VwGH Ra 2020/05/0243

VwGHRa 2020/05/024321.11.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner und die Hofrätinnen Mag. Liebhart‑Mutzl und Dr.in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Tichy, über die Revision 1. des Dr. J B und 2. der B B, beide in A und beide vertreten durch Mag. Martin Bican, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Elisabethstraße 15, gegen das am 11. September 2020 mündlich verkündete und am 24. September 2020 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien 1. VGW‑211/055/3406/2020/VOR‑18 und 2. VGW‑211/055/3407/2020/VOR‑18, betreffend baupolizeiliche Aufträge gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung),

Normen

BauO Wr §129 Abs10
BauO Wr §60
BauRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2020050243.L00

 

Spruch:

I. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird insoweit, als damit die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen Spruchpunkt 2. des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 5. November 2019, Zl. MA37/552881‑2018‑1, mit einer zu Spruchpunkt 2. des Bescheides näher genannten Maßgabe als unbegründet abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Erstrevisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen, somit insoweit, als mit dem angefochtenen Erkenntnis die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen Spruchpunkt 1. des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 5. November 2019, Zl. MA37/552881‑2018‑1, mit einer zu Spruchpunkt 1. des Bescheides näher genannten Maßgabe als unbegründet abgewiesen wurde, wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (belangte Behörde) vom 5. November 2019 wurden u.a. den revisionswerbenden Parteien als Miteigentümer eines näher genannten Gebäudes in 1160 Wien gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) unter Setzung einer Leistungsfrist von einem Monat ab Rechtskraft des Bescheides folgende baupolizeiliche Aufträge erteilt: „1.) Die Wohnungszugangstür samt Türstock zur Wohnung Top Nr. 5 ist entsprechend der Bewilligung vom 13. Jänner 2016, Zl.: [...] samt zugehörigen Plan, konsensgemäß (EI 2 30) sowie der Bauordnung für Wien entsprechend auszuführen. 2.) Die Wohnungszugangstür zur Wohnung Top Nr. 13‑14 ist entsprechend der Bewilligung vom 30. März 2006, Zl.: [...] samt zugehörigen Plan, konsensgemäß (einflügelig, T30 bzw. EI 2 30) sowie der Bauordnung für Wien entsprechend auszuführen.“

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (Verwaltungsgericht) wurde die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen diesen Bescheid (nach einer abweisenden Entscheidung der Rechtspflegerin des Verwaltungsgerichtes vom 19. Februar 2020, gegen welche die revisionswerbenden Parteien gemäß § 54 VwGVG Vorstellung erhoben hatten) nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen mit näher ausgeführten Spruchmaßgaben als unbegründet abgewiesen und die Erfüllungsfrist neu festgesetzt (I.). Eine Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG wurde für unzulässig erklärt (II.).

3 Soweit für das vorliegende Revisionsverfahren relevant, stellte das Verwaltungsgericht dazu folgenden Sachverhalt fest und traf folgende rechtliche Beurteilungen:

4 Zur Wohnungseingangstür Top Nr. 5:

Diese sei im Jahr 2004 durch die Benützungsberechtigte der Wohnung Top Nr. 5 ‑ ohne hierfür Bauanzeige zu erstatten ‑ in eine deutlich kleinere Türe mit anderer Schwungrichtung ausgetauscht worden. In der Folge habe der Erstrevisionswerber erwirkt, dass mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtsachen Wien vom 27. Oktober 2011 die Benützungsberechtigte der Wohnung Top Nr. 5 verpflichtet worden sei, die Abweichungen an der Wohnungstür vom Bestandsplan 1895 rückgängig zu machen und derartige konsenslose bauliche Veränderungen künftig zu unterlassen. Nach Bewilligung der Exekutionsführung sei der Austausch der Türe im Jahr 2015 durch ein näher genanntes Bauunternehmen durchgeführt worden. In der Folge sei diesbezüglich eine Bauanzeige vom 13. Jänner 2016 eingebracht worden. Hierzu habe die Behörde angemerkt, dass die im Plan dargestellte Türgröße 108/260 cm in keinem aufliegenden bewilligten Plan Konsens sei, weshalb der Erstrevisionswerber zur Verbesserung aufgefordert worden sei. Aus einem Aktenvermerk der Baubehörde vom 27. Jänner 2016 und den dem Bauansuchen letztlich zugrunde gelegten Plänen gehe hervor, dass die Änderung der Wohnungseingangstür der Wohnung Top Nr. 5 auf eine Größe von 108/260 cm mit der Brandschutzqualifikation EI 2 30 gemäß § 70 BO als bewilligt gelte. Der Erklärung des Erstrevisionswerbers vom 22. April 2016 zufolge sei das Bauvorhaben auch in diesem Sinn umgesetzt worden. Tatsächlich entspreche die eingebaute Türe allerdings nicht der vorgeschriebenen Brandschutzqualifikation EI 2 30.

