VwGH 2004/05/0023

VwGH2004/05/002321.7.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der Air Design Lüftungstechnik GmbH in Wien, vertreten durch Burghofer & Pacher, Rechtsanwälte GmbH in 1060 Wien, Köstlergasse 1/30, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 10. Dezember 2003, Zl. BOB - 254/03, betreffend Bauauftrag, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
B-VG Art130 Abs2;
VVG §1 Abs1;
VwRallg;
BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
B-VG Art130 Abs2;
VVG §1 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin als Miteigentümerin der verfahrensgegenständlichen Baulichkeit auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in Wien 18 gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) der Auftrag erteilt, 1. den im 1. Stock des Hofgebäudes errichteten Zubau in Form einer Höherführung der Außenmauer der ostseitigen Front von 4,77 m Höhe auf ca. 5,50 m Höhe und die Herstellung einer neuen Dachkonstruktion zu entfernen, 2. die hergestellten Fensteröffnungen in der Dachkonstruktion und in der nordseitigen Außenwand des Hofgebäudes ordnungsgemäß zu verschließen und 3. den im Hofgebäude errichteten geraden Stiegenlauf an der Innenseite der westseitigen Feuermauer vom Erd- zum Dachgeschoß zu entfernen sowie den Deckendurchbruch ordnungsgemäß zu verschließen. Die Berufung gegen Punkt 4. des erstinstanzlichen Auftrages, betreffend die Beseitigung der hergestellten Raumaufteilungen im Erd- und Dachgeschoß in Form von Zwischenwänden, wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unzulässig zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die vom bautechnischen Amtssachverständigen festgestellten und dem Bauauftrag zu Grunde liegenden baulichen Maßnahmen seien bewilligungspflichtig. Die Beschwerdeführerin hätte vor deren Durchführung die erforderliche Baubewilligung erwirken müssen. Die Möglichkeit der Erlangung einer nachträglichen Baubewilligung sei im Auftragsverfahren nicht zu prüfen. Eine wirtschaftliche Abwägung bei der Erlassung des Bauauftrages sei nicht vorgesehen. Die Behörde habe von Amts wegen bei jeder Abweichung bzw. Vorschriftswidrigkeit einen Bauauftrag zu erteilen. Ein Bauauftrag könne selbst bei Anhängigkeit eines Ansuchens um nachträgliche Baubewilligung erteilt werden. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, die Erteilung des gegenständlichen baubehördlichen Auftrages bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über den Ersatz der fehlenden Zustimmung der Miteigentümer zur Bauführung zwecks Erlangung einer nachträglichen Baubewilligung aufzuschieben, könne daher nicht Rechnung getragen werden. Bei der Bemessung der Erfüllungsfrist sei auch nicht auf die zur Erwirkung einer nachträglichen Bewilligung erforderliche Zeit Bedacht zu nehmen. Nach den unbestrittenen Feststellungen des bautechnischen Amtssachverständigen sei die festgesetzte Erfüllungsfrist nach der Art der angeordneten Maßnahmen angemessen. Die Feststellungen des bautechnischen Amtssachverständigen basierten auf der am 29. April 2003 durchgeführten Ortsaugenscheinsverhandlung. Dass die Verfahrensbestimmungen bei dieser Verhandlung nicht eingehalten worden wären, sei nach der Verhandlungsniederschrift trotz ausführlicher Stellungnahme des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin in dieser mündlichen Verhandlung nicht vorgebracht worden. Da der Punkt 4. des erstinstanzlichen Auftrages nicht an die Beschwerdeführerin gerichtet sei, sei ihre dagegen erhobene Berufung unzulässig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, bei der am 29. April 2003 durchgeführten Verhandlung vor Ort sei das in Rede stehende Objekt nicht in Augenschein genommen worden. Die Beteiligten hätten sich lediglich auf die Erörterung der Rechtslage beschränkt, und es sei die problematische Lage, die sich aus der Verweigerung der Zustimmung der Miteigentümer zur abweichenden Bauführung ergebe, besprochen worden. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens sei jedoch nicht festgestellt worden, in welchem Umfang tatsächlich Abweichungen von der ursprünglichen Baubewilligung vorlägen. Nicht nachvollziehbar sei vor allem die Feststellung einer Höherführung der Außenmauer auf ungefähr 5,50 m, da diesbezüglich nie ein Augenschein oder ein Nachmessen durchgeführt worden sei. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei auch im baupolizeilichen Auftragsverfahren anzuwenden. Das gegenständliche Objekt stelle keine Gefahr für Menschen oder umliegende Gebäude dar. Geringfügige Abweichungen von der Baubewilligung seien im "Normalfall" Gegenstand einer "Nachreichung". Im vorliegenden Fall werde eine nachträgliche Bewilligung der Abweichungen nur durch das mutwillige Verhalten anderer Miteigentümer, die ihre Zustimmung in unzulässiger Weise verweigerten, verhindert. Mit einer positiven Erledigung der diesbezüglich anhängigen zivilgerichtlichen Verfahren sei in absehbarer Zeit zu rechnen, weshalb der Beseitigungsauftrag unverhältnismäßig sei. Die Verpflichtung zur Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ergebe sich auch aus der Überlegung, dass im Fall der Nichtbefolgung des baubehördlichen Auftrages die Behörde einen Vollstreckungsbescheid zu erlassen hätte, der die Basis der Ersatzvornahme durch die belangte Behörde bilden würde. Der Vollstreckungsbescheid müsste jedenfalls dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Die Verhältnismäßigkeit der behördlichen Maßnahmen im Vollstreckungsverfahren könnte aber nicht nachgeprüft werden, wenn der Vollstreckungsbescheid von einer im Auftragsverfahren nicht genau erhobenen Faktenlage ausgehe. Die Berücksichtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hätte im vorliegenden Fall dazu geführt, dass das Verfahren zur Nachreichung hätte beendet und die Erteilung der angefochtenen Aufträge hätte unterbleiben müssen.

