VwGH Ra 2020/03/0126

VwGHRa 2020/03/012624.2.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Landeshauptfrau von Niederösterreich gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 18. Juli 2020, Zl. LVwG‑AV‑716/001‑2020, betreffend eine Angelegenheit nach dem EisbEG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptfrau von Niederösterreich; mitbeteiligte Partei: Ö AG in W, vertreten durch Dr. Martin Wandl, Dr. Wolfgang Krempl, Rechtsanwälte in 3100 St. Pölten, Kremser Gasse 19), den Beschluss gefasst:

Normen

ABGB §365
AVG §58 Abs2
AVG §60
EisbEG 1954 §2
EisbEG 1954 §2 Abs1
EisbEG 1954 §4 Abs1
EisbEG 1954 §4 Abs2
EisenbahnG 1957 §43
StGG Art5
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §29 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020030126.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Das Revisionsverfahren steht im Zusammenhang mit dem zweigleisigen Ausbau der „Pottendorfer Linie“.

2 Der Aktenlage nach kreuzt die zu errichtende Bahntrasse im verfahrensgegenständlichen Bereich ein Gerinne, den sogenannten „K G“ (Grundstück Nr. 1048, KG E), das seitlich von einem Gehölzstreifen (Grundstück Nr. 617, KG E, EZ 1648) und daran anschließend von einem Weg (Grundstück Nr. 981, KG E, EZ 1648) begleitet wird. Das GSt Nr. 1048, also der „Kalte Gang“, steht im Eigentum der Republik Österreich (öffentliches Wassergut), die GSt Nr. 617 und 981 stehen im Eigentum des R D. GSt Nr. 981 ist ‑ unter C‑LNr. 1a der EZ 1648 ‑ zugunsten einer Reihe von herrschenden Grundstücken mit einer Grunddienstbarkeit belastet, nämlich der Benützung des Ufers des K G „für Räumungszwecke, Ab‑ und Zufuhr, Ablagerung, Bereitung von Baustoffen“. Das ‑ den „K G“ und GSt Nr. 981 trennende, ebenfalls im Eigentum des R D stehende ‑ GSt Nr. 617 hingegen ist nicht mit dieser Dienstbarkeit belastet.

3 Die Ö AG, die spätere Enteignungswerberin und nunmehrige mitbeteiligte Partei (iF auch: Ö), hatte sich mit R D über den Verkauf der für Bahnzwecke benötigten Teilflächen der GSt Nr. 981 und 617 geeinigt, und mit einem Teil der Grunddienstbarkeitsberechtigten eine Einigung über die Löschung der Dienstbarkeit erzielt, während weitere Berechtigte eine entsprechende „Freilassung“ ablehnten. Da der von der Ö beabsichtigte Erwerb von „lastenfreiem Eigentum“ an den benötigten Flächen daher nicht erreicht wurde, beantragte sie die nun verfahrensgegenständliche Enteignung.

4 Die Landeshauptfrau von Niederösterreich, die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und nunmehrige Revisionswerberin (iF auch: LH), wies mit Bescheid vom 19. Juni 2020 den Antrag der Mitbeteiligten (iF auch: Ö) auf Übertragung des lastenfreien Eigentums an den näher bezeichneten, bisher im Eigentum des R D stehenden Grundflächen der GSt Nr 981 und 617 gemäß § 2 Abs. 2 Z 3 EisbEG iVm §§2, 6 Abs. 1 HlG ab.

5 In der Begründung dieses Bescheids gab die LH zunächst den Verfahrensgang wieder: Im verfahrenseinleitenden Antrag der Ö sei die Lastenfreistellung hinsichtlich der näher genannten Dienstbarkeit zur Benützung des Ufers des „K G“ beantragt worden. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie (iF auch: BMVIT) habe der Ö mit Bescheid vom 14. März 2016 die grundsätzliche Genehmigung nach dem UVP‑G 2000 für den zweigleisigen Ausbau der Pottendorfer Linie im Abschnitt E, km 20,4 bis km 31,0 erteilt, sowie mit einem weiteren Bescheid vom 11. Oktober 2018 die Detailgenehmigung gemäß § 24f Abs. 11 UVP‑G 2000.