5 Datiert mit 30. November 2015 zu einer näher genannten Zahl habe die belangte Behörde zuvor einen baupolizeilichen Auftrag erlassen, mit welchem den Eigentümern der Liegenschaft gemäß § 129 Abs. 10 BO vorgeschrieben worden sei, binnen zwei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides „die vorschriftswidrig eingebaute Wohnungszugangstür zu der im Erdgeschoß gelegenen Wohnung Top Nr. 5 mit einer Durchgangslichte von 108 cm (Breite) auf 260 cm (Höhe) [...] zu entfernen und den konsensgemäßen Zustand laut Einreichplan von 1895 (90 cm Durchgangslichte auf 260 cm Höhe) [...] wieder herzustellen.“ Das gegen diesen Bescheid angestrengte Beschwerdeverfahren sei mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes vom 2. November 2016 infolge Gegenstandslosigkeit der Beschwerde eingestellt worden, da die Umbaumaßnahmen zwischenzeitlich in dem auf den Aktenvermerk der belangten Behörde vom 27. Jänner 2016 zurückgehenden Verfahren bewilligt worden seien.

6 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht zur Wohnungseingangstür Top Nr. 5 zusammengefasst, dass aufgrund der Bauanzeige vom 13. Jänner 2016 und dem dieser Anzeige zugrundeliegenden Plan davon auszugehen sei, dass eine Tür mit der Größe 108/260 cm in Brandschutzqualifikation EI 2 30 gemäß § 70 BO als bewilligt gelte. Diese Annahme stütze sich darauf, dass es sich beim Tausch der Wohnungseingangstüre samt Erweiterung der Durchgangslichte im Jahr 2015 um eine anzeigepflichtige Maßnahme im Sinne des § 62 Abs. 1 Z 4 BO gehandelt habe und die beantragten Änderungen aufgrund der farblichen Markierungen in den Plänen eindeutig erkennbar seien (wird näher ausgeführt). Die Annahme, dass es sich beim Austausch der Türe im Jahr 2016 (gemeint wohl 2015) um eine anzeigepflichtige Maßnahme gehandelt habe, stütze sich vor allem darauf, dass es hierbei zu einer nicht unerheblichen Erweiterung der Durchgangslichte und damit einhergehend zum Abriss von umliegendem Mauerwerk gekommen sei.

7 Hinsichtlich der Argumentation der revisionswerbenden Parteien, dass es sich bei den Umbaumaßnahmen im Jahr 2015 bloß um einen Rückbau auf den konsensgemäßen Zustand gehandelt habe, der nicht einmal einer Bauanzeige bedurft hätte, sei darauf hinzuweisen, dass ein derartiger Konsens durch die Arbeiten im Jahr 2004 wohl untergegangen wäre. Darüber hinaus werde auf § 62a Abs. 1 Z 3 BO verwiesen; es lasse sich aus näheren Gründen auch nicht vertreten, dass Umbaumaßnahmen, die auf die Wiederherstellung eines bewilligten Status abzielten, stets bewilligungs‑ und anzeigefrei wären.

8 Ebenso treffe es nicht zu, dass die Anführung der Brandschutzqualifikation auf den Einreichplänen auf einen Irrtum zurückzuführen sei; da der Einbau einer Türe mit der Brandschutzqualifikation EI 2 30 eine Genehmigungsvoraussetzung für die am 13. Jänner 2016 eingereichte Bauanzeige dargestellt habe, habe die Behörde dies zu Recht eingemahnt.

9 Da die im Jahr 2015 eingebaute und auch heute noch vorhandene Wohnungszugangstüre zur Wohnung Top Nr. 5 nicht der bewilligten Brandschutzqualifikation EI 2 30 entspreche, sei in dieser Hinsicht von einer Vorschriftswidrigkeit im Sinne des § 129 Abs. 10 BO auszugehen.

