VwGH Ra 2021/09/0260

VwGHRa 2021/09/02601.9.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen Dr. Koprivnikar und Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision der Regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. November 2021, W178 2226286‑1/37E, betreffend einen Antrag auf Zulassung als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. A GesmbH in B, 2. C D in E, beide vertreten durch Dr. Karl Benkhofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 26), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG AnlC
AuslBG §12a
AuslBG §12a Z1
AuslBG §12b
AuslBG §12b Z1
AuslBG §13
AuslBG §4 Abs1
AuslBG §4b Abs1
AVG §56
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021090260.L00

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 1. August 2019 versagte die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde; nunmehr revisionswerbende Partei) der Zweitmitbeteiligten, einer serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 20d Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) die beantragte Zulassung als „sonstige Schlüsselkraft“ gemäß § 12b Z 1 AuslBG im Unternehmen der erstmitbeteiligten Partei.

2 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab die revisionswerbende Partei mit Beschwerdevorentscheidung vom 12. November 2019 keine Folge.

3 Das über Vorlageantrag der erstmitbeteiligten Partei mit der Beschwerde befasste Bundesverwaltungsgericht hob mit dem nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen angefochtenen Beschluss die Beschwerdevorentscheidung gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die belangte Behörde zurück. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG erklärte es für nicht zulässig.

4 Das Bundesverwaltungsgericht ging dabei von folgendem Sachverhalt aus:

„1. Feststellungen:

Die A GmbH [Anmerkung des Verwaltungsgerichtshofes: erstmitbeteiligte Partei], (...), betreibt in Wien ein Day Spa, in dem im wesentlichen Massagen angeboten werden, aber auch kosmetische Behandlungen. Die Gesellschaft hat eine Gewerbeberechtigung für Massage und auch für Handel. Handelsrechtlicher Geschäftsführer ist Herr FG [Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof].

Frau D [Anmerkung des Verwaltungsgerichtshofes: die Zweitmitbeteiligte] wurde am 21.10.1983 geboren, sie ist serbische Staatsbürgerin. Sie hat Sprachkenntnisse in Deutsch auf dem Niveau B1 (...). Sie hat weiters Sprachkenntnisse in Russisch, Rumänisch und Serbisch.

1.1. Zu den Ausbildungen:

Frau D hat in Serbien von 01.04.2004 bis 31.12.2009 ein Jahr Ausbildung als Kosmetikerin im Kosmetiksalon H gemacht und nach der Prüfung anschließend dort als Angestellte gearbeitet.

Im Institut ‚I‘ hat sie vom 05.04.2010 bis 10.05.2013 eine Massageausbildung gemacht und anschließend dort gearbeitet. Die Ausbildung für die Massage hat ungefähr sechs Monate gedauert.

Sie hat bei der Tätigkeit bei den Dienstgebern ‚I‘ (7 Beschäftigte) und ‚H‘ (10 Beschäftigte) Führungsaufgaben übernommen wie Materialbestellung, Dienstplanerstellung und KundInnenbetreuung.

In den Jahren 2014 bis 2018 hat sie aus privaten Gründen nicht in diesem Beruf gearbeitet. Anschließend hat sie sich an der J Akademija, (...), für eine Ausbildung angemeldet. Die Einrichtung hat die praktische Erfahrung der [Zweitmitbeteiligten] nach einer Überprüfung angerechnet. Sie hat dort eine Ausbildung von einem Jahr gemacht, zwei/drei Tage in der Woche Theorie und den Rest der Woche Praxis. Die Ausbildung wurde mit einer Schlussprüfung (theoretisch und praktisch) abgeschlossen.

Es wurde die Praxis, die sie in den vorigen Beschäftigungen absolviert hat angerechnet. Eine genaue Zahl der absolvierten Theoriestunden ist für die Beurteilung hier nicht notwendig, weil die Ausbildung nicht mit einer entsprechenden österreichischen Ausbildung im Hinblick auf die Gleichwertigkeit zu überprüfen ist.

Frau D hat keine einer österreichischen Masseur‑ oder Kosmetikausbildung entsprechende Ausbildung absolviert, sie hat aber durch die geschilderten Ausbildungen die entsprechenden speziellen Kenntnisse und Fähigkeiten erworben.

