European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020150047.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 9. September 2019 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 2017 fest. Im Bescheid wurden außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 4.367,19 € ausgewiesen; in der Begründung wurde dazu darauf verwiesen, dass diese nicht zu berücksichtigen seien, da sie den Selbstbehalt (6.459,56 €) nicht überstiegen.
2 Mit Eingabe vom 19. Dezember 2019 beantragte der Revisionswerber, den Bescheid vom 9. September 2019 gemäß § 299 BAO aufzuheben und durch einen neuen Einkommensteuerbescheid unter Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen gemäß § 34 EStG 1988 in Höhe von 17.475,91 € zu ersetzen. Er machte geltend, bisher seien außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 4.367,19 € angesetzt worden, die aus Krankheitskosten resultierten. Der Revisionswerber habe allerdings auch „Rechtskosten“ in Höhe von 13.108,72 € gezahlt; dies für ein durch die Gemeinde T verursachtes Verfahren. Er habe im Jahr 1998 ein Bauansuchen für den Einbau von zwei Wohneinheiten im nördlichen Teil und den Einbau von Büros im südlichen Teil der bestehenden Objekte in T gestellt. Dieses Bauansuchen sei 16 Jahre lang nicht erledigt worden. Erst im Jahr 2016 sei ein Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde T ergangen. Gegen diesen Bescheid sei Berufung eingebracht worden, worüber im Jahr 2017 mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde T negativ entschieden worden sei. Der Revisionswerber habe gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht erhoben. Der Revisionswerber habe auch einen Devolutionsantrag erhoben, der mit Bescheid des Gemeinderates im Jahr 2017 abgewiesen worden sei. Auch dagegen habe der Revisionswerber Beschwerde erhoben. Schließlich sei mit Bescheid des Gemeinderates im Jahr 2017 eine Berufung des Revisionswerbers gegen einen Beseitigungsauftrag betreffend eine Stützmauer abgewiesen worden. Auch dagegen habe der Revisionswerber Beschwerde erhoben. Wie den drei Beschwerden zu entnehmen sei, lägen jeweils massive Verfahrens‑ und Rechtsmängel vor. Die Bescheide seien nicht durch ein Fehlverhalten des Revisionswerbers ausgelöst worden. Weiters habe der Revisionswerber im Jahr 2019 beim Amt der Landesregierung eine Aufsichtsbeschwerde gegen die Gemeinde T eingebracht. Darin habe er den gesamten Sachverhalt ‑ seit 1972 ‑ chronologisch dargelegt. Die Prozesskosten seien dem Revisionswerber aufgezwungen worden.
3 Mit Bescheid vom 27. Jänner 2020 wies das Finanzamt diesen Antrag ab. Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen die Gemeinde T seien nicht als außergewöhnliche Belastung absetzbar. Die Rechtsanwaltskosten basierten auf einer freiwillig getätigten Entscheidung, gegen Bescheide der Gemeinde T Beschwerde einzulegen.
4 Der Revisionswerber erhob ‑ steuerlich vertreten ‑ gegen diesen Bescheid Beschwerde. Darin beantragte er u.a. einen „mündlichen Erörterungstermin, da der Sachverhalt sehr komplex ist und es eine Unzahl an Prozessschritten gibt“.
5 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 24. Februar 2020 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Prozesskosten würden grundsätzlich nicht zwangsläufig erwachsen, weil jede Prozessführung mit dem Risiko verbunden sei, die Kosten ganz oder teilweise selbst tragen zu müssen. Die Zwangsläufigkeit sei immer dann zu verneinen, wenn ein Prozess letztlich Folge eines Verhaltens sei, welches der Steuerpflichtige aus freien Stücken gesetzt habe. Im vorliegenden Fall liege die freiwillige Handlung in den Entscheidungen, ein Gebäude bauen zu lassen und gegen die Bescheide der Gemeinde T rechtlich vorzugehen.
6 Der Revisionswerber (wiederum steuerlich vertreten) beantragte, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen. Darin führte er abschließend aus: „Falls zur Klärung des Sachverhaltes weitere Beweise zu einzelnen Prozessschritten oder Stellungnahmen benötigt werden, beantrage ich einen mündlichen Erörterungstermin.“
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
8 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe im Jahr 1993 das Grundstück x von einer Bank erworben. Die Rechtsvorgänger hätten 1972 für das Grundstück die Erweiterung des Wohn‑ und Gasthauses sowie die Errichtung eines Parkplatzes baurechtlich beantragt. Diesem Ansuchen sei von der Gemeinde T mit Baubewilligungsbescheid entsprochen worden. 1984 sei auf dem Parkplatz eine Lagerhalle errichtet worden, für die ebenfalls eine schriftliche Bau‑ sowie Benützungsbewilligung vorliege.