10 Zur Wohnungseingangstüre Top Nr. 13‑14:

Hierzu stellte das Verwaltungsgericht fest, dass die revisionswerbenden Parteien mit Bauansuchen vom Februar bzw. März 2006 gemäß § 62 BO nachträglich den „Umbau der bestehenden Wohnung Top 13‑14“ angezeigt hätten. Hierbei hätten sie eine Gangeinbeziehung durch Errichtung einer Zwischenwand (Schaffung eines Vorraumes) und eine Zusammenlegung der Wohnungen Top Nr. 13 und 14 sowie die Schaffung einer neuen Wohnungseingangstüre mit der Abmessung 100/200 cm und der Brandschutzqualifikation T30 beantragt. Datiert mit 7. Februar 2006 sei schon zuvor eine darauf bezogene Fertigstellungsanzeige erstattet worden. Bei der Überprüfung der Anzeige durch die Behörde seien keine Untersagungsgründe erkannt worden.

11 In einem gegen die revisionswerbenden Parteien angestrengten Zivilprozess seien sie jedoch verpflichtet worden, die abgetrennten allgemeinen Gangteile, insbesondere durch Entfernung der Trennmauer, wieder frei zugänglich zu machen und eigenmächtige, nicht genehmigte Veränderungen an der Liegenschaft künftig zu unterlassen. Begründend habe das Zivilgericht hierzu ausgeführt, dass die Veränderungen eigenmächtig, ohne Einwilligung der übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer vorgenommen worden seien. Als Konsequenz habe der Erstrevisionswerber die Trennwand samt Türe wieder entfernt, allerdings ohne Bauanzeige zu erstatten. Mit Eingabe vom 26. November 2019 habe der Erstrevisionswerber schließlich die Entfernung der im Gangteil vor den Wohnungen Top Nr. 13 und 14 vormals erbauten Zwischenwand samt Tür und Zarge angezeigt und eine Fertigstellungsmeldung erstattet.

12 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht zur Wohnungseingangstüre Top Nr. 13‑14 aus, dass aus dem Plan zur Bauanzeige vom 30. März 2006 und den darin enthaltenen farblichen Markierungen neben der Bewilligung der Gangeinbeziehung durch Errichtung einer Zwischenwand (Schaffung eines Vorraumes) und der Zusammenlegung der Wohnungen Top Nr. 13 und 14 eindeutig auch die Schaffung einer neuen Wohnungseingangstüre mit der Abmessung 100/200 cm und der Brandschutzqualifikation T30 hervorgehe. Die bewilligten Baumaßnahmen seien zwischenzeitlich voll ausgeführt worden, was auch durch eine Fertigstellungsmeldung dokumentiert sei.

13 Da die bewilligte Wohnungszugangstüre samt der Trennwand wieder „eigenmächtig entfernt“ worden sei, liege auch in diesem Punkt eine Vorschriftswidrigkeit im Sinne des § 129 Abs. 10 BO vor. Nicht unerwähnt solle auch bleiben, dass mit der neuen Wohnungseingangstüre ein hinreichender Brandschutz für die Wohnungen Top Nr. 13 und 14 sichergestellt werden sollte. Da die dahinterliegenden Eingangstüren zu den Wohnungen Top Nr. 13 und 14 nicht den daran gestellten Anforderungen entsprächen, sei durch den Wegfall der Zwischenwand samt Türe der angestrebte Brandschutz nicht mehr gewährleistet.

14 Da es sich bei den gegenständlichen Türen um den jeweiligen Abschluss der Wohnungen zu den Gang‑ bzw. Stiegenhausbereichen und somit um allgemeine Teile des Hauses handle, sei der Auftrag zu Recht gegenüber allen Miteigentümern des Hauses erlassen worden (wird näher ausgeführt).

15 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit betreffend die Wohnungszugangstür Top Nr. 5 zusammengefasst vorbringt, die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes, wonach der Konsens hinsichtlich dieser Türe durch die im Jahr 2004 durchgeführten eigenmächtigen Änderungen untergegangen wäre, widerspreche der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes; sollte dieser Ansicht nicht gefolgt werden, fehle Rechtsprechung zu dieser Frage. Weiters sei der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes, „dass die mit baulichen Veränderungen einhergehende Rückführung auf einen konsensgemäßen Zustand, ohne dass ein baubehördlicher Auftrag vorliegt, sich als bewilligungs‑ bzw. anzeigepflichtig erweise“ nicht zu folgen und zu dieser Rechtsfrage bestehe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Da hinsichtlich der Eingangstüre der Wohnung Top Nr. 5 der ursprüngliche Baukonsens des Jahres 1895 aufrecht sei, stünde die Rechtskraft der alten baurechtlichen Bewilligung einer neuerlichen Bewilligung für den identen Zustand dem Grundsatz „ne bis in idem“ und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 68 AVG entgegen. Die Lösung dieser Rechtsfrage sei von Relevanz, da von der Lösung dieser Rechtsfrage abhänge, ob der Bauanzeige vom 13. Jänner 2016 rechtliche Wirkung zukomme oder nicht.

