VwGH Ra 2022/06/0066

VwGHRa 2022/06/006625.5.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des Mag. F S in I, vertreten durch Dr. Mag. Michael E. Sallinger und Dr. Christof Rampl, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21/III, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 4. Oktober 2021, LVwG‑2021/38/2408‑1, betreffend ein Benützungsverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtmagistrat der Stadt I; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

BauO Tir 2018 §46 Abs6

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022060066.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers gegen die mit Bescheid des Magistrates der Stadt I. (Behörde) vom 28. Juni 2021 erlassene Benützungsuntersagung betreffend eine näher bezeichnete bauliche Anlage in I. als unbegründet ab und erklärte eine ordentliche Revision für nicht zulässig.

Begründend führte das LVwG zusammengefasst aus, für die gegenständliche bauliche Anlage liege keine Baubewilligung vor, eine solche wäre aber erforderlich. Daher sei ein Beseitigungsauftrag gemäß § 38 Abs. 1 Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011) rechtskräftig (seit 31. Jänner 2018) erlassen worden. Ein Antrag auf eine nachträgliche Bewilligung der baulichen Anlage sei mit Bescheid der Behörde vom 26. März 2021 aufgrund eines Widerspruchs zum Flächenwidmungsplan abgewiesen worden. Das gegenständliche Benützungsverbot gemäß § 46 Abs. 6 lit. a TBO 2011 sei somit zu Recht erlassen worden.

Da der Revisionswerber den entscheidungswesentlichen Sachverhalt nicht bestritten habe, habe von der Durchführung der (beantragten) Verhandlung abgesehen werden können; auch die Vernehmung des Revisionswerbers und seiner Familie hätte an der geltenden Rechtslage nichts geändert.

5 Der Revisionswerber erhob zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 28. Februar 2022, E 4156/2021‑11, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

6 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision an den Verwaltungsgerichtshof rügt der Revisionswerber einen Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz, weil er nicht gehört worden sei und das LVwG keine Verhandlung anberaumt habe, die Verletzung von Verfahrensrechten sowie „einen erheblichen Stoffsammlungsmangel“.

7 Mit dem Vorbringen zum Unmittelbarkeitsgrundsatz, zur Verletzung von Verfahrensrechten sowie einem „erheblichen Stoffsammlungsmangel“ werden Verfahrensmängel behauptet, deren Relevanz bereits in der Zulässigkeitsbegründung aufzuzeigen wäre (vgl. etwa VwGH 24.3.2021, Ra 2021/01/0075; 6.12.2019, Ra 2017/06/0120, jeweils mwN). Eine solche Relevanzdarstellung erfolgte in den überwiegend allgemein gehaltenen Ausführungen jedoch nicht. Soweit der Revisionswerber sachverhaltsbezogen vorbringt, das LVwG hätte „die tatsächliche Bewohnung der gegenständlichen Liegenschaft (und auch die Anzahl der Bewohner und dergleichen)“ feststellen müssen, lässt er unberücksichtigt, dass bereits in der Beschwerde und auch nunmehr in der Revision wiederholt mit einer drohenden Unterstands- bzw. Obdachlosigkeit des Revisionswerbers und seiner Familie argumentiert wird; die Anzahl der die bauliche Anlage bewohnenden Personen ist unerheblich. Welche anderen „entscheidenden Punkte“ nicht ermittelt worden wären, lässt die Revision offen.

8 In Bezug auf § 24 Abs. 4 VwGVG erachtete der Verwaltungsgerichtshof unter Bedachtnahme auf die Rechtsprechung des EGMR eine Verhandlung nicht für erforderlich, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist, die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind und in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen wurden, deren Lösung eine Verhandlung erfordert hätte (vgl. etwa VwGH 12.4.2021, Ra 2021/03/0016, Rn. 21f, mwN).

Im Revisionsfall legte das LVwG seiner Entscheidung den vom Revisionswerber unbestrittenen Sachverhalt (Fehlen einer erforderlichen Baubewilligung, rechtskräftig erlassener Beseitigungsauftrag sowie Abweisung des Antrages auf nachträgliche Baubewilligung) zugrunde. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt stand somit fest. Liegen die Voraussetzungen gemäß § 46 Abs. 6 TBO 2011 zur Erteilung eines Benützungsverbotes vor, ist der Grund für das Abweichen von den Bauvorschriften unerheblich (vgl. sinngemäß VwGH 25.4.2018, Ra 2018/06/0044, ergangen zum Beseitigungsauftrag die verfahrensgegenständliche bauliche Anlage betreffend). Weitere (relevante) Rechts- oder Tatfragen wurden vom Revisionswerber nicht aufgeworfen. Es ist daher nicht ersichtlich, dass die Abstandnahme von der Durchführung einer Verhandlung durch das LVwG gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG im vorliegenden Fall zu Unrecht erfolgt sei (vgl. etwa VwGH 11.12.2020, Ra 2018/06/0247, Rn. 20, mwN).

9 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

10 Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 25. Mai 2022

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