VwGH Ra 2020/13/0046

VwGHRa 2020/13/004629.7.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des Finanzamts Wien 12/13/14 Purkersdorf in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 11. Mai 2020, Zl. RS/7100143/2019, betreffend Aufhebung gemäß § 299 BAO (Einkommensteuer 2011 bis 2016) (mitbeteiligte Partei: H in W, vertreten durch Dr. Alice Gao‑Galler, Rechtsanwältin in 1080 Wien, Lerchenfelderstraße 88‑90/Top 11), den Beschluss gefasst:

Normen

BAO §115
BAO §307
BAO §85
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020130046.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Mitbeteiligte war im Streitzeitraum als freiberufliche Dolmetscherin selbständig tätig.

2 Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom 22. November 2017 wurde festgestellt, vom Bundesministerium für Inneres seien an die Mitbeteiligte für erbrachte Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen Zahlungen geleistet worden. Das übermittelte Kontrollmaterial habe im Rechenwerk der Mitbeteiligten aber nicht ausreichend Deckung gefunden. Von der steuerlichen Vertretung sei angeregt worden, die Betriebsausgaben in Anlehnung an das Betriebsausgabenpauschale (§ 17 EStG 1988) in Ansatz zu bringen. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung wurde sodann ausgeführt, die betrieblichen Einnahmen seien anhand der vorgelegten Kontoauszüge festgesetzt worden. Die Betriebsausgaben seien in Anlehnung an den Pauschalbetrag festgesetzt worden. Im Rahmen der rechnerischen Darstellung der Bemessungsgrundlagen für die Jahre 2011 bis 2016 wurden die Einkünfte aus selbständiger Arbeit jeweils in der Weise ermittelt, dass von den „Einnahmen lt. Kontoauszug“ „12% Betriebsausgabenpauschale“ abgezogen wurde.

3 Mit Bescheiden vom 24. November 2017 nahm das Finanzamt die Verfahren betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2011 bis 2016 gemäß § 303 BAO wieder auf und setzte die Einkommensteuer unter Zugrundelegung der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung für diese Jahre neu fest.

4 Mit Eingabe vom 17. April 2018 (auf der ersten Seite bezeichnet mit „I. Vollmachtsbekanntgabe; II. Antrag auf Wiederaufnahme gem. § 303 BAO“), führte die Mitbeteiligte ‑ anwaltlich vertreten ‑ aus, am 22. November 2017 sei vom Finanzamt eine Außenprüfung zur Ermittlung (u.a.) der Einkommensteuer für die Jahre 2011 bis 2016 durchgeführt worden. Die Bescheide seien am 24. November 2017 erlassen worden. Bei der Berechnung der „Einnahmen“ seien zwar das Betriebsausgabenpauschale in der Höhe von 12%, nicht aber die von der Mitbeteiligten aufgewendeten Beiträge für die Sozialversicherung abgezogen worden. Daher seien der Einkommensteuerberechnung zu hohe „Einnahmen“ aus selbständiger Arbeit zugrunde gelegt worden. Unter der Überschrift „Antrag gem. § 303 BAO“ wurde sodann ausgeführt, dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit sei gegenüber dem Prinzip der Rechtskraft der Vorzug einzuräumen. Es werde daher ersucht, auf diese neu hervorgekommenen Tatsachen bzw. Beweise Rücksicht zu nehmen und die Einkünfte aus selbständiger Arbeit bzw. darauf basierend die Einkommensteuer entsprechend zu berechnen. Bei Kenntnis dieser Tatsachen hätten die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2016 einen anderslautenden Spruch erhalten, womit die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens nach „§ 301 Abs 1 BAO“ vorlägen. Die „Beschuldigte“ stelle daher den „Antrag a) auf Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 BAO und b) auf Aufhebung des unrichtigen Einkommenssteuerbescheides der ESt‑Jahre 2011 bis 2016 sowie c) eine neuerliche meritorische Entscheidung nach § 307 Abs 1 BAO.“ Als Beilage zu diesem Antrag legte sie Schreiben der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (jeweils vom 22. Februar 2018) vor, in denen die vorgeschriebenen Beiträge sowie die Zahlungen für die Jahre 2010 bis 2012 und 2014 bis 2017 angegeben wurden.