16 Hinsichtlich des Abspruches über Spruchpunkt 2. des bekämpften erstinstanzlichen Bescheides (Anmerkung: dieser betrifft die Wohnungszugangstür „zur Wohnung Top. Nr. 13‑14“) habe das Verwaltungsgericht seine Entscheidungsbefugnis überschritten; durch den baubehördlichen Auftrag sei eindeutig eine Änderung von einer zweiflügeligen Türe hin zu einer einflügeligen Türe vorgeschrieben worden und damit die Sache des Bauauftragsverfahrens und somit die Grenze der Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichtes im Beschwerdeverfahren festgelegt worden. Das Verwaltungsgericht habe jedoch durch die Ergänzung des Spruches betreffend die Wohnungseingangstüre Top Nr. 13‑14 um die Wortfolge „samt Trennwand“ die Prüfungsbefugnis entgegen § 27 in Verbindung mit § 29 Abs. 1 VwGVG überschritten und sei daher von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung hierzu abgewichen.

17 Zudem gebe es keine eindeutige und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Relevanz einer rechtlichen Unmöglichkeit, die gegenständlich aufgrund von rechtskräftigen zivilgerichtlichen Entscheidungen in dieser Angelegenheit vorliege. Den revisionswerbenden Parteien sei rechtskräftig gerichtlich untersagt, die vom Verwaltungsgericht angeordneten Handlungen zu setzen. Zu verweisen sei auf eine näher genannte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zum gegenständlichen Haus, wonach eine Zusammenlegung von Wohnungen, die im Wohnungseigentum stünden, mit solchen, die im bloßen Miteigentum stünden, rechtlich nicht möglich sei; daher könne auch die Baubehörde dies nicht auftragen. Nach dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Einheit der Rechtsordnung wäre § 129 Abs. 10 BO im Hinblick auf § 38 AVG verfassungskonform auszulegen und Spruchpunkt 2. des erstinstanzlichen Bauauftrages aufzuheben gewesen.

18 Die belangte Behörde erstattete im vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Ab‑ in eventu Zurückweisung der Revision.

19 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

20 Vorauszuschicken ist, dass die vom Verwaltungsgericht inhaltlich bestätigten Absprüche der belangten Behörde hinsichtlich der beiden revisionsgegenständlichen baupolizeilichen Aufträge voneinander trennbar sind. Liegen trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen (vgl. etwa VwGH 9.6.2022, Ra 2021/05/0109, mwN).

21 Die beiden in der vorliegenden Revision bekämpften baupolizeilichen Aufträge stützen sich auf § 129 Abs. 10 BO. Vorschriftswidrig im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung ist ein Bau, für den im Zeitpunkt seiner Errichtung ein baubehördlicher Konsens erforderlich war und weiterhin erforderlich ist, für den jedoch ein solcher Konsens nicht vorliegt. Bei Abweichungen von den Bauvorschriften können gemäß § 129 Abs. 10 BO Bauaufträge sowohl für bewilligungspflichtige, anzeigepflichtige als auch bewilligungsfreie Bauvorhaben erteilt werden, wobei der Grund für die Abweichung von den Bauvorschriften unerheblich ist. Bei Abweichungen oder vorschriftswidrigen Bauten ist ein Auftrag stets ohne weitere Voraussetzungen (z.B. Verletzung öffentlicher Interessen) möglich. Die Veranlassung der Behebung von Abweichungen von den Bauvorschriften kann auch zu einem Auftrag zur Herstellung führen (vgl. etwa VwGH 15.3.2022, Ra 2021/05/0214, mit Verweis auf VwGH 20.11.2018, Ra 2018/05/0039, mwN).