Frau D kann spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten im Bereich Kosmetik und Massage, wie in der Anlage C zum Kriterium ‚Qualifikation‘ ausgeführt ist, nachweisen.

1.2. Die beabsichtigte Tätigkeit bei der C GmbH soll überwiegend die einer Masseurin, aber als Kosmetikerin sein, mit zusätzlichen Aufgaben in der Personalführung und in der Kundinnen‑ und Kundenbetreuung. Frau D kann mit ihrer Ausbildung und Berufserfahrung diese Erfordernisse erfüllen.

1.3. Als monatliches Gehalt wurde vom Arbeitgeber der Betrag von € 3.132,‑‑ zugesagt (im Jahr 2019 waren das 60% der Höchstbeitragsgrundlage nach ASVG). Da laut § 12b Z 1 AuslBG 60% der Höchstbeitragsgrundlage (2021: 5.550,‑‑) gewährt werden müssen, wäre der Betrag aufgrund der mittlerweile erfolgten Erhöhung der Höchstbeitragsgrundlage auch zu erhöhen, auf mindestens € 3.330,‑‑ (für 2021).

Frau D hat keine allgemeine Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002.

Es ist unbestritten kein Ersatzkraftverfahren durchgeführt worden.

Die C GmbH führt den Betrieb derzeit nicht in Kurzarbeit und nimmt keine Kurzarbeitsbeihilfe in Anspruch.“

5 Nach Darlegung beweiswürdigender Erwägungen, Darstellung maßgeblicher gesetzlicher Bestimmungen und Anrechnung von 20 Punkten für „abgeschlossene Berufsbildung oder spezielle Kenntnisse oder Fertigkeiten in beabsichtigter Beschäftigung“, 16 Punkten für „ausbildungsadäquate Berufserfahrung“, 15 Punkten für Deutschkenntnisse auf Niveau B 1 und von 10 Punkten für das Alter bis 40 Jahre (jeweils nach Anlage C zum Ausländerbeschäftigungsgesetz), führte das Bundesverwaltungsgericht fallbezogen rechtlich aus, dass die Punktevergabe für die Sprachkenntnisse in Deutsch (B 1) und das Alter (geboren 1983) unstrittig seien. Strittig sei die Punktevergabe für die Qualifikation. Nach den Feststellungen seien dazu 20 Punkte anzurechnen, weil die Zweitmitbeteiligte spezielle Kenntnisse bzw. Fertigkeiten in der beabsichtigten Beschäftigung vorzuweisen habe. Es sei daher ‑ so führte das Bundesverwaltungsgericht unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 2021, Ra 2020/09/0046, weiter aus ‑ zu prüfen, in welchem Zeitraum die Zweitmitbeteiligte eine adäquate Berufserfahrung erworben habe und ob sie schon vor der 2018 absolvierten Ausbildung bei der J Akademija befähigt gewesen sei, als Kosmetikerin/Masseuse zu arbeiten. Dies sei nach dem Sachverhalt zu bejahen, weil sie bereits vor dieser Ausbildung die theoretische und praktische Massage‑ und Kosmetikausbildung absolviert habe, die ihr entsprechende Fertigkeiten und spezielle Kenntnisse vermittelt habe. Im Studio I habe sie vom 5.4.2010 bis 10.5.2013 (drei ganze Jahre) und im Institut H vom 1.4. 2004 bis 31.12.2009 (fünf ganze Jahre) gearbeitet. Damit seien insgesamt acht Jahre an ausbildungsadäquater Berufserfahrung im Ausland, somit 16 Punkte, zu berücksichtigen. Auch wenn sie im Institut H nur in Kosmetik ausgebildet worden sei und anschließend in diesem Bereich gearbeitet habe, seien diese Jahre als Berufserfahrung heranzuziehen, weil die beabsichtigte Tätigkeit bei der Zweitmitbeteiligten auch den Bereich Kosmetik umfassen solle. Damit erreiche die Zweitmitbeteiligte die Mindestpunkteanzahl von 55.

