Normen
AVG §56
AVG §68 Abs1
BauO Tir 2022 §2 Abs29
GVG Tir 1996 §11 Abs1
GVG Tir 1996 §11 Abs3
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022110113.L00
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 4 VwGG dahin abgeändert, dass der Beschwerde der Revisionswerber gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 25. Jänner 2022, MagIbk/35275/GV‑ÜP/2/4, Folge gegeben und dieser Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos aufgehoben wird.
Das Land Tirol hat den Revisionswerbern Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1.1. Mit Kaufvertrag vom 24. Mai 2011 erwarben die Revisionswerber eine näher bezeichnete Liegenschaft in I.
2 Mit Anzeige vom 22. Juni 2011 erklärten die Revisionswerber, dass dieses Grundstück binnen fünf Jahren nach Eigentumserwerb „bebaut wird“.
3 Mit Schreiben vom 7. Juli 2011 bestätigte die belangte Behörde gemäß § 25a Abs. 2 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (im Folgenden: TGVG) die erfolgte Anzeige.
4 Mit Schreiben vom 4. Jänner 2016 beantragten die Revisionswerber eine Verlängerung der Bebauungsfrist um fünf Jahre.
5 Mit Bescheid vom 26. Jänner 2016 gab die belangte Behörde dem Antrag gemäß § 11 Abs. 3 TGVG statt und sprach Folgendes aus:
„Die gesetzlich vorgesehene Frist von fünf Jahren, innerhalb welcher das Gst. [...] dem der Flächenwidmung entsprechenden Verwendungszweck zugeführt werden muss, wird um fünf Jahre auf insgesamt zehn Jahre verlängert. Somit muss mit der Bauführung ‑ abgesehen von einer allfälligen aus raumordnungsrechtlichen Gründen erzwungenen Fristunterbrechung ‑ bis spätestens 07.07.2021 begonnen werden.“
6 Mit Bescheid vom 1. September 2020 wurde den Revisionswerbern auf Grundlage der Tiroler Bauordnung 2018 die Bewilligung zum Neubau eines Wohnhauses auf dem gegenständlichen Grundstück erteilt.
7 1.2. Mit Bescheid vom 25. Jänner 2022 stellte die belangte Behörde gemäß § 11 Abs. 3 TGVG fest, dass das gegenständliche Grundstück „dem der Flächenwidmung entsprechenden Verwendungszweck, die Bebauung des Grundstückes“, innerhalb der festgelegten Frist nicht zugeführt worden sei.
8 1.3. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerber ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
9 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung zu Grunde, das gegenständliche Grundstück sei im Flächenwidmungsplan als Bauland ausgewiesen. Den Revisionswerbern sei mit Bescheid vom 1. September 2020 die baubehördliche Bewilligung für den Neubau eines Wohnhauses erteilt worden. Dieses Wohnhaus sei „bisher“ noch nicht errichtet, dafür folgende Arbeiten vorgenommen worden: Erdarbeiten, Aushub und Herstellen der erforderlichen Betoneinzelfundamente und Plattenfundament, Herstellen der erforderlichen Stützmauern, Graben und Versetzen eines neuen Schachtes, Vorbereiten der Ver- und Entsorgung des geplanten Bauvorhabens. Darüber hinaus sei das Grundstück mit entsprechenden Hinweisen, dass es sich um eine Baustelle handle, deutlich gekennzeichnet und abgegrenzt worden.
10 Zur anwendbaren Rechtslage führte das Verwaltungsgericht aus, durch die Übergangsbestimmung des § 40 Abs. 1 TGVG seien die bereits laufenden Fristen für die Bebauung, die bis zum Inkrafttreten der Novelle LGBl. Nr. 95/2016 am 1. Oktober 2016 fünf Jahre betragen hätten, auf zehn Jahre verlängert worden, wenn sie bei Inkrafttreten dieser Novelle noch nicht abgelaufen waren. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich jedoch, dass Fälle, in welchen die fünfjährige Bebauungsfrist bescheidmäßig bereits verlängert worden sei, nicht unter diese Bestimmung fielen. Im vorliegenden Fall sei eine solche Verlängerung (gemeint: durch den Bescheid vom 26. Jänner 2016) bereits erfolgt, weswegen § 40 Abs. 1 TGVG nicht zur Anwendung gelange.