Gemäß § 129 Abs. 10 BO ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden ist, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht.

Wenn die Beschwerdeführerin rügt, dass der baupolizeiliche Auftrag zu unbestimmt sei, so ist ihr zu entgegen, dass dieser bereits dann konkret genug ist, wenn für einen Fachmann die zu ergreifenden Maßnahmen erkennbar sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 2004, Zl. 2003/05/0022). Daher ist der Auftrag, den im

1. Stock des Hofgebäudes errichteten Zubau in Form einer Höherführung der Außenmauer der ostseitigen Front von 4,77 m Höhe auf ca. 5,50 m Höhe zu entfernen, auch ohne exakte Anführung der Höherführung ausreichend determiniert, zumal hier selbst für die Beschwerdeführerin eindeutig erkennbar sein muss, dass diese Außenmauer der Bewilligung entsprechend auf eine Höhe von 4,77 m zu reduzieren ist. Somit kann aber dahingestellt bleiben, ob der Amtssachverständige anlässlich der Begehung am 29. April 2003 die tatsächlichen Abweichungen nachgemessen hat, weil jedenfalls unbedenklich feststeht, dass die gesetzlich zulässige Höhe des vom Bauauftrag erfassten Gebäudes überschritten ist.

Auch mit dem Vorbringen zur Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vermag die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. Das von der Beschwerdeführerin zitierte hg. Erkenntnis vom 20. April 2001, Zl. 2000/05/0129, betrifft gerade kein Auftragsverfahren, sondern eine notstandspolizeiliche Maßnahme gemäß § 129 Abs. 6 BO, weshalb daraus für die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen ist. Soweit aber ein Auftrag erteilt wird, der Verpflichtung gemäß § 129 Abs. 10 BO zu entsprechen, besteht jedenfalls kein Spielraum, der es der Baubehörde ermöglichen würde, von dem Ziel der Erreichung des gesetzmäßigen Zustandes durch Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit im Sinne des Beschwerdevorbringens abzugehen.

Ferner ist im baupolizeilichen Auftragsverfahren gemäß § 129 Abs. 10 BO nicht zu prüfen, ob die Möglichkeit der Erwirkung einer nachträglichen Bewilligung besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2005, Zl. 2004/05/0279), weshalb schon deshalb die belangte Behörde das Vorbringen der Beschwerdeführerin zur zivilgerichtlichen Erwirkung der Zustimmung der Miteigentümer für ein nachträgliches Baubewilligungsverfahren nicht zu berücksichtigen hatte.

Davon abgesehen bedeutet die an die Baubehörde gerichtete Anordnung, dass "gegebenenfalls Aufträge erteilt werden können", dass die Behörde von Amts wegen bei jeder Abweichung bzw. Vorschriftswidrigkeit im Sinne des § 129 Abs. 10 erster Satz BO einen Auftrag erteilen muss, sofern nicht der Verpflichtete selbst im Sinne der gesetzlichen Anordnung die Abweichung von den Bauvorschriften behebt oder den vorschriftswidrigen Bau beseitigt. Der Behörde ist nur insofern ein Gestaltungsspielraum bei der Durchführung des Bauauftragsverfahrens nach § 129 Abs. 10 BO eingeräumt, als ihr die Möglichkeit an die Hand gegeben ist, mit der Erlassung des Bauauftrages zuzuwarten und dieses - vorläufige -

Unterbleiben sachlich gerechtfertigt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juli 2003, Zl. 2002/05/0969).

In diesem Zusammenhang führte die belangte Behörde aus, es stehe keinesfalls fest, dass und zu welchem absehbaren Zeitpunkt die fehlende Zustimmung der Miteigentümer zur vorgenommenen Bauführung durch Gerichtsbeschluss ersetzt bzw. die nachträgliche Baubewilligung auch tatsächlich im gewünschten und erforderlichen Ausmaß erteilt werden könne. Somit ist aber keinesfalls eine Verletzung der Beschwerdeführerin in einem subjektiv-öffentlichen Recht gegeben, wenn die belangte Behörde auch ohne Vorliegen einer Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen einen Auftrag gemäß § 129 Abs. 10 BO erlassen hat. Zu bemerken ist, dass während der Anhängigkeit eines nachträglichen Baubewilligungsverfahrens betreffend die gegenständlichen Baumaßnahmen der vorliegende Beseitigungsauftrag allerdings nicht vollstreckt werden könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2005, Zl. 2004/05/0279, mwN).

Abschließend ist, besonders im Hinblick auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren, festzuhalten, dass bei Aufträgen betreffend die Behebung eines konsenswidrigen Zustandes gemäß § 129 Abs. 10 BO die wirtschaftliche Zumutbarkeit nicht zu prüfen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2005, Zl. 2004/05/0118).

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. Juli 2005

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