5 Mit Bescheiden vom 27. April 2018 wies das Finanzamt den Antrag auf Wiederaufnahme der mit Einkommensteuerbescheiden vom 24. November 2017 abgeschlossenen Verfahren ab. In der Begründung führte das Finanzamt im Wesentlichen aus, zum Zeitpunkt der Außenprüfung sei der Mitbeteiligten bereits bekannt gewesen, welche Sozialversicherungsbeiträge sie in den jeweiligen Jahren gezahlt habe. Der Mitbeteiligten sei es auch möglich und zumutbar gewesen, vor Prüfungsabschluss Einwände gegen das Prüfungsergebnis einzulegen und die fehlenden Unterlagen nachzureichen. Die gezahlten Sozialversicherungsbeiträge seien während der Außenprüfung nicht bekannt gegeben worden. Die Betriebsausgaben seien bloß „in Anlehnung“ an die jeweiligen Pauschalbeträge festgesetzt worden. Es sei somit nicht das tatsächliche Betriebsausgabenpauschale gemäß § 17 EStG 1988 herangezogen worden; die Sozialversicherungsbeiträge seien demnach in den angesetzten Betriebsausgaben inkludiert. Die Sozialversicherungsbeiträge seien während der Prüfung bekannt gewesen; es handle sich somit nicht um neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel.

6 Die Mitbeteiligte erhob gegen diese Bescheide am 7. Juni 2018 Beschwerde. Darin beantragte sie abschließend, „die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2011‑2016 aufzuheben und die Einkommensteuer für die Jahre 2011‑2016 unter Berücksichtigung der neuen Tatsachen bzw. Beweise neu zu berechnen“. Beigelegt wurden nunmehr Schreiben der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, die die Jahre 2011 bis 2016 betrafen.

7 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 3. Dezember 2018 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

8 Die Mitbeteiligte beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

9 Mit Beschluss vom 5. Juli 2019 forderte das Bundesfinanzgericht die Mitbeteiligte auf, folgenden Mangel zu beheben: Dem Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2011 bis 2016 fehle die Bezeichnung der Umstände, auf die der Antrag gestützt werde (§ 303 Abs. 2 lit. b BAO). Weiters ersuchte das Bundesfinanzgericht die Mitbeteiligte gemäß §§ 85, 115 BAO iVm § 299 BAO um Bekanntgabe, ob das Anbringen vom 17. April 2018 als Antrag gemäß § 299 BAO ‑ Bescheidaufhebung wegen Unrichtigkeit des Bescheidspruches ‑ zu werten sei.

10 Mit Eingabe vom 31. Juli 2019 teilte die Mitbeteiligte mit, sie wiederhole „in eventu“ ihren Antrag gemäß § 303 BAO. Es werde ersucht, auf diese neu hervorgekommenen Tatsachen (die unrichtigen Einkommensteuerbescheide bzw. die bezahlten Sozialversicherungsbeiträge der Jahre 2011 bis 2016) Rücksicht zu nehmen. Das Anbringen vom April 2018 sei gemäß § 299 BAO als Antrag auf Bescheidaufhebung wegen inhaltlicher Unrichtigkeit des Spruches zu werten sowie als Antrag, einen inhaltlich richtigen Steuerbescheid zu erlassen. Dies ergebe sich aus dem Antrag vom April 2018, wo unter dem Punkt 2.b und 2.c bereits die „Aufhebung des unrichtigen Einkommenssteuerbescheides der ESt‑Jahre 2011 bis 2016“ begehrt worden sei. Bloß in eventu werde die Wiederaufnahme des Verfahrens begehrt. Sie beantrage daher, gemäß § 299 BAO die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2011 bis 2016 aufzuheben; in eventu das abgeschlossene Verfahren gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO wiederaufzunehmen.

11 Mit Eingabe vom 8. Oktober 2019 erhob die Mitbeteiligte Säumnisbeschwerde. Sie machte geltend, der „Wiederaufnahmeantrag“ vom 17. April 2018 sei auch als Antrag gemäß § 299 BAO auf Aufhebung der unrichtigen Bescheide vom 24. November 2017 zu werten. Das Finanzamt habe über diesen Antrag nach wie vor nicht abgesprochen, die Frist von sechs Monaten sei jedenfalls verstrichen. Die Mitbeteiligte beantragte, das Verwaltungsgericht möge dem Finanzamt auftragen, innerhalb einer kurzen Frist ab Einlangen der Säumnisbeschwerde gemäß § 299 BAO zu entscheiden und sodann die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2011 bis 2016 gemäß § 299 BAO aufzuheben und einen neuen Bescheid unter Berücksichtigung der bezahlten Sozialversicherungsbeiträge zu erlassen.

12 Das Bundesfinanzgericht forderte mit Beschluss vom 9. Oktober 2019 das Finanzamt auf, innerhalb einer Frist von einem Monat ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und eine Abschrift der Bescheide samt Zustellnachweis vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliege.

13 Das Finanzamt teilte mit Eingabe vom 21. Oktober 2019 mit, die Mitbeteiligte habe mit Eingabe vom 17. April 2018 ausschließlich Bezug auf die Bestimmung des § 303 BAO genommen. Unmissverständlich sei ausschließlich ein Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer 2011 bis 2016 beantragt worden. Ein Antrag nach § 299 BAO sei aus der Eingabe nicht ableitbar. Eine Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Finanzamt liege daher nicht vor.