11 § 11 Abs. 3 TGVG ziele darauf ab, zu verhindern, dass ein raumordnungspolitisch unerwünschter Zustand, nämlich eine dem Flächenwidmungsplan widersprechende Nutzung, verlängert werde. Bei den Regelungen des TGVG zum Baulandgrundverkehr gehe es darum, dass unbebaute Baugrundstücke einer Bebauung zugeführt würden. Im Spruch des Bescheides sei ausdrücklich davon die Rede, dass das gegenständliche Grundstück innerhalb der gesetzlichen Frist dem der Flächenwidmung entsprechenden Verwendungszweck zugeführt, „also bebaut“ werden müsse. Wenn im Spruch weiters festgehalten werde, dass bis zum Ablauf der zehnjährigen Frist „mit der Bauführung begonnen“ werden müsse, könne daraus vor dem Hintergrund der gesetzlichen Zielsetzung nicht abgeleitet werden, dass die Bebauungsverpflichtung bereits mit dem Beginn des Bauvorhabens erfüllt sei, ohne dass es darauf ankomme, ob dieses Bauvorhaben jemals vollendet werde. Dies würde nicht nur Sinn und Zweck der Regelungen über den Baulandgrundverkehr diametral zuwiderlaufen, sondern sei auch nicht mit dem Verlängerungsbescheid vom 26. Jänner 2016 in Einklang zu bringen, wenn man sich den Spruch dieses Bescheides in seiner Gesamtheit und nicht nur reduziert auf dessen zweiten Satz vor Augen führe.
12 Unabhängig von der Frage, ob die bisherigen Arbeiten tatsächlich als „Beginn der Bauführung“ einzustufen seien, sei das gegenständliche Grundstück unstrittig nach wie vor nicht mit dem baubehördlich bewilligten Wohnhaus bebaut.
13 Sache des gegenständlichen Verfahrens sei lediglich die Feststellung gemäß § 11 Abs. 3 erster Satz TGVG, dass die Frist für die Bebauung des Grundstücks abgelaufen sei, ohne dass innerhalb dieser Frist eine Bebauung erfolgt sei. Davon zu unterscheiden seien die in § 11 Abs. 3 zweiter bis vierter Satz TGVG vorgesehenen Folgen einer solchen Feststellung, bei denen es auch auf das Vorliegen von Umständen, die ohne Verschulden der Revisionswerber eingetreten seien, ankomme. Die von den Revisionswerbern vorgebrachten Hindernisse für eine zeitgerechte Bebauung seien daher nicht im gegenständlichen Feststellungsverfahren zu klären, sondern gegebenenfalls im Rahmen der Entscheidung über ein Absehen von der Versteigerung zu berücksichtigen.
14 Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe verzichtet werden können, da die Frage des Fristablaufs eine Rechtsfrage darstelle.
15 1.4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, welche das Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten vorlegte. Im Vorverfahren erstattete die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
16 2.1. Das Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996, LGBl. Nr. 61, in der im Zeitpunkt der Erklärung der Revisionswerber und der Bestätigung der Anzeige durch die Grundverkehrsbehörde maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 30/2011, lautete (auszugsweise):
„3. Abschnitt
Rechtserwerbe an Baugrundstücken
§ 9
Erklärungspflicht
(1) Rechtsgeschäfte, die den Erwerb eines der folgenden Rechte an Baugrundstücken zum Gegenstand haben, bedürfen einer Erklärung nach § 11 Abs. 1 oder 2:
a) den Erwerb des Eigentums;
...
§ 11
Inhalt der Erklärung, Frist für die Bebauung
...
(2) Beim Rechtserwerb an einem unbebauten Baugrundstück hat der Rechtserwerber zu erklären, dass
...
b) das Grundstück innerhalb der Frist nach Abs. 3 dem der Flächenwidmung entsprechenden Verwendungszweck zugeführt, insbesondere bebaut, werden soll, es sei denn, dass das Grundstück aufgrund seiner Größe, Form oder Lage einer geordneten Bebauung nicht zugänglich ist.