22 Zu Spruchpunkt II. (Zurückweisung der Revision insoweit, als sie sich gegen jenen Teil des angefochtenen Erkenntnisses richtet, mit dem die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen Spruchpunkt 1. des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 5. November 2019 als unbegründet abgewiesen wurde):

23 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

24 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

25 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

26 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt dabei ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung (vgl. für viele etwa VwGH 20.6.2023, Ra 2022/06/0320, mwN). Um dem Erfordernis, gesondert die Gründe zu nennen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird, Rechnung zu tragen, genügt ein Verweis auf Vorbringen im Beschwerdeverfahren ebensowenig wie ein Verweis auf sonstige Schriftsätze oder auf Vorbringen in den Revisionsgründen (vgl. für viele etwa VwGH 15.11.2021, Ra 2021/06/0122; 30.6.2020, Ra 2020/03/0046; 14.2.2022, Ra 2022/06/0002, jeweils mwN).

27 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl. etwa VwGH 24.3.2022, Ra 2020/05/0081, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof ist nach dem Revisionsmodell nicht dazu berufen, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sichern ‑ diese Aufgabe obliegt den Verwaltungsgerichten (vgl. etwa VwGH 31.8.2023, Ra 2023/05/0056, mwN).

28 Die Frage, inwieweit ein bestimmtes Bauvorhaben bewilligungspflichtig, anzeigepflichtig oder auch bewilligungsfrei ist, unterliegt dabei ebenso der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes wie die Frage, ob für ein konkretes Objekt ein baurechtlicher Konsens besteht oder nicht (vgl. für viele etwa VwGH 7.11.2022, Ra 2022/05/0151, bzw. 6.4.2023, Ra 2023/05/0046, jeweils mwN). Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung könnten in diesem Zusammenhang nur vorliegen, wenn die diesbezügliche Beurteilung durch das Verwaltungsgericht in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. nochmals etwa VwGH 6.4.2023, Ra 2023/05/0046).

29 Fallbezogen führte das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis betreffend die Wohnungszugangstüre Top Nr. 5 aus, dass diese aufgrund der Bauanzeige vom 13. Jänner 2016 (auf welche sich der Aktenvermerk der belangten Behörde vom 27. Jänner 2016 bezog, siehe oben Rn. 4) und dem dieser Anzeige zugrundeliegenden Plan davon auszugehen sei, dass eine Tür mit der Größe 108/260 cm in Brandschutzqualifikation EI 2 30 gemäß § 70 BO als bewilligt gelte. Der Erklärung des Erstrevisionswerbers vom 22. April 2016 zufolge sei das Bauvorhaben auch in diesem Sinn umgesetzt worden. Die tatsächlich eingebaute Türe entspreche allerdings nicht der vorgeschriebenen Brandschutzqualifikation.

30 Der Feststellung des Verwaltungsgerichtes, dass die zur Wohnung Top Nr. 5 nunmehr tatsächlich eingebaute Eingangstüre die Maße laut Bauanzeige vom 13. Jänner 2016 (108/260 cm) aufweise, sie aber nicht der vorgeschriebenen Brandschutzqualifikation EI 2 30 entspreche, treten die revisionswerbenden Parteien in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht entgegen. Hinsichtlich der Beurteilung des Verwaltungsgerichtes darüber hinaus, dass für diese Wohnungszugangstür (nunmehr) der Konsens laut Bauanzeige vom 13. Jänner 2016 bestehe, wird eine Unvertretbarkeit in den Zulässigkeitsgründen der Revision nicht aufgezeigt. Die Revision zieht sich in diesem Zusammenhang im Wesentlichen auf die bloße Behauptung zurück, für die Türe bestünde noch der ursprüngliche Baukonsens des Jahres 1895; sie lässt dabei aber unter anderem die Feststellung des Verwaltungsgerichtes außer Acht, wonach laut baupolizeilichem Auftrag der belangten Behörde vom 30. November 2015 (siehe oben Rn 5) der konsensgemäße Zustand laut Einreichplan von 1895 in einer Türe mit 90 cm Durchgangslichte auf 260 cm Höhe (und nicht wie mit Bauanzeige vom 13. Jänner 2016 eingereicht und tatsächlich eingebaut in einer Türe mit den Maßen 108/260 cm) bestand. Eine unvertretbare Beurteilung des Verwaltungsgerichtes wird jedenfalls im Zusammenhang mit der Wohnungszugangstüre Top Nr. 5 nicht dargetan, weshalb die Revision in dem im Spruch genannten Umfang gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen war.