6 Die Zurückverweisung begründete das Verwaltungsgericht mit dem bislang unterbliebenen Ersatzkraftverfahren, das aus organisatorischen Gründen von der belangten Behörde durchzuführen sei.

7 Zur Unzulässigkeit der Revision verwies das Bundesverwaltungsgericht fallunspezifisch auf das Fehlen einer grundsätzlichen Rechtsfrage.

8 Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend machende außerordentliche Revision der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde. Die mitbeteiligten Parteien erstatteten in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Die Revisionszulässigkeit wird mit näherer Begründung vor allem damit argumentiert, dass das Verwaltungsgericht mit seinem Beschluss von der von ihm selbst zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.2.2021, Ra 2020/09/0046) abgewichen sei. Schon unter diesem Aspekt ist die Revision zulässig und auch begründet.

10 Die relevanten Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975, in der hier noch zu beachtenden, zuletzt durch BGBl. I Nr. 54/2021 novellierten Fassung lauten (auszugsweise):

„Beschäftigungsbewilligung

Voraussetzungen

§ 4. (1) Einem Arbeitgeber ist auf Antrag eine Beschäftigungsbewilligung für den im Antrag angegebenen Ausländer zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zulässt (Arbeitsmarktprüfung), wichtige öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen und

...

Prüfung der Arbeitsmarktlage

§ 4b. (1) Die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes (§ 4 Abs. 1) lässt die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zu, wenn für die vom beantragten Ausländer zu besetzende offene Stelle weder ein Inländer noch ein am Arbeitsmarkt verfügbarer Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, die beantragte Beschäftigung zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen auszuüben. Unter den verfügbaren Ausländern sind jene mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, EWR‑Bürger, Schweizer, türkische Assoziationsarbeitnehmer (§ 4c) und Ausländer mit unbeschränktem Arbeitsmarktzugang (§ 17) zu bevorzugen. Der Prüfung ist das im Antrag auf Beschäftigungsbewilligung angegebene Anforderungsprofil, das in den betrieblichen Notwendigkeiten eine Deckung finden muss, zugrunde zu legen. Den Nachweis über die zur Ausübung der Beschäftigung erforderliche Ausbildung oder sonstige besondere Qualifikationen hat der Arbeitgeber zu erbringen.

...

Sonstige Schlüsselkräfte und Studienabsolventen

§ 12b. Ausländer werden zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft zugelassen, wenn sie

1. die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage C angeführten Kriterien erreichen und für die beabsichtigte Beschäftigung ein monatliches Bruttoentgelt erhalten, das mindestens 50 vH oder, sofern sie das 30. Lebensjahr überschritten haben, mindestens 60 vH der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 des allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, zuzüglich Sonderzahlungen beträgt, oder

2. ...

und sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 mit Ausnahme der Z 1 erfüllt sind. ...“

„Anlage C

Zulassungskriterien für sonstige Schlüsselkräfte gemäß § 12b Z 1

Kriterien

Punkte

Qualifikation

maximal anrechenbare Punkte: 30

abgeschlossene Berufsausbildung oder spezielle Kenntnisse oder Fertigkeiten in beabsichtigter Beschäftigung

20

allgemeine Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120

25

Abschluss eines Studiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer

30

 

 

ausbildungsadäquate Berufserfahrung

maximal anrechenbare Punkte: 20

Berufserfahrung (pro Jahr)

Berufserfahrung in Österreich (pro Jahr)

2

4

 

 

Sprachkenntnisse Deutsch

maximal anrechenbare Punkte: 15

Deutschkenntnisse zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau (A 1)

Deutschkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A 2)

Deutschkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B 1)

5

 

10

 

15

 

 

Sprachkenntnisse Englisch

maximal anrechenbare Punkte: 10

Englischkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A 2)

Englischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B 1)

5

 

10

 

 

Alter

maximal anrechenbare Punkte: 15

bis 30 Jahre

bis 40 Jahre

15

10

 

 

Summe der maximal anrechenbaren Punkte

Zusatzpunkte für Profisportler/innen und Profisporttrainer/innen

90

20

erforderliche Mindestpunkteanzahl

55“

 

 

  

11 Das Bundesverwaltungsgericht argumentiert im angefochtenen Beschluss zur Frage der Qualifikation zusammengefasst zunächst dahingehend, dass die Zweitmitbeteiligte spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten im Bereich Kosmetik und Massage aufweise, daher dieses Kriterium der Anlage C erfülle, und weil sie diese Kenntnisse und Fähigkeiten bereits aufgrund der praktischen und theoretischen Ausbildung in ihren Tätigkeiten vor dem Jahr 2018 erworben habe, auch diese im Umfang von acht Jahren anzurechnen seien.