(3) Ein unbebautes Baugrundstück ist innerhalb von fünf Jahren ab der Ausstellung der Bestätigung nach § 25a Abs. 2 dem der Flächenwidmung entsprechenden Verwendungszweck zuzuführen. Ist das Grundstück demnach mit einem Gebäude zu bebauen, so gilt die Errichtung eines Gebäudes von untergeordneter Bedeutung, wie einer Garage, eines Geräteschuppens, eines Bienenhauses, eines Gartenhäuschens und dergleichen, nicht als Bebauung. Die Grundverkehrsbehörde kann auf Antrag des Rechtserwerbers die im ersten Satz bestimmte Frist im erforderlichen Ausmaß einmalig verlängern, wenn besonders berücksichtigungswürdige Gründe hierfür vorliegen. Bescheide über die Verlängerung der Frist sind auch dem Landesgrundverkehrsreferenten zuzustellen, der dagegen Berufung erheben kann.
(4) Wird ein unbebautes Baugrundstück nicht innerhalb der Frist nach Abs. 3 dem der Flächenwidmung entsprechenden Verwendungszweck zugeführt, insbesondere bebaut, so hat die Grundverkehrsbehörde dies mit schriftlichem Bescheid festzustellen. Nach dem Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides ist das Grundstück auf Antrag der für das Land Tirol einschreitenden Grundverkehrsbehörde vom Gericht in sinngemäßer Anwendung des § 352 der Exekutionsordnung zu versteigern. Der Verpflichtete ist vom Bieten ausgeschlossen. Die Grundverkehrsbehörde kann vom Antrag auf Versteigerung absehen, wenn der Verlust des Eigentums für den Verpflichteten aufgrund von Umständen, die ohne sein Verschulden eingetreten sind, eine unbillige Härte bedeuten würde. Der hierüber ergehende Bescheid ist auch dem Landesgrundverkehrsreferenten zuzustellen, der dagegen Berufung erheben kann.
...
8. Abschnitt
Verfahren
§ 23
Anzeigepflicht
(1) Jedes Rechtsgeschäft und jeder Rechtsvorgang, das (der) nach den §§ 4, 9 und 12 Abs. 1 der Genehmigungspflicht bzw. der Erklärungspflicht unterliegt, ist vom Rechtserwerber binnen acht Wochen nach Abschluss des betreffenden Rechtsgeschäftes oder Rechtsvorganges der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Sprengel das betreffende Grundstück liegt, schriftlich anzuzeigen; dies gilt nicht im Falle des § 15 erster Satz. ...
(2) Der Anzeige sind die zur Beurteilung des Vorliegens der Genehmigungsvoraussetzungen oder einer Ausnahme von der Genehmigungspflicht bzw. die zur Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Bestätigung der Anzeige eines erklärungspflichtigen Rechtserwerbes oder die Bestätigung, dass ein Rechtserwerb nicht der Erklärungspflicht unterliegt, erforderlichen Angaben sowie die zum Nachweis der Richtigkeit dieser Angaben erforderlichen Unterlagen anzuschließen.
Insbesondere sind anzuschließen:
...
g) beim Rechtserwerb an einem unbebauten Baugrundstück die persönliche Erklärung des Rechtserwerbers, dass
...
2. das Grundstück innerhalb der Frist nach § 11 Abs. 3 dem der Flächenwidmung entsprechenden Verwendungszweck zugeführt, insbesondere bebaut, werden soll, es sei denn, dass das Grundstück aufgrund seiner Größe, Form oder Lage einer geordneten Bebauung nicht zugänglich ist;
...
§ 25a
Bestätigung über Ausnahmen von der Erklärungspflicht, Bestätigung der Anzeige
...
(2) Erfüllt die Anzeige über einen Rechtserwerb an einem Baugrundstück die Erfordernisse nach § 23, so hat die Grundverkehrsbehörde eine Bestätigung über die erfolgte Anzeige auszustellen.
...“
17 2.2. Im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 26. Jänner 2016 über die Verlängerung der Bebauungsfrist stand § 11 TGVG (in der Fassung LGBl. Nr. 130/2013) in den entscheidungsmaßgeblichen Punkten inhaltlich unverändert in Geltung.
