VwGH Ra 2019/22/0090

VwGHRa 2019/22/009025.7.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache des Landeshauptmannes von Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 22. Februar 2019, VGW-151/011/13525/2018-12, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Partei: T K, vertreten durch Mag.a Doris Einwallner, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Schönbrunner Straße 26/3), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §58 Abs2
AVG §59 Abs1
AVG §60
B-VG Art133 Abs4
NAG 2005 §46 Abs1 Z2
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019220090.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 24. August 2018 wies der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde, Revisionswerber) den - zum Zweck der Familiengemeinschaft mit ihrem in Österreich niedergelassenen und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügenden Ehemann gestellten - Antrag der Mitbeteiligten, einer kosovarischen Staatsangehörigen, vom 7. Februar 2018 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" nach § 46 Abs. 1 Z 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) gestützt auf § 11 Abs. 2 Z 4 in Verbindung mit Abs. 5 NAG ab, weil ihr Aufenthalt zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Die dagegen erhobene Beschwerde der Mitbeteiligten enthielt den Antrag, den angefochtenen Bescheid dahingehend zu ändern, dass ihr der beantragte Aufenthaltstitel erteilt werde.

2 Über diese Beschwerde erkannte das Verwaltungsgericht Wien wie folgt:

"Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der Aufenthaltstitel für den Zweck Familienangehöriger gemäß § 46 NAG für die Dauer eines Jahres erteilt."

Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für unzulässig erklärt.

Das Verwaltungsgericht verwies im Kopf seiner Entscheidung auf die Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Rot-Weiß-Rot - Karte plus (§ 46/1/2)". In der Begründung wurde - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Relevanz - der Spruch des angefochtenen Bescheides samt Bezugnahme auf § 46 Abs. 1 Z 2 NAG wiedergegeben und § 46 NAG bei den Rechtsgrundlagen zitiert. Ein Hinweis auf § 47 NAG bzw. den dort geregelten Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" findet sich im angefochtenen Erkenntnis nicht.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der belangten Behörde. 4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, der laut dem Spruch des angefochtenen Erkenntnisses scheinbar erteilte Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" könne nach § 47 Abs. 2 NAG nur an drittstaatsangehörige Familienangehörige von Zusammenführenden im Sinn des § 47 Abs. 1 NAG (Österreicher, EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die näher genannte Voraussetzungen erfüllen) erteilt werden. Beim Ehemann der Mitbeteiligten handle es sich demgegenüber um einen Zusammenführenden im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 10 NAG, somit einen rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen. Ein Aufenthaltstitel nach § 47 NAG komme daher nicht in Betracht. Das Verwaltungsgericht habe in Verkennung der Rechtslage einen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" erteilt, obwohl ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" beantragt worden sei.

6 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

7 Gemäß § 59 Abs. 1 AVG, der nach § 17 VwGVG im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten sinngemäß anzuwenden ist, hat der Spruch (eines Erkenntnisses) die in Verhandlung stehende Angelegenheit in möglichst gedrängter deutlicher Fassung zu erledigen. Die Entscheidung muss dem Gebot der hinreichenden Bestimmtheit entsprechen. Das Gebot der ausreichenden Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit des Spruchs ist auch bei der Erteilung eines Aufenthaltstitels bei sonstiger Rechtswidrigkeit der Entscheidung zu beachten (siehe zu allem VwGH 21.9.2017, Ra 2016/22/0068, Pkt. 8.1, mwN).

Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Spruchs dürfen aber nicht überspannt werden. So darf etwa neben dem in erster Linie maßgeblichen Wortlaut des Spruchs auch die Begründung der Entscheidung als Auslegungshilfe herangezogen werden, wenn der Spruch als individuelle Norm einer Auslegung bedarf. Dabei genügt es, wenn sich aus der Einbeziehung der Begründung in die Auslegung des Spruchs der Inhalt der Entscheidung mit ausreichender Deutlichkeit ergibt. Auch das Unterbleiben der Anführung von Gesetzesbestimmungen (im Spruch wie ebenso in der Begründung) führt nicht zur Aufhebung einer Entscheidung, wenn mit Rücksicht auf die Eindeutigkeit des Gegenstands kein Zweifel darüber bestehen kann, welche Vorschriften ihre Grundlage gebildet haben. Nicht zuletzt hängen die Anforderungen an das Maß der Bestimmtheit stets von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. zu allem erneut VwGH 2016/22/0068, Pkt. 8.2, mwN).

8 Ausgehend von diesen Grundsätzen ist vorliegend eine vom Verwaltungsgerichtshof als Abweichung von seiner Rechtsprechung aufzugreifende unzureichende Bestimmtheit des angefochtenen Erkenntnisses nicht ersichtlich.

9 Zwar ist im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses von einem "Aufenthaltstitel für den Zweck Familienangehöriger" die Rede, das Verwaltungsgericht hat damit aber - entgegen der Auffassung des Revisionswerbers - keinen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" nach § 47 NAG erteilt. Das Verwaltungsgericht verweist nämlich zum einen im Spruch ausdrücklich auf einen Aufenthaltstitel "gemäß § 46 NAG". Zum anderen wird (in der Begründung und im Kopf der Entscheidung) wiederholt auf die (mit dem bei ihm angefochtenen Bescheid erfolgte) Abweisung des zugrunde liegenden Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 NAG Bezug genommen. Hinzu kommt, dass nach dem Spruch mit dem angefochtenen Erkenntnis der Beschwerde stattgegeben wurde und in der Beschwerde die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels - somit eines Aufenthaltstitels nach § 46 Abs. 1 Z 2 NAG - begehrt worden war. Umgekehrt enthält die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses keinerlei Hinweise darauf, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 47 NAG Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sein solle. Bei Auslegung des Spruchs unter Heranziehung der Entscheidungsgründe im Sinn der oben dargestellten Grundsätze ist es daher unschädlich, dass der Spruch des angefochtenen Erkenntnisses die Bezeichnung des erteilten Aufenthaltstitels als "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" nicht enthält. Dass vor dem Verweis auf die zutreffende gesetzliche Grundlage (§ 46 NAG) allgemein von einem "Aufenthaltstitel für den Zweck Familienangehöriger" gesprochen wird, vermag daran nichts zu ändern, zumal § 46 NAG laut seiner Überschrift "Bestimmungen über die Familienzusammenführung" enthält. Es ergibt sich somit fallbezogen mit ausreichender Deutlichkeit, dass mit dem angefochtenen Erkenntnis der beantragte Aufenthaltstitel nach § 46 Abs. 1 Z 2 NAG erteilt wurde.

10 Soweit in der Revision noch das Quotenerfordernis angesprochen wird und der Revisionswerber damit der Sache nach einen Begründungsmangel rügt, fehlt es diesem Vorbringen mangels jeglicher Substanziierung an einer entsprechenden Relevanzdarstellung (vgl. allgemein dazu VwGH 8.11.2018, Ra 2018/22/0232, Rn. 13, mwN).

11 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 25. Juli 2019

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