Normen
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §60 Abs1 litc;
BauRallg;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §60 Abs1 litc;
BauRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, erteilte mit Bescheid vom 25. Juni 2010 gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) der Beschwerdeführerin als Eigentümerin der baulichen Anlage auf dem Grundstück Nr. 423/1 in EZ 966 der KG B den Auftrag, binnen der Frist von drei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides die ohne baubehördliche Bewilligung angebrachte beleuchtete Werbeanlage an der östlichen Gebäudefront im Ausmaß von ca. 12,50 m x 0,80 m zu beseitigen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die beleuchtete Werbeanlage baubewilligungspflichtig, jedoch nicht bewilligt sei und "das öffentliche Interesse insbesondere dadurch berührt, dass diese im örtlichen Stadtbild (störend) in Erscheinung tritt".
Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung, in welcher sie vorbrachte, von der Magistratsabteilung 46 die telefonische Auskunft erhalten zu haben, dass bei einem Austausch der Werbeanlage des Voreigentümers gegen die gegenständliche keine Bewilligung notwendig sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid (Spruchpunkt 1.; Spruchpunkt 2. betraf die Zurückweisung der Berufung einer anderen Einschreiterin) wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, anlässlich der mündlichen Verhandlung an Ort und Stelle am 22. Juni 2010 sei festgestellt worden, dass an der östlichen Gebäudefront des auf der besagten Liegenschaft befindlichen Gebäudes eine beleuchtete Werbeanlage errichtet worden sei. Eine baubehördliche Bewilligung für die Werbeanlage, die ein Ausmaß von ca. 12,50 m x 0,80 m aufweise, liege nicht vor.
Zunächst sei festzuhalten, dass seitens der Beschwerdeführerin weder die Feststellungen des bautechnischen Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 37/14, insbesondere im Hinblick auf die Größe der Werbeanlage, noch die Eigentümerstellung bestritten worden seien.
Die gegenständliche Werbeanlage weise ein Ausmaß von ca. 12,50 m x ca. 0,80 m und somit eine sich daraus errechenbare Rechtecksfläche von ca. 10 m2 auf. Das in § 62a Abs. 1 Z. 30 BO für bewilligungsfreie Werbeschilder oder Werbezeichen festgelegte Flächenausmaß von 3 m2 werde daher um ein Vielfaches überschritten, sodass diese Bestimmung keine Anwendung finde und die Werbeanlage nicht als bewilligungsfrei anzusehen sei.
Durch die Anbringung einer Werbeanlage dieses Ausmaßes an einer Hausfassade werde jedenfalls die äußere Gestaltung des Gebäudes beeinflusst, weshalb bereits aus diesem Grund eine Bewilligungspflicht gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO bestehe. Daran ändere auch der von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Umstand nichts, dass an gleicher Stelle bereits vorher eine Werbeanlage angebracht gewesen sei, zumal entsprechend den vorgelegten Fotoaufnahmen die verfahrensgegenständliche Werbeanlage insbesondere im Hinblick auf Farbe und Anzahl der Werbezeichen wesentlich anders in Erscheinung trete.
Zum Vorbringen, die Magistratsabteilung 46 hätte mitgeteilt, es sei eine neuerliche Bewilligung nicht notwendig, sei auszuführen, dass die Magistratsabteilung 46 primär für verkehrssicherheitstechnische Angelegenheiten, allenfalls für die Erteilung einer Gebrauchserlaubnis zuständig sei und unabhängig davon, ob diese aus verkehrssicherheitstechnischer Sicht eine Bewilligung bzw. eine Gebrauchserlaubnis zu erteilen habe oder nicht, jedenfalls für die Errichtung der gegenständlichen Werbeanlage entsprechend den obigen Ausführungen eine Bewilligung nach der Wiener Bauordnung einzuholen sei.