18 2.3. Durch die Novelle LGBl. Nr. 95/2016 wurde die fünfjährige Bebauungsfrist nach § 11 TGVG bei gleichzeitigem Entfall der Verlängerungsmöglichkeit durch eine zehnjährige Frist ersetzt und die Absatzgliederung dieses Paragraphen geändert. Darüber hinaus blieb diese Bestimmung im hier maßgeblichen Zusammenhang inhaltlich im Wesentlichen unverändert.
19 2.4. Das Verwaltungsgericht hatte die im Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgebliche Rechtslage zu Grunde zu legen (vgl. VwGH 22.6.2017, Ra 2017/11/0077, Rn. 16), das war das TGVG in der Fassung LGBl. Nr. 204/2021. Dieses lautet (auszugsweise):
„§ 11
Inhalt der Erklärung, Frist für die Bebauung
(1) Beim Rechtserwerb an einem Grundstück nach § 9 Abs. 1 hat der Rechtserwerber zu erklären, dass das Grundstück innerhalb der Frist nach Abs. 2 dem der Flächenwidmung entsprechenden Verwendungszweck zugeführt, insbesondere bebaut, werden soll, es sei denn, dass das Grundstück aufgrund seiner Größe, Form oder Lage einer geordneten Bebauung nicht zugänglich ist.
(2) Ein unbebautes Baugrundstück ist innerhalb folgender Fristen dem der Flächenwidmung entsprechenden Verwendungszweck zuzuführen:
a) wenn der Rechtserwerb an einem unbebauten Baugrundstück im Gewerbe- und Industriegebiet im Sinn des § 39 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 oder in jenen Teilen von Mischgebieten, für die eine Festlegung nach § 40 Abs. 6 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 vorliegt, zum Zweck der Erweiterung einer gewerblichen oder industriellen Anlage erfolgt und das Grundstück hierfür geeignet ist, eine hierfür angemessene Fläche aufweist und an ein Grundstück im Eigentum des Erwerbers unmittelbar angrenzt oder zumindest in der unmittelbaren Nähe zu diesem liegt, innerhalb von 20 Jahren,
b) in allen anderen Fällen innerhalb von zehn Jahren.
Die Fristen nach lit. a und b beginnen ab dem Eingang der Anzeige nach § 23 Abs. 1 bei der Grundverkehrsbehörde zu laufen, im Fall des Rechtserwerbs an Grundstücken, die innerhalb der im örtlichen Raumordnungskonzept nach § 31 Abs. 1 lit. d und e des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 zur Befriedigung des Wohnbedarfes und für Zwecke der Wirtschaft festgelegten baulichen Entwicklungsbereiche liegen, jedoch erst mit dem Vorliegen der entsprechenden Flächenwidmung. Zeiträume, in denen es aufgrund raumordnungsrechtlicher Bestimmungen nicht zulässig ist, das Grundstück dem der Flächenwidmung entsprechenden Verwendungszweck zuzuführen, sind in diese Fristen nicht einzurechnen. Ist das Grundstück nach der entsprechenden Flächenwidmung mit einem Gebäude zu bebauen, so gilt die Errichtung eines Gebäudes von untergeordneter Bedeutung im Sinn des § 2 Abs. 3 zweiter Satz nicht als Bebauung.
(3) Wird ein unbebautes Baugrundstück nicht innerhalb der Frist nach Abs. 2 dem der Flächenwidmung entsprechenden Verwendungszweck zugeführt, insbesondere bebaut, oder entgegen einer Vereinbarung nach § 6 Abs. 10 lit. c nicht innerhalb der Frist nach Abs. 2 lit. b ab dem Vorliegen der entsprechenden Flächenwidmung für Zwecke des geförderten Wohnbaus verwendet, so hat die Grundverkehrsbehörde dies mit schriftlichem Bescheid festzustellen. Nach dem Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung ist das Grundstück auf Antrag der für das Land Tirol einschreitenden Grundverkehrsbehörde vom Gericht in sinngemäßer Anwendung des § 352 der Exekutionsordnung zu versteigern. Der Verpflichtete ist vom Bieten ausgeschlossen. Die Grundverkehrsbehörde kann vom Antrag auf Versteigerung absehen, wenn der Verlust des Eigentums für den Verpflichteten aufgrund von Umständen, die ohne sein Verschulden eingetreten sind, eine unbillige Härte bedeuten würde.
...