6 Ausgehend vom ebenfalls wiedergegebenen Technischen Bericht der Ö vom 16. Mai 2019 würden die zwischen km 24,78 und km 24,79 der Pottendorfer Linie gelegenen, länglichen (Weg bzw. Windschutzgürtel), von Südwesten nach Nordosten verlaufenden, parallel zum „K G“ liegenden Grundstücke Nr. 981 und 617, beide KG E, EZ 1648, punktuell von der neuen Bahntrasse durchquert. Aus der Errichtung der Bahntrasse und wegen einer notwendigen Eisenbahnbrücke ergebe sich „hier ein dauerhafter Grundbedarf“.

7 Im Weiteren wird das von der Ö vorgelegte Gutachten von DI RK vom 28. Februar 2019 betreffend die Bewertung der oben genannten Dienstbarkeit wiedergegeben. Danach sei (zusammengefasst) „durch die gegebenen Katastergrenzen“ eine Ausübung des gegenständlichen Rechts „nicht ohne weiteres möglich“. Belastet seien die Grundstücke Nr. 981 und 616/1. Diese würden vom „K G“ (Grundstück Nr. 1048) aber durch das im Eigentum des R D gelegene, nicht mit der gegenständlichen Dienstbarkeit belastete Grundstück Nr. 617 getrennt, hinsichtlich dessen auch etwa Betretungsdienstbarkeiten für die bücherlich Berechtigten der gegenständlichen Dienstbarkeit nicht eingetragen seien; zudem seien „außerbücherliche Betretungsbefugnisse“ nicht bekannt. Ohne Betretung des Grundstücks Nr. 617 sei den Berechtigten nicht möglich, „den Bach an dieser Stelle zu räumen“. Theoretisch möglich wäre, „den Bach an anderer Stelle zu räumen und das Räummaterial zu den belasteten Grundstücken zu transportieren und dort (zwischen)zulagern“; ein solches Vorgehen sei „in der Praxis“ jedoch ‑ mangels ausreichenden Anschlusses der belasteten Grundstücke an das öffentliche Verkehrsnetz und wegen nicht ausreichenden Räummaterials ‑ „nicht denkbar“.

8 Im Folgenden werden die Ausführungen im Gutachten über „wirtschaftliche Vorteile des Rechts“ (zusammengefasst: solche seien nicht erkennbar) und den „merkantilen Mehrwert des Rechts“ (auch ein solcher sei nicht gegeben) wiedergegeben.

9 Daran schließt eine auszugsweise Wiedergabe des Gutachtens der Amtssachverständigen für Agrartechnik, DI UP, vom 27. Jänner 2020, wonach (zusammengefasst) die in Rede stehende Dienstbarkeit keinen wirtschaftlichen Wert aufweise.

10 Ohne eigene Feststellungen zu treffen, setzt die Begründung des Bescheids weiter ‑ unter der Überschrift „Hiezu wurde Folgendes erwogen:“ ‑ mit der rechtlichen Beurteilung, eingeleitet durch die Wiedergabe der als relevant erachteten Bestimmungen des HlG und des EisbEG, fort.

11 Fallbezogen wird zunächst dargelegt, dass der Ö die Ausübung des Enteignungsrechts iSd § 1 EisbEG zustehe und die LH für den gegenständlichen Enteignungsantrag zuständig sei.

12 Da die Ö sich mit RD über den Abschluss eines Kaufvertrags über die relevanten Teilflächen der EZ 1648 geeinigt habe, sei Gegenstand des Enteignungsverfahrens (bezogen auf die Teilflächen) lediglich das Erlöschen der in dieser EZ (unter C‑LNR 1a) eingetragenen Dienstbarkeit, nämlich der Benützung des Ufers des „K G“ für Räumungszwecke, Ab‑ und Zufuhr, Ablagerung sowie die Bereitung von Baustoffen.