9 Im Jahr 1998 sei die baurechtliche Bewilligung von bestehenden Objekten, Einbau von zwei Wohneinheiten im nördlichen Teil sowie der Einbau von Büros im südlichen Teil des Objektes beantragt worden.
10 Im Jahr 2008 sei zu diesem Grundstück ein Bescheid der Gemeinde T mit einem Beseitigungsauftrag für das bestehende Objekt mit Ausnahme der südseitigen Lagerhalle ergangen. Der Bescheid sei damit begründet worden, dass lediglich für die südseitige Lagerhalle Bewilligungsbescheide vorhanden seien, nicht aber für den restlichen Teil des Gebäudes.
11 Der Einbau der Wohneinheiten im nördlichen Teil sei 1992 erfolgt und 1994 fertiggestellt worden. Im Jahr 1998 sei im südlichen Teil ein Innenausbau von Büros erfolgt.
12 Nach Vorstellung gegen den Beseitigungsauftrag sei es im weiteren Verfahren zu einer Bauverhandlung 2010 gekommen, bei der festgestellt worden sei, dass vor Entscheidung in der vorliegenden Sache noch eine Vorfrage (Rechtmäßigkeit einer Schüttung) zu klären sei. Im Jahr 2012 sei ein Beseitigungsauftrag für die Schüttung ergangen. Dagegen seien Rechtsmittel erhoben worden.
13 Im Jahr 2014 sei das Bauansuchen des Revisionswerbers durch die Baubehörde zurückgewiesen worden. Das Landesverwaltungsgericht habe diesen Bescheid ersatzlos aufgehoben.
14 Im Dezember 2016 sei wiederum ein Bescheid der Baubehörde ergangen, welcher erneut beim Landesverwaltungsgericht bekämpft worden sei.
15 Aus den vorgelegten Bescheiden, Rechtsmitteln sowie Erkenntnissen gehe hervor, dass es sich um zumindest drei Verfahren handle; Verfahren betreffend Bauansuchen 1998; Verfahren betreffend Devolutionsantrag (Errichtung eines Parkplatzes); Verfahren betreffend Beseitigungsauftrag (Stützmauer). Daneben sei im Jahr 2019 noch eine Aufsichtsbeschwerde an das Amt der Landesregierung eingebracht worden.
16 Prozesskosten erwüchsen im Allgemeinen nicht zwangsläufig (Hinweis auf VwGH 26.7.2017, Ro 2016/13/0026). Insbesondere bei Verfahren ohne absoluten Anwaltszwang seien Rechtsanwaltskosten grundsätzlich nicht als zwangsläufig anzusehen (Hinweis auf VwGH 25.7.2018, Ro 2018/13/0002).
17 Der Ausgangspunkt der Verfahren liege in einem Bauansuchen im Jahr 1998, mit dem um baurechtliche Bewilligung der bestehenden Objekte, Einbau von zwei Wohneinheiten im nördlichen Teil, Einbau von Büros im südlichen Teil der bestehenden Objekte ersucht worden sei.
18 Das Steiermärkische Baugesetz sehe für das Bewilligungsverfahren explizit vor, dass die Behörde einem Ansuchen mit schriftlichem Bescheid stattzugeben habe, wenn die nach diesem Gesetz für die Bewilligung geforderten Voraussetzungen erfüllt seien. Damit sei aber auch klar, dass Handlungen des Revisionswerbers selbst (Bebauung/Ausbau bereits beginnend 1992 ohne Bewilligung) und nicht jene der Baubehörde Ausgangspunkt des Verfahrens gewesen seien. Hätte der Revisionswerber ordnungsgemäß auf die im Steiermärkischen Baugesetz vorgesehene schriftliche Bewilligung für den Einbau gewartet, wäre zumindest der als Grund für die angefallenen Rechtsanwaltskosten angeführte Beseitigungsauftrag zu verhindern gewesen. Dass nun in weiterer Folge einiges zutage getreten sei, das den Revisionswerber zu einem Einspruch bzw. Verfahrenseinlassung veranlasst habe, möge dahin gestellt bleiben, da der Ausgangspunkt jedenfalls ein Verhalten des Revisionswerbers selbst gewesen sei. Damit sei aber die Voraussetzung der Anerkennung der Kosten als außergewöhnliche Belastung mangels Zwangsläufigkeit nicht gegeben.
19 Zur Beiziehung eines Rechtsanwaltes sei weiters auszuführen, dass weder in den vom Revisionswerber geführten Verfahren vor der Baubehörde noch im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht absolute Anwaltspflicht herrsche. Auch aus diesem Grunde seien die Rechtsanwaltskosten nicht zwangsläufig erwachsen.
20 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision.