14 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Bundesfinanzgericht die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2011 bis 2016 vom 24. November 2017 gemäß § 299 BAO in Verbindung mit § 284 Abs. 3 BAO auf. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

15 Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht zunächst aus, die Beschwerde der Mitbeteiligten betreffend Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren (Einkommensteuer 2011 bis 2016) sei mit Erkenntnis vom 8. Mai 2020 als unbegründet abgewiesen worden.

16 Mit dem Anbringen der Mitbeteiligten vom 17. April 2018 liege eine eindeutige und jeden Zweifel ausschließende Parteienerklärung noch nicht vor. Obwohl dieses Anbringen keine Wiederaufnahmegründe anführe, vielmehr die materielle Unrichtigkeit der Bescheide beanstande, habe das Finanzamt dieses Anbringen ohne weitere Erforschung des Parteiwillens und ohne weitere Ermittlungen ausschließlich als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO gewertet und als unbegründet abgewiesen. Das Finanzamt hätte diesen Antrag aber ‑ ungeachtet seiner Bezeichnung ‑ nicht ohne weiteres ausschließlich als Antrag auf Wiederaufnahme werten dürfen. Die Mitbeteiligte habe die Berücksichtigung der von ihr entrichteten Sozialversicherungsbeiträge begehrt. Für dieses Begehren spreche auch die Wendung in ihrem Antrag „auf Aufhebung des unrichtigen Einkommenssteuerbescheides der ESt‑Jahre 2011 bis 2016“. Mit der eindeutigen Erklärung der Mitbeteiligten im Rahmen des Mängelbehebungsverfahrens sei das Anbringen vom 17. April 2018 auch als Antrag auf Aufhebung der unrichtigen Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2016 zu beurteilen. Da das Finanzamt mitgeteilt habe, eine Säumnis des Finanzamts liege nicht vor, sei der Zuständigkeitsübergang an das Bundesfinanzgericht eingetreten.

17 Der Spruch der Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2016 sei aus dem im Aufhebungsantrag genannten Grund (Nichtberücksichtigung der entrichteten Sozialversicherungsbeiträge) unrichtig. Die Auswirkungen seien auch nicht geringfügig, sodass die Bescheide aufzuheben seien. Eine Verbindung mit den neuen Bescheiden scheitere daran, dass Gegenstand des Säumnisbeschwerdeverfahrens lediglich die Verletzung der Entscheidungspflicht der Abgabenbehörde und nicht die Erlassung der die aufgehobenen ersetzenden Bescheide sei.

18 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamts.

19 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

20 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

21 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

22 Zur Zulässigkeit der Revision wird geltend gemacht, das Bundesfinanzgericht weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil es dem durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter eingebrachten Antrag der Mitbeteiligten auf Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO den Inhalt eines Antrages auf Aufhebung gemäß § 299 BAO beigemessen habe, obwohl der Verfahrenstitel des § 299 BAO nirgends erwähnt werde. Die alleinige, mehrfache Bezeichnung als Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO sei nach Ansicht des Finanzamtes, insbesondere bei Antragstellung durch einen rechtskundigen Vertreter, nicht zweideutig und einer Auslegung als Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 BAO nicht zugänglich. Das Erkenntnis weiche auch von jener Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, nach der es nicht zulässig sei, eine ausreichend bestimmte Parteieingabe, die weder inhaltliche noch formelle Mängel aufweise, im Weg der Erlassung eines Mängelbehebungsauftrages einer Qualifikation zuzuführen, die ihr von Beginn an nicht zugekommen sei. Mangels Vorliegens eines Antrages auf Aufhebung gemäß § 299 BAO habe sich daraus auch keine Entscheidungssäumnis des Finanzamts ergeben können. Das Bundesfinanzgericht habe daher auch nicht zuständig werden könne, in der Rechtssache der Aufhebung gemäß § 299 BAO zu erkennen.

23 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

24 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Beurteilung von Parteianträgen nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes. Maßgebend für die Wirksamkeit einer Prozesserklärung ist das Erklärte, nicht das Gewollte. Allerdings ist das Erklärte der Auslegung zugänglich. Parteierklärungen sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, d.h. es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt. Allerdings kann auch bei rechtsschutzfreundlicher Interpretation von Parteienerklärungen nicht die Befugnis oder Pflicht der Behörde abgeleitet werden, von der Partei tatsächlich nicht erstattete Erklärungen aus der Erwägung als erstattet zu fingieren, dass der Kontext des Parteienvorbringens die Erstattung der nichterstatteten Erklärung nach behördlicher Beurteilung als notwendig, ratsam oder empfehlenswert erscheinen lässt (vgl. VwGH 28.1.2003, 2001/14/0229; 24.9.2014, 2011/13/0082; 18.12.2019, Ra 2019/15/0005, je mwN).