Da unbestritten eine Bewilligung für die Herstellung der Werbeanlage nach der Wiener Bauordnung nicht erwirkt worden sei, sei der Beseitigungsauftrag gemäß § 129 Abs. 10 BO zu Recht ergangen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluss vom 9. März 2011, B 158/11, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof begehrte die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich im Recht auf Anwendung einer gelinderen Maßnahme, nämlich der "temporären" Bewilligung des Werbeschildes gemäß § 71 BO verletzt. Sie bringt im Wesentlichen vor, das Werbeschild diene aufgrund der zeitlich begrenzten Werbewirksamkeit lediglich vorübergehenden Zwecken, und es solle auch nicht dauernd bestehen. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Baubewilligung gemäß § 71 BO seien erfüllt (wird näher ausgeführt). Es habe ferner zuvor ein Werbeschild gegeben, von dem sich die Konsensmäßigkeit des jetzigen ableite. Auf die "Falschauskunft" sowohl des Magistratischen Bezirksamtes für den
14. Bezirk als auch der Magistratsabteilung 46, die die belangte Behörde hätte ermitteln müssen, habe die Beschwerdeführerin gutgläubig vertraut. Ein Beseitigungsauftrag gemäß § 129 Abs. 10 BO sei aufgrund der Anwendbarkeit des § 71 BO unverhältnismäßig. Eine Verhältnismäßigkeitsabwägung habe die belangte Behörde unterlassen. Auch würde der Vollzug des Beseitigungsauftrages die Beschwerdeführerin aufgrund der hohen Investitionskosten bei ausbleibenden Gewinnen betreffend den gegenständlichen Club-Standort in erhebliche finanzielle Probleme stürzen. Auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit wäre Bedacht zu nehmen gewesen, auch im Hinblick auf die Kosten der Werbeanlage. Darüber hinaus sei nicht auszuschließen, dass eine Baubewilligung in einem der umfassenden und zudem verwirrenden - durch Führung unter drei Liegenschaftsadressen - Bauakten vorliege. In Verkennung der Rechtslage und weiterhin "unklarer" Aktenlage habe die belangte Behörde somit den Sachverhalt nur mangelhaft erhoben und das Parteiengehör der Beschwerdeführerin verletzt.
Gemäß § 129 Abs. 10 BO ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt oder eine Bauanzeige nicht rechtswirksam erstattet wurde, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht.
Nach § 60 Abs. 1 lit. c BO sind, soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a BO zur Anwendung kommen, Änderungen oder Instandsetzungen von Bauwerken, wenn diese von Einfluss auf die Festigkeit, die gesundheitlichen Verhältnisse, die Feuersicherheit oder auf die subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn sind oder durch sie das äußere Ansehen oder die Raumeinteilung geändert wird, sowie jede Änderung der bewilligten Raumwidmungen oder des bewilligten Fassungsraumes eines Bauwerks bewilligungspflichtig.
Gemäß § 62a Abs. 1 Z. 30 BO ist für einzelne beleuchtete und unbeleuchtete Werbeschilder oder Werbezeichen an Gebäuden im Ausmaß von höchstens 3 m2 umschriebener Rechtecksfläche außerhalb von Schutzzonen und Gebieten mit Bausperre weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige erforderlich.
Zutreffend hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass durch die Anbringung der gegenständlichen Werbeanlage an der Hausfassade das äußere Ansehen des Gebäudes iSd § 60 Abs. 1 lit. c BO verändert wird. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme gemäß § 62a Abs. 1 Z 30 BO liegen unbestritten nicht vor. In diesem Zusammenhang ist auch die Auskunft des Magistratischen Bezirksamtes für den 14. Bezirk und der Magistratsabteilung 46, wonach für den Austausch der Werbeanlagen keine Bewilligung notwendig sei, ohne Belang, da eine solche Auskunft nichts an der Bewilligungspflicht ändert.
Vorschriftswidrig ist ein Bau, für den im Zeitpunkt seiner Errichtung ein baubehördlicher Konsens erforderlich war und weiterhin erforderlich ist, für den aber ein solcher Konsens nicht vorliegt. Die Frage der Bewilligungsfähigkeit des Baues ist im Verfahren nach § 129 Abs. 10 BO nicht zu prüfen. Es hindert auch ein allfälliges noch nicht erledigtes entsprechendes Baubewilligungsgesuch nicht die Erlassung eines Auftrages, wohl aber könnte ein solcher Auftrag während der Anhängigkeit eines entsprechenden Ansuchens um nachträgliche Bewilligung nicht vollstreckt werden (siehe dazu die bei Geuder/Hauer, Wiener Bauvorschriften5, Seite 800 unter E 10a sowie Seite 822 unter E 101 ff wiedergegebene hg. Judikatur). Das Vorbringen in der Beschwerde betreffend eine mögliche Bewilligung gemäß § 71 BO geht schon deshalb ins Leere, weil die Beschwerdeführerin kein Bauansuchen, auch nicht ein auf § 71 BO gestütztes, behauptet.
An der Rechtmäßigkeit des Bauauftrages ändert auch eine - allenfalls anzunehmende - Vermutung der Rechtmäßigkeit eines Altbestandes, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, nichts. Durch die Entfernung des alten Werbeschildes ist nämlich der (allenfalls auch nur vermutete) Konsens dieses Schildes untergegangen, weshalb auch die von der Beschwerdeführerin gerügten diesbezüglichen Sachverhaltserhebungen nicht erforderlich waren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2005, Zl. 2005/05/0176).
