VwGH Ra 2019/22/0130

VwGHRa 2019/22/01308.10.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision des Landeshauptmannes von Wien gegen das am 13. Juni 2018 mündlich verkündete und mit Datum vom 9. April 2019 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, VGW-151/011/16067/2016-18, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Partei: N B, z.Hd. A B, W), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §59 Abs1
B-VG Art133 Abs4
NAG 2005 §47 Abs2
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §28 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019220130.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Partei, eine mazedonische Staatsangehörige, stellte am 18. August 2016 unter Berufung auf ihre Ehe mit dem österreichischen Staatsbürger A B einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger von Österreicher" gemäß § 47 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG).

2 Mit Bescheid vom 22. November 2016 wies der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde, Revisionswerber) den Antrag der Mitbeteiligten auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Familienangehöriger" gestützt auf § 11 Abs. 2 Z 4 in Verbindung mit Abs. 5 NAG ab. Begründend hielt die belangte Behörde fest, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Aufenthalt der Mitbeteiligten im Bundesgebiet zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könne. Die Abwägung nach § 11 Abs. 3 NAG falle zu Ungunsten der Mitbeteiligten aus. 3 Über die dagegen erhobene Beschwerde der Mitbeteiligten erkannte das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis wie folgt:

"Gemäß § 28 Abs. 1 i.V.m. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgeset

z - VwGVG wird der angefochtene Bescheid vom 22.11.2016 behoben

und antragsgemäß der Aufenthaltstitel ,RWR+' für Familienangehörige gemäß § 47 Abs. 2 NAG für die Dauer eines Jahres ab Rechtskraft dieses Erkenntnisses, erteilt."

Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für unzulässig erklärt.

4 Das Verwaltungsgericht verwies im Kopf der Entscheidung auf die Abweisung des Antrags der Mitbeteiligten auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Familienangehöriger" durch die belangte Behörde. Nach den Ausführungen zu den Erteilungsvoraussetzungen und zur Abwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG unter Betonung des Kindeswohles des minderjährigen Kindes der Mitbeteiligten und des A B hielt das Verwaltungsgericht abschließend fest, dass "die Erteilungsvoraussetzungen als erfüllt anzusehen" seien und "der Aufenthaltstitel im Sinne des Antrages vom 18.8.2016 zu bewilligen" gewesen sei. Ein Hinweis auf § 46 NAG bzw. den dort geregelten Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" findet sich in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses nicht.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der belangten Behörde. 6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit zum einen vor, der vom Verwaltungsgericht scheinbar erteilte Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" könne nach § 46 Abs. 1 NAG nur an drittstaatsangehörige Familienangehörige von Zusammenführenden nach § 2 Abs. 1 Z 10 NAG (dies sind ihrerseits Drittstaatsangehörige, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen) erteilt werden. Vorliegend sei der Zusammenführende A B aber österreichischer Staatsbürger, weshalb das Verwaltungsgericht einen Aufenthaltstitel Familienangehöriger" nach § 47 Abs. 2 NAG (wie er auch beantragt gewesen sei) hätte erteilen müssen. 8 Dem Revisionswerber ist zuzugestehen, dass der Wortlaut des Spruchs des angefochtenen Erkenntnisses für sich allein betrachtet unklar erscheint. Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings in einem ähnlich gelagerten Fall (siehe den Beschluss VwGH 25.7.2019, Ra 2019/22/0090, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird), zur Auslegung des Spruchs eines Erkenntnisses Folgendes ausgeführt:

"Gemäß § 59 Abs. 1 AVG, der nach § 17 VwGVG im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten sinngemäß anzuwenden ist, hat der Spruch (eines Erkenntnisses) die in Verhandlung stehende Angelegenheit in möglichst gedrängter deutlicher Fassung zu erledigen. Die Entscheidung muss dem Gebot der hinreichenden Bestimmtheit entsprechen. Das Gebot der ausreichenden Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit des Spruchs ist auch bei der Erteilung eines Aufenthaltstitels bei sonstiger Rechtswidrigkeit der Entscheidung zu beachten (siehe zu allem VwGH 21.9.2017, Ra 2016/22/0068, Pkt. 8.1, mwN).

Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Spruchs dürfen aber nicht überspannt werden. So darf etwa neben dem in erster Linie maßgeblichen Wortlaut des Spruchs auch die Begründung der Entscheidung als Auslegungshilfe herangezogen werden, wenn der Spruch als individuelle Norm einer Auslegung bedarf. Dabei genügt es, wenn sich aus der Einbeziehung der Begründung in die Auslegung des Spruchs der Inhalt der Entscheidung mit ausreichender Deutlichkeit ergibt. Auch das Unterbleiben der Anführung von Gesetzesbestimmungen (im Spruch wie ebenso in der Begründung) führt nicht zur Aufhebung einer Entscheidung, wenn mit Rücksicht auf die Eindeutigkeit des Gegenstands kein Zweifel darüber bestehen kann, welche Vorschriften ihre Grundlage gebildet haben. Nicht zuletzt hängen die Anforderungen an das Maß der Bestimmtheit stets von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. zu allem erneut VwGH 2016/22/0068, Pkt. 8.2, mwN)."

9 Ausgehend von diesen Grundsätzen ist vorliegend eine vom Verwaltungsgerichtshof als Abweichung von seiner Rechtsprechung aufzugreifende unzureichende Bestimmtheit des angefochtenen Erkenntnisses nicht ersichtlich.

10 Zwar ist im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses von einem Aufenthaltstitel "RWR+" die Rede, allerdings folgt unmittelbar danach der Zusatz "für Familienangehörige gemäß § 47 Abs. 2 NAG". Zudem erfolgt im Spruch die Behebung des bekämpften Bescheides der belangten Behörde vom 22. November 2016, mit dem - wie im Kopf der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich festgehalten wird - der Antrag der Mitbeteiligten auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Familienangehöriger" abgewiesen worden ist. Sache des Beschwerdeverfahrens war somit nur der Antrag der Mitbeteiligten auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" nach § 47 Abs. 2 NAG. Weiters ist in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses abschließend von der Erteilung des Aufenthaltstitels im Sinne des Antrags der Mitbeteiligten vom 18. August 2016 die Rede, der auf einen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger von Österreicher" gerichtet war. Ein Verweis auf § 46 NAG findet sich in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses demgegenüber ebenso wenig wie ein sonstiger Hinweis dahingehend, dass das Verwaltungsgericht einen anderen Aufenthaltstitel als den beantragten erteilen wollte. Somit ergibt sich im vorliegenden Fall mit ausreichender Deutlichkeit, dass der Mitbeteiligten der von ihr beantragte Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" nach § 47 Abs. 2 NAG erteilt wurde (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation VwGH 17.9.2019, Ra 2019/22/0094).

11 Zum anderen verweist der Revisionswerber in seinem Zulässigkeitsvorbringen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. des EGMR zu § 11 Abs. 3 NAG bzw. Art. 8 EMRK. Moniert werden die mangelhafte Interessenabwägung durch das Verwaltungsgericht sowie fehlende Feststellungen - etwa zur Dauer und zur Intensität des bestehenden Familienlebens. Das Verwaltungsgericht sei daher von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Interessenabwägung nach § 11 Abs. 3 NAG abgewichen.

12 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung kann die im Rahmen der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht erfolgreich mit Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG bekämpft werden (vgl. VwGH 25.7.2019, Ra 2019/22/0085, Rn. 9, mwN). 13 Eine derartige Unvertretbarkeit vermag der Revisionswerber vorliegend nicht aufzuzeigen, weil das Vorbringen zu den vermissten Darlegungen bzw. Feststellungen der Sache nach auf einen Verfahrens- bzw. Begründungsmangel abzielt, hinsichtlich dessen es aber an einer entsprechenden Relevanzdarstellung fehlt (vgl. zur notwendigen Darlegung der Relevanz eines behaupteten Verfahrensmangels in der Zulassungsbegründung VwGH 31.7.2019, Ra 2019/22/0145, Rn. 8, mwN, bzw. zur Relevanzdarstellung allgemein VwGH 23.5.2018, Ra 2018/22/0074, Pkt. 4.2; 21.11.2018, Ra 2018/04/0088, Rn. 6, mwN).

14 Soweit der Revisionswerber schließlich noch die - als völlig verfehlt bezeichneten - Ausführungen des Verwaltungsgerichtes zur Zurückverweisung ins Treffen führt, ist dem entgegenzuhalten, dass die Aufnahme von Ausführungen, die im Hinblick auf die erfolgte Erledigung der Beschwerde keinen Begründungswert beinhalten (wie vorliegend die Ausführungen des Verwaltungsgerichtes zur Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG und zum Prüfungsumfang nach § 27 VwGVG), für sich genommen keine grundsätzliche Rechtsfrage begründet.

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

16 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 8. Oktober 2019

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