VwGH Ra 2019/22/0094

VwGHRa 2019/22/009417.9.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache des Landeshauptmannes von Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 15. Februar 2019, VGW-151/083/10574/2018-10, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Partei: M S), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §58 Abs2
AVG §59 Abs1
AVG §60
B-VG Art133 Abs4
NAG 2005 §46 Abs1 Z2
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019220094.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 26. Juni 2018 wies der Landeshauptmann von Wien (nunmehriger Revisionswerber) den - zum Zweck der Familiengemeinschaft mit seiner in Österreich niedergelassenen und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügenden Ehefrau gestellten - Antrag des Mitbeteiligten, eines Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina, vom 26. April 2018 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" nach § 46 Abs. 1 Z 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) gestützt auf § 11 Abs. 2 Z 4 in Verbindung mit Abs. 5 NAG ab, weil sein Aufenthalt zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Die dagegen erhobene Beschwerde des Mitbeteiligten enthielt den Antrag, den angefochtenen Bescheid dahingehend zu ändern, dass ihm der beantragte Aufenthaltstitel ausgestellt werde.

2 Über diese Beschwerde erkannte das Verwaltungsgericht Wien wie folgt:

"Der Beschwerde wird stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF, der Aufenthaltstitel 'Familienangehöriger' für die Dauer von 12 Monaten erteilt."

3 Das Verwaltungsgericht stellte ua. fest, dass der Mitbeteiligte seit 14. April 2018 mit einer ebenfalls bosnischen Staatsangehörigen verheiratet sei. Weiters führte das Verwaltungsgericht - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Relevanz - aus, dass alle Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels vorlägen und der Aufenthaltstitel gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 NAG zu erteilen gewesen sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der belangten Behörde. 5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, der Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" könne nach § 47 Abs. 2 NAG nur an drittstaatsangehörige Familienangehörige von Zusammenführenden im Sinn des § 47 Abs. 1 NAG (Österreicher, EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die näher genannte Voraussetzungen erfüllten) erteilt werden. Die Ehegattin des Mitbeteiligten verfüge über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht und es handle sich bei ihr um eine Zusammenführende im Sinn des § 2 Abs. 10 NAG. Es komme daher nur der Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" zur Anwendung, keinesfalls jedoch ein Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" nach § 47 NAG.

9 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

10 In einem ähnlich gelagerten Fall hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. Juli 2019, Ra 2019/22/0090, - auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 und Abs. 9 VwGG verwiesen wird - unter Rn. 7 ausgeführt:

"Gemäß § 59 Abs. 1 AVG, der nach § 17 VwGVG im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten sinngemäß anzuwenden ist, hat der Spruch (eines Erkenntnisses) die in Verhandlung stehende Angelegenheit in möglichst gedrängter deutlicher Fassung zu erledigen. Die Entscheidung muss dem Gebot der hinreichenden Bestimmtheit entsprechen. Das Gebot der ausreichenden Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit des Spruchs ist auch bei der Erteilung eines Aufenthaltstitels bei sonstiger Rechtswidrigkeit der Entscheidung zu beachten (siehe zu allem VwGH 21.9.2017, Ra 2016/22/0068, Pkt. 8.1, mwN).

Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Spruchs dürfen aber nicht überspannt werden. So darf etwa neben dem in erster Linie maßgeblichen Wortlaut des Spruchs auch die Begründung der Entscheidung als Auslegungshilfe herangezogen werden, wenn der Spruch als individuelle Norm einer Auslegung bedarf. Dabei genügt es, wenn sich aus der Einbeziehung der Begründung in die Auslegung des Spruchs der Inhalt der Entscheidung mit ausreichender Deutlichkeit ergibt. Auch das Unterbleiben der Anführung von Gesetzesbestimmungen (im Spruch wie ebenso in der Begründung) führt nicht zur Aufhebung einer Entscheidung, wenn mit Rücksicht auf die Eindeutigkeit des Gegenstands kein Zweifel darüber bestehen kann, welche Vorschriften ihre Grundlage gebildet haben. Nicht zuletzt hängen die Anforderungen an das Maß der Bestimmtheit stets von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. zu allem erneut VwGH 2016/22/0068, Pkt. 8.2, mwN)."

11 Ausgehend von diesen Grundsätzen ist auch im vorliegenden Fall eine vom Verwaltungsgerichtshof als Abweichung von dieser Rechtsprechung aufzugreifende unzureichende Bestimmtheit des angefochtenen Erkenntnisses nicht ersichtlich.

12 Zwar ist im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses von einem "Aufenthaltstitel ?Familienangehöriger'" die Rede, doch hat das Verwaltungsgericht damit keinen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" nach § 47 NAG erteilt. Im Spruch ist nämlich ausdrücklich § 46 Abs. 1 Z 2 NAG angeführt. Zudem wurde gemäß dem Spruch mit dem angefochtenen Erkenntnis der Beschwerde gegen den Bescheid, mit dem der Antrag auf Erteilung einer "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" abgewiesen worden war, stattgegeben und in der Beschwerde die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels begehrt. Sache des Beschwerdeverfahrens war somit nur der Antrag auf Erteilung einer "Rot-Weiß-Rot - Karte plus". Es ergibt sich somit auch im vorliegenden Fall mit ausreichender Deutlichkeit, dass mit dem angefochtenen Erkenntnis der beantragte Aufenthaltstitel nach § 46 Abs. 1 Z 2 NAG erteilt wurde. 13 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 17. September 2019

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