12 Dagegen bringt die revisionswerbende Partei im Wesentlichen vor, dass dadurch auch die in der Beschäftigungszeit enthaltene Zeit der Ausbildung als Berufserfahrung angerechnet werde und aufgrund der Feststellungen nicht klar sei, welche Ausbildung konkret absolviert worden und inwiefern diese für das Anforderungsprofil erforderlich sei.

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 26. Februar 2021, Ra 2020/09/0046, zu diesem Kriterium ausgeführt:

„In den Gesetzesmaterialien wird zu den Bestimmungen für Fachkräfte in Mangelberufen (§§ 12a und 13 AuslBG) ‑ (...) ‑ ausgeführt, dass die abgeschlossene Berufsausbildung in einem Mangelberuf einem Lehrabschluss vergleichbar zu sein hat. Zu den (hier maßgeblichen) sonstigen Schlüsselkräften nach § 12b AuslBG halten die Erläuterungen fest, dass das Kriterien‑ und Punktesystem für die sonstigen Schlüsselkräfte (Anlage C) im Wesentlichen dem der Fachkräfte in Mangelberufen entspricht. Das zusätzliche Kriterium ‚spezielle Kenntnisse oder Fertigkeiten‘ soll alternativ zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung gelten und sicherstellen, dass Profisportler, aber auch sonstige Spezialisten, die über keine formelle (Berufs‑)Ausbildung verfügen, zugelassen werden können (RV 1077 BlgNR 24. GP , 12f).

Diesen Erwägungen des historischen Gesetzgebers ist nun aber zum einen zu entnehmen, dass die abgeschlossene Berufsausbildung einem Lehrabschluss nur vergleichbar zu sein hat. Zum anderen ist das zusätzliche Kriterium in Anlage C ‚spezielle Kenntnisse oder Fertigkeiten‘ keineswegs auf Profisportler beschränkt, sondern auch all jenen Personen zugänglich, die im Hinblick auf Ausbildung oder Tätigkeit als Spezialisten zu bezeichnen sind, die jedoch über keine formelle (Berufs‑)Ausbildung verfügen.“

14 Zunächst ist der revisionswerbenden Partei darin zuzustimmen, dass dem angefochtenen Beschluss ein konkretes Anforderungsprofil für die zu besetzende Stelle nicht zu entnehmen ist. So wird im Verfahrensgang lediglich festgehalten, dass eine Tätigkeit als „Spa Therapeutin“ geplant sei, während nach den Feststellungen die beabsichtigte Tätigkeit als „überwiegend die einer Masseurin, aber als Kosmetikerin“ mit zusätzlichen Aufgaben in der Personalführung und in der Kundenbetreuung beschrieben wird.

15 Diese Tätigkeitsbeschreibung „Masseurin, aber als Kosmetikerin“ ist nicht nur in sich selbst widersprüchlich, sie lässt auch nicht klar erkennen, worin insoweit die mit der ausgeschriebenen Stelle verbundene Aufgabe liegen soll und insbesondere welche Ausbildung hierfür gefordert wird. In diesem Zusammenhang weist die revisionswerbende Partei zu Recht darauf hin, dass zudem nach der Aussage des Geschäftsführers der erstmitbeteiligten Partei vor dem Bundesverwaltungsgericht für diese Stelle eine gewerbliche Massageausbildung erforderlich sein soll. Der vom Verwaltungsgericht in der Folge gezogene Schluss, dass die Zweitmitbeteiligte mit ihrer Ausbildung und Berufserfahrung diese Erfordernisse erfülle, lässt sich an Hand der dazu getroffenen Feststellungen jedoch nicht überprüfen.