13 Nach einer Wiedergabe von Rechtssätzen zum Verhältnis zwischen eisenbahnrechtlichem Baugenehmigungsbescheid und darauf aufbauender Enteignung sowie zu verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Enteignung legte die LH dar, dass der Bescheid des BMVIT vom 14. März 2016 für das gegenständliche Enteignungsverfahren Bindungswirkung entfalte.

14 Im vorliegenden Enteignungsverfahren sei zu prüfen, ob eine im Wege der Enteignung vorzunehmende Löschung der im Lastenblatt der EZ 1648 eingetragenen Dienstbarkeit für Herstellung und Betrieb des Eisenbahnprojekts (zweigleisiger Ausbau der Pottendorfer Linie) notwendig sei.

15 Sowohl die von der Ö beigezogenen Sachverständigen als auch die Amtssachverständige für Agrartechnik seien zum Ergebnis gelangt, dass die gegenständliche Dienstbarkeit „de facto nicht mehr ausgeübt“ werden könne. Ungeachtet des grundsätzlichen Interesses der Ö am Erwerb von lastenfreiem Eigentum müsse die beantragte Enteignung dem Grunde nach als nicht notwendig beurteilt werden, weil es sich hier „augenscheinlich um ein ‚nudum ius‘“ handle, das keine Auswirkungen auf das Eisenbahnprojekt habe. Zudem könne das Eisenbahnunternehmen das angestrebte Ziel, also die Löschung der Dienstbarkeit (zum Unterschied vom Erwerb von Eigentum) anderweitig, nämlich im Zivilrechtsweg durchsetzen bzw. müsse dies zumindest vorab anstreben. Darüber hinaus sei gemäß § 6 Abs. 1 HlG in einem Enteignungsbescheid für den Bau einer Hochleistungsstrecke zugleich mit Gegenstand und Umfang der Enteignung die Höhe der Entschädigung festzusetzen. Ausgehend vom Gutachten der Amtssachverständigen wäre keine Entschädigung festzusetzen. Da „der Gesetzgeber allerdings nicht auf eine entschädigungslose Enteignung abzielt“, sei auch aus diesem Grund spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

16 Mit dem nun in Revision gezogenen Beschluss entschied das Verwaltungsgericht über die gegen diesen Bescheid von der Mitbeteiligten erhobene Beschwerde. Der Bescheid wurde aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die LH zurückverwiesen; die ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.

17 Das Verwaltungsgericht gab den wesentlichen Inhalt des angefochtenen Bescheids und des ihm vorangegangenen behördlichen Verfahrens ebenso wieder wie den der Beschwerde und leitete die eigenen Erwägungen damit ein, dass der „festgestellte Sachverhalt“ (tatsächlich gemeint ist der von ihm wiedergegebene Verfahrensgang) zwar unstrittig sei, aber für eine Sachentscheidung durch das Verwaltungsgericht nicht ausreiche.

