VwGH Ra 2020/18/0374

VwGHRa 2020/18/037429.10.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des M M, vertreten durch Rast & Musliu, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 23/14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Mai 2020, W195 2144445‑3/11E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §18 Abs1
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180374.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Bangladeschs, stellte am 5. Dezember 2016 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, der zur Gänze rechtskräftig abgewiesen wurde.

2 Am 7. Februar 2018 stellte er den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz und gab als Fluchtgrund an, er werde aufgrund seiner politischen Tätigkeit bei der Bangladesh Nationalist Party polizeilich gesucht, da mehrere falsche Anzeigen (wegen Schutzgelderpressung) gegen ihn erstattet worden seien.

3 Mit Bescheid vom 12. April 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei und legte eine 14‑tägige Frist für die freiwillige Ausreise fest.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig.

5 Begründend führte das BVwG zusammengefasst aus, gegen den Revisionswerber sei keine Anzeige erstattet und auch kein Haftbefehl ausgestellt worden. Dem Revisionswerber sei es nicht gelungen, sein Fluchtvorbringen glaubhaft darzulegen. Hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten legte es dar, dass keine reale Gefahr einer Verletzung der Rechte nach Art. 2 oder 3 EMRK und kein Hinweis auf das Vorliegen einer existenzbedrohenden Notlage im Herkunftsstaat bestünden. Im Zuge der, der Rückkehrentscheidung zu Grunde liegenden, Interessenabwägung kam das BVwG zu dem Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung gegenüber den privaten Interessen des Revisionswerbers überwiegen würden.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit vorgebracht wird, das BVwG habe sich unzureichend mit dem Fluchtvorbringen auseinandergesetzt und sei willkürlich von der Unglaubwürdigkeit des Revisionswerbers ausgegangen, obwohl ihm eine Vor‑Ort‑Recherche möglich und zumutbar gewesen sei. Der Revisionswerber habe im Verfahren ein gleichbleibendes und detailliertes Vorbringen erstattet. Zudem halte er sich seit vier Jahren im Bundesgebiet auf, sei kranken- und unfallversichert, strafrechtlich unbescholten, selbständig erwerbstätig und verfüge über mehrere Freunde und habe Empfehlungsschreiben vorgelegt. Das Erkenntnis weiche somit eindeutig von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

7 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Soweit der Revisionswerber vorbringt, dass dem BVwG zur Auseinandersetzung mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers Vor‑Ort‑Recherchen möglich und zumutbar gewesen wären, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass ein allgemeines Recht auf eine fallbezogene Überprüfung des Vorbringens durch Recherche im Herkunftsstaat nicht besteht. Die Beurteilung der Erforderlichkeit derartiger Erhebungen im Herkunftsstaat im Sinn des § 18 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 obliegt der ermittelnden Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht (vgl. VwGH 30.8.2017, Ra 2017/18/0238, mwN).

12 Im vorliegenden Fall verkennt der Revisionswerber mit seinem Vorbringen, dass bereits im Behördenverfahren Ermittlungen im Herkunftsstaat zum vorgebrachten Fluchtgrund angestellt worden sind. In diesem Zusammenhang stellte das BFA nämlich (basierend auf den vorgelegten Unterlagen des Revisionswerbers) eine Anfrage an die Staatendokumentation und legte bereits seinem Bescheid die diesbezügliche Anfragebeantwortung zu Grunde. Die Revision vermag nicht substantiiert aufzuzeigen, dass bzw. welche weiteren Ermittlungen erforderlich gewesen wären.

13 Die Revision wendet sich weiters erkennbar gegen die Beweiswürdigung des BVwG zum Fluchtvorbringen des Revisionswerbers. Der Verwaltungsgerichtshof ist zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG liegt ‑ als Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ‑ allerdings dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat.

14 Die Beweiswürdigung ist damit nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (vgl. zum diesbezüglichen Prüfmaßstab VwGH 6.8.2020, Ra 2020/18/0017, mwN).

15 Das BVwG stützte sich in seiner Begründung, weshalb es davon ausging, dass keine Anzeige gegen den Revisionswerber erstattet worden sei bzw. kein Haftbefehl bestehe, tragend unter anderem auch auf die im Behördenverfahren eingeholte Anfragebeantwortung und wertete das Ergebnis der dort angestrengten Ermittlungen ‑ nicht unvertretbar ‑ als Indiz, dass das Vorbringen des Revisionswerbers nicht glaubhaft sei. Zudem wies es auf näher genannte Unstimmigkeiten in den Aussagen des Revisionswerbers hin. Der Revision gelingt es mit ihrem pauschalen Vorbringen, der Revisionswerber habe im Verfahren gleichbleibende und detaillierte Aussagen getätigt, nicht darzulegen, dass die Beweiswürdigung in einer Gesamtschau unvertretbar wäre und zur Wahrung der Rechtssicherheit ein Eingreifen des Verwaltungsgerichtshofes erforderlich wäre (vgl. erneut VwGH 6.8.2020, Ra 2020/18/0017, mwN).

16 Wenn die Revision sich schließlich gegen die Rückkehrentscheidung wendet, so zeigt sie mit ihrem dazu erstatteten Vorbringen nicht auf, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Damit wird das Zulässigkeitsvorbringen den Anforderungen an die Darlegung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung nicht gerecht (vgl. in diesem Sinne VwGH 10.8.2020, Ra 2020/18/0158, mwN).

17 Ungeachtet dessen ist der Vollständigkeit halber anzumerken, dass im vorliegenden Fall nicht erkennbar ist, dass die vom BVwG durchgeführte Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leidet (vgl. zum diesbezüglichen Prüfmaßstab erneut VwGH 10.8.2020, Ra 2020/18/0158, mwN).

18 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 29. Oktober 2020

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