25 Bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens ist eine davon abweichende, nach außen hin auch nur andeutungsweise nicht zum Ausdruck kommende Absicht des Einschreiters nicht maßgeblich (vgl. VwGH 18.5.2006, 2003/16/0009, mwN; vgl. auch ‑ zu § 13 AVG ‑ VwGH 22.5.2014, Ro 2014/17/0024). Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Behörde gehalten, die Absicht der Partei zu erforschen (vgl. VwGH 24.6.2009, 2007/15/0041; 28.6.2012, 2012/15/0071; 28.5.2019, Ra 2018/15/0108, je mwN).

26 Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein beruflicher Parteienvertreter, der einen Antrag im Namen eines Mandanten stellen möchte, dies auch klar zum Ausdruck bringt (VwGH 24.11.2016, Ra 2014/13/0003).

27 Die vertretbare Auslegung eines Antrags geht in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinaus und vermag sohin keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen. Auch die Frage, ob besondere Umstände des Einzelfalles eine andere Auslegung einer Erklärung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. VwGH 11.10.2018, Ra 2018/16/0154, mwN).

28 Die Eingabe der Revisionswerberin vom 17. April 2018 ist als „Antrag auf Wiederaufnahme gem. § 303 BAO“ bezeichnet. Im Schriftsatz wurde verwiesen auf „neu hervorgekommene Tatsachen bzw. Beweise“. Welche Tatsachen oder Beweise neu hervorgekommen seien, wurde aber nicht dargetan. Verwiesen wurde im Schriftsatz auch auf „§ 301 BAO“, eine Bestimmung die seit Ende 2002 nicht mehr in Kraft ist, die sich aber u.a. auf ein Vorgehen nach § 299 BAO, nicht hingegen auf eine Wiederaufnahme bezog. Die Revisionswerberin beantragte abschließend als „Beschuldigte“ die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO sowie die Aufhebung der unrichtigen Einkommensteuerbescheide der Jahre 2011 bis 2016. Da bereits die Bewilligung (oder Verfügung) der Wiederaufnahme zur Beseitigung jenes Bescheides führt, der das wiederaufgenommene Verfahren seinerzeit zum Abschluss gebracht hat (vgl. z.B. VwGH 22.5.2014, 2013/15/0142, mwN), ist dieses Begehren im Rahmen eines Antrags auf Wiederaufnahme an sich redundant (es entspricht auch ‑ wie aus den im vorliegenden Verfahren vom Finanzamt verfügten Wiederaufnahmen ersichtlich ‑ der Praxis, die Aufhebung dieses Bescheides bei bewilligter oder verfügter Wiederaufnahme nicht explizit im Spruch anzuführen). Dieses zuletzt genannte Begehren würde daher eher einen Antrag nach § 299 BAO nahe legen; hiefür enthält der Schriftsatz auch eine Begründung (inhaltliche Unrichtigkeit wegen Nichtberücksichtigung der entrichteten Sozialversicherungsbeiträge).

29 Der Antrag in der (noch innerhalb der Jahresfrist für einen Antrag nach § 299 BAO eingebrachten) Beschwerde gegen die den Antrag auf Wiederaufnahme abweisenden Bescheide lautete sodann, die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2011 bis 2016 aufzuheben und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung der „neuen“ (nicht: neu hervorgekommenen) Tatsachen bzw. Beweismittel neu zu berechnen. Dem Wortlaut nach wurde damit also nicht etwa die Aufhebung oder Abänderung des mit der Beschwerde angefochtenen Bescheides beantragt und auch nicht die im verfahrenseinleitenden Antrag in der Überschrift genannte Wiederaufnahme.

30 Wenn auch grundsätzlich davon auszugehen ist, dass ein beruflicher Parteienvertreter einen Antrag im Namen seines Mandanten klar zum Ausdruck bringt, so zeigt der vorliegende Fall, dass (ausnahmsweise) auch berufliche Parteienvertreter Anträge so verfassen, dass sie undeutlich sind. Wenn das Bundesfinanzgericht vor diesem Hintergrund es als notwendig erachtete, die Absicht der Partei zu erforschen, und dabei zum Ergebnis gelangte, dass die Eingabe vom 17. April 2018 auch als Antrag nach § 299 BAO zu verstehen sei, so war dies keinesfalls unvertretbar. Ein die Zulässigkeit der Revision begründender Mangel wird damit nicht aufgezeigt.

31 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 29. Juli 2020

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