18 Nach Wiedergabe von als relevant erachteten Rechtsvorschriften legte es zunächst dar, zwischen der LH und der Mitbeteiligten sei der „Gegenstand des Enteignungsverfahrens“ unstrittig. Entscheidend für den Erfolg des Enteignungsantrags sei, ob die Enteignung der Dienstbarkeit für die Herstellung oder den Betrieb der Eisenbahn notwendig sei. Aus § 2 Abs. 2 Z 3 EisbEG ergebe sich, dass die Enteignung von Dienstbarkeiten auch dann notwendig im Sinne des Gesetzes sei, wenn ihre Ausübung der Herstellung oder dem ordnungsgemäßen bzw. sicheren Betrieb der Eisenbahn entgegenstünde. Dies habe die Ö mit ihrem Vorbringen, etwaige Lagerungen oder Arbeiten im Bereich der Eisenbahnanlagen gefährdeten den Bahnbetrieb, auch geltend gemacht. Die belangte Behörde habe zur Beurteilung dieser Frage jedoch keinerlei Feststellungen getroffen. Dies habe sie offenbar aufgrund der Annahme, das in Rede stehende Recht sei nicht ausübbar, unterlassen. Auch zu dieser Annahme fehlten allerdings stichhaltige Feststellungen. Eine derartige Schlussfolgerung lasse sich nicht einmal aus den von der belangten Behörde zitierten Gutachten ableiten. Diese beschäftigten sich mit der Bewertung der potentiell zu enteignenden Dienstbarkeit, aus ihnen ergäbe sich aber nicht, dass die Dienstbarkeit schlechthin nicht mehr ausgeübt werden könnte. Auch wenn man ‑ mit dem Privatgutachter der Ö ‑ davon ausginge, wirtschaftliche Vorteile aus der Ausübung der Dienstbarkeit seien nicht erkennbar bzw. nicht nachvollziehbar, könne daraus nicht abgeleitet werden, dass mit der Ausübung der Dienstbarkeit mit einer angesichts der notwendigen Gewährleistung der Verkehrssicherheit der Eisenbahn zu fordernden Gewissheit überhaupt nicht gerechnet werden müsse. Selbst wenn ‑ entsprechend dem Gutachten ‑ die Ausübung des Rechts „nicht ohne weiteres möglich“ sei, weil Betretungsdienstbarkeiten für das zwischen dem belasteten Grundstück und dem „K G“ liegende Grundstück bücherlich nicht eingetragen bzw. nicht bekannt seien, könnte doch eine außerbücherliche Berechtigung bestehen oder in Zukunft erworben werden. Die im Gutachten genannten Argumente ließen daher nicht den zuverlässigen Schluss zu, dass die Dienstbarkeit gegenwärtig und auch zukünftig mit Gewissheit unmöglich ausgeübt werden könnte, und dass daher damit keine Behinderung, Gefahr oder Störung des Eisenbahnbetriebs verbunden sein könnte. Sie bewiesen (was näher dargelegt wurde) nicht einmal die Wertlosigkeit des in Rede stehenden Rechts.

19 Es lasse sich daher die entscheidungswesentliche Frage der Notwendigkeit der beantragten Enteignung iSd § 2 Abs. 2 EisbEG nicht beantworten, weil der entscheidungswesentliche Sachverhalt „kaum auch nur ansatzweise“ erhoben worden sei.

20 Auch wenn ‑ iS von VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063 ‑ im System des § 28 VwGVG die meritorische Entscheidung durch das Verwaltungsgericht Vorrang vor einer die Ausnahme darstellenden Zurückverweisung an die belangte Behörde habe, liege ein solcher Ausnahmefall hier doch schon deshalb vor, weil der entscheidungswesentliche Sachverhalt „bestenfalls ansatzweise ermittelt“ worden sei. Zudem bedürfe es zunächst Ermittlungen zum konkreten Inhalt des fraglichen Rechts, was erfordere, „dass endlich auch die betroffenen Berechtigten ins Ermittlungsverfahren einbezogen werden“, und einer Abwägung mit allenfalls gegenläufigen öffentlichen Interessen (an Herstellung und Betrieb der Eisenbahn). Zu beachten wäre zudem, dass eine Enteignung nur so weit als notwendig erfolgen dürfe, sodass gegebenenfalls auch zu prüfen wäre, ob mit einer Einschränkung der Dienstbarkeit das Auslangen gefunden werden könne. Erst in einem weiteren Schritt sei die gegebenenfalls zuzuerkennende Enteignungsentschädigung zu ermitteln, wobei es dem Verwaltungsgericht allerdings ‑ wegen der sukzessiven Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte ‑ nicht obliege, der belangten Behörde Vorgaben zu machen.

