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts, mit dem dieses dem Vorbringen der Revisionswerber zum Vorliegen eines gelebten „westlich“ orientierten Lebensstils der Zweitrevisionswerberin, zum Abfall vom Islam beider Revisionswerber sowie zur politischen Aktivität des Erstrevisionswerbers und der jeweils daraus resultierenden Verfolgung im Herkunftsstaat die Glaubwürdigkeit abgesprochen hat.

9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 13.10.2022, Ra 2022/20/0287, mwN). Der ‑ zur Rechtskontrolle berufene ‑ Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 26.9.2022, Ra 2022/20/0133 bis 0136, mwN).

10 Die Revisionen begegnen in ihrem Zulässigkeitsvorbringen den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in erster Linie damit, ihre eigene Beurteilung in mehreren Aspekten an die Stelle jener des Verwaltungsgerichts zu setzen. Das auf der Richtigkeit der anderslautenden eigenen sachverhaltsbezogenen Prämisse aufbauende Vorbringen in der Begründung für die Zulässigkeit der Revisionen ist jedoch nicht geeignet ist, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen (vgl. zum Nichtvorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, wenn sich das Zulässigkeitsvorbringen vom festgestellten Sachverhalt entfernt, VwGH 30.9.2022, Ra 2022/20/0291, mwN).

11 Im Gesamten zeigen die Revisionen nicht auf, dass die beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wären. Darauf, ob die vorliegenden Beweise auch andere Feststellungen zugelassen hätten, kommt es nach der oben zitierten Rechtsprechung im Revisionsverfahren nicht an.

12 Soweit die revisionswerbenden Parteien pauschal im Zusammenhang mit der „westlichen“ Orientierung der Zweitrevisionswerberin und des behaupteten Abfalls vom Islam eine Aktenwidrigkeit der Feststellungen behaupten, ist ihnen zu entgegnen, dass eine solche nur vorläge, wenn der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben worden wäre bzw. wenn sich das Verwaltungsgericht bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hätte, nicht aber, wenn Feststellungen getroffen werden, die auf Grund der Beweiswürdigung oder einer anders lautenden rechtlichen Beurteilung mit den Behauptungen einer Partei nicht übereinstimmen (vgl. VwGH 27.1.2022, Ra 2022/20/0005, mwN). Eine solche Aktenwidrigkeit legen die revisionswerbenden Parteien, die sich der Sache nach vielmehr gegen die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts wenden, nicht dar.

13 Wenn die revisionswerbenden Parteien im Zulässigkeitsvorbringen ferner anführen, das Bundesverwaltungsgericht habe weitere Fragen an die Zweitrevisionswerberin im Zusammenhang mit ihrer Lebensweise nicht gestellt, Argumente nicht ausreichend begründet und das Verwaltungsgericht sei betreffend die regimekritische Aktivität des Erstrevisionswerbers im Iran seiner amtswegigen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, machen sie Verfahrensmängel geltend.

14 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, ist auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel darzutun, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen (vgl. VwGH 30.5.2022, Ra 2021/20/0233, mwN). Eine derartige Relevanzdarstellung enthält die Zulässigkeitsbegründung der Revisionen ebenso wenig wie die Darlegung, weshalb das Verwaltungsgericht von der Notwendigkeit weiterer Erhebungen hätte ausgehen müssen.

15 In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 29. November 2022

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