16 Um zu dieser Beurteilung gelangen zu können, bedarf es neben der klaren Darlegung des Anforderungsprofils auch näherer Feststellungen zu den konkreten Ausbildungen, welche die Zweitmitbeteiligte im Rahmen ihrer Beschäftigungen absolvierte. So hat die Zweitmitbeteiligte nach den Feststellungen zunächst eine einjährige Ausbildung als Kosmetikerin gemacht, wobei dem Sachverhalt nicht zu entnehmen ist, was deren Inhalt war. Im Rahmen der zweiten festgestellten Tätigkeit machte die Zweitmitbeteiligte demzufolge eine sechsmonatige Ausbildung für Massage. Auch in diesem Zusammenhang wurden nähere Feststellungen zu den Inhalten der Ausbildung nicht getroffen.

17 Jedenfalls kann ‑ wie die revisionswerbende Partei insoweit ebenfalls zu Recht moniert ‑ erst nach Abschluss sämtlicher für die angestrebte Tätigkeit erforderlichen Ausbildungen (und Absolvierung der allenfalls zusätzlich notwendigen Praxiszeiten) von einer ausbildungsadäquaten Berufstätigkeit gesprochen werden, die im Umfang der Anlage C anrechnungsfähig ist (vgl. auch dazu VwGH 26.2.2021, Ra 2020/09/0046, Rn. 21). Da ‑ soweit dies bereits zu diesem Zeitpunkt gesagt werden kann ‑ (auch) eine Massageausbildung (und allenfalls ‑praxis) für die ausgeschriebene Stelle erforderlich sein könnte, wäre jedenfalls nach der Ausbildung zur und der Tätigkeit als Kosmetikerin von April 2004 bis Dezember 2009, die Ausbildung noch nicht abgeschlossen, sondern frühestens erst nach Abschluss der Massageausbildung, allenfalls zuzüglich der anschließend erforderlichen Praxis zum Erwerb der speziellen Kenntnisse und Fähigkeiten auf diesem Gebiet. Erst danach kann eine anrechenbare ausbildungsadäquate Berufstätigkeit der Zweitmitbeteiligten gegeben sein (vgl. auch VwGH 17.5.2022, Ra 2021/09/0245).

18 Da aber die Durchführung eines Ersatzkraftstellungsverfahrens nur dann erforderlich ist, wenn die Zweitmitbeteiligte selbst das Anforderungsprofil des Arbeitgebers erfüllt (siehe etwa VwGH 29.1.2020, Ra 2019/09/0141, u.a.) und überdies die Mindestpunktezahl nach Anlage C erreicht, mit anderen Worten selbst die Voraussetzungen für die angestrebte Zulassung zum Arbeitsmarkt im Hinblick auf die konkrete Beschäftigung erfüllt, wären die dargestellten Feststellungen vor der Erteilung des Auftrags zur Durchführung eines solchen zu treffen gewesen. Indem das Verwaltungsgericht jedoch einerseits bereits die Ausbildungszeiten als ausbildungsadäquate Berufstätigkeit anrechnete und die erforderlichen Feststellungen unterließ, belastete es den angefochtenen Beschluss mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

19 Bereits an dieser Stelle ist jedoch im Zusammenhang mit der Ausbildungsdauer auch darauf hinzuweisen, dass zwar nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Ausbildung einer Lehrausbildung nur vergleichbar zu sein hat, eine lediglich 18‑monatige Ausbildung (dort im Bereich der Eis‑ und Süßalimenteerzeugung) wurde jedoch in der bisherigen Rechtsprechung nicht als gleichwertig angesehen (vgl. VwGH 25.1.2013, 2012/09/0068, zu einer Beschäftigungsbewilligung). Diese zeitliche Dimension darf auch beim Kriterium „spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten“ nicht gänzlich außer Acht gelassen werden, bedarf es doch auch für deren Erwerb einer entsprechenden Zeit (vgl. nochmals VwGH 26.2.2021, Ra 2020/09/0046, in welchem eine dreijährige Ausbildungszeit zu beurteilen war).

20 Der angefochtene Beschluss war daher bereits aus den dargelegten Gründen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 1. September 2022

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