21 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende ‑ außerordentliche - Revision.

22 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B‑VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B‑VG).

23 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

24 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

25 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. aus vielen VwGH 20.2.2018, Ra 2018/11/0010 bis 0011, und die dort zitierte Vorjudikatur).

26 Die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, muss sich bereits aus der gesonderten Darstellung in der Zulässigkeitsbegründung ergeben (vgl. etwa VwGH 23.6.2014, Ra 2014/12/0002, und VwGH 25.1.2016, Ra 2015/09/0144).

27 In der gesonderten Darstellung ist konkret aufzuzeigen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 23.6.2015, Ra 2015/01/0045, mwN.). Findet sich eine derartige Darstellung in der Angabe der Gründe der Zulässigkeit der Revision aber nicht, sondern etwa nur der allgemeine Hinweis, dass die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweiche, so genügt dies jedenfalls nicht, um das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen (VwGH 28.5.2014, Ra 2014/07/0005). Eine die Zulässigkeit der Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt zudem nur dann vor, wenn die Entscheidung über die Revision von der Lösung eben dieser Rechtsfrage abhängt (vgl. etwa VwGH 9.6.2015, Ro 2014/08/0083; vgl. ‑ zusammenfassend ‑ zum Ganzen auch VwGH 10.2.2017, Ra 2016/03/0100, 4.9.2018, Ra 2018/03/0073, 24.9.2018, Ra 2018/03/0102, 21.12.2018, Ra 2018/03/0078, und 24.4.2019, Ra 2018/03/0051).

28 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision macht einleitend geltend, es liege keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vor, ob eine Enteignung das Erfordernis der ultima ratio erfülle, wenn der Gegenstand der Enteignung ‑ fallbezogen das Erlöschen einer Realdienstbarkeit ‑ auch im Klagsweg durchgesetzt werden könne. Das Verwaltungsgericht unterstelle dem EisbEG zudem einen verfassungswidrigen Inhalt, indem es eine Enteignung auch ohne Entschädigung zulasse. Schließlich verstoße das angefochtene Erkenntnis gegen die (näher zitierte) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, weil die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung der Sache an die LH (anstelle einer Sachentscheidung durch das Verwaltungsgericht) nicht gegeben gewesen seien.

29 Sie führt dazu aus, nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs sei die Verhältnismäßigkeit einer Enteignung nur gegeben, wenn diese ultima ratio sei, weil insbesondere ein privatrechtlicher Rechtserwerb nicht möglich sei. Diese Entscheidungen bezögen sich allerdings auf die zwangsweise Einräumung von Eigentum bzw. Dienstbarkeiten, nicht aber auf die Löschung einer Grunddienstbarkeit im Wege der Enteignung. Indem das Verwaltungsgericht die Möglichkeit der Löschung einer Grunddienstbarkeit im Klagsweg außer Acht lasse und das bloße Anbieten eines Entgelts für die Löschung als ausreichend ansehe, unterstelle es dem EisbEG einen verfassungswidrigen Inhalt, durch den die Grunddienstbarkeitsberechtigten in ihrem Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt würden. Zudem verlange eine Enteignung jedenfalls eine Entschädigung, um dem Enteigneten nicht unzulässig ein „Sonderopfer“ aufzubürden. Auch dies habe das Verwaltungsgericht verkannt, indem es eine Enteignung auch ohne Entschädigung für zulässig angesehen habe.

30 Schließlich lägen die von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs geforderten Voraussetzungen für die Zurückverweisung der Sache anstelle der Fällung einer Sachentscheidung durch das Verwaltungsgericht nicht vor, weil die LH nicht etwa bloß unzureichende Ermittlungsschritte gesetzt habe, vielmehr die für die rechtliche Beurteilung erforderlichen Sachverhaltselemente „im hinreichenden Ausmaß beleuchtet“ worden seien. Abgesehen davon hätte das Verwaltungsgericht jedenfalls im Hinblick auf die Verfahrensdauer und die Kostenersparnis selbst ein Ermittlungsverfahren durchführen müssen.