21 Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorverfahren eingeleitet. Das Finanzamt hat sich am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht beteiligt.
22 Der Revisionswerber legte mit weiteren Eingaben zwei Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes (vom 3. Juli 2020 betreffend Ansuchen um Baubewilligung aus dem Jahr 1998: Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Zurückverweisung an den Gemeinderat; und vom 13. Juli 2020 betreffend Beseitigungsauftrag Stützmauer: ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides) in den den geltend gemachten Aufwendungen zu Grunde liegenden Bauverfahren vor.
23 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
24 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
25 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
26 Zur Zulässigkeit wird in der Revision geltend gemacht, da trotz der Anträge gemäß § 274 BAO keine mündliche Verhandlung stattgefunden habe, habe der umfangreiche und maßgebliche Sachverhalt, der sich von 1972 bis heute erstrecke, nicht genügend ermittelt werden können, um die Rechtsfrage der in § 34 EStG 1988 geforderten Zwangsläufigkeit beurteilen zu können. Die Rechtsfrage habe weder hinsichtlich der Frage, ob sich der Revisionswerber den Belastungen aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen habe entziehen können, noch hinsichtlich der Frage, ob die Prozessführung eine Folge eines Fehlverhaltens oder eines Verhaltens sei, zu dem er sich aus freien Stücken entschlossen habe, beurteilt werden können. Das Bundesfinanzgericht habe nicht begründet, warum keine mündliche Verhandlung stattgefunden habe, obwohl dies gemäß § 274 BAO beantragt worden sei; es sei damit seiner Begründungspflicht in diesem Punkt nicht nachgekommen. Damit liege hier eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb die außerordentliche Revision zulässig sei.
27 Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht dargetan.
28 Gemäß § 274 Abs. 1 BAO hat eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn dies (u.a.) in der Beschwerde oder im Vorlageantrag beantragt wird.
29 Nach § 269 Abs. 3 BAO kann der Einzelrichter bzw. der Berichterstatter die Parteien zur Erörterung der Sach‑ und Rechtslage sowie zur Beilegung des Rechtsstreites laden. Über das Ergebnis ist eine Niederschrift anzufertigen.
30 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Beurteilung von Parteianträgen nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes. Bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens ist eine davon abweichende, nach außen hin auch nur andeutungsweise nicht zum Ausdruck kommende Absicht des Einschreiters nicht maßgeblich. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein beruflicher Parteienvertreter, der einen Antrag im Namen eines Mandanten stellen möchte, dies auch klar zum Ausdruck bringt (vgl. VwGH 29.7.2020, Ra 2020/13/0046, mwN).
31 Im vorliegenden Fall wurde vom Revisionswerber sowohl in der Beschwerde als auch im Vorlageantrag (jeweils steuerlich vertreten) ausdrücklich ein „mündlicher Erörterungstermin“ beantragt (im Vorlageantrag überdies abhängig von einer Bedingung; vgl. hiezu VwGH 10.3.2016, Ra 2015/15/0041, mwN). Damit wurde sohin eindeutig ein Vorgehen iSd § 269 Abs. 3 BAO angeregt; ein Rechtsanspruch auf Durchführung einer Erörterung besteht aber nicht (vgl. Ritz, BAO6 § 269 Tz 12, unter Hinweis insbesondere auf den Ausschussbericht zum Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, BGBl. I Nr. 97/2002, 1128 BlgNR 21. GP 13). Eine mündliche Verhandlung iSd § 274 BAO wurde hingegen eindeutig nicht beantragt (vgl. auch hiezu VwGH 10.3.2016, Ra 2015/15/0041, mwN). Der behauptete Verfahrensmangel liegt sohin nicht vor.
32 Im Übrigen wird vor dem Hintergrund der ‑ auch im angefochtenen Erkenntnis dargelegten ‑ Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Prozesskosten im Allgemeinen nicht zwangsläufig erwachsen (vgl. VwGH 26.7.2017, Ro 2016/13/0026, mwN) und insbesondere Rechtsanwaltskosten in einem Verfahren ohne Anwaltspflicht grundsätzlich nicht zwangsläufig sind (vgl. VwGH 25.7.2018, Ro 2018/13/0002), die Relevanz eines allfälligen Verfahrensmangels nicht dargetan. Besondere Gründe dafür, dass trotz fehlender Anwaltspflicht das Einschreiten eines Rechtsanwaltes erforderlich gewesen wäre (vgl. auch ‑ bezogen auf einen Antrag auf Verfahrenshilfe ‑ VwGH 29.1.2020, Ra 2019/13/0071; sowie VfGH 26.6.2020, G 302/2019), werden im Rahmen des Vorbringens zur Zulässigkeit der Revision nicht geltend gemacht.
33 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 2. September 2020
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