§ 40
Übergangsbestimmung
(1) Ist am 1. Oktober 2016 die Frist von fünf Jahren nach § 11 Abs. 3 erster Satz in der Fassung des Gesetzes LGBl. Nr. 130/2013 noch nicht abgelaufen, so verlängert sich diese Frist auf zehn Jahre, gerechnet ab der Ausstellung der Bestätigung nach § 25a Abs. 2.
...“
20 3. Die Revision ist zulässig, weil sie zutreffend vorbringt, das Verwaltungsgericht habe bei der Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Feststellung, dass die Revisionswerber das Grundstück nicht dem der Flächenwidmung entsprechenden Zweck zugeführt hätten, die materielle Rechtskraft des Verlängerungsbescheides vom 26. Jänner 2016 außer Acht gelassen.
21 4. Die Revision ist auch begründet.
22 4.1. Im Revisionsfall ist unstrittig, dass es sich beim gegenständlichen Grundstück um ein unbebautes Baugrundstück iSd. 3. Abschnitts des TGVG handelt, welches als Bauland (Wohngebiet) gewidmet ist.
23 Das TGVG sieht für Rechtserwerbe an unbebauten Baugrundstücken keine grundverkehrsbehördliche Genehmigungs- oder Bewilligungspflicht vor. Solche Rechtsgeschäfte, wozu wie im Revisionsfall der Eigentumserwerb zählt, bedürfen vielmehr der gemäß §§ 9 und 11 TGVG abzugebenden Erklärung des Rechtserwerbers, dass das Grundstück innerhalb einer gesetzlich näher bestimmten Frist „dem der Flächenwidmung entsprechenden Verwendungszweck zugeführt, insbesondere bebaut, werden soll“. Wird dieser Verpflichtung nicht entsprochen, das unbebaute Baugrundstück also nicht innerhalb der Frist dem der Flächenwidmung entsprechenden Zweck zugeführt, insbesondere bebaut, hat die Grundverkehrsbehörde dies mit Bescheid festzustellen.
24 § 11 TGVG verweist auf die Flächenwidmung und damit auf den raumordnungsrechtlichen Verwendungszweck von Baugrundstücken, welcher gemäß § 35 Abs. 1 Tiroler Raumordnungsgesetz 2022 ‑ TROG 2022 durch die Widmung als Bauland festgelegt wird. Gemäß § 37 Abs. 2 TROG 2022 sind die Grundflächen im Bauland als Wohngebiet, Gewerbe- und Industriegebiet oder Mischgebiet zu widmen. § 38 TROG 2022 bestimmt, welche Gebäude im Wohngebiet errichtet werden dürfen, wozu gemäß Abs. 1 lit. a leg. cit. insbesondere Wohngebäude gehören. Der „der Flächenwidmung entsprechende Verwendungsweck“ iSd. § 11 TGVG einer als Bauland (Wohngebiet) gewidmeten Grundfläche ist demnach die Errichtung eines der genannten Gebäudes.
25 Vorauszuschicken ist zunächst, dass das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausging, dass die in der Übergangsbestimmung des § 40 Abs. 1 TGVG idF LGBl. Nr. 95/2016 vorgesehene Verlängerung der Bebauungsfrist nach § 11 Abs. 3 erster Satz TGVG von fünf auf zehn Jahre (vgl. zu dieser Bestimmung VwGH 22.6.2017, Ra 2017/11/0077) im Revisionsfall nicht zur Anwendung gelangte, weil die ursprünglich fünfjährige Bebauungsfrist bereits vor Inkrafttreten dieser Bestimmung mit Bescheid vom 26. Jänner 2016 (um weitere fünf Jahre) verlängert worden war.
26 4.2. Im Revisionsfall ist strittig, ob der Verpflichtung, das Grundstück „dem der Flächenwidmung entsprechenden Verwendungszweck zuzuführen“, mithin ein Gebäude zu errichten, schon mit dem Baubeginn entsprochen wird, oder ob das Gebäude dafür bereits errichtet sein muss. Die zuletzt genannte Auffassung hat das Verwaltungsgericht vertreten; die Revision steht auf dem gegenteiligen Standpunkt.