31 Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes insoweit, als damit die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen Spruchpunkt 2. des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 5. November 2019 als unbegründet abgewiesen wurde):

32 Insoweit ist die Revision im Sinne ihres Zulässigkeitsvorbringens zulässig und im Ergebnis auch begründet.

33 Hinsichtlich der Wohnungseingangstüre Top Nr. 13‑14 führte das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis zusammengefasst aus, die revisionswerbenden Parteien hätten mit Bauansuchen vom Februar bzw. März 2006 gemäß § 62 BO nachträglich den „Umbau der bestehenden Wohnung Top 13‑14“ durch Gangeinbeziehung durch Errichtung einer Zwischenwand (Schaffung eines Vorraumes) und eine Zusammenlegung der Wohnungen Top Nr. 13 und 14 sowie die Schaffung einer neuen Wohnungseingangstüre mit der Abmessung 100/200 cm und der Brandschutzqualifikation T30 angezeigt. Datiert mit 7. Februar 2006 sei schon zuvor eine darauf bezogene Fertigstellungsanzeige erstattet worden. In einem gegen die revisionswerbenden Parteien angestrengten Zivilprozess seien sie jedoch verpflichtet worden, die abgetrennten allgemeinen Gangteile, insbesondere durch Entfernung der Trennmauer, wieder frei zugänglich zu machen und eigenmächtige, nicht genehmigte Veränderungen an der Liegenschaft künftig zu unterlassen. Als Konsequenz habe der Erstrevisionswerber die Trennwand samt Türe wieder entfernt; mit Eingabe vom 26. November 2019 habe der Erstrevisionswerber die Entfernung der im Gangteil vor den Wohnungen Top Nr. 13 und 14 vormals erbauten Zwischenwand samt Tür und Zarge angezeigt und eine Fertigstellungsmeldung erstattet. Aus dem Plan zur Bauanzeige vom 30. März 2006 und den darin enthaltenen farblichen Markierungen sei neben der Bewilligung der Gangeinbeziehung durch Errichtung einer Zwischenwand (Schaffung eines Vorraumes) und der Zusammenlegung der Wohnungen Top Nr. 13 und 14 eindeutig auch die Schaffung einer neuen Wohnungseingangstüre mit der Abmessung 100/200 cm und der Brandschutzqualifikation T30 hervorgegangen. Da die bewilligte Wohnungszugangstüre samt der Trennwand wieder „eigenmächtig entfernt“ worden sei, liege auch in diesem Punkt eine Vorschriftswidrigkeit im Sinne des § 129 Abs. 10 BO vor. Da die dahinterliegenden Eingangstüren zu den Wohnungen Top Nr. 13 und 14 nicht den daran gestellten Anforderungen entsprächen, sei durch den Wegfall der Zwischenwand samt Türe der angestrebte Brandschutz nicht mehr gewährleistet.

34 Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass der Konsens für eine Baulichkeit untergeht, wenn diese abgebrochen bzw. entfernt wird (vgl. für viele etwa VwGH 15.11.2011, 2011/05/0041, 15.5.2014, 2012/05/0089, 14.4.2016, Ra 2015/06/0037, oder auch 4.11.2016, 2013/05/0117, jeweils mwN).

35 Dass der Erstrevisionswerber sämtliche Maßnahmen, welche mit Baukonsens vom 30. März 2006 als bewilligt anzusehen waren (Zusammenlegung der Wohnungen Top Nr. 13 und 14 durch Gangeinbeziehung und Schaffung eines Vorraumes mittels Errichtung einer Zwischenwand sowie Schaffung einer neuen Wohnungseingangstüre) infolge zwischenzeitlich an die revisionswerbenden Parteien ergangener zivilgerichtlicher Urteile wieder entfernt hat, führen übereinstimmend sowohl das Verwaltungsgericht als auch die Revision aus. Entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist damit aber der Baukonsens vom 30. März 2006 untergegangen. Bereits aus diesem Grund scheidet die Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages zur Herstellung einer „Wohnungszugangstür zur Wohnung Top Nr. 13‑14 [...] entsprechend der Bewilligung vom 30. März 2006 [...]“ aus.

36 Da das Verwaltungsgericht dies verkannt hat, hat es das angefochtene Erkenntnis im Umfang der Abweisung der Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen Spruchpunkt 2. des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 5. November 2019 mit Rechtswidrigkeit belastet. Das angefochtene Erkenntnis war daher im genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne, dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.

37 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 21. November 2023

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