31 Mit diesem Vorbringen wird nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte.

32 Der verfahrenseinleitende Antrag war von den Ö gestellt worden, weil für Bau und Betrieb der Eisenbahn (zweigleisiger Ausbau der Pottendorfer Linie im gegenständlichen Bereich) die näher genannten Grundflächen benötigt würden, wobei zwar mit dem Liegenschaftseigentümer eine Einigung erzielt worden sei, nicht aber mit allen (weiteren) dinglich Berechtigten an der Liegenschaft; die lastenfreie Eigentumsübertragung, also die Aufhebung der gegenständlichen Grunddienstbarkeiten, sei aber für den sicheren Betrieb der Eisenbahn erforderlich.

33 Diesen Antrag hatte die belangte Behörde mit der primären Begründung abgewiesen, es bestehe ‑ mangels Ausübbarkeit der Dienstbarkeit, die deshalb keinen Einfluss auf den Bau und Betrieb der Eisenbahn haben könne ‑ keine Notwendigkeit einer zwangsweisen Entziehung dieses Rechts. Zudem könne die Ö ihren behaupteten Anspruch im Zivilrechtsweg durchsetzen und es sei schließlich eine entschädigungslose Enteignung unzulässig.

34 Das Verwaltungsgericht hat (zusammengefasst) die von ihm vorgenommene Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit im Wesentlichen darauf gestützt, dass die für die abschließende rechtliche Beurteilung erforderlichen Feststellungen fehlten. Es könne weder die allfällige Beeinträchtigung der Sicherheit des Bahnbetriebs durch eine Ausübung der Dienstbarkeiten beurteilt werden, noch die Frage, ob dieses Recht, wie von der belangten Behörde angenommen, tatsächlich nicht ausübbar sei. Die Feststellungsmängel erreichten ein Ausmaß, das die Aufhebung und Zurückverweisung rechtfertige.

35 Vor diesem Hintergrund sind zunächst folgende Bestimmungen des EisbEG (dessen Regelungen gemäß § 2 HlG für den Bau von Hochleistungsstrecken und deren Betrieb grundsätzlich sinngemäß anzuwenden sind) in Erinnerung zu rufen:

36 Das Enteignungsrecht kann zu einer dauernden oder vorübergehenden Enteignung nur insoweit ausgeübt werden, als es die Herstellung und der Betrieb der Eisenbahn notwendig machen (§ 2 Abs. 1 EisbEG). Davon umfasst ist gemäß § 2 Abs. 2 EisbEG insbesondere ‑ u.a. ‑ das Recht auf Abtretung von Grundstücken (Z 1) und auf Einräumung von Servituten und anderen dinglichen Rechten an unbeweglichen Sachen, sowie auf Abtretung, Einschränkung oder Aufhebung derartiger und solcher Rechte, deren Ausübung an einen bestimmten Ort gebunden ist (Z 3).

37 Gemäß § 4 Abs. 1 EisbEG ist das Eisenbahnunternehmen verpflichtet, den Enteigneten für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile gemäß § 365 ABGB schadlos zu halten, wobei nach Abs. 2 als Enteigneter jeder anzusehen ist, dem der Gegenstand der Enteignung gehört, oder dem an einem Gegenstand der Enteignung ein mit dem Eigentum eines anderen Gegenstandes verbundenes dingliches Recht zusteht.