Auch mit ihrem Einwand, die belangte Behörde hätte die wirtschaftliche Zumutbarkeit bei Erlassung des Beseitigungsauftrages berücksichtigen und dafür Parteiengehör gewähren müssen, zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit auf. Für die Erlassung eines Beseitigungsauftrages gemäß § 129 Abs. 10 BO ist es ausreichend, dass für die bestehende bewilligungspflichtige Baulichkeit eine behördliche Bewilligung nicht vorliegt, obwohl die Baulichkeit sowohl zum Zeitpunkt ihrer Errichtung als auch zum Zeitpunkt der Auftragserteilung einer baubehördlichen Bewilligung bedurft hätte. Eine wirtschaftliche Abwägung sieht die Bauordnung dabei nicht vor (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2005, Zl. 2005/05/0176, mwN).
Die belangte Behörde hat mit der Erlassung des Beseitigungsauftrages auch nicht gegen das "Prinzip der Verhältnismäßigkeit" verstoßen, wie in der Beschwerde ausgeführt wird. Die an die Baubehörde gerichtete Anordnung, dass "gegebenenfalls Aufträge erteilt werden können", bedeutet, dass die Behörde von Amts wegen bei jeder Abweichung bzw. Vorschriftswidrigkeit im Sinne des § 129 Abs. 10 erster Satz BO einen Auftrag erteilen muss, sofern nicht der Verpflichtete selbst im Sinne der gesetzlichen Anordnung die Abweichung von den Bauvorschriften behebt oder den vorschriftswidrigen Bau beseitigt. Der Behörde ist nur insofern ein Gestaltungsspielraum bei der Durchführung des Bauauftragsverfahrens nach § 129 Abs. 10 BO eingeräumt, als ihr die Möglichkeit an die Hand gegeben ist, mit der Erlassung des Bauauftrages zuzuwarten und dieses - vorläufige -
Unterbleiben eines Auftrages sachlich gerechtfertigt ist (vgl. die bei Moritz, Bauordnung für Wien, 4. Auflage, Seite 324, genannten Beispiele für das Zuwarten mit der Erteilung des Bauauftrages, und das hg. Erkenntnis vom 21. Juli 2005, Zl. 2004/05/0023).
Die persönliche Situation der Beschwerdeführerin und ihre Motive sind kein im Gesetz vorgesehener Grund, vom Beseitigungsauftrag Abstand zu nehmen, auch dann nicht, wenn keine Gefahr im Verzug besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2005, Zl. 2005/05/0075).
Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Gründe, nämlich die hohen Investitionskosten, das gutgläubige Vertrauen auf die behördlichen Auskünfte und das Fehlen entgegenstehender Interessen Dritter, stellen vor dem Hintergrund der baurechtlichen Bestimmungen keine ausreichenden sachlichen Gründe für ein Zuwarten mit der Erlassung des Bauauftrages dar. Gleiches gilt für die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Möglichkeit der Erlangung einer Baubewilligung, weil es der Beschwerdeführerin ja unbenommen bleibt, ein entsprechendes Bauansuchen zu stellen mit der Folge, dass, wie bereits gesagt, während dessen Anhängigkeit keine Vollstreckung des Abtragungsauftrages zulässig ist und mit der Rechtskraft der Baubewilligung kein Schwarzbau, der Gegenstand der Vollstreckung des Bauauftrages sein könnte, mehr vorliegt.
Auch die behauptete Verletzung des Rechts auf "gelindere Maßnahmen" im Sinne der gebotenen Anwendung des § 71 BO, wonach bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Bauwerk, das nur vorübergehenden Zwecken dienen soll oder nicht dauernd bestehen bleiben kann, auf bestimmte Zeit oder auf Widerruf bewilligt werden kann, liegt nicht vor. Es stellt sich - wie bereits erwähnt - nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bezüglich der Rechtmäßigkeit eines Auftrages auf Abtretung eines widerrechtlich errichteten Bauwerkes gemäß § 129 Abs. 10 BO nicht die Frage der Bewilligungsfähigkeit (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 2004, Zl. 2003/05/0224).
Soweit die Beschwerdeführerin unsubstantiiert anmerkt, dass in einem der Bauakten eine Baubewilligung vorhanden sein könnte, ist ihr - abgesehen davon, dass dieses Vorbringen dem Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unterliegt - entgegenzuhalten, dass sie nicht einmal behauptet, einen Bauantrag, der Voraussetzung einer solchen Bewilligung wäre, gestellt zu haben, geschweige denn, selbst über eine solche Bewilligung zu verfügen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 15. November 2011
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