27 Die Frage kann hier jedoch dahinstehen: Die belangte Behörde hat im Spruch des Verlängerungsbescheides vom 26. Jänner 2016 die Bebauungsfrist nämlich nicht nur „um fünf Jahre auf insgesamt zehn Jahre verlängert“, sondern darüber hinaus auch Folgendes ausgesprochen: „Somit muss mit der Bauführung [...] bis spätestens 07.07.2021 begonnen werden.“
28 Selbst wenn das Verwaltungsgericht daher mit seiner Auffassung im Recht wäre, dass es nach § 11 TGVG für die Erfüllung der Bebauungspflicht auf die Errichtung des Gebäudes ankäme, wäre dies im vorliegenden Fall irrelevant. Nach dem eindeutigen und keine Zweifel offenlassenden Ausspruch im Spruch des ‑ rechtskräftigen ‑ Bescheides vom 26. Jänner 2016 war der grundverkehrsrechtlichen Bebauungspflicht im vorliegenden Fall nämlich bereits dann Genüge getan, wenn bis zum genannten Zeitpunkt (7. Juli 2021), welcher das Ende der um fünf Jahre verlängerten Frist darstellt, mit der Bauführung begonnen wurde. Ein rechtskräftiger Bescheid entfaltet nämlich selbst dann seine volle Rechtswirksamkeit, wenn er mit der objektiven Rechtslage in Widerspruch steht (vgl. etwa VwGH 25.3.1997, 96/05/0262; 30.6.2015, Ra 2015/06/0053; jeweils mwN). Ob dies hier der Fall ist, kann freilich dahinstehen.
29 Das Verwaltungsgericht hatte daher bei der Beurteilung gemäß § 11 Abs. 3 TGVG in der Fassung LGBl. Nr. 204/2021, ob die Revisionswerber das gegenständliche Baugrundstück innerhalb der für sie maßgeblichen Frist „dem der Flächenwidmung entsprechenden Verwendungszweck zugeführt, insbesondere bebaut“ haben, davon auszugehen, dass dieser Verpflichtung bereits dann Genüge getan war, wenn bis zum 7. Juli 2021 (also 10 Jahre nach Bestätigung der erfolgten Anzeige) mit der Bauführung begonnen wurde.
30 4.3. Gemäß § 2 Abs. 25 Tiroler Bauordnung 2022 ‑ TBO 2022 ist Baubeginn der Tag, an dem mit den Erd- oder Bauarbeiten, die der Herstellung der baulichen Anlage dienen, begonnen wird.
31 Im Revisionsfall stellte das Verwaltungsgericht fest, dass das baubehördlich bewilligte Wohnhaus zwar noch nicht errichtet worden sei, jedoch diverse Erdarbeiten und Baumaßnahmen, wie das Herstellen von Fundamenten, erfolgt seien. Nach der hg. Rechtsprechung gilt aber die Errichtung eines kleinen Teils des Fundaments schon als Baubeginn, wenn sie der Herstellung der (bewilligten) baulichen Anlage dient (vgl. VwGH 13.6.1985, 84/06/0111, 84/06/0187 [= VwSlg. 11.796 A], mwN), was hier offenkundig der Fall ist.
32 Wenn in der Revisionsbeantwortung der belangten Behörde vorgebracht wird, die Revisionswerber hätten einen Baubeginn nicht angezeigt und die Bauaktivitäten zwischenzeitlich wieder eingestellt, ist dem zu entgegnen, dass Sache des vorliegenden Verfahrens ausschließlich eine grundverkehrsrechtliche Fragestellung ist, während die Frage der Fortführung und Vollendung eines Bauvorhabens nach den Bestimmungen der TBO (vgl. § 35 betreffend das Erlöschen der Baubewilligung) zu beurteilen ist.
33 Die Voraussetzungen für die Feststellung, die Revisionswerber hätten das gegenständliche Baugrundstück nicht innerhalb der für sie maßgeblichen Frist dem der Flächenwidmung entsprechenden Verwendungszweck zugeführt, insbesondere bebaut, lagen somit nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat sein Erkenntnis durch diese Feststellung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
34 5. Da die Sache entscheidungsreif war und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 4 VwGG dahingehend abzuändern, dass der beim Verwaltungsgericht angefochtene Bescheid der belangten Behörde vom 25. Jänner 2022 ersatzlos aufgehoben wird.
35 6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 17. November 2023
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