38 Dieser „Gleichklang“ zwischen Eigentum und (anderen) dinglichen Rechten besteht schon von Verfassung wegen: Nicht nur das Eigentum selbst genießt verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz, dieser kommt vielmehr allen vermögenswerten Privatrechten zugute (vgl. nur etwa VfGH 14.7.2020, G 202/2020 u.a.; 3.7.2015, G 239/2014 u.a.); geschützt sind somit auch Dienstbarkeiten wie die hier in Rede stehenden. Dem entsprechend werden vom EisbEG Eingriffe in das Eigentum und in Grunddienstbarkeiten insofern gleich behandelt, als für einen solchen Eingriff jedenfalls erforderlich ist, dass er für Herstellung oder Betrieb der Eisenbahn notwendig ist (§ 2 EisbEG). Der von der Enteignung Betroffene wiederum hat einen Entschädigungsanspruch iSd § 4 Abs. 1 EisbEG, unabhängig davon, ob seine Stellung als „Enteigneter“ durch Eigentum begründet wird oder durch ein (anderes) dingliches Recht iSd § 4 Abs. 2 EisbEG.

39 Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Eigentumseingriffs durch Enteignung ist schon von Verfassung wegen, dass die Enteignung durch das öffentliche Interesse geboten ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn ein konkreter Bedarf vorliegt, dessen Deckung im öffentlichen Interesse liegt, das Objekt der Enteignung überhaupt geeignet ist, den Bedarf unmittelbar zu decken, und es unmöglich ist, den Bedarf anders als durch Enteignung zu decken (vgl. etwa VfGH 30.6.2017, G 53/2017, VfSlg 20.186; VwGH 10.10.2018, Ra 2018/03/0108; VwGH 24.10.2017, Ro 2014/06/0061).

40 Ist primäre Voraussetzung für den Ausspruch der beantragten Enteignung (die dann gegebenenfalls einen Entschädigungsanspruch des Betroffenen auslöst) also deren Notwendigkeit zur Umsetzung des bewilligten Projekts, so erfordert dies (wenn diese Notwendigkeit nicht evident ist) eine ausreichend begründete Entscheidung mit entsprechend klaren Feststellungen,

41 Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs haben behördliche (wie auch verwaltungsgerichtliche Entscheidungen) eine Begründung zu enthalten, in der die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind. Es ist daher in einer eindeutigen (die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und gegebenenfalls einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen) Weise darzutun, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen zur Ansicht gelangt wurde, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtet wurde (vgl. nur etwa VwGH 2.9.2019, Ra 2019/03/0093, mwN). Hingegen entspricht die bloße Wiedergabe von Beweisergebnissen diesen Anforderungen nicht (vgl. nur etwa VwGH 25.5.2016, Ra 2016/11/0038, mwN).

42 Damit liegt auf der Hand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid der belangten Behörde diesen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung (§§ 58 und 60 AVG) nicht genügt, enthält er doch keine Feststellung des Sachverhalts, den die belangte Behörde als erwiesen ansieht; die bloße Wiedergabe von Beweisergebnissen wie vorliegend die Ausführungen in Sachverständigengutachten ist dafür nicht hinreichend.

43 Vor diesem Hintergrund in Verbindung mit der Aktenlage ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts, am Maßstab der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu § 28 VwGVG (vgl. dazu grundlegend VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, und die daran anknüpfende Folgejudikatur) sei im vorliegenden Fall eine Ausnahme von der meritorischen Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichts gewesen, weil die belangte Behörde bloß „ansatzweise“ Ermittlungen getätigt habe, als hier noch vertretbar zu erachten.

44 Entgegen der Zulässigkeitsbegründung der Revision stellt sich daher die Frage nach der allfälligen Zulässigkeit einer „entschädigungslosen“ Enteignung im Revisionsfall ebensowenig wie die, ob nach dem bei Enteignungen anzuwendenden „ultima ratio Grundsatz“ bei einer Enteignung von Grunddienstbarkeiten Voraussetzung auch sei, dass deren „Löschung im Klagsweg“ nicht erreicht werden könne. Fehlen ‑ wie hier ‑ entsprechende Feststellungen, haben die angesprochenen Fragen bloß theoretische Bedeutung und hängt die Entscheidung über die Revision damit nicht von der Beantwortung dieser Fragen ab, was aber Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision ist (vgl. VwGH 24.4.2019, Ra 2018/03/0051, 20.11.2019, Ra 2019/03/0046).

45 Zudem: Entgegen der Darstellung der Revision hat das Verwaltungsgericht nicht etwa die Zulässigkeit „entschädigungsloser“ Enteignungen bejaht, sondern die Auffassung vertreten, die von der belangten Behörde angenommene „Wertlosigkeit“ der revisionsgegenständlichen Dienstbarkeiten lasse sich aus den eingeholten Gutachten nicht ableiten.

46 Im Übrigen:

47 Die Ö hatte die Notwendigkeit der Enteignung im Wesentlichen damit begründet, die Ausübung der Dienstbarkeit durch etwaige Lagerungen oder Arbeiten im Bereich der Eisenbahnanlagen gefährde den Bahnbetrieb.

48 Wenn gemäß § 2 Abs. 1 EisbEG das Enteignungsrecht zu einer Enteignung nur insoweit ausgeübt werden kann, als es die Herstellung „und der Betrieb der Eisenbahn“ notwendig machen, dient diese Rechtsvorschrift ‑ neben der (erstmaligen) Herstellung der Eisenbahn ‑ der Erhaltung ihres Bestandes und der Gewährleistung eines sicheren Betriebs. Nach dem damit anzulegenden Maßstab ist die Enteignung durch Entziehung der in Rede stehenden Dienstbarkeiten schon dann „notwendig“, wenn ansonsten eine Gefährdung der Eisenbahn samt Betriebs‑ und Verkehrsführung nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann (vgl. in diesem Sinn ‑ zur Festlegung des Gefährdungsbereichs nach § 43 EisbG ‑ etwa VwGH 5.9.2018, Ra 2018/03/0053).

49 Das Verwaltungsgericht ist daher mit seiner Auffassung, entscheidend sei, „ob mit der Ausübung der Dienstbarkeit mit einer angesichts der notwendigen Gewährleistung der Verkehrssicherheit der Eisenbahn zu fordernden Gewissheit überhaupt nicht gerechnet werden müsse“, im Recht. Es hat auch zutreffend aufgezeigt, dass im verwaltungsbehördlichen Verfahren eine Beiziehung der Dienstbarkeitsberechtigten, die als zu Enteignende aber Parteistellung im Verfahren hatten, unterblieben war, dass dies für eine verlässliche Feststellung des Inhalts der Dienstbarkeit aber ebenso unerlässlich wäre wie für die Beurteilung der Frage, ob mit einer Ausübung der Dienstbarkeit (mit der notwendigen Gewissheit) nicht zu rechnen ist.

50 Schließlich: Ein allfälliger Anspruch auf Löschung unwirksamer oder unwirksam gewordener Eigentumsbeschränkungen wie Dienstbarkeiten (darauf dürfte das Zulässigkeitsvorbringen zur Möglichkeit der Löschung einer Grunddienstbarkeit im Klagsweg abzielen), aus den getroffenen Feststellungen allerdings ohnehin nicht erkennbar, ist aus dem Eigentum abzuleiten und erfordert gegebenenfalls die Beiziehung aller Miteigentümer als einheitliche Streitpartei (vgl. OGH 19.5.1998, 10 Ob 69/98i). Dieser „Umweg“ kann daher nicht gegen die Zulässigkeit einer Enteignung ins Treffen geführt werden, wird doch dem damit angesprochenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur durch ein zur Zielerreichung geeignetes Mittel entsprochen, nicht aber durch die Auswahl einer Maßnahme, deren Effektivität in Zweifel steht (vgl. VwGH 20.12.2017, Ra 2017/03/0069).

51 In der Revision werden nach dem Gesagten also keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 24. Februar 2021

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte